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|27|Es lohnt sich!

In meinen Vorträgen frage ich die Teilnehmer, wie viele Menschen sie kennen, von denen sie der Meinung sind, dass sie ihre Berufung gefunden haben. Kaum jemand kann mehr als drei Personen nennen, die meisten kennen noch weniger. Doch die Beschreibungen der Menschen, die ihre Berufung augenscheinlich gefunden haben, ähneln sich alle sehr. Manche Dinge sind eher oberflächlicher Natur, manche drücken eine grundlegende Haltung dem Leben gegenüber aus. Tatsache ist, diese Menschen unterscheiden sich in einigen ganz konkreten Punkten von den übrigen.

 

Beispiel: Vor einiger Zeit war ich mit einer Freundin zum Essen aus. Eine ihrer ehemaligen Lehrerinnen, eine ältere Dame, kam an unserem Tisch vorbei und erzählte unglücklich von ihrer Pensionierung. Warum, würden die meisten von uns denken, das ist doch wunderbar, dann kann sie endlich tun und lassen, was ihr gefällt. Eben nicht. Diese Lehrerin vermisste ihre Arbeit und war zu Hause sehr unglücklich. Sie hatte ihre Berufung im Lehren gefunden und es fiel ihr schwer, etwas mit ihrer freien Zeit anzufangen. Seit kurzem engagiert sie sich ehrenamtlich in einer Hausaufgabenhilfe. Nun ist sie wieder ausgeglichen und zufrieden.

 

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, bevor Sie weiterlesen und schreiben Sie Ihre Gedanken zu den folgenden Fragen auf ein Blatt Papier: Wie viele Menschen kennen Sie, die tatsächlich ganz und gar ihre Berufung gefunden haben und sie leben? Und was haben diese Menschen Besonderes an sich, was sie von anderen unterscheidet?

 

|28|Ich kenne inzwischen, gerade durch meine Arbeit, sehr viele Menschen, die ihre Berufung gefunden haben, sie leben und sich in vielerlei Weise von »normalen« Menschen unterscheiden.

 

Menschen, die ihre Berufung gefunden haben, …

… sind voller Energie. Sie haben ein ganz besonderes Strahlen. Wie ein Feuer oder wie ein stilles Glühen scheinen sie von innen heraus zu leuchten.

… sind in ihrem Element. Das heißt, sie sind erfüllt von dem, was sie tun, weil sie es von ganzem Herzen tun und Leidenschaft dafür empfinden – egal, ob es das Pflegen alter Menschen oder die Leitung eines Unternehmens ist. Sie haben ihren eigenen Weg gefunden, der häufig sehr unkonventionell ist.

… sind meistens sehr entspannt und geduldig. Sie müssen nirgendwo mehr dringend hin, weil sie in dem, was sie tun, bereits zu Hause sind.

… sind enorm motiviert. Dadurch, dass sie das tun, was ihnen entspricht, sind sie aus sich selbst und der Aufgabe heraus (intrinsisch) motiviert. Im Gegensatz dazu wirken äußere Motivatoren wie Geld oder Status (extrinsisch) meist nur kurzfristig.

… teilen ihre Erfahrung gern mit anderen. Dadurch, dass sie ihren eigenen Weg gefunden haben, helfen sie anderen, bewusst oder unbewusst, bei der Suche nach deren Weg.

… üben eine große Anziehungskraft und Faszination auf andere aus. Ihre Begeisterung wirkt ansteckend, macht sie besonders liebenswert und interessant.

… haben meist ausreichend Geld. Wer das, was er tut, von Herzen gerne tut, ist besser in seinem Job und bekommt dafür die entsprechende Honorierung. Und manchmal brauchen Sie einfach weniger Geld, wenn Sie eine Arbeit tun, die Sie glücklich macht, weil Sie auf das Trost-Auto und zwei Ihrer vier Erholungsurlaube im Jahr verzichten können.

|29|… achten sich selbst und ihre Bedürfnisse. Sie sind sich selbst nahe und gehen sorgsam mit sich um, um dauerhaft ihrer Aufgabe gerecht werden zu können. Die eigene Berufung zu leben, kann niemals heißen, sich für andere aufzuopfern.

… haben eine hohe Lebensqualität. Sie tun mindestens 40 Stunden in der Woche, also die meiste Zeit ihres wachen Tages, das, was sie glücklich macht.

… sind dankbar und können das auch zeigen. Sie nehmen das Leben als Geschenk und freuen sich über jeden neuen Tag.

… kennen den Sinn ihres Lebens. Sie haben eine Antwort auf die Frage, warum sie auf der Welt sind und damit die Energie zur Verfügung, die andere Menschen auf ihrer Suche nach Sinn verbrauchen.

… kennen ihr Ziel. An Weggabelungen und Wendepunkten ihres Lebens können sie auf ihre innere Stimme, auf ihre Berufung vertrauen und ihren eigenen Weg gehen.

 

Angenommen, Sie haben zwei Mitarbeiter. Einer ist genau am richtigen Platz, motiviert bei seiner Arbeit und geht abends pünktlich nach Hause. Der andere macht seinen Job ebenso gut, ist dabei aber offensichtlich nicht besonders glücklich und macht regelmäßig viele Überstunden. Wenn eine Kündigungswelle ansteht und alle übrigen Faktoren gleich sind, wen von beiden würden Sie wohl eher kündigen? Die meisten von uns würden sicher den Mitarbeiter kündigen, der offensichtlich mit dem, was er tut, nicht glücklich ist, auch wenn er noch so viele Überstunden macht. Das heißt aber auch, dass Menschen, die im »richtigen« Beruf arbeiten, sich dadurch ihren Arbeitsplatz sichern oder zumindest die Wahrscheinlichkeit einer Kündigung reduzieren können.

Wenn Sie genau das bei Ihrer Arbeit tun, was Ihrer Persönlichkeit und Ihren Fähigkeiten entspricht, sind Sie zu besten Leistungen und einer dauerhaft positiven Ausstrahlung im Stande. Und darüber hinaus steigern Sie Ihre Arbeitszufriedenheit, was wiederum Ihr |30|Selbstwertgefühl steigert und Ihre Gesundheit verbessert. Das sind doch mehr als genug Gründe, um sich auf den (eigenen) Weg zu machen.

Falls Sie noch nicht sicher sind, gibt es ein paar einfache Dinge, an denen Sie erkennen können, dass Sie Ihre Berufung noch nicht gefunden haben oder sie zumindest noch zu wenig in Ihrem (Berufs-) Leben zum Ausdruck bringen. Ganz sicher können Sie sein, wenn Sie

  • sich jeden Morgen aus dem Bett quälen,

  • sich am Montag schon aufs nächste Wochenende freuen,

  • ein wachsendes Gefühl von innerer Leere und Sinnlosigkeit in sich und in dem, was Sie tun, spüren,

  • im Büro von den Dingen träumen, die Sie lieber täten, als im Büro zu sitzen,

  • nur für Ihren nächsten Urlaub arbeiten,

  • frustriert mit anderen über Ihre aktuelle Tätigkeit sprechen,

  • nur »Ihren Job machen«,

  • ein deutliches Verlangen verspüren, anderen Anteilen Ihrer Persönlichkeit mehr Raum zu geben,

  • sich beruflich unterfordert fühlen, aber aus Angst, keine neue Stelle zu finden, in Ihrem Job nur Ihre Zeit absitzen.

Je mehr dieser Punkte auf Sie zutreffen, umso eher sollten Sie sich darüber klar werden, was Sie wirklich im Leben wollen. So wie Ihnen geht es vielen Menschen, denn die wenigsten hatten die Voraussetzungen (Eltern und äußere Umstände), die es erlaubt haben, sich so zu entwickeln, wie sie tatsächlich sind. Warum begeben wir uns also trotzdem irgendwann auf die Suche nach unserer Berufung?