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|31|Man kann ihr nicht »entkommen«

Als ich vor vielen Jahren begonnen habe, mich mit dem Thema Berufung zu beschäftigen, dachte ich, es wäre wunderbar, sich von Geburt an daran erinnern zu können, wofür man auf dieser Welt ist und von Anfang an seinen eigenen Weg zu gehen. Leider trifft das für die wenigsten von uns zu. Stattdessen geht das Wissen darüber meistens in der frühen Kindheit verloren und wir erobern es uns erst im Laufe unseres Lebens wieder zurück.

Manche Menschen erinnern sich schon sehr früh oder haben vielleicht sogar nie vergessen, was ihre Berufung in diesem Leben ist. Nehmen wir zum Beispiel Yehudi Menuhin, der sich bereits mit vier Jahren eine Geige wünschte und nicht eher Ruhe gab, bis er sie bekam. (Der Überlieferung nach hat er eine Kindergeige aus Blech, die man ihm schenkte, vor lauter Zorn an die Wand geworfen.) Aus ihm wurde ein weltbekannter Violinist. Ein anderes Beispiel ist Adrian, der bereits als Kleinkind mit dem Tanzen begonnen hat. Der kleine Adrian wollte schon mit zwei Jahren nie mit Baggern oder Autos spielen und war auch nicht für Fußball zu begeistern. Viel lieber hat er stundenlang klassische Musik gehört und ist durch die Wohnung getanzt. Mit sieben Jahren wünschte er sich eine Ballettstange für sein Zimmer, mit zehn bestand er die Aufnahmeprüfung für die staatliche Ballettschule in Berlin.

Vor allem bei Künstlern, Malern, Musikern, Tänzern und Schauspielern zeigt sich ihre besondere Begabung oft schon in der frühen Kindheit. Manche haben das Glück, dass Eltern oder Lehrer diese Begabung erkennen, anerkennen und unterstützen. Adrians Vater ist von Beruf Baggerführer und hat sich für seinen Sohn sicher einen |32|anderen Lebensweg vorgestellt. Aber er hat ihm das Tanzen und den Besuch der Ballettschule ermöglicht und unterstützt ihn auf seinem außergewöhnlichen Weg, so gut er kann.

Vielleicht gehören Sie auch zu den Menschen, die bei der Äußerung ihres Lebenswunsches gehört haben »Lern doch lieber einen anständigen Beruf« oder »So einen Quatsch gibt’s doch gar nicht, geh lieber in die Versicherung/die Bank/die Firma XYZ«. Viele meiner Kunden berichten von solchen Reaktionen auf ihre ersten Berufswünsche und die meisten können sich noch sehr gut daran erinnern. Psychologisch betrachtet kann man sich vor allem an die Dinge besonders gut erinnern, die einen emotional stark bewegt haben. Das zeigt, wie wichtig dieses Thema ist und welche nachhaltige Wirkung unbedachte Äußerungen haben können.

Die meisten von uns wissen als Kind, was sie werden wollen, wenn sie erwachsen sind. Manchmal ist es aber mehr eine Ahnung, eine Vorliebe, noch keine konkrete Berufsbezeichnung. Ein Siebenjähriger gibt aus einer Leidenschaft für Tiere heraus möglicherweise den Beruf des Zoodirektors an, weil es der einzige Beruf im Zusammenhang mit Tieren ist, der ihm einfällt. Später könnte daraus ein Tierfilmer, Tierarzt oder Forscher werden. Oder ein zehnjähriges Mädchen, das besonders gerne Kunststücke vor ihren Freunden aufführt, nennt als möglichen Beruf Zauberer. Bei entsprechender Förderung wird aus ihr vielleicht tatsächlich eine zweite Copperfield, oder aber sie geht mit ihrer Kreativität später in eine Werbeagentur oder zum Fernsehen. Im zweiten Teil dieses Buches beschäftigen Sie sich ausführlich mit den Träumen Ihrer Kindheit und was diese mit Ihrer Berufung zu tun haben.