Sein Vater möchte mitkommen. Aber Christoph glaubt sich stark genug, seine Aussage bei der Polizei alleine zu machen. Vielleicht ist es nicht klug. Aber es fühlt sich richtig an, die Eltern aus der Sache rauszuhalten.
»Du unterschätzt die Beamten«, warnt der Vater.
»Kannst du eigentlich die Aussage verweigern?«, fragt die Mutter.
»Verbau dir nicht deine Zukunft.« Der Vater.
Als der gegangen ist, setzt sich seine Mutter zu ihm.
»Du weißt, wo sie sind, nicht wahr?«
Christoph reagiert nicht. Sie steckt ihm ein paar Scheine zu.
»Sie werden es brauchen.«
Er lächelt. Zaghaft, aber auch erleichtert. Wenigstens ein Mensch, der zu ihm hält.
Die Polizeibeamten haben ihren Job gemacht.
»Du hast uns gestern nicht gesagt, dass du in der Wrangelstraße warst. Du wolltest zu Isabel Hernandez. Aber sie war schon weg.«
Verdammt. Sie haben es schnell rausgekriegt.
»War das vor oder nach dem Kino?« Es klingt sarkastisch.
Sie werden ihm gar nichts mehr glauben.
»Danach. Ich habe mir Sorgen gemacht, weil ich nichts von ihr gehört habe.«
»Dann hast du ja von Frau Kröger sicher auch erfahren, dass ihr Mann tot und Isabel verschwunden ist.«
»Damit ist aber auch klar, dass ich von ihrem Verschwinden nichts wusste. Sonst hätte ich Isabel kaum dort gesucht.«
Die Beamten wechseln einen Blick. Gutes Argument von mir, findet Christoph.
»Bei unserem Gespräch hast du so getan, als wüsstest du gar nichts vom Tod des Hausmeisters.«
Mist. Auch wieder wahr.
»Ich stand unter Schock.«
»Weil du glaubst, deine Freundin hätte damit zu tun?«
»Weil ich nicht weiß, wo sie ist.«
Seine Hände zittern vor Nervosität. Er verschränkt die Arme, um es zu verbergen.
»Verdammt, ich mache mir wirklich Sorgen!«
Und das ist nicht einmal gelogen.
Die Beamten fangen von vorne an.
»Sie kam also zu Beginn des Jahres in deine Klasse.«
Christoph nickt.
»Und du hattest keine Ahnung, dass sie illegal hier lebt?«
Das wissen sie also auch schon.
»Wenn man in Deutschland zur Schule geht, kann das doch gar nicht sein, oder?«
Die beiden Beamten wechseln einen Blick.
»Du hast also nie mitbekommen, dass sie keine Papiere hat?«
»Ich habe nicht danach gefragt.«
Blöder Witz. Die Quittung bekommt er postwendend.
»Warum ist Isabels Nummer nicht in deinem Handy?«
»Sie hat kein Handy, soweit ich weiß.«
»Unsinn, du hast sie gelöscht, um ihre Spur zu verwischen.«
Christoph schweigt. Nur nicht zu viel sagen. Aber vielleicht ist das Schweigen an dieser Stelle falsch. Vielleicht ist es besser, den auskunftsbereiten Zeugen zu spielen.
»Wir hatten vor ein paar Tagen Krach. Ich war so wütend, dass ich alle ihre SMS gelöscht habe. Und ihre Handynummer gleich dazu.«
Die Beamten wechseln einen Blick.
»Aber du kannst die Nummer sicher auswendig.«
Er schüttelt den Kopf. Wirkt nicht glaubwürdig, geht aber nicht anders.
»Hat sie sich bei dir gemeldet seit gestern früh?«
»Und du weißt nicht, wo sie und ihre Mutter sein könnten?«
Kopfschütteln.
»Hat sie Verwandte oder Bekannte hier?«
»Sie hat mir niemanden vorgestellt. Ich kenne nur ein paar Leute aus ihrem Haus.«
»Wen genau?«
»Mehmet, dann einen Afrikaner, ich habe seinen Namen vergessen …«
Hat er natürlich nicht, aber Christoph fällt gerade siedend heiß ein, dass auch Adamu keine richtigen Papiere hat. Besser, er sagt nicht zu viel.
»Haben Isabel oder ihre Mutter Freunde in anderen deutschen Städten?«
»Nicht dass ich wüsste.«
»Anbindung an eine Kirchengemeinde?«
»Eugenia ist religiös«, sagt er. »Aber wo sie in die Kirche gegangen ist, das weiß ich nicht.«
Die Beamten machen eine kurze Pause. Holen sich Kaffee, bieten ihm auch einen an. Christoph nimmt ein Glas Wasser. Ihm wird heiß. Er will weg. Er weiß, dass das hier noch sehr ungemütlich werden kann.
»Kanntest du diesen Kröger?«
»Den Hausmeister? Vom Sehen.«
»Was weißt du über ihn?«
Christoph zögert. Isabel hat ihn gehasst. Aber kann er das so sagen, ohne den Verdacht auf sie zu lenken? Lieber langsam machen.
»Er war ziemlich übel. Hat alle Hausbewohner schikaniert. Wer nicht nach seiner Pfeife getanzt hat, der musste sich eine neue Wohnung suchen.«
»Apropos Wohnung. Er hat diese Abstellkammer an deine Freundin und ihre Mutter vermietet. Hast du dich nie gewundert, dass sie sich nichts Besseres suchen?«
»Isabels Mutter verdiente wenig. Das wusste ich.«
Er setzt noch einmal nach, als er ihre zweifelnden Blicke sieht.
»Mit viel Geld hätten sie doch auch ohne Papiere eine schönere Wohnung bekommen, oder?«
Einer der Beamten mustert Christoph genauer. Längere Pause.
»Hat Kröger deine Freundin nur schikaniert oder auch belästigt?«
Christoph ist zunächst überrascht, dann aber verunsichert ihn die Frage sehr. Wie kommen sie auf diese Idee?
»Wer sagt denn so was?«
»Ein Hausbewohner hat das erzählt. Der Name tut nichts zur Sache.«
»Kröger war scharf auf jede, die nicht bei drei auf den Bäumen war«, antwortet er jetzt, sehr fest, denn dieses Mal sagt er die Wahrheit und das macht ihn sicher.
»Hat sie mit dir darüber gesprochen?«
»Natürlich. Er glotzte sie an, machte dumme Bemerkungen, ebenso wie bei allen anderen Frauen im Haus.«
Sie starren ihn an, sie wechseln einen Blick. Aber sie sagen nichts.
Christoph weiß, dass man ihm seine Nervosität ansieht, hektische Flecken auf den Wangen, auf der Stirn bilden sich erste Schweißperlen. Dabei möchte er so gerne abgeklärt wirken.
Die Beamten stellen sich so, dass sie ihn fast in die Zange nehmen, einer rechts, einer links. Der nettere beugt sich zu ihm.
»Warst du eifersüchtig?«
Christoph überlegt. Die Vernehmung geht in eine völlig neue Richtung! Nicht Isabel ist verdächtig, sondern offenbar er.
»Wollen Sie mir einen Mord anhängen?«
Die Beamten sehen ihn nicht an, keine Antwort auf seine Frage.
Christoph atmet ein – aus, ein – aus. Er merkt, dass er runterkommen muss, sein Herz hämmert wie blöd. Verdammter Kröger! Macht tot noch mehr Probleme als lebendig.
»Eifersucht ist ein häufiges Motiv.«
Christoph fährt herum und starrt den Bad Cop fassungslos an.
»Hast du ein Alibi?«
»Ich war zu Hause und habe geschlafen.«
»Woher willst du das wissen? Wir haben dir die Tatzeit doch noch gar nicht gesagt.«
Reingefallen. Nicht aufgepasst. Verdammt. Wie kommt er da raus?
»Es war doch nachts, oder?«
»Wie kommst du darauf?«
»Sie haben mich gefragt, wann ich Isabel das letzte Mal gesehen habe und da …«
Er stockt, er will sich nicht wieder verfransen.
»Wir fahren jetzt zur Schule«, sagt der nettere Beamte.
Aber Christoph weiß, er ist noch lange nicht aus der Sache raus. Er wundert sich, dass sie ihn jetzt, wo sie ihn fast erwischt hatten, wieder laufen lassen.
Katz und Maus, denkt er. Sie lassen mich nur los, damit sie noch ein bisschen mit mir spielen können. Sie wollen, dass ich sie zu Isabel und Eugenia führe.