Zwei Wochen zuvor

»Also, wir brauchen auf jeden Fall dieses spezielle Gefährt, diverse Klamotten und dann noch diese kleine Liste an Dingen.« Christophorus legte dem Schutzpatron einen langen, handgeschriebenen Zettel auf die Werkbank. Er strich sich fahrig über die Koteletten, als sei er unsicher, ob er alles richtig gemacht hatte. »Ich hab es mit allen besprochen. Jeder hat seinen Wunschzettel ausgefüllt, ich hab’s nur am Schluss noch mal gebündelt. Wobei jeder sein Zeug selber besorgt, genau wie du es wolltest.«

Magnus nahm das Blatt Papier und las es aufmerksam durch. Dann pfiff er durch die Zähne: »Oha, ihr seid ja nicht gerade bescheiden, Männer.«

Santa Lucia räusperte sich.

»Pardon: Leute, um korrekt zu bleiben. Aber dass du beim Shoppen nicht zurücksteckst, ist ja eh klar. Hast du ja in den Genen.« Magnus grinste Lucia an und erntete dafür eine Faust mit erhobenem Mittelfinger.

»Wenn ich recht sehe, fehlt aber noch der Feuerlöscher.«

»Den hab ich schon«, sagte Servatius und nickte so heftig, dass ihm einige seiner schwarzen Strähnen ins Gesicht fielen.

»Umso besser. Kommst du klar damit? Kannst du ihn entsprechend präparieren?«

Wieder nickte der Südländer.

»Gut. Und vergesst das Haarspray nicht, das seh ich auch nicht auf der Liste.«

»Darum kümmere wohl am besten ich mich«, sagte Lucia grinsend, und auch Magnus lächelte.

»Aber wie sollen wir das alles unauffällig bezahlen?«, erkundigte sich Nikolaus. »Ich meine, da kommt ja schon was zusammen, oder? Und es sind ja unter anderem größere Sachen dabei. Vor allem, was mich angeht: Ich muss da einiges auch bestellen.«

»Ja, das stimmt schon. Deswegen habe ich das hier für euch.« Magnus griff sich eine Stofftasche und fischte sieben nagelneue Smartphones mit Touchscreen-Bildschirmen heraus. Er gab jedem eines davon, und alle betrachteten zufrieden ihre Geräte. »Ich gehe davon aus, dass ihr die Dinger bedienen könnt?«

»Also … ich weiß nicht so recht. Ich mein, ich hab noch nie so eins in der Hand gehabt«, meldete sich Christophorus zaghaft zu Wort. Servatius, der neben ihm saß, grinste.

Der Schutzpatron blickte Christophorus mit kalten Augen an. »Dann beschäftige dich damit. Und nur so viel: Meine zweijährige Nichte kommt mit der Benutzeroberfläche hervorragend klar. Ich will also nichts hören von wegen ›Versteh ich nicht‹ oder so.«

Die Männer betrachteten verlegen schweigend ihre Telefone.

»Gut. Es handelt sich bei allen um gehackte Geräte, die mit Prepaidkarten betrieben werden. Wenn ihr neue braucht, die sind hier drin.« Er hielt noch einmal den Stoffbeutel hoch und hängte ihn dann an einen Haken über der Werkbank.

»Und wie sollen wir damit bitte schön die Rechnungen bezahlen?«, fragte Sankt Wunibald. Der stämmige Grauhaarige sah grinsend in die Runde, doch niemand erwiderte seinen Blick.

»Ob du es glaubst oder nicht: irgendwie schon«, antwortete Magnus. »Lucia?«

Die schlanke Frau mit den kurzen Haaren löste sich aus der Gruppe und stellte sich neben Magnus. Aus einem schwarzen Rucksack zog sie einen Laptop hervor. Während sie ihn hochfuhr, sprach Magnus weiter: »Auf euren Telefonen befindet sich eine App, ein Programm, auf dem ihr die Verkaufsstellen von Paysecure-Karten findet. Immer schön übersichtlich auf einer Landkarte, die auch euren aktuellen Standort anzeigt.«

Die Männer blickten sich fragend an. »Ich habe mir schon gedacht, dass die meisten von euch damit noch nie zu tun hatten«, kommentierte Magnus diese offensichtliche Ratlosigkeit. »Also, es geht so: Hier sind eine ganze Menge Paysecure-Karten. Ihr nehmt euch eine mit einer passenden Summe, je nachdem, was ihr braucht.« Er hielt ein paar blaue Plastikkärtchen hoch.

Dann sah er zu Lucia, die nickte und das Wort übernahm: »Also Männer. Was ihr benötigt, könnt ihr in den einschlägigen Internetforen bestellen. Wenn ihr damit Probleme habt, kommt zu mir. Keine falsche Scheu, ihr werdet euch doch von einer Frau noch was zeigen lassen, oder?« Sie grinste schief. »Na ja, in euren Fachgebieten werdet ihr euch sicher auskennen. Wenn ihr also bestellt habt, dann schickt ihr die PIN-Nummer eurer Karte per Mail an die Verkäufer. Mit diesen Nummern haben die dann Zugriff auf die Summe auf der Karte, ihr habt also sozusagen ›bezahlt‹. Bargeldlos und anonym, so wie wir es am liebsten haben. Wenn ihr Tarn-E-Mail-Konten braucht, da hab ich genügend für euch.« Bei diesen Worten zeigte sie auf ihren Bildschirm. »Und das war’s schon. Sollten euch die Karten ausgehen, findet ihr, wie schon gesagt, die Bezugsquellen in der App eures Telefons. Aber eigentlich kriegt ihr die an fast jeder Tankstelle. Zum Kaufen müsst ihr zwar euren Namen angeben, aber ein Ausweis wird nicht verlangt. Ich gehe einfach mal davon aus, ich muss noch nicht einmal bei Männern erwähnen, dass ihr das unter falschem Namen macht.« Wieder grinste sie.

»Wo sollen wir uns die Sachen denn hinschicken lassen?«, fragte Nikolaus. Er wollte die Vorurteile, die ihm wegen seiner muskulösen Statur oft begegneten, nicht bestätigen, doch tatsächlich hatte er nur die Hälfte verstanden. »Doch nicht hierher, oder?«

»Nein, sicher nicht«, schaltete sich Magnus wieder ein. »Ich hab uns eine Packstation unter falschem Namen gebucht. Die Daten dazu findet ihr in eurem Telefon-Adressbuch unter ›Packstation‹. Benutzt niemals diese Adresse hier oder irgendeine andere, die wirklich existiert. Ist vielleicht nicht nötig, darauf extra hinzuweisen, aber ich hab schon alles erlebt.«

»Aber was ist, wenn wir kurzfristig was brauchen und es nicht bestellen können?« Wunibald hatte die Frage diesmal ganz sachlich gestellt, ohne Magnus dabei anzusehen. Stattdessen knetete er seine fleischigen Hände. »Ich mein, wenn ich jetzt Zement oder so was brauch, dann kann ich mir das auch beim Baumarkt besorgen, oder?«

Magnus sah wieder zu Lucia am Laptop. »Ja, das ist eigentlich kein Problem«, antwortete sie. »Aber bitte benutz dafür unsere Prepaidkreditkarten.« Sie fasste in die Tasche und holte ein paar Kärtchen heraus. »Es war nicht ganz einfach, die zu besorgen, weil man die in Deutschland nicht ohne Identifizierung kriegt. Hab ich also im Ausland organisieren müssen. Aufgeladen werden die mit dem Guthaben dieser Paysecure-Karten, ist also nicht zurückzuverfolgen. Aber das ist vielleicht ein bisschen zu kompliziert für euch. Und das müsst ihr eigentlich auch gar nicht wissen, ihr könnt einfach die Karten bei mir holen, ihr müsst halt ungefähr abschätzen, wie viel Geld ihr braucht für eure Einkäufe.« Sie blickte zu Magnus, um sich zu vergewissern, dass sie nichts vergessen hatte.

»Okay, das war’s dann«, sagte der. »Noch Fragen?«

Die Männer schienen noch damit beschäftigt zu sein, die Informationen, die sie gerade bekommen hatten, zu verarbeiten.

»Umso besser. Dann hab ich noch eine kleine Überraschung für euch. Agatha?«

Jedes Mal schien ein Ruck durch den Körper des untersetzten Mannes zu gehen, wenn er mit diesem Namen angesprochen wurde. Doch er erhob sich ohne Protest und stellte sich neben Magnus. In seiner Hand hielt er einen großen Leinensack.

»Es fehlt noch der letzte Schliff, aber Agatha ist schon ziemlich weit gekommen mit seinem Werk.« Mit diesen Worten machte Magnus eine ausladende Handbewegung, und Agatha stellte den Sack vorsichtig auf den Boden, um dann mit einer Hand hineinzugreifen. Gespannt folgten alle seiner Bewegung und bekamen große Augen, als er sie wieder herauszog und den Gegenstand, der sich darin befand, auf den Tisch stellte: Es war ein perfektes Abbild der Reliquienmonstranz aus dem Burgschatz.