24

Ferdie van Reenen saß in der Bar am Flugplatz und drehte sich eine Zigarette. Auf dem Tresen vor ihm stand ein kaltes Bier. Tobias schenkte sich einen Becher Kaffee ein und fluchte leise, als er sein gelbes T-Shirt bespritzte, auf dem Nelson Mandelas lächelndes Gesicht zu sehen war. Kallie saß neben ihrem Vater.

»Ich dachte, du hast aufgehört zu rauchen.«

»Hatte ich ja, aber jetzt hab ich deinetwegen wieder angefangen. Ich bin zu alt für diesen Stress. Außerdem habe ich sie noch gar nicht angezündet, oder?«

Er schüttete den Tabak aus dem Zigarettenpapier und fing noch einmal von vorne an. Ferdie van Reenen war nicht der Typ, der einfach nur herumsitzen und nichts tun konnte.

Mike Kapuo kam in die Bar geeilt und schloss hastig die Tür hinter sich.

»Der Wind nimmt zu.« Er nickte Tobias zu, der ihm den Kaffeebecher hinschob.

»In zwei Stunden geht das Gewitter los, dann fliegt hier niemand mehr. Wann sollen diese Briten ankommen?«, fragte van Reenen.

Kapuo sah auf die Uhr. »Ungefähr in einer Stunde, vielleicht etwas später.«

Van Reenen hatte seine Zigarette fertig gedreht. »Und was ist mit deinen Leuten?«

»Die haben mit der Bürokratie zu kämpfen. Die Armee will dies, die Polizei will das, und die Politiker wollen sich alle mit Ruhm bekleckern.«

»Die bekleckern sich mit ganz was anderem, wenn sie diese Schweinerei nicht geregelt kriegen«, schnaubte van Reenen und schob sich die Zigarette zwischen die Lippen. Kallie sah ihn flehend an.

»Setz dich ein bisschen weiter weg. Ich will jetzt eine rauchen. Ich bin nämlich schon erwachsen«, sagte er zu ihr.

Kallie glitt von ihrem Hocker und rückte weg. »Erwarte nicht, dass ich für dich sorge, wenn deine Lunge irgendwann schlappmacht.«

»Ich glaube, dass deine Streiche mich schon viel früher ins Grab bringen werden.«

»Wie du meinst«, sagte sie und nahm einen Hocker am anderen Ende der Theke. Das Geplänkel löste ein wenig die Spannung. Die Warterei machte sie alle sehr nervös. Kallie starrte den Empfänger an, der hinter der Bar deponiert war. Wo immer Max jetzt stecken mochte, vielleicht kam er an ein Funkgerät und meldete sich.

Kapuo senkte die Stimme: »Ich habe zwei Helikopter und meine Kampftruppe zu der unterirdischen Baustelle geschickt, von der Kallie berichtet hat.«

»Und?«

»Sie sind auf dem Rückweg. Konnten dort nichts machen. Alles hermetisch abgeriegelt. Stahltore, Betonwände. Um da reinzukommen, braucht man Sprengstoff oder Panzer. Kein Mensch weit und breit zu sehen. Es ist alles dicht.«

»Dann muss da bald was passieren.«

»Deswegen will ich ja ein paar Dutzend von meinen eigenen Männern zur Stelle haben. Ich warte nicht, bis diese Bürokraten endlich aus ihren Sesseln hochkommen.«

Wenn es sich dabei wirklich um ein unterirdisches Bunkersystem handelt, musst du den Laden sprengen«, erwiderte van Reenen.

»Womit?«

»Was weiß ich.« Er steckte die Zigarette an und hustete. »Das Zeug schmeckt auch nicht mehr so gut wie früher.« Er drückte die Zigarette aus. »Mike, wenn diese Sache so wichtig ist, wie wir beide annehmen, sollte sich der englische Verteidigungsminister mal ans Telefon hängen und mit seinem südafrikanischen Kollegen reden, damit er mit der Luftwaffe anrücken und dort aufräumen kann. Die Briten haben panzerbrechende Geschosse. Wenn die ihre Leute da hinschicken, kann gar nichts schiefgehen. «

Kapuo nickte. Es wurde Zeit, dass seine Beamten ihre Beziehungen spielen ließen. Und dazu würde er ziemlich laut werden müssen. »Meine Rente kann ich vergessen.«

»Pah, die war doch sowieso nichts wert«, sagte van Reenen.

 

Der Regen peitschte gegen die Cessna. Max hatte alle Mühe, das Flugzeug in dem wilden Sturm gerade zu halten. ! Koga war immer noch bewusstlos, und Max konnte sich nicht einmal sicher sein, ob er überhaupt noch atmete. Er hielt mit einer Hand das Steuer und bediente mit der anderen das Funkgerät. Es war auf 121,5 Megahertz eingestellt. War das richtig? Kam er auf der Frequenz zu irgendwem durch? Warum hatte sein Vater gerade diese Frequenz eingestellt? Das hatte doch sicher einen Grund. Er drückte das Mikrofon an seine Lippen. »Mayday, Mayday, Mayday.« Er ließ den Sendeknopf los. Nichts. »Mayday, Mayday, Mayday. Hier spricht Max Gordon. Ich brauche Hilfe. Hört mich jemand?«

 

Ferdie van Reenen hatte hastig über die Theke gegriffen und dabei sein Bier umgestoßen, und jetzt packte er das Funkmikro. »Max! Wir hören dich! Over.«

Kallie stand direkt hinter ihm.

Die Antwort war nicht zu verstehen und brach mittendrin ab. »Max, hör zu, Junge, ich bin Kallies Vater. Zum Sprechen drückst du den Knopf am Mikrofon, zum Hören lässt du ihn los, so funktioniert das.«

Max’ Stimme kam aus dem Lautsprecher. »Habe verstanden. Ich brauche Hilfe.«

»Ich weiß. Ist dein Vater bei dir? Over.«

Es gab eine Pause. »Nein. Dad ist in Skeleton Rock. Aber ich habe einen verwundeten Buschmann bei mir. Er hat einen Schädelbruch und braucht dringend einen Arzt. Over«, sagte Max wie ein erfahrener Funker.

Aber es gab hier keinen Arzt. Nicht in dieser abgelegenen Gegend.

»Das muss !Koga sein«, sagte Kallie.

»Also gut, Max. Als Erstes holen wir dich da runter. Siehst du irgendwelche Orientierungspunkte? Over.«

Max spähte nach unten. Die Wildnis, durch die er zu Fuß gegangen war, sah aus der Luft ganz anders aus. Eine Schlucht, Buschland und in der Ferne war, hinter Staubschleiern versteckt, eine gerade Linie auszumachen, die eine Straße sein musste. Er drückte den Knopf.

»Nichts. Einfach … nichts. Nur eine Straße, eine Fahrspur, schnurgerade. Quer zu meiner Flugrichtung. Von links unten nach rechts oben. Hinter mir tobt ein schlimmes Gewitter, zumindest so viel ist sicher.«

 

In der Bar hatte Tobias bereits eine Karte aufgefaltet. Kapuo und van Reenen suchten sie ab, um herauszufinden, wo Max sein könnte. Kallie bat ihren Vater um das Mikrofon.

»Wo ist er gestartet? Wie ist seine Kompasspeilung? Frag ihn das«, sagte Ferdie van Reenen. »Wenn das Gewitter hinter ihm ist, fliegt er in südlicher Richtung.«

»Max, hier spricht Kallie.«

 

Die Cessna geriet in Turbulenzen, die Instrumententafel bebte in ihren Verankerungen, als eine heftige Bö das Flugzeug dreißig Meter nach unten warf. Obwohl er angeschnallt war, schlug Max mit dem Kopf an die Decke. Das Funkmikro fiel ihm aus der Hand, sein Puls raste, das Metall des Flugzeugrumpfs kam ihm auf einmal sehr zerbrechlich vor. Die Horizontlinie des Fluglagenanzeigers schwankte wie wild, aber schließlich gelang es ihm, den Flug wieder zu stabilisieren. Max zog das Mikro an dem Spiralkabel wieder hoch und drückte den Sendeknopf.

»Kallie! Wahnsinn! Ich bin grade in ein Loch im Himmel gestürzt. Das war nicht lustig!«

»Max, ich will gar nicht wissen, wie du überhaupt da raufgekommen bist – das kann warten. Was sagt dein Kompass?«

Die Kompassnadel schwankte mit dem schlingernden Zickzackkurs der Cessna. »Äh … Süd … Südost … hundertdreißig, hundertvierzig Grad. Okay?«

»Verstanden«, knisterte ihre Stimme aus dem Lautsprecher. Ohne Kopfhörer war sie nur schwer zu verstehen beim Lärm der Motoren, der mit den ständig umschlagenden Winden auf- und abschwoll. »Wo bist du gestartet?«

»Weiß nicht. Nicht weit vom Atem des Teufels entfernt. Südlich davon, nehme ich an. Muss wohl.«

 

Van Reenen fuhr mit dem Finger auf der Karte die mögliche Flugroute ab. Er benutzte die Kante eines Bierdeckels als Lineal und zog mit einem Bleistiftstummel zwei Geraden, die sich kreuzten. Die eine ging von Skeleton Rock durch den Atem des Teufels, die andere zeigte den Weg des von Nord nach Süd ziehenden Gewitters an.

»Er fliegt in die falsche Richtung. Da können wir ihn nicht runterholen. Er muss zu uns.«

Kallie drückte auf den Sendeknopf. »Max, du musst auf Kurs Südwest umschwenken. Ich wiederhole: Südwest.«

»Äh … okay … ah … ich versuch’s … ah … es drückt mich runter!«

»Zieh sie hoch! Hochziehen!«

Knistern. Knacken. Schweigen.

»Max?«

Eine quälende Pause.

»Okay! Ich hab’s geschafft! Kallie … hör zu … !Koga hat einen Schädelbruch. Es geht ihm sehr schlecht. Besorg einen Arzt und hol mich hier runter. Ist das möglich?«

Van Reenen schüttelte den Kopf. »Sieht schlecht aus. Es gibt nur in Komtsa ein Militärkrankenhaus.«

»Bei der Geschwindigkeit braucht er Stunden, bis er dort ankommt«, sagte Kapuo.

»Stimmt. Wir holen ihn hier herunter, und ich bringe den Jungen mit der Baron da hin«, sagte van Reenen. Seine zweimotorige Maschine schaffte die Strecke in weniger als einer halben Stunde. Bevor jemand etwas sagen konnte, meldete Max sich wieder.

»Kallie. Kleines Problem hier. Die Tankanzeige … Beide Nadeln stehen auf unter ein Viertel. Ich glaub, ich hab bald keinen Treibstoff mehr.«

Ohne zu zögern drückte Kallie ihrem Vater das Funkmikro in die Hand und lief zur Tür. »Bis er uns findet, ist es zu spät. Haltet ihn auf Kurs. Ich finde ihn.«

Was konnte Ferdie van Reenen jetzt noch sagen? Seine Tochter rannte bereits zu ihrer alten Cessna.

 

Wolken wischten über die Frontscheibe, Regen prasselte auf den Flugzeugrumpf. Max hatte nicht gemerkt, dass er, als er die Nase immer ein wenig über dem Horizont hielt, des Guten zu viel getan hatte. Der Höhenmesser zeigte zweitausendsechshundert Fuß. So hoch hinaus hatte er nicht gewollt. Wenn er am Boden etwas erkennen wollte, musste er tiefer gehen. Kein Wunder, dass er so viel Treibstoff verbraucht hatte – obwohl er natürlich nicht wusste, wie weit die Tanks am Anfang gefüllt gewesen waren, denn auch das hatte er beim Start zu kontrollieren vergessen. Es hätte auch keine Rolle gespielt. Schließlich wäre er das Risiko so oder so eingegangen.

Er senkte die Nase des Flugzeugs behutsam ab. Kein Gefühl des Abstürzens, nur der unter dem schwirrenden Propeller langsam näher kommende Erdboden. In diesem Anblick konnte man sich leicht verlieren, bis es zu spät war, die Maschine wieder hochzuziehen.

Er hatte die Wolkendecke durchstoßen und flog jetzt auf tausend Fuß Höhe. Immer noch mitten über unbekannter Wildnis. Eigentlich wollte er gar nicht landen. Der Gedanke daran machte ihm große Angst. Hier oben am Himmel gefiel es ihm gut. Wenn die Tanks immer voll blieben, könnte er ewig so weiterfliegen.

Wach auf!, schrie die Stimme in seinem Kopf. Das Brummen des Motors, der schwirrende Propeller und seine rasch zunehmende Erschöpfung hatten ihn in einen seltsamen Traumzustand versetzt, in dem er wach zu sein glaubte, es aber gar nicht war. Die Augen wollten ihm zufallen. Er brauchte Luft. Max klemmte das Seitenfenster auf und spürte den eiskalten Luftstrom auf seiner Haut.

»Okay! Ich bin wach! Ich bin wach!«, schrie er in den Himmel. Und dann hörte er van Reenens besorgte Stimme. Max antwortete und versicherte ihm, es sei alles in Ordnung; in Wahrheit machte es ihm Angst, dass er Kallies Vater erst so spät gehört hatte.

Van Reenen gab ihm ununterbrochen Anweisungen, hauptsächlich um ihn auf Kurs zu halten und ihm mitzuteilen, dass Kallie zu ihm kommen und neben ihm herfliegen werde. Ob er sie schon sehen könne? Sie komme von steuerbord.

Halt die Augen offen. Bleib auf Kurs. Sieh dich um, dachte Max voller Anspannung.

Und dann tauchte wie ein abgekämpfter Engel die altersschwache Cessna auf. Ein Sonnenstrahl fiel durch eine Wolkenlücke und ließ die Tragflächen golden glänzen. Noch nie in seinem Leben war Max so glücklich gewesen, jemanden zu sehen. Das heißt, außer seinen Vater. Er winkte. Sie winkte zurück. Sie flog jetzt keine zwanzig Meter neben ihm her.

»Kallie! Fantastisch! Was soll ich machen? Kannst du mich hören?«, schrie er in sein Mikro.

»Laut und deutlich«, antwortete sie. »Ich werde ein bisschen höher vor dir herfliegen. In wenigen Minuten kommt etwas, was aussieht wie ein Flussbett, aber das ist nur eine Erdspalte, dann siehst du ein paar kleine Hügel, und dahinter ist die Landebahn.«

»Verstanden.« Er hörte ihrer Stimme an, dass jetzt keine Zeit zum Reden war. Sie schwenkte ab, er folgte. Max staunte, wie schnell er Orientierungspunkte in der Landschaft einfach übersah; aus der Höhe veränderte sich die ganze Perspektive. Er konzentrierte sich wie verrückt, um festzustellen, wo sie hinflogen, aber von einer Landebahn war in der kahlen Gegend weit und breit nichts zu sehen.

»Rechts von dir, Richtung Horizont. Siehst du dort den Flugplatz?«, fragte Kallie ihn nach ungefähr zwanzig Minuten. Er spähte angestrengt nach vorne, konnte aber nichts erkennen.

»Nein!«, sagte er und hörte die Panik in seiner eigenen Stimme. »Ich sehe nichts.«

»Okay, ganz ruhig, bleib einfach hinter mir«, beruhigte sie ihn und erinnerte sich an ihren ersten Alleinflug. Da hatte sie gedacht, sie würde den Flugplatz nie mehr wiederfinden – und das war der von Windhoek gewesen, so groß, dass man ihn noch aus dem Weltraum hätte sehen können. Sie kannte die Schwierigkeiten, mit denen Max jetzt zu kämpfen hatte.

»Schau genau unter mein Flugzeug hindurch zum Horizont und dann nach links. Da ist ein Plateau, das aussieht wie ein umgedrehtes Bügeleisen …«

»Ja!«

»An der Spitze des Bügeleisens stehen ein paar Gebäude.«

Verdammt, er sah sie nicht. Doch! Die Wellblechdächer warfen seltsame Schatten, als das Licht sich veränderte. »Jetzt sehe ich es, Kallie! Die Gebäude und den Landestreifen. Ganz deutlich.« Unendlich erleichtert lockerte Max den verkrampften Griff, mit dem er sich ans Steuer geklammert hatte.

»Okay, Max. Treibstoff?«

Er sah nach der Tankanzeige. Die Nadeln standen fast auf null. »Im roten Bereich.«

Sie antwortete nicht. Und ihm war klar, jetzt war es so weit. Er hatte nur eine einzige Chance, dieses Flugzeug sicher zu landen.

»Okay. Du brauchst mir nichts zu erklären, Kallie.«

»Ausgezeichnet. Also, normalerweise würden wir den Flugplatz einmal überfliegen, nach dem Windsack sehen, um die Windrichtung festzustellen, aber dafür haben wir jetzt keine Zeit. Ich weiß auch so, woher der Wind weht. Max, vertraust du mir?«

Er bewunderte ihre Ruhe und nahm sich vor, die Angst in seiner Stimme von nun an zu unterdrücken.

»Einem Mädchen vertrauen? Da müsste ich erst mal nachdenken – wenn ich genügend Zeit dazu hätte.«

»Bereit?«

»Ja, tun wir’s.«

Kaum hatte er das ausgesprochen, breitete sich eine seltsame Ruhe in ihm aus. Das Schwanken des Flugzeugs, die undeutliche Landschaft unter ihm – das alles zählte nicht mehr. Er würde gleich zur Landung ansetzen, und wenn man eine so große Aufgabe vor sich hatte, wenn man absolut gar keine andere Wahl hatte, dann sah man dem am besten so ruhig wie nur irgend möglich entgegen. Wie jemand, der hingerichtet werden soll.

Kallies Stimme klang freundlich, aber fest, so als hielte sie seine Hand.

»Du liegst jetzt gut im Fallwind. Bleib so, bis ich dir sage, dass du nach links wenden sollst. Okay, Zeit für ein paar Kontrollen, bevor wir landen. Vergeude keine Zeit mit Antworten, es sei denn, du verstehst was nicht.«

Sie brauchte ihm nicht zu sagen, dass er nachsehen sollte, ob der Tankwahlschalter auf Beide stand.

»Sieh nach, ob das Gemisch auf fett eingestellt ist.« Kallie ließ ihm Zeit. »Die Zündmagneten müssen auf Beide gestellt sein.« Sie sah, dass er nickte, als er ihren Anweisungen nachkam. »Okay, Max. Gut. Du machst das ganz prima! Jetzt reduziere den Schub auf neunzig Knoten.« Sie selbst hatte ihren Flug schon verlangsamt und beobachtete nun, wie Max es ihr nachtat. Der Junge bekam das gut hin. Er hörte zu und tat, was man ihm sagte. Vielleicht hatten sie ja tatsächlich eine Chance. »Max, such den Klappenhebel und stell die Klappen auf zehn Grad runter.«

An den Tragflächen war nun zu sehen, wie die Klappen sich absenkten. »Was ist, Max? Alles erledigt?«

»Ja. Alles. Alles durchgecheckt.«

»Dann geht’s jetzt los. Wir wenden und fliegen die Landebahn im Winkel von neunzig Grad an.«

Max folgte ihr, und links von ihm erschien die Piste. Jetzt konnte er alles sehen. An der Landebahn standen zwei Gebäude: Eins davon sah aus wie ein Werkstattschuppen, das andere war eine Hütte mit Blechdach. Vor der Tür standen Männer, einer davon in einem grellgelben T-Shirt und roter Baseballmütze.

In der Mitte des Flugfeldes parkte ein ziviler Jet neben einer kleineren zweimotorigen Maschine, und neben diesem weißen Jet stand ein halbes Dutzend schwarz gekleideter Männer ohne Kopfbedeckung. Alle, die da unten waren, sahen zu ihm hoch. Max stand im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Hoffentlich vermasselte er jetzt nichts. Das würde man ihm sein Lebtag nicht vergessen.

Falls er überlebte.

»Max?« Kallies Stimme riss ihn in die Wirklichkeit zurück. »Wende zum Landeanflug, bis du die Piste vor dir hast.«

Er bewegte vorsichtig die Regler, und das Flugzeug ging trotz der Wechselwinde, die ständig für Unruhe sorgten, geradezu anmutig in die Kurve.

»Das sieht gut aus«, sagte sie. »Jetzt reduziere die Drehzahl. Tausendsiebenhundert wäre ideal. Nun richte das Flugzeug ungefähr auf das erste Viertel der Landebahn. Aber halte die Tragflächen waagerecht! Waagerecht halten!«

Leichter gesagt als getan bei den vielen Dingen, die er gleichzeitig zu tun hatte.

»Okay, die Klappen um zwanzig Grad senken und auf konstante siebzig Knoten gehen.«

Er zog am Gashebel, sah die Nadel der Geschwindigkeitsanzeige zurückgehen und erkannte mit einem mulmigen Gefühl, dass er schon viel tiefer war, als er gedacht hatte.

 

Tobias stand vor der Bar und klammerte sich vor lauter Aufregung an seine Bierdose. Van Reenen kaute auf einer nicht angezündeten Zigarette herum, und Mike Kapuo ließ die beiden Flugzeuge keine Sekunde lang aus den Augen, die jetzt nur noch wenige Hundert Meter entfernt waren. Die etwas tiefer fliegende Cessna schien ins Taumeln zu geraten.

»Das Fahrwerk ist aus Federstahl«, sagte van Reenen zu niemand Bestimmtem. Kapuo und Tobias wandten sich kurz von dem nervenaufreibenden Schauspiel ab.

»Und was heißt das?«, fragte Tobias.

»Wenn er nicht absolut perfekt aufsetzt, springt er wieder hoch wie ein Gummiball«, sagte er. »Und dann wäre der Junge mit dem Schädelbruch sehr wahrscheinlich erledigt. Außerdem kommt Max zu tief rein. Hoffentlich sieht sie das. Mach schon, Kallie, sag’s ihm. Sag’s ihm!«, murmelte er.

 

Piloten denken bei Höhenangaben in Fuß. Max schätzte die Höhe dagegen in Metern ein, aber seine Augen sagten ihm, dass er damit falsch liegen und schon viel zu weit unten sein musste. Sollte er die Cessna nach oben ziehen? Der Wind war schwierig, am Boden eine kräftige Strömung, etwas weiter oben voller Wirbel. Was auch immer geschah, Max war nicht dazu fähig, die Landung im Seitengleitflug durchzuführen. Er schaffte es nur geradeaus.

»Du bist etwas zu tief, Max, gib ein bisschen mehr Gas. Waagerecht halten, etwas mehr Gas.«

So ging das also. Nicht hochziehen, nur ein bisschen Gas geben. Aha.

Ohne den Blick vom Boden unter sich abzuwenden, schob Max den Gashebel ein kleines Stück nach vorn, hörte den Motor lauter werden und dann ihre Stimme, die ihm sagte, so sei es schon besser, er könne das Gas langsam wieder wegnehmen.

Immer dieses Hin und Her!

»Du bist dreißig Fuß überm Boden, Max. Fünfundzwanzig. Denk dran, nach dem Aufsetzen geraden Kurs zu halten! Benutz die Seitenruder. Nicht die Bremsen berühren, tu das erst, wenn du von allein langsamer geworden bist und das Heckrad aufgesetzt hat. Okay, gut, zwanzig Fuß. Klappen dreißig Grad runter. Versuch mit dem Gashebel konstant auf sechzig Knoten zu gehen.«

Ihre Stimme trug ihn durch das alles hindurch. Ruhig, gleichmäßig, fest. Beinahe zärtlich. »Zehn Fuß über der Landebahn. Geh langsam vom Gas und achte drauf, dass die Nase nicht absinkt.«

Max konnte die Piste nicht mehr sehen, sie schoss jetzt unterhalb des Propellers dahin. Und dann ein Gefühl, als ob das Flugzeug sich senkrecht aufrichten wollte. Der verfluchte Wind drohte ihn umzuwerfen.

»Ganz gerade bleiben! Tragflächen waagerecht. Du hast es gleich geschafft.«

Die Reifen summten auf dem Beton, und Max spürte die Vibrationen durch seinen Sitz hindurch.

»Spitze! Du bist unten. Jetzt nur geradeaus und vollständig vom Gas gehen.«

Er zog den Hebel ganz zu sich heran. Der Propeller wurde langsamer.

»Dein Heckrad hat aufgesetzt. Jetzt kannst du ganz vorsichtig auf die Bremsen treten. Gut gemacht! Klappen hochziehen und ausrollen. Schau mal, da ist ein Empfangskomitee für dich angetreten.«

Max sah Kallies Flugzeug aufwärtssteigen. Sie flog eine Schleife und landete dann ebenfalls.

Mutter Erde. Fester Erdboden. Willkommen zu Hause!

Der Motor verbrauchte den letzten Tropfen Treibstoff und erstarb. Max blieb erst einmal reglos sitzen und sah die Männer vom Jet auf sich zulaufen. Sie trugen Kampfanzüge. Dann riss jemand die Tür auf, und kräftige Hände streckten sich ihm entgegen.

»Gut gemacht, Junge. Das war ganz große Klasse!«

Der Mann sprach mit Londoner Akzent. Wie kam der denn hierher? Max hatte nicht die Zeit, das herauszufinden. »Mein Freund ist hier drin …«, fing Max an.

Jetzt sprach ein anderer. Ein Schotte. »Mach dir keine Sorgen. Wir wissen, dass er verletzt ist.«

Die Männer halfen ihm auszusteigen, und als er neben dem Flugzeug stand, kletterte einer von ihnen hinein und hob !Koga vorsichtig heraus.

Und dann kam jemand auf ihn zu, den er zu kennen glaubte. Max starrte den Mann an. Das konnte doch nicht wahr sein. Peterson!

»Nein!«, schrie Max und drehte sich zu den Soldaten um, die ! Koga auf eine Trage gelegt hatten. Er hatte das alles nicht durchgemacht, um am Ende Peterson in die Hände zu fallen.

Einer der Männer hielt ihn fest, nicht grob, aber so nachdrücklich, dass Max jeglichen Widerstand für zwecklos hielt. Auf einmal war er furchtbar müde. Er hatte verloren. Er brach beinahe zusammen.

Max verstand gar nichts mehr.

Kallie landete und ließ ihre Cessna ganz in der Nähe ausrollen. Peterson stand mit breitem Lächeln vor ihm, und die Männer in den schwarzen Kampfanzügen trugen ! Koga zu dem zweimotorigen Flugzeug, in dessen Cockpit ein Mann mit struppigem Bart saß und sie lautstark zur Eile antrieb.

Die Welt war endgültig verrückt geworden.

Max sank auf die Knie.

Peterson sah ihn völlig verwundert an und sprach seinen Namen aus.

Und Max fiel in ein tiefes schwarzes Loch.