Kapitel 9

Mrs. Grenada

Matteo wachte aus einem traumlosen Schlaf auf. Er fühlte sich nicht erholt. Wie auch? Sie hatten gestern noch unendlich lange Stunden darüber diskutiert, ob sie den Zellentrakt nun besser putzen, oder gleich verlassen sollten. Irgendwann hatte Matteo die Schnauze von den ewigen Schleifen voll und legte sich in seiner Zelle aufs Ohr. Aber auch dort konnte er seinen Kopf einfach nicht ausschalten. Er fühlte sich schuldig. Schuldig, am Leben zu sein, während viele Menschen auf der Welt sterben mussten. Die Realität der Epidemie übertraf seine Vorstellungskraft bei weitem. Dazu kam, dass das Schicksal einen merkwürdigen Verlauf nahm. Denn ausgerechnet er war auf dieser verfluchten Insel in Sicherheit, obwohl er ein verurteilter Verbrecher war, der bereits die Schuld eines jungen Lebens auf sich genommen hatte. Er wollte nicht weiter über die Ungerechtigkeit der Geschehnisse nachdenken. Es würde ihn ohnehin nur genauso in den Wahnsinn treiben, wie Ventura. Trotzdem konnte er nicht anders, als sich das kleine Mädchen vorzustellen, das kein Mädchen mehr war, sondern ein wildes Ding, das sich nach Menschenfleisch verzehrte.

Der Ausbruch war für ihn eine einzige Bestätigung, dass es doch keinen Gott gab. Es war nicht seine Art, über Gott nachzudenken. Aber hatte er den Menschen nicht nach seinem Ebenbild geschaffen? Wie passte das zusammen? Es war dunkel in seiner Zelle. Das einzige Licht strahlte durch den kleinen Schlitz in der Tür. Aus dem Hof im Zellentrakt drangen gedämpfte Geräusche. Die anderen waren also schon wach, oder immer noch. Die anderen, das waren Sekou, Franco, Monti und Ventura. Mehr waren sie vermutlich nicht mehr. Filippo war tot, Alessio höchstwahrscheinlich auch. Zusammen mit Rizzoli hatte es an einem einzigen Tag drei gute Leute erwischt. Matteo konnte einfach nicht fassen, was er gestern zu sehen bekommen hatte. Die letzten Wochen hatten ihn nicht annähernd auf die gestrigen Erlebnisse vorbereitet. Ventura hatte Recht und er wünschte sich nichts sehnlicher, als das alles nur ein böser Traum war.

Matteo hatte genug und stand genervt auf. Irgendwo musste ein weiteres Schiff an Land gegangen sein. Wie hätten die Untoten sonst an Land kommen können? Matteo schlief nach Wochen der Freiheit wieder mit geschlossener Zellentür. Die ersten Sonnenstrahlen des Tages trafen ihn wie einen Blitz, als er die Zellentür öffnete. Sekous tiefe Stimme drang deutlich von unten.

„Also Franco. Wir haben zwei Möglichkeiten. Du und Monti, ihr macht hier sauber, oder ihr geht raus und macht die beiden übrig gebliebenen Zombies fertig.“

„Das ist scheiße, Sekou! Sie dir das hier an. Überall Blut. Ich kann das nicht!“, jammerte Franco und sah Monti an, von dem er sich Unterstützung erhoffte, der aber nur betreten auf den Boden starrte, weil er auf keinen Fall die Zellen verlassen wollte.

„Hör auf zu jammern, Franco“, herrschte Matteo ihn an, als er die Treppe hinunter lief. „Wir finden das alle nicht schön, aber der Zellenbereich ist sicher und muss geputzt werden. Wenn ihr beiden woanders unterkommen wollt, bitte. Ich halte euch nicht auf. Auf wenn wir alle hier bleiben, sollten wir uns die Arbeit schon teilen. Sekou, wir beide suchen die Untoten. Ich brauche deine Hilfe.“

Die drei Anwesenden merkten schnell, dass Matteo nicht wirklich in der Stimmung für Diskussionen war. Besonders Franco wurde klar, wie aufgeschmissen er ohne die anderen sein würde. Zwar hatte er sich gut geschlagen, aber er hatte keine Erfahrung mit Waffen und war sich bewusst, dass er allein aufgrund seines Gewichts, ein leichtes Opfer darstellte.

Matteo stand vor Venturas Zelle und dachte an sein wildes Lachen von gestern.

„Wieso ist Ventura eigentlich so still? Gestern hat er uns noch in den Wahnsinn getrieben.“

„Stimmt, den Idioten hatte ich ganz vergessen“, bemerkte Sekou verwundert.

Matteo hämmerte mit seiner behaarten Pranke gegen Venturas Zellentür. „Ventura!“ „VENTURA! Alles klar bei dir?“

Sekou zuckte mit den Schultern.

„Wahrscheinlich hat er sich da drin schon aufgehangen.“

„Nein, Sekou“, sagte Ventura von drinnen. „Noch habe ich das nicht.“

Matteo hörte die Scharniere klacken und trat einen Schritt zurück. Die Zellentür ging auf und eine abgemagerte Person mit wild zerzausten Haaren stand im Türrahmen. Es sah so aus, als hätte er sich einige Haarbüschel herausgerissen. Sein Unterhemd glänzte speckig und er roch nach Urin.

Ventura blinzelte wild. „Jetzt habt ihr sie auch gesehen, was? Dann bin ich wohl doch nicht so verrückt, wie ihr dachtet!“

„Mit den Dingern hattest du Recht, ja. Ist aber kein Grund stolz drauf zu sein. Mir wäre es lieber, du wärst durchgeknallt und hättest phantasiert!“, erwiderte Matteo und zeigte auf sein Unterhemd. „Hast du mal in den Spiegel geschaut, Ventura? Wie wär‘s mit einer Wäsche?“

Nun sah er zu Monti, der noch immer betreten auf den Boden sah.

„Hey Monti! Den könnt ihr gleich mit sauber machen, wenn ihr schon hier unten aktiv werdet!“

Monti war noch immer geschockt von den gestrigen Ereignissen. Das Bild, wie Rizzoli mit offener Kehle zusammengebrochen war, verfolgte ihn die ganze Nacht. Dass er den Untoten mit der Machete enthauptet hatte, war reiner Reflex. Er hatte sie vor einiger Zeit aus dem Schuppen am Weinberg geklaut. Monti hatte sich seit dem Vortag nicht umgezogen und stank fast genauso schlimm, wie Ventura. Er war ein eher kleiner, untersetzter Typ mit nur einigen fettigen Haaren auf dem Kopf, großen Augenringen und einer riesigen Stirn. Ohne Anzug sah er kaum aus wie der Steuerbetrüger, der er war.

„Das geht klar“, krächzte Monti. „Also das mit dem Putzen. Wir kümmern uns darum.“

Sekou schnaufte.

„Na also. Geht doch. Dann hole ich meine Waffe.“

„Seid vorsichtig beim Putzen! Holt euch Handschuhe und fast das Blut nicht an“, sagte Matteo, wobei ihm sofort einfiel, dass Franco als einziger gesehen hatte, wie sich ein Mensch verwandelte und vermutlich am besten Bescheid wusste.

In den letzten Stunden war einfach zu viel passiert. Das war auch zu viel für Matteo. Franco ließ seinen Tipp unkommentiert und machte sich mit Monti auf den Weg in die Waschräume.

„Noch was“, rief Matteo ihnen hinterher, als er sich an seinen Fehler von gestern erinnerte. „Schließt jede Tür hinter euch. IMMER. Und lauft nicht unbewaffnet herum. Holt euch irgendwelche Prügel oder sonst etwas.“

Ventura stand noch immer im Türrahmen seiner Zelle. Sekou musterte ihn intensiv, als könnte er dadurch herausfinden, ob er bei klarem Verstand war. Dann fragte er doch.

„Geht’s dir halbwegs gut?“

„Denke schon“, erwiderte Ventura, der mit den Fingern die kahlen Stellen an seinem Kopf betastete und dann unpassend heftig begann zu lachen. „Zwischenzeitlich habe ich schon gedacht, dass ich mir das alles nur eingebildet habe. Aber jetzt bin ich froh, dass es nicht so ist.“

Sekou schüttelte ungläubig den Kopf und holte seine Sachen aus der Zelle.

Matteo und Sekou verließen den Zellentrakt voll ausgerüstet. Zuerst liefen sie die lange Straße zum Weinberg hinauf, wo Matteo gestern auf Franco getroffen war. Sie tasteten sich langsam vorwärts, aber die Gegend war übersichtlich und ein Überraschungsangriff ausgeschlossen. Vor dem Weinberg bogen sie links ab und machten sich auf den Weg zu den Schweinen und Hühnern. Der Stall war ein solider Backsteinbau mit abgeschlossenem Eingang. Es war unwahrscheinlich, dass die Untoten dort eindringen konnten, sie hielten es aber für möglich, dass die Infizierten allein aufgrund des Viehlärms dorthin gelockt worden waren. Das Gebäude lag westlich des Weinbergs auf einer ebenen Lichtung, umgeben von Pinienbäumen. Die Gegend war ruhig und von den Untoten keine Spur zu finden. Matteo nutzte die Gelegenheit, um die grunzenden Schweine zu versorgen und die Eier in Sicherheit zu bringen. Anschließend setzten sie ihren Weg zum Schuppen fort und fanden schließlich Filippo, der einen unwürdigen Anblick abgab. Matteo konnte sich seinen alten Freund nicht ansehen, denn Franco hatte seinen Kopf mit der Spitzhacke gnadenlos zertrümmert.

„Hier drin ist weiter nichts, Matteo. Was machen wir mit Filippo?“, fragte Sekou, der im Schuppen stand und auf Filippos Leiche herabsah.

„Macht es dir was aus, wenn du ihn raus ziehst? Dann verbrennen wir ihn draußen und fackeln dabei nicht die halbe Insel ab.“

Sekou schützte seine Hand mit einem Arbeitshandschuh und zog Filippos Leiche an den Stiefeln hinaus.

„Der arme Hund, verdammt!“, brummte Sekou, der den Alten ebenfalls sehr gemocht hatte.

Sie zündeten die Leiche an einer abgelegenen Stelle außerhalb des Schuppens an, weil sie nicht wussten, ob das Virus auch auf Tiere übertragbar war. Das schloss ein Vergraben kategorisch aus. Die beiden sahen dem Körper beim Verbrennen zu und Sekou beendete die Ruhe.

„Ventura ist noch immer ziemlich crazy drauf“, stellte er fest.

„Der wird sich auch nicht mehr ganz erholen. Mit dem, was wir gesehen haben, kannst du entweder umgehen, so wie wir, oder du verkraftest es einfach nicht.“

„Mag sein“, brummte der Afrikaner. „Dennoch müssen wir ihn im Auge behalten, bevor er uns in Gefahr bringt.“

„Da gebe ich dir Recht. Aber wie stellst du dir das vor? Wir können ihm kaum einen Babysitter an die Seite stellen.“

„Das nicht, aber wir können ihn ausquartieren. Auf der Insel ist Platz für eine halbe Stadt. Da finden wir für ihn sicher ein schönes Plätzchen.“

Matteo traute seinen Ohren nicht. „Ist das dein Ernst? Er ist einer von uns. Verrückt oder nicht.“

„Er bringt uns in Gefahr und du weißt das!“

Natürlich wusste das auch Matteo, aber das konnte er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren. Das war auch der Grund, wieso er schon das ein und andere Mal für andere in den Bau gegangen war. Er war zu gutmütig.

Matteo sah die lange Straße entlang, die hinter den Weinberg führte.

„Franco sagte, sie wurden direkt am Weinberg angegriffen. Vielleicht sind die Untoten aus dieser Richtung gekommen.“

Matteo und Sekou folgen der Straße, bis sie auf der anderen Seite der Insel standen und wieder aufs Meer hinaus sehen konnten. Sekou sah das Boot, das an der felsigen Landzunge gestrandet war, als erster. Mit den Pistolen im Anschlag, pirschten sie sich bis an die Überreste von Alessio heran. Sein Overall war aufgerissen und die Enden seiner bloßen Rippen zeigten in die Mittagssonne. Matteo hustete vor Ekel und hob sich die Hand vor dem Mund, weil der zerfetzte Körper schon einen widerlich süßlichen Verwesungsgeruch von sich gab. Sekou hielt sich nicht lange auf und untersuchte das Äußere des Schiffs. Es war noch immer intakt. Matteo gab ihm von hinten Deckung und die beiden durchsuchten auch den Schiffsbauch. Es war verlassen, aber voller Blut. Matteo fiel das Bild einer fünfköpfigen Familie ins Auge. Das kleine Mädchen, das von ihrem Vater im Arm gehalten wurde, hatte Ähnlichkeit mit der Kleinen von gestern. Als Sekou in einen halben Kiefer trat, der in einer dunkelbraunen getrockneten Lache auf dem Boden lag, stürmte er hinaus an die frische Luft und übergab sich ins Meer.

„Ist das zu glauben?“, fragte Matteo, der neben Sekou an der Reling stand und auf das ruhige Meer hinaus blickte.

Sekou hustete noch immer. Sein Magen hatte sich jedoch wieder beruhigt. „Was, verdammt?“

„Na all das. Wir Häftlinge sitzen auf dieser Insel, während um uns herum der Tod herrscht.“

„Ex-Häftlinge, Matteo. Und ja, ich glaube es. Irgendwie war es klar, dass sich die Menschheit selbst zugrunde richtet. Ich hätte nur nicht gedacht, dass ich das noch miterlebe.“

Sekou beugte sich noch immer über die Reling und spuckte die restlichen Nahrungsreste ins Meer, die sich zwischen seinen Zähnen fest gehangen hatten.

„Vor einigen Wochen noch, hatten wir diskutiert, wer die Insel verlassen will und wer hier bleibt. Du erinnerst dich?“

„Natürlich, hab ja noch kein Alzheimer.“

„Wie denkst du jetzt darüber, Sekou? Immerhin haben wir jetzt zwei Boote, sofern der Kübel hier läuft.“

„Meine Meinung hat sich nicht geändert. Mich bekommt man von dieser Insel hier nicht herunter. Nicht, nachdem ich weiß, was auf dem Festland auf uns lauert. Wieso fragst du das ausgerechnet jetzt? Hast du dich entschieden zu verschwinden? Bist du verrückt?“

„Nun. Ich weiß es noch immer nicht. Wir sind nur noch zu fünft. Verstärkung würde uns gut tun. Vielleicht gibt es auf dem Festland ja noch Überlebende?“

Mittlerweile konnte sich Matteo erklären, woher auf einmal sein Drang kam, nach Überlebenden zu suchen. Es war die Gewissheit, wie schlimm die Epidemie wirklich war. Und sein Gewissen. Es erinnerte ihn daran, dass es nicht gerecht war, sich hier zu verstecken, während andere um ihr Leben kämpften mussten.

Sekou schnaufte aus.

„Überlebende? Da draußen?“

Er zeigte auf das Festland, das als Silhouette am Horizont erkennbar war.

„Vielleicht! Aber selbst wenn. Was soll es uns angehen? Früher hat es die Leute auch nicht geschert, wie es mir erging. Mir hat auch niemand geholfen! Du kennst meine Geschichte. Ich bin geflüchtet! Als Jugendlicher. Ich war allein. Und für euch war ich immer nur der scheiß Neger. Hilfe hätte ich auch gebraucht. Und was habe ich bekommen? Ablehnung! Und am Ende bin ich im Knast gelandet.“

Matteo konnte seine Argumentation verstehen. Ihm war bewusst, wie Flüchtlinge in seinem Land behandelt wurden und verurteilte das, aber rückgängig konnte er es auch nicht machen.

„Und du findest es richtig, dass du anderen deine Hilfe verwehrst, weil du selbst keine erfahren hast?“

„Was ist schon richtig, Matteo? Ich sage nur, dass sich jeder selbst helfen muss.“

Das Gespräch führte zu nichts. Die beiden beschlossen, wieder zum Weinberg zurückzulaufen, denn sie waren davon überzeugt, dass sich die Untoten noch immer in dessen Nähe aufhalten mussten.

Als sie nach einer Stunde noch immer keine Spur gefunden hatten, kam Sekou auf die Idee, Krach zu schlagen, um sie anzulocken. Sie holten sich eine Stahltonne und Werkzeuge aus dem Schuppen und platzierten sie auf einer Lichtung in der Nähe des Schuppens.

„Und du denkst wirklich, dass das klappt?“, fragte Matteo vor der Tonne stehend.

„Keine Ahnung, aber in ein paar Stunden ist es dunkel und ich habe keine Lust, morgen wieder die gesamte Insel auf den Kopf zu stellen. Wenn das nicht klappt, binden wir Franco an einen Baum und legen uns auf die Lauer.“

Sekou hatte eine so trockene Art, dass Matteo manchmal nicht wusste, wann er scherzte und wann nicht.

Sie schlugen mit einem Hammer und einer Schaufel auf die Blechtonne, als gäbe es kein Morgen.

„KOMMT ZU UNS IHR MONSTER!“, schrie Sekou. „KOMMT HER!“

Matteo kam sich mächtig blöd vor, hoffte aber, dass das Manöver funktionieren würde. Allmählich verlor er nämlich ebenso die Geduld. Immer und immer wieder schlugen sie gegen die Tonne. Der Lärm war ohrenbetäubend. Nach Minuten des Wartens erschien plötzlich wirklich ein Körper am Waldrand und wankte auf sie zu. Hinter der Frau lief ein weiterer Untoter. Das mussten sie sein, dachte Matteo. Sie hatten blutverschmierte Münder und fletschten die Zähne, während sie wie in Trance auf die beiden zuliefen. Mit ihren abgehakten Bewegungen schafften sie es geradeso, nicht über die Wurzeln zu stolpern, die am Rande des Pinienwaldes aus dem Boden ragten.

„Eine Frau und ein junger Kerl. Wie Franco es sagte“, bemerkte Sekou.

Sie waren noch rund zwanzig Meter entfernt. Matteo sah sich den Jungen genau an. Er war ein grauenhafter Anblick und doch musste er an den Jungen von damals denken. Sein Herz klopfte schneller. Er dachte daran, wie der Halbwüchsige von den Hells Angels in dieser Nacht sein Gewehr auf ihn gerichtet hatte und bereit war abzudrücken. Allein sein Zögern gab Matteo genug Zeit, um selbst abzudrücken und sein Herz zu durchlöchern. Wieder stellte er sich der Frage, ob der Junge tatsächlich abgedrückt hätte, oder ob sein Zögern das Zeichen war, dass er nicht den Mumm dazu hatte. Matteo hatte ihn und dafür hasste er sich.

„Ich nehme die Frau, du den Jungen“, erwiderte Matteo rasch und gab zwei Schüsse aus sicherer Entfernung auf die Frau ab. Einer traf sie direkt in den Kopf, der andere Schuss durchschlug ihren Hals. Sie schaffte es gerade noch ein paar leise gurgelnde Zischlaute von sich zu geben, bevor sie zusammenbrach.

Mit seinen ersten beiden Schüssen aus der Pistole verfehlte Sekou den Jungen und feuerte erneut. Diesmal traf er die Schulter und der Schuss riss den Untoten seitlich nach hinten. Er fiel jedoch nicht und fauchte stattdessen wütend, während er seinen humpelnden Schritt beschleunigte. Die zweite Kugel traf ihn seitlich in den Kopf und riss ein Stück seiner Schädeldecke weg. Nun fiel auch er zu Boden.

„Woher kannst du so gut schießen?“, fragte Sekou, der sichtlich mehr Probleme damit hatte.

„Frag nicht. Ich hatte die ein oder andere Gelegenheit es zu üben.“

„Denkst du, dass das alle waren?“

„Ja, auf dem Boot habe ich das Bild einer fünfköpfigen Familie gesehen. Hast du das nicht bemerkt?“

„Nein. Ich war mit Kotzen beschäftigt, falls du das vergessen hast.“

Sie verbrannten auch diese Leichen. Als Matteo sah, wie die Flammen den jungen Körper verschlangen, wusste er, dass er nun einen Weg gefunden hatte, seine Schuld auch in Freiheit zu begleichen. Sie gingen zurück zur Anstalt. Franco und Monti hatten gute Arbeit geleistet. Der Zellentrakt glänzte wie schon lange nicht mehr.


***

Die nächsten Wochen hatten sie genutzt, um die Insel viele Male abzugehen. Bis auf das eine Boot konnten sie jedoch nichts weiter finden. Sie hatten Glück und es war noch funktionstüchtig. Matteo schaffte es in die Anlegebucht, wo es ihnen als Ersatz für das Polizeiboot dienen sollte. Um ihre Sicherheit im Zellentrakt zu erhöhen, erweiterten sie den Maschendrahtzaun im Eingangsbereich. Ein Durchkommen war mit normalen Mitteln nun kaum noch möglich und für Untote schon gar nicht. Da er von Filippo bereits das ein oder andere gelernt hatte, erklärte sich Franco bereit, sich um den Weinberg zu kümmern. Monti zog es vor, die Gärten im Blick zu behalten, und Matteo versorgte zusammen mit Sekou weiterhin die Hühner und die Schweine.

Matteos Plan Überlebende aufzuspüren und auf die Insel zu bringen, hatte sich verfestigt. Er war davon überzeugt, dass es in Livorno noch Menschen geben musste, die auf Hilfe angewiesen waren. Wie Matteo aber bereits befürchtet hatte, wollte sich ihm niemand anschließen, nachdem er seinen Plan verkündet hatte. Mit Sekou hatte er zwar nicht wirklich gerechnet, weil er seine Meinung genau kannte, war aber dennoch sehr darüber enttäuscht, eine so klare Abfuhr zu bekommen. Die beiden ungleichen Typen konnten schon immer ganz gut zusammen, hatten sich in den letzten Monaten aber erst richtig angefreundet. Umso schmerzhafter war der Bruch, der nun unweigerlich folgte. Franco versuchte zwar noch Matteo zu überreden auf der sicheren Insel zu bleiben, aber er hatte sich entschieden. Er musste es einfach versuchen.