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|94|Karriere-Navigator 6

Fünf-Leben-Übung

Die Disney-Technik ist eine Kreativtechnik, bei der es, wie auch beim Brainstorming, vor allem darum geht, möglichst viele Ideen zu finden und zu sammeln und erst später einem Realitätscheck zu unterziehen. Die meisten von uns neigen dazu, eine tolle Idee aus unterschiedlichen Gründen vorschnell zu verwerfen.

 

Beispiel: Ich könnte doch nächsten Sommer eine Reise nach Neuseeland machen. Aber nein, wahrscheinlich bekomme ich gar nicht so lange Urlaub und für drei Wochen lohnt es sich ja gar nicht. Außerdem ist es dort im Sommer sicher furchtbar heiß und ich habe ja auch niemanden, der mit mir fahren würde.

 

Erkennen Sie sich wieder? Die meisten Menschen denken auf diese Art. Disney hat zwischen die Idee und die kritische Stimme noch einen Vermittler geschaltet: die Stimme des Machers. Nach der Idee, den Sommer in Neuseeland zu verbringen, wäre bei Disney nicht als erstes die Aufzählung der Hindernisse gekommen, sondern die Überlegung, wie man die Idee umsetzen könnte. Zum Beispiel könnte unser Reisewilliger rechtzeitig einen Kollegen fragen, ob dieser in den vier Wochen, die er unterwegs sein möchte, für ihn einspringen kann und seinen Chef dann mit einem vorbereiteten Lösungsansatz überzeugen. Und er könnte ein paar Bekannte zum Essen einladen und bei der Gelegenheit nachfragen, ob jemand Lust hätte, ihn zu begleiten. Erst dann käme die kritische Stimme ins Spiel, die darauf hinweist, dass die Reise außerhalb des Budgets liegt, sodass für unseren Reisenden die Chance besteht, frühzeitig mit dem Sparen zu beginnen.

|95|Für die folgende Übung werfen Sie den Kritiker und auch den Macher freundlich, aber bestimmt über Bord und lassen Ihrem kreativen, verrückten Teil freien Lauf.

 

Wenn Sie fünf Leben hätten, welche wären das? Je verrückter Ihre Ideen sind, desto besser. Wenn Sie heute als Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens tätig sind, aber lieber ein Rockstar wären oder wenn Sie Mutter von drei kleinen Kindern sind und lieber eine Weltreisende wären, schreiben Sie es auf. Es geht hier nicht darum, Ihr wahres Leben zu verleugnen, sondern andere Anteile Ihrer Persönlichkeit ans Licht zu bringen. Also nutzen Sie Ihre Chance und spinnen Sie!

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Bitte schauen Sie Ihre fünf Leben jetzt noch einmal genau an. Sind Sie zufrieden mit Ihrer Kreativität? Oder steht da vielleicht so etwas wie: Ich wohne mit meiner Frau und meinen Kindern auf dem Land, wenn Sie es bereits tun? Falls das so ist, streichen Sie es und finden Sie noch ein Leben. Niemand sieht Ihnen über die Schulter. Also, was wären Sie? Eine Frau, ein Mann, berühmt, ein Künstler, Mutter Teresa, ein Rockstar, ein Eremit auf dem Berg oder eine Nonne im Kloster, ein Bergsteiger, eine Katze?

 

Wenn Sie jetzt zufrieden sind mit Ihrem Ergebnis, bitte überlegen Sie, welches dieser Leben – ganz gleich, wie verrückt es ist – Sie am liebsten leben würden? Welches wäre das Tollste, das Ihnen am meisten Freude bringen würde? Bringen Sie Ihre fünf Leben bitte jetzt in eine Rangfolge, also vom liebsten bis zum fünftliebsten Leben. Und lesen Sie bitte erst weiter, wenn Sie diesen Schritt gemacht haben.

 

|96|Das Leben, das jetzt an erster Stelle steht, ist das Leben, das Sie schon heute leben sollten, um glücklich zu sein. Egal, ob dort jetzt Rockstar, Nonne oder Weltreisender steht, das, was Sie an die erste Stelle gesetzt haben, ist das, was Ihnen am meisten bedeutet und womöglich im Moment am meisten fehlt.

Oft sehen meine Kunden mich an dieser Stelle entrüstet an und sagen: »Aber ich kann doch kein Leben mehr ohne meine Frau, meine Kinder, meinen Beruf und meine Verpflichtungen führen.« Aber das müssen Sie ja auch nicht. Wenn Sie diese Übung wirklich mit Ihrer kreativen Stimme gemacht haben, spricht daraus Ihre Seele zu Ihnen und zeigt Ihnen das, was in Ihrem Leben fehlt. Es geht an dieser Stelle nicht darum, dass Sie Ihr altes Leben aufgeben, sondern darum, dass Sie es um Neues bereichern.

Wenn Sie also unter den fünf Leben eines haben, dass ohne Ihre Familie ist oder sogar in einem anderen Geschlecht, heißt das nur, dass Sie gerne mehr von diesem Leben hätten. Beispielsweise muss die dreifache Mutter, die gerne durch die Welt reisen würde, nicht gleich eine echte Weltreise machen. Vielleicht genügt eine Woche, die sie allein zum Bergsteigen geht oder in ein fernes Land fliegt, um ihre Sehnsucht nach Abenteuer und Freiheit zu befriedigen, die ihr zwischen den schmutzigen Windeln verloren gegangen ist. Und der mittelständische Unternehmer, der lieber ein Rockstar wäre, war früher oft auf Konzerten, hat sich aber in den letzten Jahren die Zeit dafür nicht genommen. Er könnte einen alten Freund anrufen und mit ihm in das nächstbeste Konzert gehen – wie in alten Zeiten. Wenn er wirklich selbst gerne auf der Bühne stände, gibt es wunderbare Gesangslehrer, bei denen man das Gefühl bekommt, ein Star zu sein – oder er wagt sich gleich auf die Karaoke-Bühne.

 

Beispiel: Tobias ist ein erfolgreicher Geschäftsmann, der während des Internet-Booms sein eigenes Unternehmen gegründet hat, das er bis heute erfolgreich führt. Statt aber wie früher neue Ideen entwickeln zu können, verbringt er den größten Teil seiner Zeit |97|damit, sich um Personal und administrative Aufgaben zu kümmern. Die fünf Leben, die Tobias aufgeschrieben hat sind Schriftsteller, Organisationsentwickler, Bergsteiger, Werbestratege und Professor. Beim Besinnen seiner fünf Leben wird ihm klar, dass alle mit dem zu tun haben, was er gerne tut, von dem er aber im Moment viel zu wenig in seinem (Berufs-)Leben hat: Der Schriftsteller steht für seine Sehnsucht nach mehr Zeit, um seine Gedanken zu ordnen. Der Bergsteiger wünscht sich die Sicht über die Dinge. Der Organisationsentwickler ist etwas, wohin er sich gerne beruflich entwickeln würde und was sich am Ende des Karriere-Navigators auch als eine neue Möglichkeit für ihn herausstellt. Im Werbestrategen steckt seine Leidenschaft, Menschen und ihre Bedürfnisse zu ergründen und für seine Zwecke zu nutzen und der Professor will vor allem Zeit haben, Theorien zu entwickeln und sie an junge Menschen weitergeben.

 

Wichtig ist, dass Sie hinter die Dinge schauen, also Ihre Leben weiter hinterfragen. Nehmen Sie sie als Symbol für das, was Ihnen fehlt. Ein Leben als Eremit auf dem Dach der Welt, heißt nicht, dass Sie die Welt wirklich hinter sich lassen sollen, sondern weist darauf hin, dass Sie im Moment nicht genug Ruhe für sich finden können. Ein Leben als Schriftsteller kann bedeuten, sich mehr Zeit zum Reflektieren zu wünschen. Viele meiner Kunden sehen ein solches Leben als erstrebenswert an, doch bei genauerem Nachfragen hat keiner tatsächlich Lust darauf, jeden Tag allein am Computer zu sitzen und zu schreiben. Wenn Sie ein Mann sind und gerne in einem Leben eine Frau wären, würden Sie vielleicht gerne mehr Zeit mit Ihren Kindern verbringen. Und wenn Sie sich wünschen, viel Geld zu haben, um ein sorgloses Leben führen zu können, ist das, womit Sie heute Ihr Geld verdienen, wahrscheinlich noch nicht Ihre Berufung.

Das, was Ihre Seele hier zum Ausdruck bringt, sind die Anlagen, die in Ihnen sind, aber noch zu wenig gelebt werden. Wenn Sie es |98|schaffen, die fehlenden Teile zu integrieren, wird Ihr Leben um ein Vielfaches zufriedener, ausgeglichener und glücklicher sein. Hier endet die Traumstunde – aber nur vorerst. Im nächsten Schritt dreht sich alles um die realen Dinge Ihres Lebens, die Sie glücklich machen.