Kapitel 18

 

Ich habe keine Ahnung, wie lange ich da stand und ihn küsste, an seine Brust gedrückt seinem Herzen lauschte, das ebenso schnell schlug wie meines. Aber nach einer scheinbaren Ewigkeit begannen seine Hände sich zu bewegen. Sie glitten unter mein Shirt, über meine Haut, und ich erkannte seine Berührung wieder. Er hatte mich schon zuvor geküsst, in seiner Schatten-Erscheinung, und ich wollte mehr. Ich wusste tief im Herzen, dass ich mit ihm haben konnte, was mit Hi'ran niemals sein würde. Mit Shade konnte ich teilen, was ich bei Chase oder Zachary nicht finden konnte. Shades Energie hüllte mich ein wie die unwiderstehlichen Klänge eines fernen Walzers, wie ein Sturm, der meine Sinne umtoste.

Ich zog ihn zu mir auf die Bank herab, schob hastig seinen Rollkragenpulli hoch und enthüllte seine Brust - fest und stark, aber auch gezeichnet von den Narben der Zeit. Er zog den Pulli aus und sah mich mit leuchtenden Augen an.

»Bist du sicher, dass du das willst?«

»Jetzt, ich will dich jetzt. Ich kenne dich, ich erkenne dich wieder ...« Ich konnte nur immerzu die Gedanken wiederholen, die in meinem Kopf kreisten, während ich mit meiner Kleidung kämpfte. Er half mir und zog mir das Shirt über den Kopf, während ich mich aus meiner Jeans schälte. Ich brauchte ihn, ich musste meinen Durst stillen, berührt werden, geliebt werden, genommen und so tief befriedigt werden, wie ich es noch nie gekannt hatte.

Shade sagte nichts mehr, sondern schlüpfte rasch aus Stiefeln und Hose. Seine Haut war golden und erinnerte mich an köstliche Karamellbonbons oder einen süßen Caffè Latte mit viel Vanille. Ich ließ die Hände an seinen Seiten hinabgleiten und umfasste dann schamlos seinen Hintern. Seine Muskeln waren fest, und er war bereit für mich. Ich wollte ihn schmecken, betrachtete gierig seinen Schwanz, aber meine Fangzähne erinnerten mich an frühere missglückte Versuche. Meine gemischte Abstammung war schuld daran, dass ich auch in menschlicher Gestalt spitze Reißzähne hatte, die ich nicht einziehen konnte wie Menolly - gerade lang genug, um jemandem weh zu tun, wenn ich eine ungeschickte Bewegung machte.

Shade schien meine Gedanken zu spüren. »Ist schon gut. Wenn du möchtest - ich würde es sehr genießen, und mich kannst du nicht so leicht verletzen wie einen Menschen. Vertrau mir«, flüsterte er.

Jetzt war ich es, die fragte: »Bist du sicher?«

Er nickte, und ich ging vor ihm auf die Knie und leckte vorsichtig seinen steifen Schwanz. Meine Zungenspitze glitt daran empor und kitzelte die Spitze. Ein Fangzahn blieb leicht an seiner Haut hängen, doch er zuckte mit keiner Wimper. Ermutigt ließ ich die Zunge einmal ganz um seine Eichel kreisen und presste die Lippen darauf. Ich konnte ihn nicht ganz in den Mund nehmen - das hätte nun wirklich Bissspuren hinterlassen - aber ich sog leicht mit den Lippen an ihm, schürzte sie um seine Spitze und genoss das Gefühl und seinen leicht salzigen Geschmack auf meiner Zunge.

Er stöhnte und bedeutete mir, wieder hochzukommen. Ich schob mich an seinem Körper empor, presste die Brüste an seine Haut und spürte den Druck seiner Erektion an meinem Bauch, meinem Schoß.

Shade legte mich auf die Bank, beugte sich über mich und saugte an einer Brustwarze, während seine Finger über meinen straffen Bauch zwischen meine Beine glitten. Er schob sie in mich hinein und küsste mich dabei tief und forschend. Seine Zunge blieb an einem Fangzahn hängen, doch er bewegte sie nur sacht davon weg und erkundete weiter meinen Mund. Dabei brachte er mich mit den Fingern zu einem plötzlichen, schockartigen Orgasmus, für den ich noch gar nicht bereit war. Ich stieß einen schrillen, stöhnenden Schrei aus, und dann schob er sich zwischen meine Beine und drang langsam, Zentimeter um Zentimeter, in mich ein.

Shade war dick und hart, und ich spürte jeden Finger breit, der in mich hineinglitt. Er begann mit köstlichen, langsamen Stößen, die mich halb wahnsinnig machten, fand meinen Rhythmus, und dann verlor ich jeden klaren Gedanken. Ich blickte in seine Augen und wurde hochgewirbelt, stürzte hinab in eine so himmlische Wonne, wie ich sie noch nie erlebt hatte. Mein Panther und mein Tigerkätzchen flogen mit mir, und zum allerersten Mal reagierten alle meine Anteile gemeinsam. Shade riss mich aus meinem gewohnten Selbst heraus, füllte mich bis zum Rand mit glitzerndem Genuss und befreite mich von den letzten Zweifeln, die ich an mir als Frau gehegt hatte.

Einige Zeit später - ich habe keine Ahnung, wie viel später - löste er sich widerstrebend von mir. »Du musst jetzt nach Hause zurückkehren«, sagte er und küsste mich zärtlich in den Nacken. »Ich will nicht, dass du gehst, aber du kannst nicht allzu lange in Haseofon bleiben, solange du noch einen Körper hast. Ich kann meiner Natur nach kommen und gehen, wie es mir beliebt, aber du musst in dein Bett zurück.« Er legte den Kopf auf so ulkige Weise schief, dass ich am liebsten laut gelacht hätte.

»Ich dachte, nur mein Geist wäre hier.«

»Nein, meine Schöne, dein Körper ist in gewisser Weise ebenfalls hier. Seit du dieses Gemach betreten hast. Du bi- lokalisierst, bist an zwei Orten zugleich. Aber die Bilokation aufrechtzuerhalten ist schwierig, und der Faden wird allmählich dünn.«

»Aber ... werde ich dich wiedersehen?« Ich konnte es nicht ertragen zu gehen. Nicht jetzt, wo ich ihn doch gerade erst gefunden hatte. Ein Stück von mir hatte sich gelöst, während wir uns geliebt hatten, und es war jetzt bei ihm. Und ich hütete ein Stück seines Herzens in meinem.

»Ich verspreche dir, meine Liebste, dass ich bald in deiner Welt zu dir kommen werde. Halte Ausschau nach mir.« Er half mir, mich anzuziehen, und hielt immer wieder inne, um mich zu küssen.

Schwindelig von diesem Rausch aus Gefühlen und Begehren starrte ich ihm in die Augen. Er war anders - so gänzlich anders - als Chase und Zachary. Shade begegnete meinem Blick ruhig, gelassen, unerschütterlich. Und in seinem Blick sah ich kein Zurückrudern, kein Zaudern. Und in diesem Moment begriff ich es.

»Du bist es ... dich wird er benutzen, um ...«

»Psst, geh jetzt.« Er presste die Fingerspitzen an meine Lippen, und ich schmiegte die Nase an seinen Hals und sog tief den Duft von Kürbissen und Äpfeln, Glühwein und Holzrauch ein.

Unsere Wurzeln führten tief hinab zum selben Ursprung. Es war gleich, dass ich ein Werwesen und er ... was immer Shade sein mochte. Wir waren an denselben Herrn gebunden, denselben Elementarfürsten. Wir bewegten uns in derselben Energie und waren beide mit der Erregung des Feuers und dem scharfen Geruch der frisch gepflügten Erde nach dem Erntefest vertraut.

»Ich entscheide mich dafür ... es zu versuchen«, flüsterte ich. »Komm bald zu mir.«

»Das werde ich. Bis dahin«, er drückte mir ein Kästchen in die Hand, »soll dich das hier an mich erinnern.«

Ich blinzelte und bemühte mich, die Augen offen zu behalten, aber der Raum drehte sich um mich, und er verschwand, ehe ich noch ein Wort sagen konnte. Ich wollte mir ansehen, was er mir geschenkt hatte, doch Greta war plötzlich bei mir und drückte mich sacht auf die Bank hinab. Sie beugte sich über mich und hauchte mir einen Kuss in den Mund, und alles verschwamm. Ich wehrte mich, denn ich wollte noch nicht gehen, aber dann ließ ich los und gab meinen freien Willen hin. An Greta, an Shade, an Hi'ran. An meine Bestimmung.

»Delilah? Delilah, wach auf.« Iris schüttelte mich, und ich blinzelte ins grelle Licht der Deckenlampen.

Ich rang darum, ganz wach zu werden, und rieb mir die Augen. »Ist es ... schon sieben?«

»Halb acht. Ich habe euch ein bisschen länger schlafen lassen. Du und Camille habt dringend Schlaf gebraucht. Du warst nicht wachzukriegen, als ich es vor einer halben Stunde versucht habe. Aber jetzt komm, zieh dich an.«

Ich krabbelte aus dem Bett und fragte mich, wie viel von meinem Traum Wirklichkeit gewesen sein mochte und wie viel Wunschdenken. Während ich meinen BH zuhakte und in eine Jeans und ein T-Shirt schlüpfte, machte Iris mein Bett.

Plötzlich fragte sie: »Delilah, was ist denn das?«

Ich drehte mich um und sah in ihrer Hand ... die Schatulle, die Shade mir geschenkt hat. Also nein, ganz und gar kein Wunschtraum. »Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht genau. Mach es doch mal auf.«

Sie klappte den Deckel hoch und schnappte nach Luft. »Sieh mal«, stieß sie heiser hervor.

Ich steckte erst noch ordentlich mein Shirt in die Hose, fädelte einen Ledergürtel durch die Schlaufen meiner Jeans und schloss den Gürtel auf dem Weg zurück zum Bett. In dem Schächtelchen lag ein Ring. Er war aus Gold mit einem facettierten Rauchquarz. Langsam nahm ich ihn aus der Schachtel und legte das kunstvoll gravierte Band auf meine Handfläche.

Mit jeder Faser meines Wesens wusste ich: Wenn ich mir diesen Ring ansteckte, würde Shade zu einem Teil meines Lebens werden. Erinnerungen an Camille, wie sie über Trillian gesprochen hatte und wie die beiden sich begegnet waren, schössen mir durch den Kopf, und zum ersten Mal verstand ich. Ich verstand die besondere Verbindung, die sie miteinander teilten, und würde sie nie wieder in Frage stellen.

Ich blickte auf und sah, dass Iris mich mit einem seltsamen Gesichtsausdruck beobachtete.

»Was ist hier los, Delilah? Wo hast du den her?«

»Warum? Kann das denn nicht einfach nur irgendein Ring sein?«

Sie schüttelte den Kopf. »Nicht mit der Energie, die er verströmt. Ich erkenne sie wieder. Ich habe sie schon einmal gespürt.«

Langsam hob ich den Ring ins Licht. Er glitzerte. Ein Ring, der ein Versprechen gab. Ein Ring, der mich band, durch den ich meine Bestimmung akzeptieren und mich ihr fügen konnte. Ein Ring, der mich stärker machte, indem ich meine Bestimmung akzeptierte. Wenn ich ihn einmal angelegt hatte, würde es kein Zurück geben. Die Frage war nur: Wollte ich erfahren, was Iris darüber wusste, bevor oder nachdem ich mir den Ring ansteckte? Wenn ich zögerte, sträubte ich mich dann immer noch gegen das Unvermeidliche?

Manchmal, dachte ich, muss man sich seinem Leben einfach ergeben, sich mittragen lassen, etwas riskieren, ins kalte Wasser springen. In meiner Katzengestalt war ich ein Freigeist. Ich hopste und spielte mich durch den Tag, ohne mir Gedanken darum zu machen, was mich erwartete. Als Panther tat ich, was meiner Natur, meinem Instinkt entsprach - ich stürmte furchtlos voran.

Wann hatte ich in meinem Leben als Frau, ob nun halb Fee oder nicht, diese Furchtlosigkeit verloren? Wann hatte ich begonnen, mich zu fürchten? Hatte ich überhaupt je ohne Angst und Zweifel gelebt? Was machte mich in meiner zweibeinigen Gestalt so zögerlich, wo ich doch als Katze, ob groß oder klein, einfach loslassen und sein konnte, wer ich sein wollte? Wann hatte ich damit angefangen, die Meinung aller anderen über meine eigene Intuition zu stellen?

In jenem Raum, mit Shade, hatte ich gelernt, meine innere Dunkelheit zu durchbrechen, und ich hatte Leidenschaft gekostet, wie ich sie mir nur erträumen konnte. War ich jetzt bereit, etwas zu riskieren? Mutig vorwärtszugehen und die Frau zu sein, die ich sein könnte?

Ich blickte zu Iris auf und dachte an all das, während ich den Ring langsam auf den Ringfinger meiner rechten Hand schob. Weder hallten Glocken durch den Raum, noch jubilierten irgendwelche Harfen, aber ich hatte soeben den Pakt besiegelt. Ich hatte meine Chance ergriffen, den Sprung gewagt, und nichts würde je wieder so sein wie zuvor.

Iris sank auf die Bettkante. »Ach Mädchen, was hast du getan? Ich habe die Veränderung in deiner Aura so deutlich gesehen, wie ich sehe, wenn du eine andere Gestalt annimmst. Ich hoffe nur, du weißt, was du tust.«

»Weiß ich«, entgegnete ich und lachte. »Das weiß ich. Aber jetzt sag es mir - jetzt, da ich auf mein Bauchgefühl gehört habe. Was für einem Geschöpf gehört dieser Ring?«

»Komm herunter, sobald du fertig angezogen bist. Das Abendessen ist fertig, und die anderen warten schon.« In der Tür blieb sie stehen und blickte über die Schulter zurück. »Liebes, ich weiß ja nicht, wie oder wo du ihm begegnet bist, aber du hast gerade einen Ring von jemandem angenommen, in dessen Adern zum Teil das Blut von Dunklen Drachen fließt - von Schwarzen Drachen. Ich gehe davon aus, dass er recht bald hier erscheinen wird, um sich zu nehmen, was jetzt ihm gehört. Und das ... falls da noch irgendwelche Zweifel bestanden ... bist du. «

Dunkler Drache. Die Worte knisterten wie Feuer in mir. Ja, das passte. Es passte zu Shades Energie, zu seinem Namen und zu der Tatsache, dass er Hi'ran diente. Aber wenn Iris recht hatte und er nur teilweise ein Drache war, was war dann mit seiner übrigen Abstammung? Entschlossen schob ich diesen leisen Zweifel beiseite.

Der Gedanke, dass Schwarze und Weiß-Silberne Drachen sich auf Dauer vielleicht nicht so gut verstehen würden, schoss mir ebenfalls durch den Kopf, doch auch wenn dem so war - wir würden einen Weg finden. Wir mussten einen Weg finden. Und wenn Shade nur halb so aufmerksam und hilfreich war wie Smoky, hätten wir einen sehr nützlichen neuen Verbündeten gewonnen.

Ich warf mein Nachthemd in den Wäschekorb, zog meine Stiefel an und übersprang auf dem Weg nach unten jede zweite Stufe. Als ich in die Küche eilte, sah ich, dass Iris nicht übertrieben hatte - alle waren schon am Tisch versammelt, auch unser Cousin Shamas, der bereits für die Nachtschicht angezogen war.

»Tut mir leid, dass ich so lange gebraucht habe«, sagte ich.

Camille starrte mich an. »Da soll mich doch ... Was zum Teufel hast du in den vergangenen drei Stunden getrieben? Delilah, deine Aura hat sich völlig verändert. Sie ... lodert und strahlt.«

»Und wo ist der andere Drache?«, fragte Smoky, sprang auf und sah sich um. »Ich kann ihn bis hierher riechen.«

Ich sah schon: Die Sache mit Shade würde kaum mein kleines Geheimnis bleiben. Ich warf Iris einen Blick zu, doch die zuckte nur mit den Schultern und hob leicht die Hände, als wollte sie sagen: Ich habe es ihnen nicht erzählt. Also hatte Camille offenbar recht, und meine Aura spielte heute Kaleidoskop. Ich holte tief Luft und hob die Hand.

»Ja, ich muss euch etwas sagen. Ich wollte mir damit noch ein bisschen Zeit lassen, aber offenbar spürt ihr, was geschehen ist. Es ist kompliziert, und während ich draußen im Astralraum war, ist so viel passiert. Ich habe im Schlaf meinen Körper verlassen und eine Reise gemacht, und ... ach verdammt, haltet endlich den Mund und hört mir zu.«

Während ich ihnen erzählte, was passiert war, von dem Moment an, da Greta mit mir die Straße entlangspaziert war, bis zu dem Augenblick, als ich mit Shades Ring im Bett wieder aufgewacht war, wurde es in der Küche immer stiller. Als ich zum Ende kam, hätte eine fallende Stecknadel ein kleineres Erdbeben auslösen können.

Menolly blickte sich um. »Warum starrt ihr sie alle so an? Wir wussten doch, dass das früher oder später passieren würde. Der Herbstkönig hatte natürlich nicht vor, sie weiterhin fröhlich durch die Weltgeschichte spazieren zu lassen, ohne sich irgendwann einzumischen. Ich finde, wir sollten froh und dankbar sein, dass er sich nicht dafür entschieden hat, sie einfach zu töten, damit sie bei ihm in ... wie hieß der Ort gleich wieder, wo du da warst?«

»Haseofon«, flüsterte ich und lächelte ihr zu.

»Richtig - Haseofon. Und übrigens, falls es irgendeine Möglichkeit für uns gibt, unsere Schwester auch persönlich kennenzulernen, wäre es sehr nett, wenn du das arrangieren könntest.« Sie schwebte zur Decke hinauf, wo sie am liebsten herumhing, und räusperte sich, als sei die Diskussion hiermit beendet.

Camille sprach langsamer, und ich sah ihr an, dass sie sich jedes Wort gut überlegte. »Wie fühlst du dich mit dieser Veränderung? Ich meine, ist das für dich in Ordnung?«

Ich dachte über ihre Frage nach. Fühlte ich mich wohl damit? Noch vor einer Woche hätte ich wahrscheinlich nein gesagt. Vor einem Monat oder einem Jahr wäre ich durchgedreht. Aber jetzt war die Antwort für mich ganz klar.

»Ja, ist es. Ich bin ... zufrieden. Ich fühle mich ruhiger, sicherer als, na ja, als je in meinem Leben. Vielleicht war mir das von Anfang an bestimmt. Vielleicht wurde ich schon bei meiner Geburt dazu ausersehen, eine Todesmaid zu werden - darauf wäre ich sogar stolz. Ich habe Frieden mit mir geschlossen, damit, was ... wer ... ich bin. Arial wurde schon als kleiner Welpe nach Haseofon gebracht, gleich nach ihrem Tod. Also besteht meine Verbindung zu diesem Ort nicht erst seit heute.«

Smoky hustete laut. »Darf ich deinen Ring mal sehen?«

Widerstrebend versuchte ich, ihn mir vom Finger zu ziehen, doch es ging nicht. Er war nicht zu eng, aber er rührte sich keinen Millimeter. Statt etwas zu sagen, streckte ich ihm einfach die Hand hin. Er warf mir einen kurzen Blick zu, und der Ausdruck in seinen Augen sagte mir, dass er erkannte, was gerade passiert war. Aber er sagte nichts, sondern betrachtete nur meine Hand und strich leicht mit den Fingerspitzen über den Stein.

»Schwarzer Drache - aber nicht nur. Da stecken noch mehrere andere Energien in diesem Quarz, aber ich spüre nichts Böses. Dein Shade ist kein reinblütiger Drache. Wahrscheinlich nur zur Hälfte.« Er ließ meine Hand los und lehnte sich zurück. »Er und ich müssten miteinander auskommen können, solange er sich auf seine Angelegenheiten konzentriert.«

»Ich weiß, dass Drachen sehr territorial sind. Wird es wirklich anstrengend für euch sein, euch im selben Raum aufzuhalten?« Ich verstummte. Es fühlte sich sehr seltsam an, so darüber zu reden. Aber ich wusste im tiefsten Herzen, dass dies für Shade und mich nur der Anfang war.

Camille räusperte sich und warf Smoky einen Blick zu. »Wir werden es versuchen. Falls es Schwierigkeiten gibt, müssen wir eben eine Lösung finden. Hört sich so an, als sei Shade ganz vernünftig. Und ich weiß, wie es ist, sich in einen Drachen zu verlieben, den man kaum kennt. Ich bin die Letzte, die dich dafür kritisieren wird. Verdammt, in jeden von diesen drei Lümmeln habe ich mich so schnell verliebt, dass mir ganz schwindelig wurde. So etwas passiert, und wenn es euch bestimmt ist, zusammen zu sein, dann weiß man das einfach, schon von Anfang an. Ich würde gern mehr über Arial und Shade hören, aber wir müssen uns an die Arbeit machen.« Sie wies auf meinen Laptop. »Lass mal sehen, was uns diese Fotos verraten.«

Ich wusste, dass ihre Männer beinahe starben vor Neugier, aber da Menolly und Camille hinter mir standen, würden sie mich eine Weile damit in Ruhe lassen müssen. Erleichtert setzte ich mich an meinen Laptop und öffnete den richtigen Ordner. Das erste Bild, das Morio aufgenommen hatte, erschien auf dem Bildschirm an der Wand. Er schnappte sich einen Grillspieß als Zeigestab, statt die Maus zu benutzen, die ich ihm hinhielt.

»Danke, aber ich mache das lieber auf die altmodische Art.«

Wir betrachteten ein Haus, das ein beliebiges Vorort-Häuschen im Ranch-Stil hätte sein können, einstöckig und weitläufig - es nahm ein Drittel des Grundstücks ein. Anstelle eines Zauns wurde es von zwei steinernen Mauern begrenzt, aber in der Zufahrt war kein Tor. Das Haus sah recht ordentlich aus, der Vorgarten war gepflegt, aber irgendetwas störte mich. Ich konnte nur nicht genau sagen, was.

»Ist euch bewusst, dass Morio das Haus am helllichten Tag fotografiert hat? Trotzdem sind die Vorhänge komplett zugezogen. Schaut sie euch an - nicht der geringste Spalt. Das finde ich merkwürdig, vor allem, weil das Haus hinter den Mauern sowieso kaum einsehbar ist.« Iris trat vor den Bildschirm und neigte den Kopf zur Seite. »Wenn man genau hinsieht, erkennt man auch, dass die Fenster vergittert sind.«

Morio nickte. »Ja, das ist mir auch aufgefallen. Ich wollte es nicht riskieren, in meiner Fuchsgestalt im Garten herumzulaufen, aber ich bin nah genug herangekommen, um die Gitter vor den Fenstern zu sehen. Und du hast recht - ich bin ziemlich sicher, dass dahinter jemand Wache gehalten hat. Ich bezweifle, dass wir dem aufgefallen sein könnten. Gegenüber vom Haus ist ein kleines Geschäft, ein richtiger alter Tante- Emma-Laden. Davor haben wir geparkt, und ich habe mich mit der Kamera hintenherum angeschlichen, während Vanzir und Roz recht auffällig in den Laden hinein und wieder heraus spaziert sind.« Er bedeutete mir, das nächste Bild aufzurufen.

Morio hatte sich offenbar in einem dichten Gebüsch versteckt, denn Efeuranken und Farnwedel drängten sich ins Bild. Wir konnten den seitlichen Teil des Gartens rechts vom Haus sehen. Ein Tor trennte den Vorgarten vom rückwärtigen Bereich, und davon war genug auf dem Bild, um mehrere Schuppen dort hinten sehen zu können und einen Hundezwinger. Daneben war ein Hund angekettet, der aussah wie ein riesiger Rottweiler.

»Ist der Hund freundlich oder gefährlich?« Rottweiler konnten beides sein - das hing von den Besitzern ab. Eigentlich, dachte ich mir, galt das für die meisten Hunde. Ein paar Rassen neigten zwar von Natur aus eher zu aggressivem Verhalten, aber es hing hauptsächlich von Aufzucht und Erziehung ab, ob aus einem Hund ein Kuschler oder ein Kämpfer wurde.

»Also, eines kann ich euch gleich sagen, dieser Hund will nicht nur spielen. Ich glaube, er konnte mich spüren, er hat die ganze Zeit gebellt. Ich bin so nah rangegangen, wie ich es riskieren konnte, aber noch ein Stückchen weiter, und ich wäre nicht mehr auf dem Nachbargrundstück, sondern auf seinem gewesen. Das Nachbarhaus steht übrigens zum Verkauf, es ist nicht bewohnt, und wir kommen relativ einfach hinten in den Garten. Reichlich Deckung bis zur Grundstücksgrenze, und das ist eine mit Efeu bewachsene Mauer.«

Vanzir räusperte sich. »Während Morio hinten fotografiert hat, haben wir am Auto ein Picknick gemacht. Wir haben gesehen, wie ein paar sehr schlanke Männer aus dem Haus kamen und in einem zerbeulten VW-Bus weggefahren sind. Sie waren dünn, aber drahtig und zäh. Unterschätzt sie nicht, die können wahrscheinlich ganz schön austeilen.«

»Glaubst du, dass die es riskieren würden, Doug und Saz in ihrem Haus zu verstecken? Sofern die beiden noch leben, meine ich? Sie mussten sie ja irgendwo unterbringen, um sie aufzustacheln, ehe sie ...« Ich unterbrach mich, weil ich wieder an Paulos verstümmelte Leiche denken musste. »Ehe sie sie ermorden und ausweiden.«

»Und falls sie Amber haben, könnte sie auch dort sein? Das Haus ist zwar sehr weitläufig, aber ich vermute eher, dass sie dort wohnen, nicht ihre Leichen im Keller verstecken, sozusagen«, bemerkte Menolly.

»Es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden«, entgegnete ich. »Sollen wir weitermachen?«

Morio erzählte uns zu den nächsten drei Fotos einiges über die nähere Umgebung. »Aber es läuft darauf hinaus, dass wir zweifellos jemandem begegnen werden, wenn wir da reingehen. Ich fürchte, wir würden Amber, Doug und Saz in Gefahr bringen, wenn wir einen Fehler machen. Deshalb sind wir dem VW-Bus gefolgt.«

»Dafür könnte ich dich küssen«, sagte ich und strahlte ihn an. »Aber warum hast du das nicht gleich gesagt? Das hätte eine Menge Zeit gespart.«

»Jedes Puzzlestückchen zählt, jede noch so kleine Information könnte wichtig sein. Besser langsam und Schritt für Schritt vorgehen, als etwas übersehen und irgendjemanden einen hohen Preis dafür zahlen lassen. Und ich glaube, daran sollten wir von jetzt an immer denken. Da Stacia schon ein Kopfgeld auf euch ausgesetzt hat, können wir es uns nicht leisten, nachlässig, voreilig oder faul zu sein. Denn irgendwann wird jemand, der zäh und böse genug ist, es schaffen, eine von euch in eine Falle zu locken, weil er abkassieren will. Das sollten wir vermeiden.« Er seufzte tief. »Ich bin gefahren. Roz soll euch erzählen, was wir gefunden haben. Deswegen kommen noch mehr Bilder. Wir haben sie unterwegs gemacht und als wir da waren.«

»Wo denn?«, fragte Camille.

»An einem Ort, wo man ganz sicher kein Wolfsgehege erwarten würde«, sagte Rozurial und übernahm den Grillspieß von Morio. »Zunächst einmal sind diese Kerle verdammt geschickt darin, sich so gut zu tarnen, dass sie ganz offen operieren können. Die sind nicht umsonst Kojoten, sage ich euch.«

Das Bild, das auf dem großen Monitor erschien, zeigte offenbar eine Lagerhalle unten am Hafen. Das Gebäude war klein und freistehend, aber zweifellos eine Lagerhalle. Auf dem Schild über dem Eingang stand EMPORIUM MEATS, und ein sehr realistisch wirkender Lieferwagen stand seitlich vom Haus.

»Oh, bitte, sag mir, dass die nicht tatsächlich Fleisch verkaufen. Ich mag gar nicht daran denken, wo sie es herhaben und was sie alles zu Hackfleisch verarbeiten«, stöhnte Camille.

»Vielen herzlichen Dank für die plastische Verdeutlichung, und nein - sie handeln nicht mit Fleisch«, erwiderte Roz. »Ich vermute, wenn man in diesen Lieferwagen schaut, findet man darin Fesseln, Ketten oder was sie sonst brauchen, um sehr zornige, mit allem Möglichen vollgepumpte Beta-Werwölfe zu transportieren, die zu Alphas gemacht wurden.«

»Perfekt.« Ich stand auf und starrte auf den Bildschirm. »Die haben sich tatsächlich gut getarnt und mitten in der Stadt niedergelassen. Was habt ihr noch zu der Lagerhalle?«

»Mehrere Zugänge - ganz normaler Eingang vorn, zwei an der Laderampe hinten. Morio hat das Gebäude magisch nach Fallen abgesucht, aber wir waren zu weit weg, und wir konnten schlecht hingehen und fragen. Der Parkplatz hinter dem Gebäude ist groß genug für etwa zwanzig Autos. Wir haben ein bisschen nachgeforscht und herausgefunden, dass es früher tatsächlich mal ein Schlachthaus war. Also dürfte die Inneneinrichtung gut dafür geeignet sein, jemanden zu foltern und auseinanderzunehmen.«

»Warum sollten Van und Jaycee die Werwölfe dann in ihrem Haus sezieren, wenn es doch in diesem Schlachthaus alles Nötige gibt?«

»Das kann ich dir sagen«, antwortete Camille. »Aus zwei Gründen. Erstens: Magie, klar. Oder vielmehr sehr schmutzige Magie. Stell es dir als Revierproblem vor. Hexer - auch Hexen und Magier, wir alle - haben eine persönliche magische Signatur. Jeder von uns strahlt eine einmalige Energie aus wie eine Spur auf dem magischen Boden. Ich vermute, dass die Energie der Kojoten sich mit Vans und Jaycees Hexerei nicht verträgt.«

»Und der zweite Grund?«

»Soweit wir wissen, haben sie den Gestaltwandlern aus irgendeinem Grund verheimlicht, dass sie Dämonen sind. Aber dieser Keller hat nach dämonischer Magie gestunken, die mir das sofort verraten hätte, wenn ich aufmerksamer gewesen wäre. Sie wollten ihre Ruhe, und sie wollten nicht als Dämonen erkannt werden. Das war womöglich unsere Rettung, denn nur weil sie die Lagerhalle nicht benutzen wollten, wissen sie noch nichts von Amber und dem Geistsiegel.«

»Also, was jetzt?«, fragte ich.

»Das Übliche. Wir stürmen den Laden und tun unser Bestes, dabei nicht umgebracht zu werden. Wir können unmöglich herausfinden, was da drin vor sich geht, ohne mit Gewalt einzudringen. Irgendwie glaube ich nicht, dass eine Bewerbung bei Emporium Meats uns eine kleine Betriebsführung einbringen würde.« Menolly rieb sich die Hände an ihrer Jeans ab. »Das wäre dann wohl alles, Ladys und Gentlemen. Wollen wir los?«

»Moment mal. Morio und Camille, ihr müsst besonders vorsichtig sein. Wahrscheinlich haben sie einen hübschen Vorrat Wolfsdorn da drin. Und ich würde wetten, dass sie ihn benutzen werden, wenn sie uns kommen sehen, in der Hoffnung, zumindest ein paar von uns auszuschalten. Ihr beiden bleibt am besten ganz hinten und tragt Schutzmasken. Das hindert euch doch nicht am Zaubern, oder?« Ich runzelte besorgt die Stirn und hoffte sehr, dass sie nein sagen würden.

Sie machten es mir nicht so einfach.

»Doch, ich fürchte schon«, antwortete Camille. »Wir bleiben einfach so weit hinten wie möglich und nehmen die Beine in die Hand, falls sie mit dem Zeug um sich werfen.«

»Dann holt jetzt alle eure Waffen. Wir müssen uns beeilen, denn wenn sie Doug und Saz nicht schon getötet haben, planen sie es auf jeden Fall. Und Amber - weiß der Teufel, warum die Kojoten sie noch nicht getötet haben und wann sich das ändern könnte.« Ich stand auf und streckte mich. Wir zogen wieder in die Schlacht, und jedes Mal fragte ich mich, ob wir sie alle lebend überstehen würden.