Als ich zurück ins Bailey’s kam, war ich von Kopf bis Zeh pitschnass. Riss mir die Klamotten vom Leibe und kroch unter die Dusche. Kriegte endlich etwas Hitze in die Knochen, zog ein ausgebleichtes Sweatshirt an und zog das Buch aus meiner Jacke. Wieder Theaterstücke von Synge, Der Held der westlichen Welt und andere Stücke.
Ich atmete tief ein, schlug das Buch auf, und da stand es, groß und in schwarzen handgeschriebenen Lettern.
DER DRAMATIKER
Ich blätterte durch die Seiten, und eine Stelle war rot mit Bossmarker hervorgehoben. Ich beschloss, ich versuche es mal und lerne den Absatz auswendig, weil mir mein Instinkt sagte, dass er ein Teil des Puzzles war.
Ihr drei seid’s, die weder Alter noch Tod werden kommen sehen; ihr, die ihr meine Gesellschaft wart, als die Feuer auf den Hügeln gelöscht wurden und nur die Sterne unsere Freunde waren. Ich werde meine Gedanken von jener Nacht – mitleiderregend aus Mangel an Mitleid – zu jener Zeit lenken, da eure Stäbe, eure Kittel mir ein kleines Zelt waren, da eine Birke mir Unterstand war, und auf einem trocknen Stein; obwohl von diesem Tag an meine eigenen Finger mir ein Zelt machen werden, indem sie meine Haare ausbreiten, und diese vom Regen knotig.
Jetzt wusste ich Bescheid. Zwei Mädchen waren zu Tode gekommen, scheinbar durch einen Unfall. Unter beiden Mädchen lag ein Buch von Synge, in das die Wörter »Der Dramatiker« geschrieben waren. Also, was sollte ich tun, und wer würde mir glauben? Ich schlug die letzte Seite auf, und, genau, mit Schreibmaschine auf ein Etikett getippt und eingeklebt stand: »Deirdre, unter der Last ihrer Trauer schier wahnsinnig, fällt leblos über das offene Grab.« Immerhin konnte ich den Verdacht von Stewart-dem-Drogendealer bestätigen. Ihm sagen, dass er recht hatte: Jemand hatte seine Schwester umgebracht. Ich hatte absolut nichts, womit ich arbeiten konnte. Selbst wenn ich etwas gehabt hätte, was zum Teufel sollte ich tun, den Mörder verfolgen? Das Telefon klingelte, und ich hob ab, hörte:
»Jack?«
Es war Jeff, und seine Stimme klang schwer. Er sagte:
»Pat Young ist im Krankenhaus.«
»Was ist ihm passiert?«
»Er wurde attackiert.«
»Von wem?«
Er brauchte einen Moment, und ich wusste, dass er seine Worte sorgfältig wählte, dann:
»Die derzeitige Terminologie lautet, glaube ich, von einer oder mehreren unbekannten Personen.«
Der Sarkasmus troff aus dem Hörer. Ich hatte Jeff in diversen Stimmungen gekannt, gesehen, wie er durch Schmerz, Verzweiflung tappte, aber in diesem Ton hatte er noch nie gesprochen, und schon gar nicht mit mir. Ich versuchte, ihn davon wegzubekommen, fragte:
»Ist er schlimm verletzt?«
»Kommt drauf an, wie man schlimm definiert.«
Zorn flackerte in mir auf, aber ich ließ ihn mir nicht anmerken, fragte:
»Ist er bei Bewusstsein?«
»Glücklicherweise nicht.«
Jetzt konnte ich mich nicht mehr beherrschen, sagte:
»Schleichen wir noch länger um den heißen Brei herum? Was soll ich tun? Dreimal raten?«
»Mensch, Jack, du klingst ja richtig aufgebracht. Hätte gar nicht gedacht, dass es dir so wichtig ist, was mit Pat passiert ist.«
Ich ließ ihm das durchgehen, wahrscheinlich weil es stimmte. Wenn ich jetzt auf ihn losging – und jede Faser meines Seins und Wesens drängte mich dazu –, konnte es sein, dass unsere Freundschaft sich nicht davon erholte. Mein Maul war der Grund für zahlreiche Katastrophen gewesen, ich stieg also dieses eine Mal nicht in den Ring. Ich wartete, fragte dann:
»Wird er es schaffen?«
»Ich hoffe nicht.«
Das erwischte mich kalt, und ich konnte nicht weiter. Er sagte:
»Wenn du kastriert worden wärst, würdest du es schaffen wollen?«
Die Worte wurden ausgespien, das Gift spritzte nur so. Ich sagte:
»Heiland.«
»Ich glaube nicht, dass Er viel damit zu tun hatte.«
»Wer denn?«
Jetzt ließ seine Stimme nach, und eine tiefe Müdigkeit setzte ein. Er sagte:
»Das habe ich dir bereits gesagt. Ich habe es dir sogar schon zweimal gesagt.«
Was hatte er mir gesagt? Ich hatte keine Ahnung, fragte:
»Was hast du mir gesagt?«
Er stieß einen lange zurückgehaltenen Atemzug aus, sagte:
»Du hast nicht zugehört. Wie Cathy ganz richtig sagt, du hörst nie zu.«
Klick.
Ich hielt den Hörer in der Hand, das Amtszeichen machte sich über mich lustig. Ich wollte ihn bei Nestor’s besuchen, zur Rede stellen und herausfinden, wovon zum Teufel er eigentlich sprach. Aber ich hatte nicht die Energie. Ging ins Bett und fühlte mich so mies wie nur je. Erwartete, mich die ganze Nacht zu wälzen und zu winden. Der Schlaf kam schnell und tief. Die Träume waren lebhaft.
Meine Mutter, in einem offenen Grab, rief: »Jack, ich kann mich nicht rühren. Hilf mir.« Ich hatte eine Schaufel in der Hand und begann, den Lehm hineinzuschippen. Jeff hielt ein Exemplar von Synges Buch und flüsterte: »Warum hörst du nicht zu?«, und schmiss das Buch zu Boden. Das Buch fiel neben das Grab, und ich schrie: »Ich kann das nicht beerdigen. Ich verstehe nicht, was los ist.« Dann humpelte ich die Küstenstraße entlang, ohne meinen Stock. Margaret und Wellewulst waren ein Stück vor mir, höhnten: »He, hol uns doch ein!«
Ich konnte es nicht.
Als ich morgens aufwachte, sah das Bett aus, als wäre eine Bombe eingeschlagen. Ich war schweißüberströmt. Ich hatte das, was man einen emotionalen Kater nennt. Fast so schlimm wie der echte. Schleppte mich ins Badezimmer, riskierte einen Blick in den Spiegel.
Heiland.
Wie alt wurde ich eigentlich? Konnte eindeutig neue Falten in meinem Gesicht sehen, tief eingebettete. Nahm eine lange, siedende Dusche und war danach, wenn schon sonst nichts, wenigstens sauber. Beim Kaffee fasste ich den Vorsatz, dem »Dramatiker« nachzuspüren. Zog mir Entlarverklamotten an, ausgeblichene Cordhose, Sweatshirt und meinen Polizistenmantel. Als ich das Zimmer verließ, wäre ich gern eifrig oder zielstrebig gewesen. Nein, ich war müde. Mrs Bailey, die durchdringend in den Irish Independent spähte, sagte:
»Polizisten, Polizisten, Polizisten.«
»Was?«
»In Donegal tobt ein wilder Skandal um Bestechung, Einschüchterung, Vertuschungen, und in Dublin wurden nach dieser öffentlichen Demonstration siebzehn Polizisten vom Dienst suspendiert. Zu meiner Zeit mochte ein Schutzmann bei Schwarzgebranntem ein Auge zudrücken, aber dieser Tage haben sie sich nicht mehr im Griff.«
Eine ganze verlorene Ära in dieser Wendung »sich nicht mehr im Griff haben«. Im irischen Katalog ist das ein verzweifeltes Verbrechen, wenn man sich für was Besseres hält, auf das Herdenvieh herabblickt. Es ist mit »sich was einbilden« verwandt, und das ist die unterste Sprosse der Leiter zur Hoffart. Meine eigene lädierte Geschichte bei der Polizei empfiehlt mich nicht gerade als ihr Verteidiger. Ich sagte:
»Andere haben wir nicht.«
Sie bekreuzigte sich allen Ernstes … »Im Namen des Vaters …« Fügte dann hinzu:
»Gott helfe uns allen.«
Damit war der Fall für die Verteidigung abgeschlossen. Ich überließ sie der Zeitung und der Lage der Nation, ging zur Augustinerkirche und erwog, ein paar Kerzen anzuzünden. Die Anzahl hilfsbedürftiger Menschen würde mehr Kerzen erfordern, als ich anzünden konnte. Ich ging vorüber. Neben der Kirche ist ein französisches Restaurant, dann kommt eine steile Treppe, dann ein Laden. Ich ging rechts an die Stufen heran, versuchte, mir vorzustellen, wie die Studentin gefallen war. An so einem Sturz konnte man zweifellos sterben. Auf der anderen Straßenseite ist eine kleine Verkaufsstelle für Silberschmuck. Scheint gute Geschäfte zu machen. Eine Frau kam heraus, beobachtete mich, und ich winkte ihr unverbindlich zu. Das schien sie zu überzeugen, und sie überquerte die Straße.
Sie sah zigeunerhaft aus, dunkles Haar bis auf die Schultern, dunkle Augen, fahler Teint. Sie trug einen dieser lang wallenden Röcke, die niemandem stehen. Sie proklamieren: »Ich hab miese Beine.« Ich hätte sie auf vierzig geschätzt, aber Falten um die Augen, um die Mundwinkel –, vielleicht älter. Was sie zweifelsfrei war, und zwar überaus, das war attraktiv. Anmut in den Bewegungen. Sie sagte:
»Quel dommage, wie schade.«
Französisch …? Oder affektiert?
Ich fragte:
»Haben Sie das Mädchen gekannt?«
»Ja, sie hatte oben an der Treppe eine kleine Wohnung.«
Ich sah noch einmal hin, sagte:
»Da wohnen Leute?«
»Sie hat da gewohnt. Inzwischen gibt es in Galway Wohnungen an den unwahrscheinlichsten Stellen.«
Ihr Englisch war perfekt, wenn auch mit einem dünnen Überzug von Akzent. Und einer Spur von irischem Tonfall, den Menschen bekommen, wenn sie Englisch in Irland lernen. Weichere Vokale und ein Häuchlein Singsang. Ich beschloss, Unwissenheit vorzuschützen, zu hören, was sie zu berichten hatte, sagte:
»Ich weiß eigentlich gar nicht, was da passiert ist.«
Dem schien sie nur allzu gern abhelfen zu wollen, sagte:
»Karen, Karen Lowe, sie hatte etwa ein Jahr lang da gewohnt, kam oft auf einen Sprung zu mir in den Laden. In der Nacht, als es passierte, war sie mit Freunden aus gewesen und gegen zehn gegangen. Um Viertel vor elf hat sie jemand liegen sehen, den Krankenwagen und die Polizei gerufen.«
Ich versuchte, die nächste Frage so feinfühlig wie möglich zu verbrämen, fragte:
»Könnte sie getrunken haben?«
Vehementes Schütteln des Kopfes.
»Nein, ich kenne sie … Oh, mon dieu …, kannte sie. Sie ist durchaus in die Kneipe gegangen, hat aber nie mehr als ein Radler getrunken.«
Dann starrte sie mich an, sagte:
»Sie sind nicht von der Polizei?«
»Nein, nein … Ich bin … von der Versicherungsgesellschaft.«
Fast spuckte sie aus, sagte:
»Merde! Liebend gern lassen sie die Leute zahlen, aber mal was zurückzahlen … nie. Wissen Sie, wie hoch meine Prämie für den Laden ist?«
Ich wollte nicht für eine Versicherungsgesellschaft die Prügel einstecken, musste aber eine Schätzung abgeben:
»Hoch?«
Sie nickte wütend, eine Spur Speichel im Mundwinkel. Ich überdachte meine ursprüngliche Meinung, sie sei attraktiv, erneut. Jetzt konnte ich sie als geisteskrank abhaken. Sie sagte:
»Sie können diesen Schleimscheißern sagen …«
Pause.
Sie sah mich an, fragte:
»Ist das das korrekte Wort?«
Wer war ich, dass ich mit ihr stritt? Es war nicht die Beschreibung, die ich von einer französischen Dame erwartet hätte. Ich hätte mit etwas Erlesenerem gerechnet, beleidigend, doch elegant, ist schließlich ihr Geburtsrecht. Jetzt war ich aber mit Nicken an der Reihe, wenn auch nicht ganz so energisch, und sie fuhr fort:
»Sie sagen denen, sie sollen zahlen.«
»Mach ich.«
Und ich ging davon. Ganz kurz hatte ich gedacht, ich frage sie, ob sie mit mir ausgeht; jetzt dachte ich, sie gehörte eingesperrt. Als ich zum Oxfam-Laden kam, riskierte ich einen Blick zurück. Sie stand immer noch da, die Hände in den Hüften, kochte vor Empörung. Ich bog rechts ab in Richtung Eyre Square Centre. Ich fragte mich, ob dies die »Mall« war, die mein amerikanischer Teenager frequentierte. Im Erdgeschoss ist ein von allen Seiten zugängliches Café. Ich ging an den Tresen, holte mir einen Espresso, sah den jungen blonden Typ, der mich verfolgte. Er winkte, zeigte auf einen freien Tisch und setzte sich.
Ich zahlte den Kaffee, und das Mädchen sagte:
»Einen ganz herrlichen Tag noch.«
Das warf mich um, und ich grummelte irgendeine vage Erwiderung. Es ist nicht leicht, eine Tasse zu tragen, wenn man am Stock geht, und ich brauchte etwas, bis ich den Tisch erreicht hatte.
Der blonde Typ stand auf, sagte:
»Lassen Sie mich helfen.«
Er nahm mir den Kaffee ab, stellte ihn hin und ließ sich dann selbst nieder. Aus der Nähe war er jünger, nicht älter als achtzehn. Ich setzte mich und sah ihm frontal ins Gesicht. Sein linkes Auge, da war etwas Ungewöhnliches an seinem linken Auge. Er lächelte, sagte:
»Jack Taylor.«
Als wären wir alte Freunde. Ich legte los:
»Wer zum Teufel sind Sie?«
Sein Lächeln verblich, Bestürzung breitete sich über sein Gesicht, als könnte er es nicht glauben, dass ich nicht wusste, wer er war. Er fragte:
»Sie erinnern sich nicht an mich?«
»Nein, ich erinnere mich nicht an Sie.«
Mit einem Stirnrunzeln zwischen den Augen, das das Ungewöhnliche an seinem linken Auge noch unterstrich, hing seine Nummer wesentlich davon ab, dass ich wusste, wer er war. Er sagte mit einer Ahnung von Verzweiflung in der Stimme:
»Ich bin Ronan Wall.«
Ich holte meine Lullen heraus, machte es langsam, eine ganze Zeremonie der Suche nach meinem Feuerzeug. Ungeduld durchrieselte ihn, und als ich mir irgendwann doch noch die Zigarette anzündete und den Rauch ausstieß, sagte ich:
»Sie sagen das, als sollte es irgendwas bedeuten. Für mich bedeutet es den letzten Kack, Kumpel.«
Das »Kumpel« wurde nicht gut aufgenommen. Seine Finger tippten auf den Tisch, und er sagte widerstrebend:
»Schwäne.«
Jetzt erinnerte ich mich. Vor ein paar Jahren wurden im Claddagh-Becken Schwäne geköpft. Die Stiftung zur Pflege und Förderung der Schwäne hatte mich zum Ermitteln angemietet. Nicht die beste Periode meines Lebens. Ich war tief in übelste Vorfälle verwickelt und brauchte etwas, um mich zu sortieren. Ich musste mich nachts gegen Mauern ducken, die Schwäne und inneren Dämonen abwehren. Allerdings fing ich den Schuldigen, einen sechzehn Jahre alten Jungen, schwerst gestört. Bei der Festnahme-Prozedur hatte er ein Auge verloren. Ich entsann mich, dass er einen privilegierten Hintergrund hatte, und die ganze Sache wurde unter den Teppich gekehrt. Von dem Auge abgesehen, sah er dem Irren, mit dem ich damals zu tun gehabt hatte, überhaupt nicht ähnlich. Ich sagte:
»Sie haben sich verändert.«
Jetzt war er wieder im Rennen. Er setzte sich gerade hin, antwortete:
»Komplett.«
Selbstgefälligkeit hatte sich in seine Stimme geschlichen, der Ton von jemandem, der es nach oben geschafft hat, nicht mehr für kleine Schwächen empfänglich ist. Ich drückte die Zigarette aus, sah ihm wieder frontal ins Gesicht, sagte:
»Ich meine, physisch.«
Er zog sich zurück, zögerte, dann:
»Ich bin geheilt.«
Ich spielte mit, sagte:
»Das ist ja schön. Kein Drang mehr, Schwäne zu massakrieren?«
Ich sah, wie er die Fäuste ballte. Die Munterkeit von eben entglitt ihm, und er versuchte ein Lächeln, sagte:
»Es ging mir damals nicht gut, aber ich bekam Hilfe, die beste, die es gibt, und … Und jetzt studiere ich, schreibe eine Eins nach der anderen.«
Ich empfand eine instinktive Abneigung gegen den Bubi. Mehr als ein Bubi war er nicht, aber etwas Älteres, Bösartiges ging von ihm aus. Ich fragte:
»Was studieren Sie? Wohl kaum Veterinärmedizin, oder sind Sie dermaßen verändert – Entschuldigung, geheilt – worden?«
Jetzt war er voll ins Rennen eingestiegen; seine Augen – sein Auge – nahm mich ins Visier. Mit einem Lächeln im Mundwinkel sagte er:
»Ich mache einen Abschluss in Geisteswissenschaften.«
In meinem Kopf klickten Zahlen, und im Geist verband ich die Punkte miteinander, zog rasend schnell einen wahnsinnigen Schluss. Er hatte mich stalkermäßig verfolgt, hatte eine Karriere als Gewalttäter hinter sich, und jetzt war er hier, um was genau zu präsentieren? Ich atmete ein, fragte:
»Wird auch Synge verlangt?«
»Bitte?«
»John Millington Synge. Jetzt mal, Sie studieren Literaturwissenschaft, kommt da auch ein Dramatiker vor?«
Wenn er was auf dem Kerbholz hatte, zeigte er es nicht. Ich musste behutsam vorgehen. Als ich das letzte Mal einen Killer benannt hatte, war ich im Irrtum gewesen, und ein unschuldiger junger Mann war abgeschlachtet worden. Der Widerhall dieses entsetzlichen Fehlers verfolgte meine Tage. Ich konnte mir unmöglich leisten, diesen Pfad wieder zu beschreiten. Ich wählte die einfache Strecke, fragte:
»Warum folgen Sie mir?«
Jetzt wurde er lebhaft, als hätte er gefürchtet, ich würde nie fragen, und antwortete:
»Ich wollte Ihnen danken.«
»Sie wollten wie bitte?«
»Ehrlich, ich war sehr krank, alle Zeichen standen auf ernstem Ärger, aber da kamen Sie, und als Resultat bekam ich Hilfe, und hier bin ich, ein ganz anderer Mensch.«
Sein Ton hatte eine spöttische Schärfe, also sagte ich:
»Mal sehen, ob ich das richtig mitgekriegt habe. Ich habe Sie mit einer Elektroschockpistole unschädlich gemacht, Sie sind ins Wasser gefallen, die Schwäne sind Ihnen ans Gesicht gegangen, und Sie haben ein Auge verloren. Und dafür möchten Sie sich bei mir bedanken?«
Die Aufzählung der Vorfälle hatte einen merkwürdigen Effekt. Sein Gesicht schien sich aufzuhellen, als wären durch die Nacherzählung seine Säfte in Wallung geraten. Er sagte:
»Kann ich Ihnen die Hand drücken, Jack?«
Das Letzte, was ich wollte, war diesen Typ berühren. Ich sagte:
»Eins könnten Sie machen, Sie könnten mir behilflich sein.«
Argwohn und Bosheit tanzten durch sein Gesicht. Er sagte:
»Immer raus damit, Großer.«
Ich berichtete ihm von den beiden toten Studentinnen, dass ich für die Versicherungsgesellschaften ermittelte. Konnte er sich ein bisschen umtun, wo er doch auf dem Campus aus und ein ging, herausfinden, mit wem sie befreundet waren und was es sonst so an relevanten Informationen gab? Er griff in seine Brusttasche, holte ein Notizbuch mit Spiralheftung heraus, einen Schreiber, fragte nach Namen und Details. Ich sagte, ich würde ihn für seine Zeit bezahlen. Das tat er mit einem Achselzucken ab; Geld spielte keine Rolle. Ich fragte nach seiner Telefonnummer, und er überreichte mir eine Karte, sah mein Erstaunen, sagte:
»Ich bin ein sehr organisierter Mensch. Möchten Sie mir Ihre geben?«
»Meine?«
»Ja, Ihre Visitenkarte. Steht wahrscheinlich ›Private Ermittlungen, Diskretion Ehrensache‹ drauf?«
Jetzt war er es, der mit Verarsche dran war. Ich sagte, ich hätte keine, und er nickte, als verstünde er das. Ich sagte:
»Sie haben mich verfolgt, Sie wissen ja sowieso, wo ich wohne.«
Ich stand auf, griff mir meinen Stock, und er glotzte, fasziniert. Ich fragte mich kurz, was er wohl sah. Dann kam er rasch aus seiner kurzen Absence zurück, fragte:
»Was ist passiert?«
»Ein Hurling-Unfall.«
Ich ging davon, und er rief:
»Wir sind uns sehr ähnlich, wissen Sie.«
Ich sah mich nicht um, sagte:
»Glaub ich nicht.«
Aber er behielt das letzte Wort:
»Wir sind beide verletzt, aber wir gehen weiter – immer weiter und voran.«
Da noch ein bisschen Musik drauf, und man wohnte der Entstehung eines Countrysongs bei.