F Ü N F U N D Z W A N Z I G
Ich habe meine Augen zu lange vom Fahrer genommen, und das war ein dummer Fehler.
Er zieht eine Handwaffe und zielt direkt auf mich. Er lächelt ein grausames Lächeln. Er hat mich.
Er zieht und ist drauf und dran zu schießen. Ich mache mich bereit. Ich weiß nicht mehr, wohin. Ich bin tot.
Über die Schulter des Mannes kann ich sehen, wie ein Psycho aus einem Kanaldeckel springt, mit einer RPG zielt und schießt. Die Rakete fliegt durch die Luft direkt auf uns zu.
Eine Explosion erschüttert uns. Der Lärm ist ohrenbetäubend, und ich werde in die Luft geworfen, die entsetzliche Hitze trifft meinen Kopf. Dann dreht sich meine Welt zur Seite, als der Bus kippt.
Weil ich die einzige bin, die gestanden hat, die einzige, die nicht angeschnallt oder angekettet war, bin ich auch die einzige, die quer durch den Bus fliegt. Ich fliege durch ein offenes Fenster, werde aus dem Bus geschleudert, genau in dem Moment, als er explodiert, und die Schockwelle wirft mich noch weiter fort. Ich lande etwa zwanzig Meter entfernt mit dem Gesicht zuerst in einem Schneehügel.
Flammen stechen in die Luft, ich kann sie an meinem Rücken sengen spüren, aber ich rolle mich in den Schnee und drücke sie aus. Dennoch fühle ich die enorme Hitze vom Feuer hinter mir.
Der ganze Bus, der auf seiner Seite liegt, steht hinter mir in Flammen. Die Flammen müssen zwanzig Meter hoch sein. Es ist ein Inferno. Meine Zuversicht schwindet, als mir klar wird, dass niemand das überlebt haben kann. Ich denke an all die unschuldigen kleinen Mädchen, und mir wird schlecht.
Ich liege dort in der Schneebank, versuche, Luft zu bekommen. Mein Kopf dreht sich, und ich bin schlimmer verletzt als je zuvor. Es kostet mich Mühe, mich aufzurichten. Ich drehe mich um und sehe mir den Humvee an. Dort liegt er in der Ferne, am Fuße des Gebäudes von Flatiron, auf der Seite wie ein totes Tier, zwei Reifen fehlen.
Logan. Ich frage mich, ob er noch am Leben ist.
Mit meinem letzten Rest Kraft schaffe ich es auf meine Füße und humple in seine Richtung. Er ist noch gut fünfzig Meter entfernt und es fühlt sich an, als müsste ich eine Wüste durchqueren, um ihn zu erreichen.
Als ich näher komme, öffnet sich ein weiterer Kanaldeckel, und ein Psycho rennt plötzlich auf mich zu, mit einem Messer in der Hand. Ich nehme meine Pistole, ziele und schieße ihm in den Kopf. Er fällt auf seinen Rücken, tot. Ich nehme sein Messer und stecke es in meinen Gürtel.
Während des Rennens blicke ich über meine Schulter und mehrere hundert Meter hinter mir entdecke ich eine Gruppe von Psychos, die direkt auf mich zulaufen. Es müssen muss mindestens fünfzig von ihnen sein. Und rundum sehe ich, wie sich weitere Kanaldeckel öffnen, weitere Psychos entsteigen dem Erdboden, rennen aus den U-Bahnhöfen heraus, eilen die Stufen herauf. Ich frage mich, ob sie in den U-Bahn-Tunneln leben. Ich frage mich, ob überhaupt noch U-Bahnen fahren.
Aber ich habe jetzt keine Zeit, darüber nachzudenken. Ich renne zu dem Humvee, und als ich angekommen bin, stelle ich fest, dass er zerstört ist, nutzlos. Ich klettere hinauf und öffne die Fahrertür. Als ich hineinsehe, bete ich, dass ich Logan nicht tot vorfinde.
Aber er lebt. Er sitzt immer noch auf dem Fahrersitz, angeschnallt und bewusstlos. Blut ist auf der Windschutzscheibe, und er blutet aus seiner Stirn, aber zumindest atmet er. Er ist am Leben, Gott sei Dank ist er am Leben.
Ich höre ein Geräusch aus der Ferne, und als ich mich umdrehe, sehe ich, dass die Psychos näher kommen. Ich muss Logan hier rausbekommen – und zwar schnell.
Ich greife nach seinem Hemd und zerre an ihm. Aber er ist schwerer, als ich mir das vorgestellt hatte.
„LOGAN!“, schreie ich.
Ich ziehe stärker, schüttele ihn, ich habe Angst, dass der Humvee jeden Moment in die Luft fliegt. Langsam wird er wach. Er blinzelt und sieht sich um.
„Bist Du okay?“, frage ich.
Er nickt zurück. Er sieht betäubt aus und verängstigt, aber nicht ernsthaft verletzt.
„Ich komme hier nicht raus“, antwortet er mit schwacher Stimme. Er kämpft mit dem verbogenen Metall seines Gurtes.
Ich klettere hinein und zerre selbst daran. Aber der Gurt klemmt. Als ich über meine Schulter klettere, sehe ich, dass die Psychos noch näher gekommen sind. Fünf Meter, und sie kommen noch näher. Komm schon. Komm schon!
Plötzlich schnappt der Verschluss auf und der Gurt peitscht zurück. Logan, frei, rollt herüber, schlägt seinen Kopf an. Er beginnt, sich herauszuziehen.
Gerade, als Logan sich aufsetzt, öffnen sich seine Augen plötzlich weit, und er streckt eine Hand aus und schiebt mir grob zur Seite. Mit der anderen Hand hebt er eine Waffe, zielt direkt an meinem Kopf vorbei und drückt ab. Der Schuss ist ohrenbetäubend, kein Ohr klingelt.
Als ich mich umdrehe, sehe ich, dass er gerade einen Psycho getötet hat, der nur noch wenige Meter entfernt war. Und die anderen sind nur dreißig Meter hinter ihm.
Die Psychos kommen schnell näher. Und es gibt keinen Ausweg.