Das Connemara Coast Hotel sieht aus wie ein Motel, lang und schnittig und direkt den Küstenrand entlang gebaut. Ich ging rein, war dankbar für die Wärme. Lokalisierte die Lounge, und da waren Wellewulst und Margaret. Ich näherte mich und sagte:
»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.«
Wellewulst grimassierte, sagte zu Margaret:
»Das ist er.«
Nicht die überschwänglichste Begrüßung. Margaret streckte die Hand aus, sagte:
»Ich bin Margaret, erfreut, Sie kennenzulernen.«
Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte. Eine bullige Kampflesbe, wenn ich ehrlich war. Sie war Ende vierzig, mit aschblondem Haar, Pagenschnitt. Große braune Augen, eine zu große Nase und toller Mund: diese Lippen, die man einfach berühren möchte. In schwarzem Polohemd und Jeans schien ihr Körper stark zu sein, trainiert. Ich war mir meines Stocks bewusst, meines Alters, und straffte meinen Rücken. Wellewulst, die mich beobachtete, lächelte. Margaret sagte:
»Sie sehen aus wie gefroren. Möchten Sie etwas trinken?«
Und bekam diesen Blick von Wellewulst. Ich wusste, dass sie Margaret vor dem Alki gewarnt hatte, die hinwiederum die Freundlichkeit besaß, verwirrt dreinzublicken, weshalb ich sagte:
»Ein Schluck Kaffee wäre gut.«
Sie erhob sich, ging weg. Ich sagte zu Wellewulst:
»Ich hatte etwas anderes erwartet.«
Dies amüsierte sie, und sie fragte:
»Was hatten Sie denn erwartet?«
Wie beantwortete man das? Ich versuchte es mit einer Halbwahrheit, sagte:
»Feindseligkeit.«
»Ist ja noch früh.«
Margaret kam mit einem Tablett zurück, auf dem Klappstullen, ein Kännchen Kaffee und eine Tasse standen.
»Milch.«
Und ging wieder weg. Ich begutachtete das Tablett und sagte:
»Ich beginne mich jetzt schon mit ihr anzufreunden.«
Dann dämmerte es Wellewulst, und das Bescheidwissen breitete sich von den Augen her zu einem fiesen Lächeln aus. Sie klatschte in die Hände, rief:
»Ich glaub es nicht.«
Ich hatte keine Ahnung, was sie umtrieb, sagte:
»Ich habe keine Ahnung, was Sie umtreibt.«
»Margaret, oh mein Gott, Sie haben gedacht, sie ist lesbisch. Das ist ja gar nicht mit Geld zu bezahlen.«
Mein Herz machte einen Hüpfer, obwohl ich mir wegen Dreistigkeit in den Arsch trat, und ich sagte:
»Sie ist gar nicht lesbisch?«
Wellewulst schüttelte den Kopf, sagte:
»Gott, ich hätte es wissen sollen, Sie sind wirklich eine Art Saurier.«
Margaret kam mit der Milch zurück, sah uns an, fragte:
»Habe ich etwas verpasst?«
Wellewulst lehnte sich zurück, sagte:
»Nicht viel.«
Damit es weiterging, zauberte ich Black Magic samt Glückwunschkarte hervor. Margaret lächelte, und Wellwulst war tatsächlich überrascht. Sie nahm die Karte, sagte:
»Ich nehme an, die haben Sie unter Zeitdruck gekauft.«
Und schob die Karte herüber. Vorne drauf stand:
»Alles Gute zum Geburtstag, Dad«.
Dazu fiel mir nichts ein. Ich wollte nicht die Geschichte mit dem Ausländer und dem Zucker erzählen. Sie hätten gesagt, ich hätte den Laden verlassen sollen. Wellewulst begann, die Pralinen auszupacken, sagte:
»Danke, dass Sie dran gedacht haben.«
Sie hielt die Schachtel hin. Ich lehnte ab, aber Margaret nahm zwei.
Der Drang, »Scheiß drauf« zu sagen, an die Bar zu marschieren und sich gepflegt die Kante zu geben, war machtvoll. Margaret schenkte mir Kaffee ein, und es entstand vorübergehend eine unbehagliche Stille. Dann fragte Margaret Wellewulst:
»Um wie viel Uhr kommen deine Eltern?«
Ich war überrascht, hatte mir Wellewulst immer alleinstehend vorgestellt. Eine Familie schien nicht zu ihr zu passen. Man fragte sich: »Was stimmt wohl nicht an diesem Bild?« Es war etwas an Wellewulst, und ich kannte das auch an mir, was sie mit dem Siegel der Einsamkeit versah. Sie antwortete:
»Sie sollten jede Minute hier sein. Kannst du warten?«
Margaret sah auf ihre Uhr, sagte:
»Furchtbar gern, aber ich habe eine frühe Schicht.«
Sie stand auf, beugte sich vor, küsste Wellewulst auf die Wange, fragte mich:
»Soll ich Sie mitnehmen, Jack?«
»Sie fahren in die Stadt?«
»Ja.«
Ich sah Wellewulst an, die in ihrer Handtasche wühlte, mir das Buch gab, sagte:
»Fahren Sie mit.«
Ich sah den Band nicht an, steckte ihn einfach in die Tasche. Vor Margaret stand ein Drink, den sie aber nicht angerührt hatte, und ich fragte:
»Was ist mit Ihrem Drink?«
»Ich hatte schon einen. Ich bin hier von lauter Polizisten umgeben, da muss ich aufpassen.«
Ich ließ das mal so stehen und sagte zu Wellewulst:
»Ich ruf Sie an.«
»Tun Sie das.«
Es war kein Wunsch, es war ein Befehl.
Margaret hatte einen hellblauen Escort, der neu aussah. Sie setzte sich hinters Steuer, ich setzte mich neben sie und schnallte mich an. Dauerte ein bisschen, weil mir der Stock immer wieder dazwischenkam. Sie sagte:
»Lassen Sie mich helfen.«
Als sie sich herüberbeugte, konnte ich ihr Parfum riechen. Das erinnerte überhaupt nicht an das Eau de Woolworth. Ich bemerkte, wie sich bei mir Begehren regte. Gott weiß es, ich konnte mich nicht erinnern, wann so was zum letzten Mal passiert war. Dann lächelte sie und fuhr los. Sie fuhr gut; kompetent und sicher. Ich fragte:
»Arbeiten Sie?«
Sie lachte überrascht, sagte:
»Natürlich arbeite ich, was glauben Sie denn? Ich bin Krankenschwester.«
»Wo?«
Sie warf mir einen Blick zu, fragte:
»Ist das ein Verhör?«
»Tut mir leid, ich war neugierig.«
Erst mal antwortete sie nicht. Wir hatten die Höhe des Golfplatzes erreicht und näherten uns Taylor’s Hill. Da fragte sie:
»Haben Sie zehn Minuten Zeit?«
»Klar.«
»Ich parke gern auf der Promenade, wenn das Wetter so grimmig ist wie jetzt. Der Blick auf die Bucht, ganz herrlich. Wäre das okay?«
Als ich nickte, sagte sie:
»Ich bin Schwester am Bon Secours, was früher Galvia hieß.«
Ich konnte nicht widerstehen, sagte:
»Hätscheln die Reichen.«
Das gefiel ihr nicht, und sie hatte es schon mal gehört. Sie konterte:
»Die verdienen keine Behandlung?«
Ihr Tonfall reizte mich, und ich konterte zurück:
»Doch, doch, aber keine Sonderbehandlung.«
Sie parkte das Auto sehr gekonnt. Ich stellte mir vor, dass sie fast alles gut machte. Das Meer war wirklich spektakulär, die Wellen krachten gegen die Sprungbretter von Blackrock. Ein Gefühl von Leichtsinn streifte meine Seele. Ich wollte wieder hinaus, an den Rand der Existenz, das Adrenalin in meinem Blut zum Brüllen bringen. Ich konnte den Wahnsinn fast im Mund schmecken, kriegte trotzdem noch mit, dass Margaret sprach, und sagte:
»Tut mir leid, was?«
»Bríd sagt, Sie versuchen, Ihr Leben zu ändern?«
»Bríd sagt viel, wenn der Tag lang ist.«
Das kam nicht so gut, und sie setzte nach:
»Sie glaubt, Sie werden es nicht schaffen, Sie werden wieder saufen, wie immer.«
Ich öffnete die Tür, stieg mühevoll aus, sagte:
»Glaub, ich geh zu Fuß.«
Sie versuchte, sich zu entschuldigen, aber ich knallte die Tür zu, und der Wind betonte das Aggressive der Geste. Das wilde Wetter fiel mich an, ich verlor fast den Stock und wollte ihn in die Bucht schmeißen. Bevor ich mir den Mantel zuknöpfen konnte, war ich völlig durchnässt.