DREIUNDZWANZIG
Blitzschnell machte ich den Mund zu. Eigentlich war ich gerade drauf und dran gewesen, einen Schrei auszustoßen, der Tote hätte wecken können.
Aber aufgrund von Brandons Drohung hatte ich es mir doch anders überlegt. Und außerdem, selbst wenn ich es versucht hätte, ich wäre gar nicht fähig gewesen, auch nur den leisesten Mucks zu machen, weil Brandon mir die Kehle zudrückte. Vielleicht erwartete er aber auch gar keine Antwort.
»So«, fuhr er fort. »Diese Gehirntransplantation. Das ist es also, was mit dir passiert ist? Nicht dieser ganze Quatsch von wegen Gedächtnisverlust, den du mir und allen anderen die ganze Zeit aufgetischt hast?«
Mir fiel plötzlich ein, wie er auf Saint John die Narbe an meinem Hinterkopf ertastet hatte. Das musste ihn zum ersten Mal stutzig gemacht haben.
Ich nickte stumm und fragte mich insgeheim, wie ich aus der Sache wieder rauskommen sollte. Christopher hatte keine Ahnung, dass etwas nicht stimmte. Auch keiner von den anderen würde es mitkriegen. Erst wenn ich zu lange weg gewesen war. Ob ich wohl überhaupt wieder zurückkommen würde? Diese Frage stellte ich mir ganz ernsthaft. Brandon zeigte im Moment eine Seite von sich, die ich noch nicht kennengelernt hatte. Eine Seite, die mich zu Tode ängstigte.
»Klar. Das erklärt natürlich so einiges«, sagte er. Er ließ seinen Daumen über mein Kinn gleiten. Das Ganze als gruselig zu bezeichnen, wäre stark untertrieben. Es war viel schlimmer. Ich hatte Brandon ja immer für ein wenig dümmlich gehalten. Doch wie sich herausstellte, hatte ich mich getäuscht. Denn er hatte die ganze Zeit über einen eigenen Plan verfolgt. Aber mir war nie etwas aufgefallen.
Nicht bis zu diesem Augenblick.
»Du hast dich verändert«, fuhr er fort. »Aber ich hab nie so genau sagen können, inwiefern du dich verändert hast. Erst heute ist es mir klar geworden. Na ja, mit diesem Quatsch von wegen ›Stark ist böse‹ liegst du mir ja schon ewig in den Ohren. Aber die alte Nikki«, sagte er. (Ja, die alte Nikki: Wie sie es wohl aufnehmen würde, so genannt zu werden?) »Die alte Nikki hat ja die ganze Zeit irgendwelchen Quatsch erzählt, von wegen, sie wisse irgendwas über Stark Quark. Ich hab ihr bloß nie zugehört. Jetzt weiß ich, dass ich es mal besser hätte tun sollen.«
Mein Herz klopfte mir bis zum Hals. Oh mein Gott. Wir waren alle mausetot. Brandon würde uns auffliegen lassen. Er würde seinem Dad alles haarklein berichten. Es musste doch einen Ausweg aus der Sache geben, es musste eine Möglichkeit geben, wie wir da wieder rauskamen. Was wollte Brandon bloß? Was konnte ich ihm anbieten, nur damit er nichts von der ganzen Sache hier erzählte?
»Ihr Problem war, dass sie sich echt wie eine Anfängerin benommen hat«, redete Brandon weiter. »Ihr alle seid richtige Anfänger. Ihr kennt meinen Dad nicht. Er nimmt auf nichts und niemanden Rücksicht … außer auf Stark. An ihn kommt man einzig über sein Unternehmen ran, anders kann man ihm nichts anhaben. Was auch immer Nikki Howard über Stark Quark weiß, wenn es es ihm wert erschien, Nikki Howard dafür umzubringen - und an ihr eine Gehirntransplantation durchzuführen, nur um ihr Image am Leben zu halten -, dann ist es es wert, darüber Bescheid zu wissen. Glaub mir. Und ich will’s jetzt auch wissen.«
Ich machte den Mund auf. Ich war so schockiert, dass ich ganz vergaß, dass ich ja still sein sollte. Das war wirklich das Allerletzte, was ich aus seinem Mund erwartet hatte - dass er das Geheimnis auch wissen wollte.
»Aber …«, krächzte ich.
»Nein«, sagte Brandon und legte mir die Hand auf den Mund. »Pst. Ich weiß genau, dass sie ihn erpresst hat. Aber offenbar hat sie sich ein bisschen blöd angestellt. Sie war sich anscheinend gar nicht im Klaren darüber, was für Hammerinformationen sie da besaß. Aber ich werde alles richtig machen. Ich bring sie schon dazu, mir zu sagen, was sie weiß - und das wird sie, weil sie ja immer noch total scharf auf mich ist. Sie schickt mir nämlich immer noch E-Mails. Und dann wirst du deine persönliche Idiotentruppe da drinnen dazu bringen, mir zu erklären, wovon zum Teufel sie spricht. Und dann werden wir uns gemeinsam überlegen, wie wir meinem Dad mit dieser Information schaden können. Und anschließend werde ich ihn persönlich damit erpressen.«
Ich sah ihn an, als wäre er vollkommen verrückt geworden. Allerdings hielt ich ihn nicht im Geringsten für verrückt. Nein, kein bisschen.
Und das bereitete mir fürchterliche Angst.
»Warum sollte ich dir helfen?«, wollte ich von ihm wissen.
»Tja«, meinte er schlicht, »weil ich sonst meinem Dad verraten werde, wo er die echte Nikki Howard finden kann. Und ich erzähl ihm alles über den Doktor.« Er ließ eine Strähne von meinem langen blonden Haar durch seine Finger gleiten, als wollte er prüfen, ob es sich immer noch so seidig anfühlte wie früher. »Okay? Also, du gehst jetzt da rein und erzählst denen, dass du mich wach vorgefunden hast und dass du mir die ganze Geschichte erzählt hast, weil ich nämlich ein ganz prima Kerl und auf eurer Seite bin.«
Mir klappte die Kinnlade runter. Er zog lächelnd an der Haarsträhne, die er in der Hand hielt.
»Und wenn du denen ein Wort davon sagst, dass ich dich dazu gezwungen habe, dann erzähl ich meinem Vater sofort von dem Mädchen. Und noch eins«, meinte er und bewegte seinen Arm so, dass er nicht länger gegen meine Kehle drückte, sondern um meine Schultern lag. »Lass von jetzt an die Finger von dem Typen da drinnen, dem, mit dem ich dich auf deinem Zimmer erwischt habe. Du und ich, wir sind von nun an ein Paar. Verstanden?«
Ich spürte, wie ich knallrot anlief. Also hatte er mich doch mit Christopher gesehen …
»Ich hab dein kleines Katz-und-Maus-Spiel echt satt. Erst schickst du mir E-Mails, und dann gehst du mir wieder aus dem Weg«, fuhr er fort.
»Aber das war doch nicht ich mit den Mails«, verteidigte ich mich. Mir war kotzübel. Denn auf Saint John hatte eindeutig ich ihn geküsst … Ach, wie sehr ich mir jetzt wünschte, ich hätte nie auf Lulu gehört. »Das war Nikki. Die echte Nikki.«
»Klar«, sagte Brandon und zog ein Gesicht, als würde ihn diese Unterhaltung langweilen. »Wie heißt du noch mal? In echt, meine ich?«
»Em«, sagte ich. Meine Stimme klang belegt, weil er mit seinem Arm so fest gegen meinen Kehlkopf gedrückt hatte. »Emerson.«
»Okay«, meinte Brandon. »Emerson also.« Dann lachte er. »In Wahrheit interessiert es mich einen feuchten Kehricht, wie du heißt. Du kannst ja ganz süß sein, wenn du willst. Ganz anders als die alte Nikki. Aber du bist nicht so dumm wie sie. Also denk daran, was ich dir gesagt habe. Du gehörst jetzt zu mir.« Er drückte ziemlich fest meine Schultern. »Vergiss den anderen Typen, den in der Lederjacke, der so wahnsinnig auf dich steht. Jetzt gibt es nur noch mich. Verstanden?«
Ich nickte eingeschüchtert. Was hatte ich denn auch für eine Wahl?
Er hob seinen Arm, damit ich mich befreien konnte, hielt aber mit einer Hand meinen Arm umklammert.
Obwohl ich mich nun wieder bewegen konnte, war ich geistig und emotional wie gelähmt. Was war denn gerade geschehen? War das wirklich Brandon gewesen, der Typ, der auf Saint John ins Wasser gesprungen war, um mich vor dem Ertrinken zu retten? Damals hatte er mir auch den Arm um den Hals gelegt, aber nur um mich zum Boot zu ziehen, um mich zu retten, nicht um mich gegen eine Wand zu drängen und mir zu drohen. Wie konnte er plötzlich so ganz anders sein, als ich ihn in Erinnerung hatte? War der Brandon, der sich bei mir unzählige Male über seinen ach-so-distanzierten Vater beschwert hatte, wirklich derselbe wie der, der jetzt unbedingt an einer Erpressung beteiligt sein wollte? Ganz zu schweigen davon, dass er mich dazu zwang, mich gegen meinen Willen als seine Freundin auszugeben?
Ich war ja der Ansicht gewesen, Christopher habe sich in einen Superschurken verwandelt. Aber wie sich nun herausstellte, hatte ich keine Ahnung gehabt, was ein Superschurke überhaupt ist. Brandon war ganz entschieden der schlimmste Superschurke unter den Superschurken. Er hatte sich dem Bösen verschrieben, und zwar auf eine Art und Weise, wie es Christopher ganz bestimmt nie in den Sinn gekommen wäre.
Wie betäubt ging ich los in Richtung Wohnzimmer, wo sich Christopher gerade an Mrs Howard wandte. Seine Stimme klang so unbewegt, dass es mir eiskalt den Rücken hinunterlief, und das nicht nur, weil ich Sekunden zuvor mit einer menschlichen Schlange zu tun gehabt hatte: »Es ist ein Fakt, dass Sie hier nicht länger sicher sind. Sie und Nikki müssen von hier verschwinden.«
»Nicht ohne mich, auf keinen Fall«, sagte Steven.
Mrs Howard klang nervös. »Ach, Steven … Aber denkt ihr denn wirklich … besteht denn tatsächlich die Gefahr, dass sie uns auf die Spur kommen?«
Ich wollte schon dazwischenrufen: Das hat man schon längst!, hielt aber noch im letzten Moment den Mund.
»Wenn wir diese Mails nachverfolgen können, dann schaffen die Leute von Stark das garantiert erst recht, wenn sie davon erfahren«, sagte Christopher. »Am sichersten ist es, wenn ihr alle von hier verschwindet.«
»Aber wohin wollt ihr denn gehen?« Lulu sprach als Nächstes. »Ihr könnt euch doch nicht für immer vor Stark verstecken? Die haben ihre Tentakel doch überall.«
Klar, genau. Sie hatte ja nicht die leiseste Ahnung.
In diesem Moment ließ Brandon mich aus seiner eisernen Umklammerung los und schubste mich vorwärts. Ich trat ins Wohnzimmer, ohne einen Blick nach hinten zu werfen, damit niemand bemerkte, dass jemand mir folgte.
»Und, hat Brandon noch geschlafen wie ein Baby?«, wollte Lulu wissen.
»Äh …«, setzte ich an. »Nein, nicht ganz.«
Wie auf Kommando sprang Brandon hinter mir ins Zimmer, sodass alle starr wurden vor Schreck, noch ehe sie begriffen, wer das war.
»Entspannt euch«, sagte Brandon mit einem widerlichen Grinsen im Gesicht und breitete in einer offenen Geste die Arme aus. »Nikki - beziehungsweise Em, wie ihr Name wohl wirklich lautet - hat mich über die ganze Sache aufgeklärt.«
Mehrere Leute, darunter Christopher und Steven, warfen mir erstaunte Blicke zu, zum Teil auch vorwurfsvoll.
Doch was blieb mir anderes übrig? Klar hätten sie beide Brandon mit Leichtigkeit überwältigen können. Aber solange sie ihn nicht umbrachten, wie wollten sie ihn davon abhalten, seinem Dad zu erzählen, was er zufällig mitgehört hatte? Er wusste genau, wo Dr. Fong wohnte, und wahrscheinlich kannte er auch Christophers Nachnamen. Ich konnte Brandon einfach nicht mit seinem Wissen zu seinem Vater rennen lassen. Das konnte ich nicht zulassen! Er hatte sich einverstanden erklärt, mitzuspielen … solange ich seine Bedingungen erfüllte.
Ich wünschte nur, ich wäre von vornherein nicht so dumm gewesen, ihn zu küssen. Offensichtlich war das das reinste Spiel mit dem Feuer gewesen. Warum hatte ich ihn bloß so lange fälschlicherweise für einen versoffenen, aber harmlosen Playboy gehalten? Ich hätte doch wissen müssen, dass wie bei seinem Vater hinter der gut aussehenden Fassade ein knallharter Geschäftsmann steckte, der vor nichts zurückschrecken würde, um zu bekommen, was er wollte… Was in Brandons Fall wohl die Rache an Stark war.
Na ja, im Grunde ganz ähnlich wie bei Christopher. Nur dass Brandon sich an einem ganz bestimmten Stark rächen wollte und nicht nur am Unternehmen als Gesamtes.
»Ich möchte nicht, dass irgendeiner von euch sich Sorgen macht«, erklärte Brandon gerade in beruhigendem Tonfall. »Ich habe alles unter Kontrolle. Zunächst einmal bin ich, wie ihr wohl alle wisst, kein großer Fan von meinem Vater. Und zweitens, Nikki, Mrs Howard und Steven … Ich bin eingeweiht, und ich weiß, was zu tun ist. Meine Limousine da draußen wird euch alle zu einem Privatflugzeug bringen, das in Teterboro auf der Startbahn bereit steht. Damit fliegt ihr alle zusammen in mein Sommerhäuschen in South Carolina. Dort seid ihr absolut sicher.«
Nikki, die auf dem Sofa gesessen und Brandon angehimmelt hatte, als wäre plötzlich ein Engel ins Zimmer geschwebt, sah auf einmal total erfreut aus. Mit einem Strahlen sprang sie auf und schlang ihm die Arme um den Hals. »Ach, Brandon!«, rief sie. »Ich wusste, dass du uns helfen würdest! Ich wusste es!«
Brandon erwiderte ihre Umarmung artig. Hinter seinem Rücken starrte Steven mich eindringlich an, so als wolle er mir sagen: Wer ist der Typ eigentlich? Was geht hier vor sich?
Ich lächelte ihn betreten an, obwohl ich ihm eigentlich ein aufmunterndes Lächeln zuwerfen wollte. Ich bin mir aber nicht ganz sicher, ob ich das so gut hingekriegt habe.
»Nun, Mr Stark«, meinte Mrs Howard. Sie warf mir einen ähnlich besorgten Blick zu wie ihr Sohn. »Das ist schrecklich … nett von Ihnen. Aber sind Sie sich auch wirklich sicher, dass Ihr Vater das nicht doch herausfindet?«
»Mein Vater?« Brandon lachte verächtlich. »Auf gar keinen Fall. Er ist viel zu sehr mit der Markteinführung vom Stark Quark beschäftigt, als dass er auch nur die leiseste Ahnung haben könnte, was hier passiert. Außerdem ist es mein Haus, wie ich bereits sagte. Dad weiß nichts von seiner Existenz. Es wird euch dort gefallen. Sechs Schlafzimmer, sechs Badezimmer, ausreichend Raum für alle, die Hunde selbstverständlich eingeschlossen.« Liebevoll blickte er auf die Hündchen herab. Ein Typ, der Hunde so gern hatte, konnte doch unmöglich ein schlechter Mensch sein, oder? Okay, das war leider falsch. »Und wir haben Glück, denn Em hat sich einverstanden erklärt, mit uns zu kommen, um die Feiertage mit uns zu verbringen.« Er schlang mir bei diesen Worten einen Arm um die Hüfte und zog mich dichter an sich heran. Er pinnte mich regelrecht an seine Seite. Sein Griff war weitaus fester, als es den Anschein haben musste, das kann ich beschwören.
Ich konnte Christopher nicht ins Gesicht sehen. Ich wusste, welchen Schmerz und welche Enttäuschung ich in seinen Augen erblicken würde. Das würde ich nicht ertragen. Mir brach es so ja schon das Herz.
»So«, sagte Brandon zu Nikki. »Los, geh packen. Uns bleibt nicht viel Zeit. Das Flugzeug wird just in diesem Moment aufgetankt.« Nikki quietschte vor Freude und stürmte sofort aus dem Zimmer, um ihre Sachen zu holen. »Mrs Howard«, fuhr Brandon fort. »Wie steht es mit Ihnen, können Sie so schnell wie möglich startklar sein?«
Sie wirkte völlig benommen. In den vergangenen paar Monaten hatte sie wirklich verdammt viel durchgemacht - selbst in den letzten paar Stunden hatte sie einiges mitmachen müssen. Doch alles, was sie sagte, war: »Ja. Ja, ich denke schon.«
Sie rief ihre Hunde und stieg langsam die Treppe hoch. Nachdem die beiden Frauen gegangen waren, war Steven der Erste, der sich an Brandon wandte.
»Tut mir leid«, begann er steif. »Aber du denkst doch nicht im Ernst, dass wir dir einfach so vertrauen? Robert Stark ist dein Vater. Er ist in erster Linie schuld daran, dass wir uns in dieser misslichen Lage befinden.«
»Oh, ich versteh dich natürlich voll und ganz«, meinte Brandon. »Aber du darfst nicht vergessen, dass ich meinen Vater hasse.«
»Das stimmt«, warf Lulu mit piepsiger Stimme von der Couch her ein. »Er hasst seinen Vater wirklich. Davon redet er ständig. Sogar dann, wenn er gerade mal nicht betrunken ist.«
»Ich kann nicht glauben«, fuhr Brandon fort, ohne Lulus Einwurf etwas entgegenzusetzen, »dass er zu so etwas fähig ist. Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um euch zu helfen und alles wieder in Ordnung zu bringen. Und für dich, Lulu, und euren Freund« - er wies mit dem Kopf auf Christopher - »habe ich bereits ein Taxi gerufen, das euch nach Manhattan zurückbringt. Es dürfte jeden Moment hier eintreffen. Tut mir echt leid, dass ihr diese Scherereien hattet. Wenn ich sonst noch etwas für euch tun kann … Na ja, dann braucht ihr es mir nur zu sagen.«
»Scherereien?« Christopher machte einen Schritt auf ihn zu. Jetzt musste ich ihn einfach ansehen, selbst wenn ich es eigentlich nicht wollte. In seinem Gesicht stand ein Ausdruck tödlicher Wut. Und zugleich derselbe verletzte Blick, wie ich ihn früher schon mal in seinen Augen gesehen hatte. »Das nennst du Scherereien? Dein Vater hat ein Mädchen umbringen lassen - oder es wenigstens versucht -, und man hat das Gehirn eines anderen Mädchens in ihren Körper verpflanzt, und du wagst es, das als Scherereien zu bezeichnen?«
Brandon wich seinem Blick aus. »Sieh mal, Kumpel«, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ich tu hier echt mein Bestes, in Ordnung? Ich versuche, alle in Sicherheit zu bringen und zu verhindern, dass der Doktor seinen Job verliert… und sein Leben. Ein Schritt nach dem anderen, okay? Versuch du mal, mit Robert Stark als Vater aufzuwachsen. Das ist ganz und gar nicht einfach.«
Christopher atmete so schwer, dass er regelrecht keuchte. Er warf einen Blick zu mir rüber. Ich stand immer noch unbeweglich an Brandons Seite. »Du willst doch dem Clown da nicht ernsthaft glauben, oder, Em?«
»Ähm«, stammelte ich. Im Moment fühlte ich mich wirklich nicht in der Lage, mit dieser Situation emotional klarzukommen. Außerdem rasten meine Gedanken, während mein Herz gerade dabei war, zu brechen. Es gab vielleicht - vielleicht - einen Ausweg, vorausgesetzt dass alle mitspielten. Auch Christopher. »Müssen wir das ausgerechnet jetzt durchsprechen?«
»Klar doch.« Christophers Stimme klang kalt, so eiskalt wie die Luft draußen. »Eigentlich wäre es schon gut, wenn wir das jetzt diskutieren würden.«
»Du hast die Lady hier gehört.« Brandons Stimme klang nun ähnlich kalt und bedrohlich wie Christophers. »Sie hat doch gesagt, nicht jetzt.«
Lulu, die ziemlich nervös wirkte, war aufgestanden. »Was ist denn mit Stevens und Nikkis - ich meine natürlich Ems - Sachen?«, wollte sie wissen. »Die sind ja noch zu Hause bei uns in Manhattan.«
»Das macht nichts«, meinte Steven. »Ich kann mir ja neue Sachen kaufen.«
»Ich schick sie euch«, erklärte Lulu. Der Blick, den sie ihm zuwarf, war voller Zuneigung, doch Steven schien davon keine Notiz zu nehmen; er betrachtete Brandon immer noch misstrauisch. »Das macht mir nichts aus.«
»Vielleicht können die das Paket dann nachverfolgen«, warf Christopher ein. Er schien ziemlich mieser Laune zu sein. Und das war noch gelinde ausgedrückt. »Em«, fing er jetzt wieder an. »Ich muss wirklich mit dir reden.«
»Wir werden noch reichlich Zeit zum Reden haben«, fuhr Brandon dazwischen. Er ließ mich los, stellte sich an eines der Fenster und hob den Vorhang ein wenig an, um einen Blick nach draußen zu werfen. »Und zwar wenn wir erst mal in Sicherheit sind. Wir wollen doch nicht riskieren, dass mein Vater oder irgendwelche von seinen Leuten hier auftauchen, bevor wir sie nicht hier weggebracht haben.«
Lulu horchte erschrocken auf. »Wäre das denn möglich? Wissen die etwa, dass wir hier sind?«
»Sämtliche Limousinen von Stark sind mit einem Ortungssystem ausgestattet«, erklärte Brandon wie nebenbei. »Sollte mein Fahrer also Alarm geschlagen haben, dass der Wagen gestohlen wurde - und ich nehme doch stark an, dass er das getan hat -, dann …«
Steven stieß einen lauten Fluch aus. Ich presste mein Gesicht verzweifelt in beide Hände. Mir war echt ein Rätsel, weshalb kein Einziger von uns auch nur einen Gedanken darauf verschwendet hatte.
»Ach was, macht euch keine Sorgen«, versuchte Brandon, uns zu beruhigen, als er unsere entsetzten Gesichter bemerkte. »Ich hab schon angerufen und denen erklärt, dass bei mir alles in Ordnung ist. Allerdings, wenn auch nur einer von denen genau aufgepasst hat, dann werden die sich garantiert fragen, was ich bei einem Chirurgen vom Stark Institute für Neurologie und Neurochirurgie daheim treibe.«
Dr. Fong wirkte verzweifelter denn je, er schien immer mehr in sich zusammenzusinken. Er tat mir echt total leid. Schließlich hatte er ja nur versucht, das Richtige zu tun.
Aber hatten wir das nicht alle?
»Oh«, meinte Brandon, während er immer noch aus dem Fenster schaute. »Da kommt schon das Taxi.«
Ich sah, wie Lulu sich umdrehte und sich, als könne sie sich nicht länger zurückhalten, Steven an den Hals warf, ihm die Arme um den Nacken schlang und ihn so leidenschaftlich umarmte, wie ich es noch nie gesehen hatte. So leidenschaftlich, dass es ihr die Chauffeursmütze vom Kopf fegte.
Zu behaupten, Steven habe überrascht gewirkt, wäre mächtig untertrieben gewesen. Aber nicht im negativen Sinne. Bevor ihm bewusst wurde, was er da tat, hatte er auch schon seine Arme um sie geschlungen. Doch dann löste er die Umarmung mit einem harschen: »Na, na, Lulu«, wobei er gleichzeitig ziemlich glücklich und verwirrt aussah.
»Ich kann doch nichts dafür«, konnte ich Lulu flüstern hören, weil ich ziemlich nah bei den beiden stand. »Ich werde dich vermissen. Versprich mir, dass du mich irgendwann mal anrufst, ja? Aber nur, wenn keine Gefahr besteht.«
»Ich werd’s versuchen«, entgegnete Steven. Er berührte ihr Gesicht und wischte ihr mit dem Daumen ein paar Tränen von der Wange. »Pass auf dich auf. Und verschwende nicht deine ganze Zeit damit, dass du dein Coq au vin perfektionierst.«
Lulu, die Tränen in den Augen hatte, lachte und ließ ihn los.
Einen Augenblick später stand sie plötzlich neben mir und sah mich mit großen, tränengefüllten Augen an. So hatte ich sie noch nie erlebt.
»Nikki«, fing sie an. »Bist du sicher, dass es dir gut geht?«
»Ja, klar, mir geht es gut«, schwindelte ich.
»Also …« Sie wirkte verwirrt. »Dann war es also keine Seelenübertragung oder so?«
»Nein«, erwiderte ich mit einem leichten Lächeln.
»Aber… du gehst mit ihnen mit, oder? Warum denn?«, wollte Lulu wissen. »Was wird aus Frida?«
»Ich kann dir den Grund nicht sagen«, erklärte ich. Plötzlich hämmerte mein Puls wie wild. Natürlich konnte ich ihr nicht verraten, dass ein psychopathisch veranlagter Milliardärssohn dachte, er sei in mich verliebt, und mich nun erpresste. »Und du darfst Frida auch nichts verraten, ist das klar? Du weißt, dass nichts von all dem hier diesen Raum verlassen darf. Die Sache ist ernst. Das Leben mehrerer Menschen steht auf dem Spiel. Ich werde Frida erzählen, ich wäre über die Feiertage weggefahren mit …« Ich warf einen Blick auf Brandon, der den Vorhang wieder hatte fallen lassen und uns nun mit einem feinen Lächeln um die Lippen beobachtete. Ein eisiger Schauer lief mir über den Rücken. Und das hatte nichts zu tun damit, dass das Feuer in dem Zimmer schon vor einiger Zeit ausgegangen war. »… mit meinem Freund.«
Jetzt quollen Lulu die Tränen aus den Augen. »Dein Freund? Aber was ist denn mit …« Sie ließ ihren Blick zu Christopher schweifen.
Ich drückte sie fest an mich. Ihr Körper fühlte sich so verdammt zerbrechlich an. »Ich weiß«, flüsterte ich verzweifelt. Über ihre Schulter hinweg betrachtete ich Christopher, dessen Miene undurchdringlich war.
»Kümmer dich bitte gut um sie«, sagte ich zu ihm und wies auf Lulu.
Zu meiner grenzenlosen Erleichterung nickte er zustimmend.
Auf der Treppe waren ein Trippeln und Poltern zu hören, und kurz darauf erschienen die Hunde, gefolgt von Nikki und ihrer Mom. Beide hatten eine Reisetasche geschultert.
»Ich denke, wir wären dann startklar«, verkündete Mrs Howard. Sie hatte sich umgezogen und Make-up aufgelegt, und auch mit ihrem Haar hatte sie irgendwas gemacht. Jetzt sah sie viel eher wie die attraktive Frau auf den Fotos aus, die Steven an die ganzen Fernsehanstalten geschickt hatte. Nun war erkennbar, von wem Nikki ihr blendendes Aussehen geerbt hatte.
Nikki hingegen war immer noch mittendrin, sich zu schminken. Auch ihr Haar war die reinste Baustelle, zur Hälfte platt und zur Hälfte wellig. Sie schien verärgert darüber, dass man sie so sehr hetzte. Noch immer trug sie die Klamotten, in denen sie geschlafen hatte.
»Prima«, meinte Brandon. Dabei ignorierte er die japsenden Hunde zu seinen Füßen und die Wimperntusche in Nikkis Hand geflissentlich. Er marschierte zur Haustür und riss sie auf, woraufhin ein eiskalter Lufthauch in das Haus drang. »Dann lasst uns gehen.«
Ich hielt den Kopf gesenkt, sodass mein Haar über mein Gesicht hing und es einerseits vor der beißenden Kälte schützte und andererseits verdeckte, was um mich herum geschah. So stapfte ich durch den frischen Neuschnee, der im heller werdenden Morgenlicht immer noch gleichmäßig vom Himmel fiel. Ich wollte Christophers Gesicht nicht sehen … Nicht auf seine Fragen antworten. Denn ich würde ihm nichts als Lügen erzählen können, da Brandon in der Nähe war und mithören würde.
Vor allem wollte ich mich nicht von ihm verabschieden. Ausgerechnet jetzt, da ich ihn nach so langer Zeit wiedergefunden hatte.
Doch wie sich herausstellte, blieb mir keine andere Wahl. Denn gerade als ich hinter Nikki in die Limousine klettern wollte, schloss sich mit festem Griff eine Hand um meinen Arm, und ich hörte, wie Christopher - seine Stimme würde ich überall erkennen - meinen Namen rief. »Em.«
Bevor ich mich ihm zuwandte, schloss ich für eine Sekunde die Augen. Ich schloss die Augen, um Gott anzuflehen, mir Kraft zu schenken. Als ich sie wieder öffnete, bemerkte ich, dass Brandon mich von der anderen Seite der Limousine direkt ansah. Er lächelte spöttisch. Dann sagte er: »Ich glaube, dein kleiner Freund möchte dir gern noch was sagen.«
Ein Gefühl von Hass stieg in mir auf. Ich hasste ihn in diesem Augenblick so sehr, wie ich noch nie zuvor jemanden gehasst hatte.
Ich schwor mir, wenn das alles hier vorbei wäre - sollte das alles jemals ein Ende haben -, würde ich einen Weg finden, mich an ihm zu rächen, so wie er gerade versuchte, Rache an seinem Vater zu üben.
Ich drehte den Kopf und schleuderte mein blondes Haar nach hinten, um besser sehen zu können.
Und da war er, Christopher, und blickte mich an. Sein Atem kam stoßweise und erzeugte kleine weiße Wölkchen in der eisigen Luft. Seine Wangen waren gerötet, so wie immer, wenn die Temperaturen unter den Gefrierpunkt sanken.
Doch seine blauen Augen blitzten.
»Em, was tust du da?«, drängte er mich. »Weshalb willst du mit ihnen gehen?«
»Ich muss«, sagte ich und sah überallhin, nur nicht in diese sengenden Augen.
»Warum denn?«, fragte Christopher noch einmal. »Die kommen schon ohne dich klar. Steven ist doch bei ihnen.«
»Weil«, setzte ich an. Ich betrachtete ein paar lavendelfarbene Wolken am Himmel. Ich wollte Christopher partout nicht ins Gesicht sehen. »Weil Brandon mich darum gebeten hat.«
»Brandon hat dich darum gebeten?« Christophers Stimme wurde unwillkürlich lauter. »Wen zum Teufel kümmert es denn, was Brandon Stark will?«
»Äh, ich möchte doch meinen, dass es sie durchaus interessiert«, mischte Brandon sich über das Autodach hinweg ein. »Sag’s ihm schon, Em.«
»Was sollst du mir sagen?«, verlangte Christopher ungeduldig.
»Sag es ihm, los«, sagte Brandon noch einmal. Er trommelte im Takt mit seinen Worten auf das Dach der Limousine. »Sag ihm das mit uns.«
»Mit uns«, wiederholte Christopher ungläubig. Ich sah, wie er seinen Kopf wieder mir zuwandte. Da ich ihm nicht ins Gesicht sehen konnte, hörte ich den Zweifel nur in seiner Stimme. »Es gibt ein ›uns‹ zwischen Brandon und dir? Seit wann das denn?«
Mir war klar, was ich zu tun hatte. Brandon hatte es mir ja deutlich genug gesagt, vorhin in Dr. Fongs Eingangshalle. Selbst ein Kind hätte das kapiert. Ich musste es tun, weil die Howards jetzt meine Familie waren und ich sie schützen musste, so wie ich auch meine richtigen Eltern schützen würde. Zur Familie zählen nämlich nicht nur die Leute, die einen großziehen. Zur Familie gehören nicht nur alle die Menschen, in deren Adern dasselbe Blut fließt wie im eigenen.
Zur Familie gehören all die Menschen, die einen brauchen. Die, die nichts haben, während man selbst alles besitzt.
Man muss tun, was für sie gut ist. Man muss es einfach tun, selbst wenn einem das Herz bricht.
Außerdem würde ich es schon wieder hinbiegen. Ich würde noch vor Brandon herausfinden, was Nikki wusste. Und dann würde ich diese Information gegen ihn benutzen, um den Spieß umzudrehen und um Christopher wieder für mich zu gewinnen. Irgendwie würde ich das schon schaffen. Hoffentlich!
Doch bis es so weit war … Ich musste ganz einfach mitspielen.
»Ich bin schon seit einiger Zeit mit ihm zusammen«, erklärte ich Christopher tonlos. Ich hatte das Gefühl, als würde ich ihm mit jedem einzelnen Wort ein Messer in den Leib rammen. »Ich hab schon mal versucht, dir das zu sagen.« Ich hob den Kopf und blickte ihm direkt in die Augen. »Weißt du, wenn du damals, als ich noch am Leben war, Interesse an mir gezeigt hättest, dann wäre die Sache vielleicht ganz anders gelaufen. Aber du hast viel zu lange gezögert - im Grunde hast du so lange gewartet, bis ich jemand ganz anders war. Und bis ich mit jemand anderem zusammen war.«
Ich hatte keinen Schimmer, woher all das kam. Doch ich musste mir das alles gar nicht ausdenken, um Brandon einen Gefallen zu tun. Die Gefühle waren tatsächlich echt und sie stiegen tief aus meinem Inneren empor. Begleitet wurden meine Worte von realen Tränen, die mir jetzt heiß über die Wangen strömten.
»Wovon sprichst du denn?«, fragte Christopher mit brüchiger Stimme.
»Na ja, wenn du mich so gemocht hättest, wie ich vorher war«, fuhr ich schonungslos fort. »Aber das ist nun mal nicht geschehen. Und jetzt ist es zu spät.«
Ich sah ganz deutlich, wie ihn jedes meiner Worte wie ein Fausthieb traf. Alle Farbe war aus seinen Wangen gewichen. Er wirkte blass wie der Schnee, der sich auf die Hügel um uns herum gelegt hatte.
»Also«, sagte ich. Ich habe keine Ahnung, weshalb ich überhaupt noch weitersprach. Vielleicht wegen des Bildes. Dieses Foto von mir, das in seinem Zimmer stand. Ich konnte es einfach nicht vergessen. Ich konnte nicht glauben, dass er es all die Zeit dort hatte stehen lassen. Ich konnte nicht glauben, dass er mich tatsächlich die ganze Zeit geliebt hatte, so wie ich ihn geliebt hatte. Und nun musste ich seiner Liebe zu mir ein Ende setzen, da ich nicht wollte, dass er irgendetwas Dummes anstellte, das ihm Schmerzen bereiten könnte. »Ich bin jetzt mit Brandon zusammen. Ich … Ich liebe Brandon. Und ich gehe mit ihm. Also … leb wohl. Leb wohl, Christopher.«
Noch ehe Christopher ein weiteres Wort sagen konnte - und noch ehe ich einen letzten Blick auf ihn warf -, stieg ich in die Limousine und setzte mich zwischen Nikki und ihre Mom. Mrs Howard sah mich besorgt an, während Cosabella mir auf den Schoß sprang. Mitfühlend sagte sie: »Alles in Ordnung mit dir, mein Schatz?«
»Mir geht es gut«, log ich und wischte mir mit dem Handrücken die Tränen aus den Augenwinkeln. »Tut mir leid, dass ich euch hab warten lassen.«
»Oh Mann«, sagte Nikki. Sie bearbeitete immer noch ihre Wimpern mit Wimperntusche. »Und da behaupten immer alle, ich wäre schlimm.«
Das trug nicht unbedingt dazu bei, dass ich nicht mehr so hemmungslos heulen musste. Ich bemerkte, wie Steven auf dem Fahrersitz den Rückspiegel so einstellte, dass er mich darin sehen konnte. Er betrachtete mich eingehend, sagte aber keinen Ton. Kein einziges Wort sagte er. Er sah mich einfach nur an. Es war fast so, als teilten wir in diesem Moment ein Geheimnis.
Allerdings hatte ich keine Ahnung, was dieses Geheimnis sein sollte.
Was ich jedoch wusste, war, dass ich in dem bevorstehenden Kampf in Steven Howard einen Verbündeten hatte.
Ich glaube, das war mir schon die ganze Zeit klar gewesen. Ich musste mir nur überlegen, wie ich ihm am besten vermitteln konnte, was hier eigentlich vor sich ging … Bevor es zu spät war.
»Also gut«, sagte Brandon fröhlich, als er nach mir in die Limousine stieg. »Sind wir dann alle startklar?«
Ohne eine Antwort abzuwarten, schloss er die Tür … und in diesem dumpfen Ton der zuschlagenden Tür schwang etwas mit, was nach dem Ende der Welt klang. Oder zumindest wie das Ende all meiner Hoffnungen und Träume. Na ja, im Grunde genommen hatte ich ja auch weiß Gott nicht viel Hoffnung übrig.
»Mann«, stieß Nikki noch einmal begeistert aus. »Wie sehr ich doch diese Limousinen vermisst habe.«
»Mit Stark reist es sich nun mal am besten«, erwiderte Brandon zufrieden. Dann griff er in ein Kühlfach an der Seite und fischte eine Flasche daraus hervor. »Möchte jemand Champagner? Ach, entschuldige, Steven, du selbstverständlich nicht. Aber dich füllen wir schon noch ab, wenn wir erst mal da sind, keine Sorge. Weißt du denn, wie man zum Flughafen Teterboro kommt? Nein, natürlich kannst du das nicht wissen. Also, ich erklär’s dir. Wir wagen es besser nicht mit dem Navi. Wir wollen ja nicht, dass irgendjemand Wind kriegt von unserer kleinen Reise …«
Und dann erklärte er Steven haarklein, wie wir dorthin kamen, wo wir hinwollten.
Während die Limousine langsam die Auffahrt hinunterfuhr, drehte ich mich noch einmal um und warf einen Blick zurück durch die getönten Scheiben. Ich erkannte Dr. Fong, der sich soeben abwandte und die Haustür hinter sich zuzog. Seine »Reise« war hiermit vorbei.
Ich erkannte Lulu, die neben dem Taxi stand und wartete, während der Wind an ihrem weiten schwarzen Rock zerrte und ihn wie eine Glocke oder wie ein riesiges schwarzes Cape aufblähte.
Und ich erkannte Christopher, der noch immer wie angewurzelt dort stand, wo ich ihn zurückgelassen hatte. Reglos starrte er uns hinterher - starrte er mir hinterher. Mit jedem Meter, den wir uns von ihm entfernten, schien er zu schrumpfen.
Ich hielt meinen Blick auf ihn gerichtet, bis ich ihn aus den Augen verlor, weil die Tränen, die mir nun über das Gesicht strömten, mir die Sicht raubten.