Z W E I U N D D R E I S S I G

 

 

Ich schaue mich panisch um, auf der Suche nach einem Ausweg. Ich hoffe auf ein Fahrzeug, finde aber keins. Dann suche ich mit meinen Augen das Wasser ab, das Ufer. Und da sehe ich es: Direkt hinter der Villa des Gouverneurs ist an einem einsamen Pier ein kleines, luxuriöses Motorboot festgemacht. Ich bin mir sicher, dass es für die wenigen Privilegierten reserviert ist, die diese Insel als ihren Spielplatz benutzen.

„Dort!“, sage ich und zeige dorthin.

Logan sieht es auch und wir rennen zum Ufer.

Wir rennen direkt zu dem wunderschönen, strahlenden Motorboot, groß genug für sechs Personen. Es schaukelt wild im rauen Gewässer und wirkt doch kraftvoll, wie ein Luxusgegenstand. Ich habe so ein Gefühl, dass dieses Boot von dem fetten, nackten Mann benutzt wurde. Umso mehr Genugtuung.

Es schaukelt so wild, dass ich nicht riskieren will, dass Bree und Rose alleine hineinklettern, also hebe ich Bree hinein, während Logan sich um Rose kümmert.

„Schneid das Seil durch!“, sagt Logan und zeigt dorthin.

Ein dickes Seil hält das Boot an einer Holzstange fest, also renne ich hinüber, ziehe mein Messer und schneide es durch. Ich renne zurück zum Boot, in dem Logan schon drin steht und es am Pier festhält, damit es nicht wegschwimmt. Er streckt eine Hand aus und hilft mir hinein. Als ich über meine Schulter schaue, sehe ich ein Dutzend Sklaventreiber auf uns zukommen. Sie sind nur noch zwanzig Meter entfernt und kommen schnell näher.

„Ich hab sie im Griff“, sagt Logan. „Nimm Du das Steuer.“

Ich beeile mich, auf den Fahrersitz zu kommen. Glücklicherweise bin ich mein ganzes Leben lang schon Boote gefahren. Logan schiebt uns vom Ufer weg und nimmt eine Position hinten im Boot ein, kniet sich hin und schießt auf die herankommenden Soldaten. Sie gehen in Deckung und sie werden langsamer.

Ich schaue hinunter, und meine Zuversicht schwindet, als ich sehe, dass keine Schlüssel im Zündschloss stecken. Ich sehe auf dem Armaturenbrett nach, dann auf den Vordersitzen, mein Herz klopft. Was mache ich, wenn sie nicht hier sind?

Ich schaue über meine Schulter und sehe, dass die Sklaventreiber noch näher sind, kaum noch zehn Meter entfernt.

„FAHR LOS!“, brüllt Logan über den Lärm seiner Schüsse hinweg.

Plötzlich habe ich eine Idee und sehe voller Hoffnung im Handschuhfach nach. Mein Herz macht einen Sprung, als ich sie finde. Ich stecke den Schlüssel in das Zündschloss und drehe ihn um. Der Motor heult auf. Schwarzer Rauch steigt auf, und die Benzin-Anzeige schlägt komplett aus. Ein voller Tank.

Ich trete aufs Gaspedal und werde nach hinten gedrückt, als das Boot losfährt. Ich kann hören, dass die anderen hinter mir auch hingefallen sind, und als ich mich umschaue, stelle ich fest, dass es in der Tat auch Bree und Rose, sogar Logan umgeworfen hat. Ich schätze, ich habe zu viel Gas gegeben – glücklicherweise ist niemand über Bord gegangen.

Glück haben wir auch, weil die Sklaventreiber inzwischen am Ufer angekommen sind, sie sind nur noch zehn Meter entfernt. Ich bin gerade noch rechtzeitig losgefahren. Sie schießen zurück, aber weil jeder unten liegt, fliegen die Kugeln über unsere Köpfe hinweg. Eine von den Kugeln berührt die Holzvertäfelung, eine andere zerstört meinen Außenspiegel.

„UNTEN BLEIBEN!“, schreit Logan die Mädchen an.

Er kniet wieder hinten, taucht kurz auf und schießt zurück. Im Rückspiegel kann ich sehen, wie er mehrere von ihnen erwischt.

Ich gebe weiter Gas, hole alles aus dem Motor raus, was möglich ist, und in wenigen Augenblicken sind wir weit von der Insel. Fünfzig Meter, dann hundert, dann zweihundert … Bald sind wir sicher, außerhalb der Reichweite ihrer Kugeln. Die Sklaventreiber stehen hilflos am Ufer, nur noch Punkte am Horizont, die uns nur noch zusehen können, wie wir wegfahren.

Ich kann es nicht glauben. Wir sind frei.

 

*

 

Als wir uns weiter vom Ufer entfernen, weiß ich, dass ich in der Mitte des Flusses bleiben sollte, so weit wie möglich von beiden Ufern weg, und flussaufwärts steuern, so weit wie möglich weg von der Stadt. Aber etwas in mir hält mich auf. Die Gedanken an Ben kommen zurück, und ich kann ihn nicht so einfach loslassen. Was, wenn es irgendwie doch noch bis zum Seehafen geschafft hat? Was, wenn er nur zu spät war?

Ich kann das nicht einfach auf sich beruhen lassen. Wenn er durch irgendeinen Zufall doch noch da ist, kann ich ihn nicht einfach im Stich lassen. Ich muss nachsehen. Ich muss es wissen.

Statt also flussaufwärts zu steuern, steuere ich direkt auf das gegenüberliegende Ufer zu – zurück in Richtung Seehafen. Innerhalb von wenigen Momenten rauscht das Ufer von Manhattan auf uns zu, näher und näher. Mein Herz klopft bei dem Gedanken an die potentielle Gefahr, die uns erwarten könnte – eine beliebige Anzahl an bewaffneten Sklaventreibern, die am Ufer nur darauf warten, auf uns zu schießen.

Logan wird klar, dass ich in die falsche Richtung fahre und kommt zu mir, wütend.

„Wo willst Du hin?“, brüllt er. „Du fährst zur Stadt zurück!“

„Ich muss etwas überprüfen“, sage ich, „bevor wir fahren.“

„Was überprüfen?“!

„Ben“, antworte ich. „Er könnte da sein.“

Logan wirft mir einen grimmigen Blick zu.

„Das ist verrückt!“, sagt er. „Du bringst uns direkt ins Wespennest zurück. Du bringst uns alle in Gefahr! Er hatte seine Chance. Er war nicht dort!“

„Ich muss es überprüfen“, brülle ich zurück. Ich bin entschlossen, und nichts kann mich aufhalten. Mir wird klar, dass ich in einigen Punkten genau wie meine Mutter bin.

Logan dreht sich weg, ich kann seine Missbilligung spüren. Ich kann es ihm nicht verübeln. Aber ich muss das tun. Ich weiß, dass wenn Ben an meiner Stelle wäre, er auch zurückkommen würde und nachsehen.

Innerhalb von wenigen Augenblicken ist der Seehafen in Sicht. Wir kommen näher, noch 300 Meter … 200 … Noch hundert Meter, und ich könnte schwören, dass ich dort jemanden sehe, der alleine am Ende des Piers steht. Er schaut auf das Wasser hinaus, und mein Herz macht einen Sprung.

Es ist Ben.

Ich kann es kaum glauben. Er ist wirklich dort. Er ist am Leben. Er steht dort, bis zu seinen Hüften im Schnee, zitternd. Meine Zuversicht schwindet, als ich erkenne, dass er allein ist. Das kann nur eins bedeuten: Sein Bruder hat es nicht geschafft.

Wir sind jetzt ganz nah dran, vielleicht noch zwanzig Meter, nah genug, dass ich die Linien in Bens Gesicht sehen kann, die die Trauer gegraben hat. In der Ferne sehe ich eine Karawane von Sklaventreiber-Fahrzeugen, die durch den Schnee rasen, direkt auf den Pier zu. Es ist nicht viel Zeit.

Ich bremse das Boot und fahre an den Pier heran. Ben läuft bis an den Rand vor. Wir schaukeln wild in den Wellen und ich frage mich plötzlich, wie Ben ins Boot kommen soll. Das ist gut drei Meter von da oben bis hier unten. Ben schaut herunter, Angst in seinen Augen, und er muss dasselbe denken, sich fragen, wie er springen soll.

„Nicht springen!“, schreit Logan. „Das könnte das Boot zerstören!“

Ben hält inne und sieht ihn an, erstarrt vor Angst.

„Knie Dich hin, dreh Dich um und lass Dich langsam rückwärts runter“, kommandiert Logan. „Lass Dich langsam runter. Halt Dich am Rand vom Pier fest, nur mit den Händen, und lass Dich hängen. Ich werde Dich auffangen.“

Ben tut, was er ihm sagt, und lässt sich langsam über den Rand herunterrutschen, bis er nur noch an seinen Händen hängt. Logan hält, was er versprochen hat, hält ihn und greift ihn und lässt ihn ins Boot gleiten. Gerade noch rechtzeitig: Die Sklaventreiber sind kaum noch fünfzig Meter entfernt und kommen schnell näher.

„LOS!“, schreit Logan.

Ich trete aufs Gaspedal und wir fahren los, fliegen flussaufwärts. Wieder fallen Schüsse, knapp an unserem Boot vorbei, und schlagen neben uns im Wasser auf. Logan kniet sich wieder hin und feuert zurück.

Glücklicherweise sind wir zu schnell für sie: Innerhalb von wenigen Augenblicken sind wir weit weg vom Ufer, in der Mitte des Flusses, außerhalb der Reichweite ihrer Waffen. Ich steuere Richtung Norden, flussaufwärts, zurück in Richtung Heimat.

Jetzt, endlich, gibt es nichts mehr, was uns aufhalten könnte.

Jetzt sind wir frei.

 

*

 

Wir rasen den East River hinauf und es ist außergewöhnlich, die Ruinen der zerstörten Brücken so aus der Nähe zu sehen. Wir fliegen an den Überresten der Brooklyn Bridge vorbei, das verrostete Metall ragt aus dem Wasser wie ein prähistorischer Gegenstand. Sie thront über uns, so hoch wie mehrere Stockwerke, wie ein Wolkenkratzer, der sich aus dem Wasser erhebt. Ich fühle mich wie ein Zwerg, als wir daran vorbeifahren, und kann nicht anders, als mich zu fragen, ob irgendwas von all dem jemals wieder aufgebaut werden wird.

In der Nähe ragt das Wracks des Militärflugzeuges aus dem Wasser, und ich fahre einen großen Bogen darum herum, um genug Abstand zu haben. Ich weiß nicht, was für Metall da überall aus dem eiskalten Wasser ragt, aber ich möchte es auch nicht herausfinden.

Bald passieren wir die Überreste der Manhattan Bridge, dann der Williamsburg Bridge. Ich trete aufs Gaspedal, will uns möglichst schnell an all diesen schrecklichen Anblicken vorbeifahren.

Bald rasen wir an dem vorbei, was einst Roosevelt Island war, jetzt ist es ein dünner Streifen Einöde, wie alles andere. Als ich links abbiege, stelle ich fest, dass auch die 59th Street Bridge zerstört worden ist – zusammen mit der Straßenbahn, die die Insel mit Manhattan verbunden hat. Die Straßenbahn, verrostet und demoliert, schaukelt wie eine riesige Boje im Wasser. Ich achte darauf, sie zu umfahren, aber die Wasserstraße wird schmaler.

Ich rase weiter flussaufwärts, weiter und weiter, wir passieren nichts als Zerstörung. Schließlich biege ich links in den Harlem River ab. Dieser ist noch schmaler, nur noch 50 Meter trennen uns auf beiden Seiten vom Land. Hier bin ich viel nervöser. Ich suche mit meinen Augen die Ufer ab, habe Angst vor einem Hinterhalt.

Aber ich kann nichts erkennen. Vielleicht bin ich nur paranoid. Wenn die Sklaventreiber hinter uns her sind – und ich bin mir sicher, das sind sie – haben wir mindestens eine Stunde Vorsprung. Besonders, bei all dem Schnee. Und bis dahin sind wir hoffentlich weit genug den Hudson hochgekommen, dass sie uns auch nicht mehr kriegen können.

Der Harlem River trennt Manhattan und die Bronx, und entlässt und schließlich in den breiten, weit offenen Hudson River. Der Hudson ist so breit wie zehn Fußballfelder, und ich habe das Gefühl, wir sind gerade in einen Ozean hinein. Endlich fühle ich mich wieder wohl. Endlich sind wir wieder auf dem Fluss, an den ich mich erinnere. Dem Fluss, der nach Hause führt.

Ich drehe nach rechts und steuere nach Norden, und wir rasen in Richtung Heimat, in Richtung Catskills. Schon in zwei Stunden werden wir dort sein.

Nicht, dass ich vorhätte, nach Hause zurückzukehren. Habe ich nicht. Jetzt zurückzukehren, wäre unvernünftig: Die Sklaventreiber wissen, wo wir leben, und das ist sicher der erste Ort, an dem sie nach uns suchen werden. Ich möchte zu Hause anhalten, um Sasha zu begraben, um mich zu verabschieden. Aber ich werde nicht dortbleiben. Unser Ziel wird viel weiter im Norden liegen müssen. So weit weg, wie möglich.

Ich denke an das steinerne Cottage, das ich gefunden habe, ganz oben auf dem Berg, und empfinde fast einen stechenden Schmerz, wenn ich mich erinnere, wie unbedingt ich dort leben wollte. Ich weiß, dass das eines Tages ein großartiges Zuhause für uns werden könnte. Aber dieser Tag ist nicht heute. Es ist zu nah an unserem ehemaligen Zuhause, es ist jetzt zu gefährlich. Wir müssen warten, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Vielleicht können wir eines Tages zurückkommen. Außerdem sind wir jetzt zu fünft. Fünf Münder, die gefüttert werden müssen. Wir müssen einen Ort finden, an dem wir alle überlegen können.

Je weiter wir flussaufwärts fahren, desto mehr kann ich endlich anfangen, mich zu entspannen. Ich fühle, wie die Anspannung langsam aus meinem Nacken und meinen Schultern weicht. Zum ersten Mal atme ich tief durch. Ich kann noch gar nicht glauben, dass wir es tatsächlich geschafft haben. Das ist mehr, als ich verarbeiten kann. Ich fühle die Schmerzen und Verletzungen an meinem ganzen Körper, aber nichts davon spielt jetzt noch eine Rolle. Ich bin einfach nur glücklich, dass Bree in Sicherheit ist. Dass wir zusammen sind.

Ich nehme mir einen Moment Zeit, um mich umzusehen, wie es den anderen im Boot geht. Ich war so darauf konzentriert, uns von der Stadt wegzubekommen, dass ich noch gar nicht dazu gekommen bin, darüber nachzudenken. Ich schaue zu Logen hinüber, der zufrieden im Beifahrersitz neben mit sitzt. Als ich mich weiter umdrehe, sehe ich die anderen in den Reihen hinter mir sitzen. Alle sehen aufs Wasser hinaus, alle in eine andere Richtung, alle in ihren eigenen Gedankenwelten verloren.

Ich tippe Logan auf die Schulter. Er dreht sich zu mir.

„Kannst Du mal kurz das Steuer übernehmen?“, frage ich.

Er erhebt sich schnell aus seinem Sitz, leistet meiner Bitte gerne Folge und greift nach dem Lenkrad, während wir die Plätze tauschen.

Ich klettere in den hinteren Teil des Bootes. Ich muss unbedingt mit Bree sprechen, und ich muss unbedingt mit Ben sprechen, um herauszufinden, was mit seinem Bruder geschehen ist. Als ich mich nach hinten aufmache, sehe ich, dass Ben in einer Art Schockzustand ist, er starrt auf den Fluss hinaus. Er sieht aus, als wäre er über Nacht um zehn Jahre gealtert, die Trauer hat sich in sein Gesicht gegraben. Ich kann mir nur vorstellen, welche Hölle er durchlebt haben muss, wie schuldig er sich fühlen muss, dass er seinen Bruder nicht retten konnte. Wenn ich an seiner Stelle wäre, weiß ich nicht, wie ich damit fertigwerden würde. Ich bewundere ihn dafür, dass er es bis hierher geschafft hat.

Ich will mit ihm sprechen, aber zuerst muss ich nach Bree schauen. Ich gehe in die letzte Reihe und setze mich zu ihr. Ihre Augen leuchten auf, als sie mich sieht. Wir umarmen uns für eine lange Zeit. Sie hält mich fest, will mich gar nicht mehr loslassen.

Nach einer Weile löse ich sie schließlich von mir. Tränen rollen ihre Wangen hinunter.

„Ich hatte solche Angst“, sagt sie.

„Ich weiß, Süße“, antworte ich. „Es tut mir so leid.“

„Fahren wir jetzt nach Hause?“, fragt sie, Hoffnung in den Augen.

Nach Hause. Was für ein seltsames Wort. Ich weiß nicht mehr, was das bedeutet. Ich dachte einmal, das wäre Manhattan; dann dachte ich, es wären die Berge. Jetzt weiß ich, dass es keiner von diesen Orten ist. Zuhause wird ein neuer Ort sein müssen. Ein Ort, an dem wir noch nicht einmal gewesen sind.

„Wir finden ein neues Zuhause, Bree“, sage ich. „Ein noch besseres.“

„Kann Rose auch dort wohnen?“, fragt sie.

Ich schaue hinüber und sehe Rose, die neben ihr sitzt und hoffnungsvoll zu mir aufschaut. Die beiden sind schon unzertrennlich.

„Natürlich“, sage ich. „Sie gehört jetzt zur Familie.“

Ich lächle Rose an, die mich überrascht, indem sie sich herüberlehnt und mich umarmt. Sie klammert sich an mich, genau wie Bree, und ich frage mich, wo sie herkommt, wo ihre Familie ist, wo sie entführt wurde. Ich erkenne die Hölle, durch die auch sie gegangen sein muss, und mir wird klar, dass wir auch sie gerettet haben. Ich muss an ein altes Sprichwort denken: Wenn Du jemandem das Leben gerettet hast, bist Du danach für ihn verantwortlich. Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass das irgendwie stimmt, dass ich jetzt auch für Rose verantwortlich bin. In meinem Denken sind sie und Bree untrennbar miteinander verbunden.

„Danke“, flüstert Rose über meine Schulter in mein Ohr.

Ich küsse sie auf die Stirn, und sie löst sich langsam. Sie erinnert mich auf so viele Arten an Bree, das ist schon fast beängstigend.

„Was ist mit Sasha?“, fragt Bree. „Kann sie auch mitkommen?“

Vor der Frage hatte ich Angst. Ich atme tief ein und überlege, wie ich es am besten formulieren soll. Ich muss ihr die Wahrheit sagen. Nach allem, was Bree durchgemacht hat, hat sie das verdient.

„Es tut mir leid, Bree“, sage ich und schaue nach unten. „Sasha hat es nicht geschafft.“

Frische Tränen füllen Brees Augen, und sie fängt wieder an, zu weinen. Rose lehnt sich zu ihr herüber und umarmt sie.

Aber nach einigen Momenten lehnt sich Bree zurück, zu meiner Überraschung, wischt ihre Tränen fort und sieht mich mit roten Augen an.

„Ich wusste es“, sagt sie. „Ich hatte einen Traum. Sie hat mich besucht. Irgendwie wusste ich schon, dass sie tot ist.“

„Vielleicht heitert das hier Dich auf“, ertönt plötzlich eine Stimme.

Als ich mich umdrehe, steht dort Ben. Zu meiner Überraschung taucht ein kleines Lächeln auf seinem Gesicht auf.

Er hält etwas fest. Etwas kleines, in eine Decke gewickelt. Er hält es Bree hin.

Plötzlich steckt ein kleiner Hund seinen Kopf aus der Decke. Ich kann es nicht glauben. Es ist ein kleiner Chihuahua, dem ein Auge fehlt. Er zittert vor Angst.

„OH MEIN GOTT!“, schreien Bree und Rose gleichzeitig auf, die Augen vor Überraschung weit geöffnet.

Bree nimmt ihn und hält ihn fest, schaukelt ihn, und Rose streichelt ihn auch. Als beide sich so um ihn kümmern, reckt er seinen Hals und schleckt ihre Gesichter ab. Sie kreischen vor Freude.

„Ich habe ihn im Boot gefunden“, sagt Ben. „Ich hätte mich fast auf ihn gesetzt. Ich schätze, jemand hat ihn vergessen. Oder vielleicht hat er sich auf dem Boot verkrochen.“

Ich bin schockiert. Ich hatte den Hund nicht gesehen, und jetzt, wo ich darüber nachdenke, fällt mir auf, dass ich mir das Boot überhaupt noch nicht angesehen habe. Ich sehe mich um und frage mich, was sonst noch hier sein könnte.

Ich entdecke lauter Schränke in den Seiten und öffne schnell einen nach dem anderen. Ich bin überrascht und begeistert, was für Überraschungen sich zeigen. Als ich eine versiegelte Kiste öffne, macht der Inhalt mit sprachlos: Sie ist voller Schokoriegel, Süßigkeiten, Kekse, Cracker und allen möglichen anderen Köstlichkeiten.

Ich greife hinein und bekomme eine riesige Tüte voller mit Schokolade überzogener Geleeringe zu fassen. Ich öffne die Tüte für Bree, Rose, Ben und Logan, und alle nehmen mit großen Augen eine Hand voll heraus. Dann nehme ich mir selbst eine Hand voll und stopfe sie mir in den Mund, kaue einen nach dem anderen.

Das ist Ekstase, das Beste, was ich je gegessen habe. Der Zucker rauscht durch meinen Körper und ich fühle mich, als wäre ich im Himmel. Auch die anderen verschlingen die Ringe, mit geschlossenen Augen, kauen langsam und genießen jeden Bissen. Wir sind alle vollkommen ekstatisch.

Ich fasse wieder in die Kiste und entdecke Gummibärchen und Twizzlers. Ich bin erstaunt. Ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas noch einmal sehen würde. Die sind Gold wert, und ich weiß, dass wir sie uns einteilen sollten.

Aber nach allem, was wir durchgemacht haben, ist jetzt nicht der Zeitpunkt, um irgendetwas zu rationieren – und ein einziges Mal lasse ich meine Gefühle über meine rationale Seite siegen. Ich werfe jedem im Boot kleine Tüten zu, verteile sie gerecht, und alle fangen ihre mit Freudenschreien auf. Als Logan seine fängt, muss er seine Hand vom Steuer nehmen und das Boot schlingert kurz, aber er hat es schnell wieder im Griff.

Ich reiße meine Tüte Gummibärchen auf und habe sie innerhalb von wenigen Sekunden komplett aufgegessen. Dann die Twizzlers. Ich versuche, mir damit mehr Zeit zu lassen, zwinge mich, jeden langsam zu kauen. Ich habe seit Tagen kaum gegessen, und es ist ein solcher Schock für meinen Magen, dass es schmerzt. Ich zwinge mich, langsamer zu essen.

Dann entdecke ich einen kleinen Kühlschrank hinten im Boot und eile dorthin, um ihn zu öffnen. Ich kann es nicht glauben. Da ist alles drin, von Saft bis Champagner. Die Ungerechtigkeit empört mich: Hier sind wir, am Verhungern, während diese fetten Sklaventreiber Champagner süffeln. Aber jetzt ist es Zeit für Rache.

Ich greife nach einer Flasche Champagner, ziehe den Draht ab und lasse dann den Korken knallen. Er fliegt durch die Luft, über Bord und in den Fluss. Alle drehen sich bei dem Geräusch und sehen mich, und den Champagner, es schäumt aus der Flasche und über meine Hand. Es ist eisig kalt, aber ich kümmere mich nicht darum. Ich setze ihn an meine Lippen und nehme einen Schluck. Er geht mir direkt in den Kopf.

Ich weiß, ich sollte das nicht, aber nach allem, was sie durchgemacht haben, biete ich ihn auch Bree und Rose an. Sie nehmen beide einen kleinen Schluck und kichern. Dann reiche ich ihn Ben, der ohne Unterbrechung mehrere Schlucke hintereinander nimmt. Er gibt ihn mir zurück, aber er kann mich immer noch nicht ansehen. Er fixiert seine Augen weiterhin auf einen Punkt im Wasser. Ich frage mich, ob er sich schämt, mich anzusehen, sich schämt, dass er seinen Bruder nicht gerettet hat.

Ich betrachte ihn genau, während er auf das Wasser blickt. Seine Augen sind rot, und ich kann sehen, dass er geweint hat. Er reibt sich eins von ihnen und wischt eine Träne weg. Ich kann mir kaum vorstellen, was er durchgemacht haben muss.

„Willst Du darüber sprechen?“, frage ich.

Er schüttelt den Kopf.

Ich verstehe. Wenn ich an seiner Stelle wäre, würde ich auch nicht darüber sprechen wollen. Er sieht aus, als bräuchte er Raum, und ich will ihn nicht drängen.

Wenn er soweit ist, denke ich bei mir.

Ich klettere zurück nach vorne, in den Beifahrersitz, und reiche Logan die Flasche. Er nimmt ein Twizzler aus seinem Mund, greift nach der Flasche, nimmt einen langen Schluck und gibt sie mir dann zurück. Dabei nimmt er seine Augen nie vom Wasser. Dann steckt er sich den Twizzler wieder in den Mund und kaut langsam.

Ich sitze in dem bequemen, ledernen Beifahrersitz und lehne mich zurück. Wir fahren einige Minuten schweigend weiter, das einzige Geräusch ist das des Motors. Schließlich wendet sich Logan mir zu.

„Also, wohin?“, fragt er.

Ich blicke auf das Wasser, denke nach. Ich denke an das, wovon Logan vorher gesprochen hat, an die perfekte Stadt, irgendwo in Kanada. Und zum ersten Mal, so lange ich denken kann, fühle ich Hoffnung. Ich frage mich, ob er vielleicht Recht hat, ob es vielleicht irgendwo auf der Welt einen Ort geben könnte, der nicht zerstört ist. Ich frage mich, ob es vielleicht gut ist, zu träumen.

Ich drehe mich zu ihm.

„Ich denke an Kanada“, sage ich.

Er sieht mich an und seine Augen öffnen sich weit vor Überraschung. Ihm muss klar sein, was ich wirklich sagen will: Vielleicht hast Du recht.

Langsam beginnt er zu lächeln und ich kann nicht anders, als zurückzulächeln.

Er beugt sich hinunter und tritt ein bisschen aufs Gaspedal, und ich kann fühlen, wie das Boot beschleunigt, nur ein ganz klein wenig.

„Ja, Kanada“, sagt er.

Ich lehne mich weiter zurück und beginne, mich zum ersten Mal zu entspannen. Aus irgendeinem Grund muss ich an Papa denken. Ich frage mich, ob er da oben ist und auf uns herabschaut. Und wenn, wäre er stolz? Ich denke schon. Ich kann seine Stimme fast hören: Brooke, jetzt trägst Du die Verantwortung. Tu, was auch immer Du tun musst, um sie am Leben zu erhalten. Ruh Dich nicht aus, Soldat.

Wir haben einen langen Weg vor uns. Bald wird uns das Benzin ausgehen. Dann das Essen. Es wird dunkler werden und kälter. Der Hudson wird zu Eis werden und wir werden einen Unterschlupf finden müssen. Die Sklaventreiber werden uns verfolgen, und wir müssen immer weiter, sonst finden sie uns.

Aber über alles das kann ich mir später Sorgen machen. Ein Mal in meinem Leben kann ich mich zurücklehnen und das Jetzt genießen. Diesen Moment. Zum ersten Mal in meinem Leben wird mir klar, dass es das ist, was wirklich wichtig ist. Nicht später am Tag. Sondern genau jetzt.

Ich lehne mich in den bequemen Ledersitz zurück und nehme noch einen Schluck Champagner, der mir sofort in den Kopf steigt. Ich hatte seit Tagen keine richtige Mahlzeit, und ich weiß, dass ich nicht trinken sollte. Aber jetzt ist es mir egal. Wir fahren den Hudson hoch, es ist ein wunderschöner sonniger Morgen und zum ersten Mal, seit ich denken kann, ist alles in der Welt in Ordnung. Als ich hinüberschaue, sehe ich zu meiner Überraschung einige lilafarbene Blumen, die irgendwie überlebt haben und aus dem Schnee aufragen. Es sind die schönsten Blumen, die ich je gesehen habe, sie leuchten im Sonnenlicht. Ich frage mich, wie sie real sein können.

Wenn die überleben können, denke ich bei mir, schaffen wir das auch.

Ich schließe meine Augen und fühle die salzige Luft auf meinem Gesicht. Und zum ersten Mal, so lange ich mich erinnern kann, denke ich: Das fühlt sich gut an. Das fühlt sich wirklich verdammt gut an.

 


demnächst auf Deutsch erhältlich

 

ARENA ZWEI

(Band #2 in der Trilogie des Überlebens)

 



„ARENA ZWEI geht noch viel weiter als ARENA EINS. Viel weiter als THE HUNGER GAMES!“

 --Allegra Skye, Bestseller-Autorin von Saved

 

Von #1 Bestseller-Autorin Morgan Rice kommt das zweite Buch der TRILOGIE DES ÜBERLEBENS, einer neuen dystopischen Trilogie.

 

Brooke, Ben, Logan, Bree und Rose sind gerade erst der fürchterlichen Insel entkommen, die eins Manhattan war. Sie fahren den Hudson flussaufwärts, in einem gestohlenen Boot. Das Benzin geht ihnen aus, das Essen geht ihnen aus, und sie brauchen dringend Schutz gegen die Kälte. Außerdem sind ihnen die Sklaventreiber auf den Fersen, die nicht ruhen werden, bis sie sie gefangen und zurückgebracht haben.

 

Auf ihrem Weg flussaufwärts in diesem post-apokalyptischen Thriller voller Action, um die mythische Stadt in Kanada zu finden, brauchen sie all ihre Cleverness und ihre Überlebensfähigkeiten, um am Leben zu bleiben. Auf ihrer Reise treffen sie verrückte andere Überlebende, Räuberbanden, Kannibalen, wilde Tiere, ein verlassenes Ödland und einen unaufhaltbaren Schneesturm. Sie erleiden Verletzungen und werden krank. Der Hudson friert zu, während sie alles versuchen, um den Sklaventreibern zu entkommen. Sie finden eine kleinen Insel und denken, sie hätten endlich eine Atempause – aber die Ereignisse wollen es anders. Erst, als sie einen mysteriösen Zug ins Nirgendwo besteigen, wird ihnen klar, dass die Dinge immer noch schlimmer werden können.

 

Brookes Gefühle für Logan werden stärker, aber auch diejenigen für Ben. Hin- und hergerissen zwischen den beiden Männern, gefangen zwischen ihrer Eifersucht, weiß sie nicht mehr, was sie fühlen soll – bis die Ereignisse für sie eine Entscheidung treffen.

 

Als sie sich in einer weiteren Arena, der Arena Zwei, wiederfinden, sind sie entsetzt, zu entdecken, dass diese noch schlimmer ist. Sie werden in einen barbarischen Kampfring geworfen, voller Waffen, die auf andere Jugendliche gerichtet sind – und auf sie selbst. Brooke und die anderen müssen die schwierigsten Opfer ihres Lebens bringen. Denn in der Arena Zwei überlebt niemand. Niemals.

 

  „ARENA EINS macht süchtig … Eins von diesen Büchern, die man bis spät nachts liest, bis einem die Augen zufallen, weil man es einfach nicht weglegen will.“

--The Dallas Examiner

 

„Hat mich von Anfang an gefesselt und es hörte nicht auf … Diese Geschichte ist ein erstaunliches Abenteuer, von Anfang an voller Tempo und Action. Nicht ein Moment Langeweile.“

--Paranormal Romance Guild {über Turned}

 





Hören Sie sich den Ring der Zauberei im Audiobuch-Format an!


Bücher von Morgan Rice

 

DER RING DER ZAUBEREI
QUESTE DER HELDEN (Band #1)
MARSCH DER KÖNIGE (Band #2)

LOS DER DRACHEN (Band #3)

RUF NACH EHRE (Band #4)

SCHWUR DES RUHMS (Band #5)

ANGRIFF DER TAPFERKEIT(Band #6)
demnächst auf Deutsch erhältlich

A RITE OF SWORDS – RITUS DER SCHWERTER (Band #7)

A GRANT OF ARMS - GEWÄHR DER WAFFEN (Band #8)
A SKY OF SPELLS – HIMMEL DER ZAUBER (Band #9)

A SEA OF SHIELDS – MEER DER SCHILDE (Band #10)
A REIGN OF STEEL – REGENTSCHAFT DES STAHLS (Band #11)
A LAND OF FIRE – LAND DES FEUERS (BAND #12)

A RULE OF QUEENS – DIE HERRSCHAFT DER KÖNIGINNEN (BAND #13)

DIE TRILOGIE DES ÜBERLEBENS
ARENA EINS: DIE SKLAVENTREIBER (BAND #1)
demnächst auf Deutsch erhältlich

ARENA TWO – ARENA ZWEI (Band #2)

 

DER WEG DER VAMPIRE

GEWANDELT (Band #1 Der Weg Der Vampire)

VERGÖTTERT (Band #2 Der Weg Der Vampire)

BETROGEN (Band #3 Der Weg Der Vampire)

BESTIMMT (Band #4 Der Weg Der Vampire)

BEGEHRT (Band #5 Der Weg Der Vampire)

demnächst auf Deutsch erhältlich

BETROTHED -- VERMÄHLT (Band #6)

VOWED -- GELOBT (Band #7)

FOUND  -- GEFUNDEN (Band #8)

RESURRECTED  – ERWECKT (Band #9)
CRAVED  – ERSEHNT (Band #10)

FATED  – BERUFEN (Band #11)


Über Morgan Rice

 

Morgan Rice schrieb die Nr. 1 Bestseller Serie DER WEG DER VAMPIRE, eine elfteilige Serie für junge Leser. Ihrer Feder entstammt auch die Nr. 1 Bestseller Serie TRILOGIE DES ÜBERLEBENS, eine post-apokalyptischer Thriller-Serie aus derzeit zwei Büchern (man darf auf das Dritte gespannt sein) und die epische Fantasy-Serie DER RING DER ZAUBEREI, das derzeit aus dreizehn Büchern besteht und die Bestsellerlisten anführt.

Morgans Bücher gibt es als Audio oder Print-Editionen die in vielen Sprachen erschienen sind: Deutsch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Japanisch, Chinesisch, Schwedisch, Holländisch, Türkisch, Ungarisch, Tschechisch und Slowakisch – mehr Sprachen werden folgen.

GEWANDELT (Band #1 Der Weg Der Vampire) und und QUESTE DER HELDEN (Band #1 im Ring der Zauberei) stehen jetzt zum kostenlosen Download auf Amazon zur Verfügung!

Morgan freut sich, von ihren Lesern zu hören, darum besuchen Sie bitte www.morganricebooks.com um sich für Email-Updates zu registrieren. Erhalten sie ein kostenloses Buch, Geschenke, laden sie die kostenlose App herunter und erhalten sie exklusiv die neusten Nachrichten. Oder folgen Sie Morgan auf Facebook und Twitter. Morgan freut sich auf Ihren Besuch!