Abb. 28. Eine Prostituierte mit ihrem Kunden: Die Frau in der für die Darstellung der Venus typischen Pose, die ihre Reize hervorheben soll, unterhält den Besucher; eine Dienerin schaut zu, zum allenfalls nötigen Beistand bereit. Fresko aus Pompeji.

Einige Prostituierte waren nicht in einem Bordell tätig, sondern im eigenen Haus (Abb. 28), wie die Edelhure in Plautus’ Eselskomödie. Hier konnten sie den Männern nach Gusto Zutritt gewähren. Auf einem Plakat konnten sie mitteilen, dass sie »besetzt« seien. Erotische Bilder versetzten ihre Besucher in angenehme Erregung (Taf. 25). Sie hatten Möglichkeiten zur Bewirtung und konnten spontan Partys arrangieren, wenn sie mehr als einen einzigen Kunden anziehen wollten. So großzügige Verhältnisse waren zweifellos nicht die Regel, aber es ist sinnvoll, sich auch die »Spitzenprodukte« des Gewerbes in Erinnerung zu rufen. Eine normale Prostituierte könnte im Haus der Vettier in Pompeji ihrer Arbeit nachgegangen sein, auch wenn die Forschung darüber geteilter Meinung ist. Abseits der Küche gibt es einen hinteren Raum mit lasziv-erotischer Kunst in einem Stil, der an die Bilder im Lupanar derselben Stadt erinnert. Im Hauseingang befindet sich ein Graffito: »Eutychis, Griechin: für 2 Asse. Mit gutem Charakter« (CIL IV 4592 / Hunink, Nr. 452).

Tavernen und Esslokale waren für die Freudenmädchen das übliche Betätigungsfeld – ein Zimmer oder zwei auf der Rückseite oder im oberen Stockwerk des Hauses dienten dem Zweck. Allgemein wurde unterschieden zwischen dem Gastwirt, der eine achtbare Persönlichkeit sein konnte, und der Barkellnerin, die nichts als eine Dirne war, die Speisen und Getränke servierte. In der Literatur werden Bardamen in der Regel mit Freudenmädchen gleichgesetzt, eine Einschätzung, der die römischen Rechtstexte zustimmen:

 

»Nicht nur von einer solchen, welche in einem Hurenhaus sich Preis gibt, sondern auch, wenn Eine, wie es zu geschehen pflegt, in einem Wirtshause, oder sonst wo ihre Schamhaftigkeit nicht bewahrt, werden wir sagen, dass sie öffentlich mit ihrem Körper Gewinn treibe. Öffentlich verstehen wir aber so: gemeinhin, das heisst, ohne Auswahl; nicht wenn Eine sich Ehebrechern oder Hurern hingibt, sondern wenn sie sich in dem Zustand einer Preisgegebenen befindet. Desgleichen scheint [eine Frauensperson], wenn sie sich mit dem Einen oder Anderen, nachdem sie dafür Geld erhalten hat, vermischt hat, nicht öffentlich mit ihrem Körper Gewinn zu treiben. Octavenus sagt jedoch ganz richtig, dass auch eine solche, welche sich ohne Gewinn öffentlich Preis gegeben hat, hierher hätte gerechnet werden müssen. … Hurenwirthinnen nennen wir aber die, welche Weibspersonen um des Gewinns willen Preis geben. Als eine Hurenwirthin werden wir auch die ansehen, welche im Namen eines Andern diese Lebensart treibt. Wenn Eine Gastwirthschaft treibt und in derselben Weibspersonen (corpora) hält, …, so muss man sagen, dass auch eine solche unter der Benennung einer Hurenwirthin begriffen sei. (Ulpian, Über das Edikt = Digesten 23,2,43 pr. 1 – 3 und 7 – 9)

 

So ließen sich also wie zu allen Zeiten Männer von Barmädchen betören:

 

– Successus der Weber liebt die Sklavin der Wirtin, mit Namen Iris. Sie aber macht sich nichts aus ihm, sondern hat Mitleid mit ihm. (So) schreibt ein Konkurrent. Tschüss! – Neidischer Kerl! Nur weil du platzt, sollst du es nicht einem Schöneren missgönnen, einem, der mal richtig über die Stränge schlagen will und hübsch aussieht! (CIL IV 8259/Hunink, Nr. 68)

 

Ein anderes Graffito illustriert, dass die Unterscheidung zwischen Gastwirtin und Kellnerin nicht immer eingehalten wurde: »Ich hab die Wirtin gevögelt« steht auf einer Wand (CIL IV 8442/Hunink, Nr. 154, Futui coponam). Vermutlich gab es jedoch auch einige Etablissements mit gutem Ruf. Der Barbesitzer Haynchis zum Beispiel führt einen Bierladen mit tatkräftiger Unterstützung seiner Tochter, von der man gern annehmen würde, dass sie während dieser Tätigkeit ihre Ehre bewahrte (Rowlandson, Nr. 209).

Eine wunderbare Schilderung von bezahltem Sex in einer Kneipe enthält die frühchristliche Erzählung »Die hl. Maria, die Hure«. Maria, die behütet aufgewachsen war, wurde von einem hinterhältigen Mönch verführt. Voller Scham floh sie aus ihrer Heimatstadt und wurde Prostituierte in einer Bar. Ihr Onkel, ein heiliger Mann namens Abraham, machte sich auf, um sie zu suchen, und endlich, nach zwei Jahren, fand er sie. Er verkleidete sich und ging in die Stadt:

 

In der Stadt angekommen, ging er also in ein Gasthaus, saß dort und sah sich mit bangen Blicken um, schaute mal hier und mal dort, in der Hoffnung, sie zu sehen. Die Stunden vergingen, und immer noch wartete er vergeblich; schließlich wandte er sich in scherzendem Ton an den Gastwirt: »Man hat mir berichtet, Freund, du habest hier ein bezauberndes Mädchen; wenn es dir genehm ist, würde ich sie mir sehr gerne anschauen.« Der Gastwirt … gab zur Antwort, es sei tatsächlich so, wie er gehört habe – sie sei ein ausnehmend hübsches Mädchen. Und Maria war wirklich von schöner Gestalt, schöner fast, als die Natur es bedurfte. Abraham fragte nach ihrem Namen, und erfuhr, er sei Maria. Darauf sagte Abraham vergnügt: »Na, dann bring sie herein und zeige sie mir und bring uns heute ein gutes Nachtessen für sie, denn ich habe sie von allen Seiten loben hören.« Also rief man sie. Sie kam herein, und als der gute alte Mann sie in ihrem Hurengewand erblickte, schien sein ganzer Körper vor Leid zu vergehen. Doch er verbarg die Bitterkeit seiner Seele … und so setzten sie sich zu Tisch und tranken ihren Wein. Der alte Mann begann mit ihr zu scherzen. Das Mädchen erhob sich, legte den Arm um seinen Nacken und und betörte ihn mit Küssen. … Der alte Mann sprach freundlich zu ihr. »Na, na!«, sagte er. »Ich bin gekommen, um dich zu erfreuen …« Der alte Mann nahm also ein Goldstück hervor, das er mitgebracht hatte, und gab es dem Wirt. »Nun also, mein Freund«, sagte er, »mach uns ein gutes Nachtessen, damit ich mich mit dem Mädchen vergnügen kann; denn ich habe aus Liebe zu ihr eine lange Reise gemacht.« Als sie sich an den Speisen gelabt hatten, drängte ihn das Mädchen, mit ihr auf ihr Zimmer zu kommen, um ihr beizuwohnen. »Gehen wir«, sagte er. Beim Hereinkommen sah er ein hohes Bett vorbereitet und nahm alsbald fröhlich darauf Platz … So sagte das Mädchen also zu ihm, als er auf den Bett saß: »Herr, lasst mich eure Schuhe abstreifen.« »Verschließe sorgfältig die Tür«, sagte er, »dann zieh sie mir ab.« … »Komm zu mir, Maria«, sagte der alte Mann. Und als sie neben ihm auf dem Bett saß, griff er fest nach ihrer Hand, als wolle er sie küssen. Er nahm seinen Hut ab und sagte mit gebrochener Stimme unter Tränen: »Maria, meine Tochter, kennst du mich nicht?« … Den Kopf auf seinen Füßen, weinte sie bis zum Morgen … Als es dämmerte, sagte Abraham zu ihr: »Steh auf, Tochter, und lass uns heimgehen.« Und sie gab zur Antwort: »Ich habe ein wenig Gold hier und ein paar Kleider, sag mir, was ich damit mache.« Und Abraham erwiderte: »Lass all das hier …« (Ephraim der Syrer, Diakon in Edessa)

 

Natürlich wird Maria von ihrem Leben in Sünde erlöst, aber ihre Erlebnisse vermitteln das beste Bild der Taverne als Schauplatz von Sexualität, über das wir verfügen.

Ein Lieblingsplatz von Prostituierten waren auch öffentliche Bäder, wie die folgende Bemerkung von Ammian zeigt:

 

Erfahren sie [die Badenden], daß plötzliche eine unbekannte Dirne oder eine Hure aus der städtischen Plebs oder eine alte Vettel mit ihrem vermietbaren Körper aufgetaucht ist, so laufen sie um die Wette, streicheln die Angekommene und überhäufen sie mit widerwärtigen Schmeicheleien wie die Parther eine Semiramis, die Ägypter eine Kleopatra, … (Römische Geschichte 28,4,9)

 

Die Nacktheit, zumal wenn Männer und Frauen, wie es vorkam, gemeinsam badeten, war wie das Trinken in der Kneipe ein Stimulans, das willigen Sexualpartnerinnen die Kunden in die Arme trieb. Auch Speisen und verschiedene andere Angebote wie Massagen standen zur Verfügung. So wie eine Masseuse leicht zu sexuellen Dienstleistungen für ihre Kunden übergehen konnte, konnte auch das Badepersonal Routineaufgaben wie die Beaufsichtigung der Garderobe während des Bades mit dem Angebot von Sexualität verbinden, sollte ein Kunde dies wünschen. Tatsächlich gibt es in den pompejanischen Vorstadtthermen, der am vollständigsten ausgegrabenen Badeanlage, über der Kleiderablage unzweideutige Freskomalereien, auf denen zunehmend gewagte (oder scherzhaft gemeinte) sexuelle Positionen abgebildet sind (Taf. 8). Über dem Bad gab es auch Räume für Prostituierte und sogar einen separaten Eingang von der Straße her, falls es einem Kunden nicht ums Baden ging, sondern nur um die Befriedigung sexueller Wünsche. Ein Graffito an der Außenwand erklärt:

 

Wenn jemand hier sitzt, soll er das vor allem lesen; und wenn jemand ficken will, soll er Attica suchen: für 16 Asse. (CIL IV 1751 / Hunink, Nr. 987)

 

An all diesen Orten – Freudenhäuser, Wohnungen, Kneipen, Bäder – waren die Kunden gewöhnliche Männer neben Angehörigen der Oberschicht, die gelegentlich in die Slums abtauchten. Prostitution wurde oft durch eine angezündete Lampe in einer Hausnische signalisiert; doch waren auch andere Geschäftsfassaden mit Lampen geschmückt. Die Etablissements waren kreuz und quer über die Stadt verteilt, und die Prostituierten konnten zudem außer Haus bei Abendgesellschaften oder lokalen Festen als Serviererinnen einspringen.

Prostituierte arbeiteten nicht nur an einschlägigen Orten, sondern auch auf der Straße. Domitian hatte verkündet, dass es Dirnen verboten sei, Sänften zu benutzen. Man könnte vermuten, dass damit der mobile Kundenservice verhindert und den Prostituierten gleichzeitig ein Kennzeichen der Elite sowie der Schutz geschlossener Vorhänge vor unzüchtigen Bemerkungen ihrer Mitbürger verweigert werden sollte. Doch auch ohne geschlossene Sänften war an geeigneten Möglichkeiten kein Mangel. T. Quinctilius Atta, ein römischer Autor des 1. vorchristlichen Jahrhunderts, von dem nur ein einziges literarisches Fragment überliefert ist, beschrieb in seinen Aquae Calidae kecke Prostituierte: »Sie hurten durch die Straßen wie Wölfe, die nach Beute Ausschau halten.« Sie konnten in jedem beliebigen Viertel herumstreifen, aber ihr Standort richtete sich nach dem zu erwartenden Verkehr in den Straßen und trug den Dirnen manchmal einen Spitznamen ein. So schreibt Festus:

 

Alicaria ist ein Wort für Prostituierte in Campanien, weil sie ihr Geld gewöhnlich verdienten, indem sie sich um die Mühlen herumtrieben, die Getreide (alica) mahlten, so wie die, die sich vor den Ställen aufstellten, die »Vor-den-Ställen« (prostibula) genannt wurden. (Festus 7L)

 

Prostituierte konnten in öffentlichen Bereichen arbeiten, die mehr oder weniger verdeckte Stellen für diskreten Sex anboten. Auf Märkten und Plätzen mit öffentlichen Gebäuden waren Scharen von potenziellen Kunden zu erwarten. Im Notfall konnten auch Grabstätten außerhalb der Stadt für das Geschäft benutzt werden. Beliebte »Arbeitsplätze« waren die Bögen (fornices) großer öffentlicher Gebäude wie Theater und Amphitheater – Bögen, von denen sich das englische Wort fornication für den außerehelichen Geschlechtsverkehr ableitet. Wie in den Bädern provozierten die aufreizenden Aktivitäten an diesen Orten – im Theater die oft schlüpfrigen Aufführungen, in der Arena die Ekstase und Blutgier der Gladiatorenkämpfe – eine sexuelle Erregung, die von den Prostituierten zu ihrem Vorteil genutzt werden konnte. Etwas mehr Intimität als der lokale Gewölbebogen, aber ein sehr ähnliches Flair prägte die zur Straße offenen Ein-Zimmer-Kabüffchen der Dirnen mit dem gemauerten Bett.

Mit dem Theater war das Sexgewerbe direkt wie indirekt verbunden. Vor und nach einer Aufführung wimmelte es im Umkreis der Theater von Menschen, ein ergiebiges Kundenreservoir für die Prostituierten. Mehr noch kam ihnen zugute, dass einige Theaterproduktionen nicht weniger provozierend wirkten als irgendein Fresko im Bordell: die Possenspiele, die ein Publikumsliebling waren. Ihre Darsteller standen in schlechtem Ruf, und anders als in anderen Schauspielgattungen waren Frauen auf der Bühne zugelassen. Mochten die Schauspieler selbst auch nicht unmittelbar in die Prostitution verwickelt sein, so waren die Handlungen der Figuren doch geeignet, zu sexuellen Phantasien anzuregen, wie sie die Aufführung einer griechischen Tragödie oder eines römischen Historiendramas wohl kaum hervorriefen. Die Possenspieler verbanden Gestik und Akrobatik, eine Art schlüpfriges Ballett, mit Wort und Gesang und erzählten derbe Geschichten aus dem Volksleben oder aus der Mythologie. In der Taverne auf der Merkurstraße in Pompeji sind einige hocherotische Szenen aus solchen Stücken als Wandmalereien zu bewundern, deren genüssliche Betrachtung zweifellos auch Bilder dieser Theaterspiele wachrief. Es erstaunt darum nicht, dass die Possenspieler nicht nur die Nachfrage nach Prostituierten erhöhten, sondern auch selbst entsprechende Dienste anboten.

In ähnlicher Funktion waren die Possenspieler auch an den römischen Floralia beteiligt, einem Frühlingsfest, an dem Sexualität und Fruchtbarkeit ausgelassen gefeiert wurden, wie es der Name – nach einer Dirne aus Vorzeiten – kaum anders erwarten lässt. Im Zentrum der Feiern standen die Parade von Prostituierten und Possenspiele. Tertullian schildert sie mit Abscheu:

 

Selbst auch die Dirnen läßt man als Opfer öffentlicher Wollust auf der Bühne auftreten – noch elendere Geschöpfe in Gegenwart der (ehrbaren) Frauen, denen allein sie unbekannt waren –, und sie werden vor den Augen von Zuschauern jeden Alters und Standes vorgeführt; ihre Adresse, ihre Preise und ihre besonderen Eigenschaften werden auch für diejenigen, die es nicht zu hören bräuchten, laut vorgetragen; sogar Angaben – über diese übrigen Einzelheiten schweige ich –, die in der Dunkelheit und in ihren Lasterhöhlen verborgen bleiben sollten, damit sie das Licht des Tages nicht besudeln. Der Senat sollte vor Scham erröten, alle Stände sollten vor Scham erröten! Selbst jene Mörderinnen ihres eigenen Schamgefühls schrecken – man sieht es an ihren Gesten – vor dem Tageslicht und der Öffentlichkeit zurück und erröten einmal im Jahr! (De spectaculisÜber die Spiele 17,3 – 4)

 

Auf der Bühne zeigten die Possenszenen, dargestellt von Dirnen, das Leben von einfachen Leuten, Schneidern, Fischern oder Webern, in kompromittierenden Situationen. Ein beliebtes Thema war der Ehebruch. Zu diesen Vorführungen gehörten, wie in Possen üblich, obszöne Dialoge, Gesang, Tanz, Gebärdenspiel und eine anzügliche Körpersprache. Im letzten Akt standen die Darstellerinnen oft vollständig nackt auf der Bühne, wenn das Publikum rief: »Zieht alles aus!« und die Schauspieler diesem Wunsch entsprachen. Entgeistert schildert ein frühchristlicher Autor die Vorgänge:

 

Bei der Darbietung dieser Spiele ist jede moralische Dezenz preisgegeben, wie es für das Gedächtnis einer Hure angemessen ist. Denn außer der unbeherrschten, schmutzigen Sprache und dem Erguss jeder Art von Obszönitäten werden den Huren zum rhythmisch fordernden Geschrei der Menge sogar die Kleider abgestreift, und dann spielen sie die Rolle von Mimen und werden vor dem zustimmenden Publikum so lange auf der Bühne zurückgehalten, bis selbst schamlose Augen sich an ihren schändlichen Bewegungen gesättigt haben. (Laktanz, [Göttliche Unterweisungen] 1,20,10)

 

Dass Mimen und Dirnen an den Floralia gemeinsam ihren Auftritt hatten, zeigt ihre Popularität bei den gewöhnlichen Menschen ebenso wie ihre Identität als Teil der Sexindustrie: Wie Prostituierte traten die Schauspieler an Straßenecken, in Bordellen und bei privaten Festen auf. Mit ihren eindeutig vulgären Bewegungen und von Sexualität triefenden Themen waren sie von Stripteaseshows vermutlich oft kaum zu unterscheiden. Und wie bei diesen war es nur ein kleiner Schritt in die Prostitution.

Beliebte Treffpunkte von Dirnen waren Tempel und Theater. In Plautus’ Curculio liegt das besuchte Bordell direkt neben dem Aeskulaptempel, vor dem Haus steht ein Altar der Venus. Ebenfalls von Plautus stammt eine Beschreibung der Prostituierten, die sich beim Venustempel versammeln:

 

Möchtst du dich gesellen denn / Zu den Huren, Müllermetzen und der Dinkelmühlenspreu, / Zu den armen Sklavenliebchen, schmutzig, binsenparfümiert, / Die nach Stall und Sattel riechen und nach Kutsch- und Tragestuhl, / Die kein freier Mann je mitgenommen hat, / Dirnen sudeliger Lumpensklaven, für zwei Groschen feil? (PoenulusDer Punier 265 – 270)

 

Dazu ein reizvolles Detail aus dem wirklichen Leben: Im Süden Roms am 80. Meilenstein der Via Latina neben einem alten Heiligtum der Venus eröffnen vier Frauen eine Garküche:

 

Flacceia Lais, Freigelassene des Aulus; Orbia Lais, Freigelassene der Orbia; Cominia Philocaris, Freigelassene des Marcus und Venturia Thais, Freigelassene des Quintus, bauten eine Küche am Schrein der Venus an einem gemieteten Platz. (AE 1980, 2016)

 

Die Frauen, alle freigelassene Sklavinnen, tragen die typischen Namen von Prostituierten. Thais und Lais sind die Namen berühmter griechischer Edelhuren, und sich mit ihnen zu schmücken bot sich den römischen Dirnen geradezu an. Es war durchaus üblich, dass eine Prostituierte sich einen passenden Namen zulegte. Ein Beispiel ist die Dirne aus dem 5. nachchristlichen Jahrhundert, die eine christliche Heilige wurde:

 

Mein Vater und meine Mutter gaben mir bei der Geburt den Namen Pelagia, aber die Bürger von Antiochia nennen mich Margarita (»Perle«), der Fülle von Perlen wegen, mit denen sie meine Sünden lohnten. (Jacobus, Vita 7)

 

Als Pelagia zur Hure wurde, nahm sie also den Namen Margarita (»Perle«) an. Die Verbindung von Prostituierten mit Schankstuben oder Garküchen, zusammen mit der Benutzung des Tempelgeländes für die Kundenwerbung, zwingt fast zu der Annahme, dass das Straßenrestaurant bei einem Venustempel auch Sex anbot. Wie immer diese vier Frauen ihre Freilassung erreicht hatten – vielleicht indem sie sich mit erspartem Geld die Freiheit erkauften –, sie hatten genug Kapital, um eigene Wege einzuschlagen.

Bei ihrer Arbeit mussten die Prostituierten, wie angenommen wird, das »offizielle Gewand«, die Toga, tragen. Das jedenfalls haben Wissenschaftler den Bemerkungen von Autoren der Oberschicht entnommen (Horaz, Satiren 1,2,63. 82 und Sulpicia [Tibull], Elegien 3,16,3 f.). Außerdem führen sie Verweise an, die eher auf die Forderung zu beziehen sind, dass Frauen, die wegen Ehebruchs verurteilt wurden, die Toga zu tragen hätten, ein Ansinnen, dass offenkundig sehr bald fallengelassen wurde. Zwar steht fest, dass es Prostituierten nicht erlaubt war, das Kleidungsstück zu tragen, an dem man die respektable Weiblichkeit erkannte – die Stola; doch belegen andere Zeugnisse ebenfalls zweifelsfrei, dass ihre normale Gewandung kaum die Toga war. In den antiken Quellen – weder bei Plautus noch bei Apuleius oder Petron – ist keine Beschreibung einer Dirne in einer solchen Bekleidung zu finden. Es gibt außerdem keine einzige erotische oder sonstige Darstellung, sei es als Skulptur, Relief, Fresko oder Graffito, auf der eine Prostituierte in der Toga zu sehen wäre. Ob dieser angebliche Dresscode jemals breitere Geltung erlangte, oder ob es sich um eine Verwechslung mit der Palla handelt, einem mantelartigen Gewand, das alle Frauen, auch die Prostituierten, trugen, ist schwierig zu sagen. Ausführliche Beschreibungen von Prostituierten in der Literatur entsprechen eher den Erwartungen: aufgeputzt in bunter, durchscheinender Kleidung, mit Rouge und anderem Make-up, oder knapp bis gar nicht bekleidet in einem Bordell zur Schau gestellt. Die moralischen Ratschläge in einem Brief aus Ägypten sind typisch in ihrer Ermahnung an die Frau, das Gegenteil einer Dirne zu sein, »Gewänder aus Purpur- und Goldfäden gewoben« zu scheuen und sich zurückhaltend zu kleiden, um »für den eigenen Ehemann, nicht aber für ihren Nachbarn anmutig auszusehen«, und kein Rouge und Bleiweiß als Schminke zu benutzen (Rowlandson, Nr. 260). Auf erotischen Fresken werden die Frauen entweder nackt dargestellt, manchmal mit einem Brustband, oder in normaler, wenn auch mehr oder weniger vollständiger weiblicher Bekleidung. Leider ist nicht auszumachen, wer muntere Ehefrauen und Konkubinen und wer die eigentlichen Dirnen sind. Ein Wandgemälde in der Taverne des Salvius lässt sich mit einiger Sicherheit als Darstellung einer Prostituierten und ihres voraussichtlichen Kunden deuten. Die Frau trägt eine lange Robe in leuchtendem Gelb-Orange und kunstvolle Pantoffeln. Sie küsst einen Mann, der sagt: »Ich will nicht mit Myrtalis [bumsen]«; dabei ist vermutlich der Witz, dass er Myrtalis zugunsten der Schönheit, mit der er soeben zusammen ist, zurückweist. Auch ein Hinweis auf die Unterschiede in der Bekleidung ist zu erkennen, denn im nächsten Teil des Bildausschnitts erscheint eine Barkellnerin, die dasselbe Kleid trägt wie die Prostituierte, aber in Reinweiß; auch ihre Pantoffeln sind schmucklos. Kurz, die Prostituierten warben für ihre Produkte. Sex zu verkaufen hieß, etwas Verlockendes zu verkaufen. Diese Verlockung fand Ausdruck in der Kleidung, und für römische Beamte war es kaum von Interesse – und ohne jede Aussicht auf Erfolg –, ihnen vorzuschreiben, was sie tragen sollten, geschweige denn zu fordern, es müsse eine Toga sein.

Eine Prostituierte suchte man vor allem darum auf, weil die angebotenen sexuellen Dienste aufregender, abenteuerlicher und vielfältiger waren als das, was man von einer Ehefrau und sogar von einer geheimen Geliebten erwartete. Eine Schilderung dieses Könnens findet man in Leukippe und Kleitophon, dem Roman des Achilles Tatius. Kleitophon bemerkt, dass er zuerst »mit solchen verkehrt habe, die sich zur Liebe feilbieten«, dann folgt eine plastische Schilderung dieser Erfahrung:

 

Auf dem Höhepunkt des Liebesgenusses gerät sie vor Wollust in die höchste Ekstase, sperrt küssend ihren Mund weit auf und gebärdet sich wie toll. Die Zungen vereinigen sich während dieser Augenblicke immer wieder miteinander und geben sich jede erdenkliche Mühe, auch ihrerseits zu küssen, … Wenn sich die Frau dem eigentlichen Gipfel des Liebesgenusses nähert, neigt sie dazu, vor brennender Wollust zu keuchen und zu stöhnen, und ihr Keuchen und Stöhnen, vereinigt mit dem Atemhauch der Liebe, springt bis zu den Lippen des Mundes empor und begegnet dort dem herumirrenden Kuß … (Leukippe und Kleitophon 2,37,3 – 9)

 

In diesem Sinn kann ich weiterhin auf den potenziellen Vertragspartner der Kurtisane in Plautus’ Eselskomödie (787 f.) verweisen: »Im Schlafgemach – … da wünsch ich sehr, dass sie sich rührt.«

Erotische Kunst aus Pompeji führt das Angebot einer Prostituierten anschaulich vor Augen. Zu sehen sind vornehmlich Formen des Geschlechtsverkehrs, die in der herrschenden Kultur als schändlich galten. Sowohl bei der Fellatio wie beim Cunnilingus – es gibt auch bemalte Lampen, auf denen beides in der 69er Stellung verbunden ist – ist der Mund einbezogen, und darum galten beide Sexualakte als hochgradig schmutzig und erniedrigend, wie den zahlreichen abwertenden Bemerkungen zu entnehmen ist, von denen die Literatur der Elite und die Graffititexte voll sind. Ein anderer Geschlechtsakt, der zur Schau gestellt wird, ist der Koitus a tergo. Aber gerade weil diese verführerischen Positionen »netten Mädchen« untersagt waren, wurden sie willigen Käufern wahrscheinlich gegen Geld angeboten. Ein einschränkender Hinweis ist allerdings angebracht. Szenen auf Fresken und Lampen, in denen »widernatürlicher Geschlechtsverkehr«, wie Artemidor es ausdrückt, das heißt Oralsex dargestellt ist, sind insgesamt selten. Viele dieser Szenen waren zumindest der Absicht nach vielleicht ebenso sehr zur Darstellung des weiblichen Körpers bestimmt wie zum Überblick über die möglichen Liebesakte mit Prostituierten.

Nach den Malereien zu urteilen waren Sexualakte, die auch für Frauen im Allgemeinen als zumutbar galten, so der Verkehr in der Reiterstellung, auch dann noch beliebt, wenn sie von Professionellen ausgeführt wurden. Was immer der römische Betrachter, Mann oder Frau, in diesen Illustrationen auch sonst noch sehen mochte, der Grundton der Erotik ist unverkennbar. Dass für den Ankleideraum einer Therme, in deren Obergeschoss offenbar auch Zimmer für sexuelle Vergnügungen zur Verfügung standen, unter allen möglichen Themen gerade erotische Szenen gewählt wurden, ist kein Zufall. Vielleicht konnte ein Betrachter angesichts der Akrobatenakte einiger der dargestellten Figuren ein Lachen nicht unterdrücken, doch blieben seine Gedanken letztlich wohl an den erotischen Möglichkeiten im oberen Stock haften, was zweifellos auch die Absicht war.

Wie gesagt, standen Freudenmädchen jedem zur Verfügung, der fähig und willens war zu bezahlen. Das Schamgefühl bei Inanspruchnahme ihrer Dienste hielt sich in Grenzen. In den Worten Artemidors: »Der Verkehr mit Hetären in Bordellen bedeutet … einen kleinen Skandal und geringfügige Ausgaben …« (Traumbuch 1,78). Eine der Figuren bei Plautus erklärt, eine Dirne aufzusuchen ziehe anders als der sozial und rechtlich riskante Ehebruch kein Stigma, geschweige denn negative rechtliche Auswirkungen nach sich:

 

Niemand hindert’s und verwehrt’s, / Dass du, was offen käuflich, wenn du Geld hast, kaufst. / Kein Mensch verwehrt’s, auf öffentlichem Weg zu gehn, / Wenn du nur durch umzäunten Grund den Weg nicht nimmst; / Wenn du dich nur von Ehefrau, Witwe, Jungfrau fern / Und frei von jungen Knaben hältst, lieb, was du willst. (CurculioCurculio der Nimmersatt 32 – 37)

 

Die Preise für einen bestimmten Sexualakt oder für besondere Wünsche waren sehr unterschiedlich. Der übliche Preis lag bei einem Vierteldenar oder etwas unter dem minimalen Tageslohn eines Arbeiters. Belege dafür sind Graffiti in Pompeji: »Optata, Haussklavin, ist die deine für 2 Asse« (CIL IV 5105) oder: »Ich bin dein für ein Kupferstück« (CIL IV 5372 / Hunink, Nr. 908). Weniger wurde selten verlangt, und in Anspielung auf die kleinste Münze, den quadrans (ein Viertelas), entstand als gängiges Schimpfwort quadrantaria, die »Fünf-Cent-Hure«. Einige Prostituierte allerdings meinten, ihre Dienste seien weit mehr wert – wie die bereits erwähnte Attica, die »für 16 Asse« zu haben war, oder Drauca, die in einer Kritzelei an der Wand eines pompejanischen Freudenhauses verewigt ist: »Arphocras hat hier mit Drauca gut gefickt für einen Denar« (CIL IV 2193/Hunink, Nr. 620). Die Preise sind in »As«, dem Zehntel eines Denars, angegeben. Bei der Preisangabe in Assen bleibt es interessanterweise auch dann, wenn bei einem Vielfachen des As größere Münzen in Gebrauch waren wie der Sesterz (= 2½ Asse) oder der Denar (= 10 Asse). Das liegt daran, dass die Asse das gebräuchliche Kleingeld waren – für zwei Asse bekam man sein tägliches Brot oder einen Becher guten Wein oder ein ordentliches Stück Käse. Normale Römer trugen ihr Geld in Form dieser Münze bei sich oder als Sesterze oder als Teilmünzen (der Hälfte oder dem Viertel eines As) und gaben es so aus. Also berechneten natürlich auch die Dirnen ihre Dienste in dieser Münze. Wer prassen wollte, konnte sich anscheinend für 8 Asse, das heißt für einen Betrag, der fast einem guten Tageslohn entsprach, eine Mahlzeit, ein Zimmer und Sex in einer Kneipe leisten. Selbstverständlich wurde Barzahlung im Voraus verlangt.

Mit etwa zwei bis drei Assen täglich konnte man sich in der Kaiserzeit im Allgemeinen mit Ach und Krach durchschlagen. Der Tageslohn eines Arbeiters lag zwischen fünf und zehn Assen; doch mit regelmäßiger täglicher Arbeit konnte kaum jemand rechnen, ausgenommen ein Soldat, der täglich vielleicht zwei bis drei Asse als Taschengeld erhielt, als Ausgleich für Teile des Soldes, die nach Vorschrift für Nahrung, Unterkunft, Ausrüstung und Ersparnisse einbehalten wurden. Eine Prostituierte, die regelmäßig Arbeit hatte, konnte also, auch wenn sie nur den Mindestpreis von zwei Assen pro Beischlaf erzielte, pro Tag 20 Asse oder mehr verdienen, weit mehr als eine Frau mit jeder anderen Lohnarbeit und das Doppelte dessen, was ein gut bezahlter Arbeiter erwarten durfte.

Allerdings ist zu betonen, dass die meisten Dirnen über einen Zuhälter arbeiteten, der einen großen Teil ihres Einkommens in die eigenen Tasche steckte. Eine als Prostituierte tätige Sklavin lieferte ihren Gewinn mehr oder minder, wenn nicht vollständig ihrem Herrn ab. Der Ärger, den der Apostel Paulus bei den Besitzern eines Sklavenmädchens erregte, macht diese Verhältnisse anschaulich:

 

Es geschah aber, da wir zu dem Gebet gingen, daß eine Magd uns begegnete, die hatte einen Wahrsagegeist und trug ihren Herren viel Gewinst zu mit Wahrsagen. Die folgte allenthalben Paulus und uns nach, schrie und sprach: Diese Menschen sind Knechte Gottes des Allerhöchsten, die euch den Weg der Seligkeit verkündigen. Solches tat sie manchen Tag. Paulus aber tat das wehe, und er wandte sich um und sprach zu dem Geiste: Ich gebiete dir in dem Namen Jesu Christi, daß du von ihr ausfahrest. Und er fuhr aus zu derselben Stunde. Da aber ihre Herren sahen, daß die Hoffnung ihres Gewinstes war ausgefahren, nahmen sie Paulus und Silas, zogen sie auf den Markt vor die Obersten … (Apostelgeschichte 16,16 – 19)

 

Auch eine Sklavin, die sich prostituierte, diente ihrem Herrn als Profitquelle und wurde von ihm zum Anschaffen ins Bordell oder auf die Straße geschickt. Ein Dokument aus Ägypten hält fest: »Drymilos kaufte für 300 Drachmen ein Sklavenmädchen. Und jeden Tag gingen sie hinaus auf die Straßen und machten einen prächtigen Gewinn« (Rowlandson, Nr. 207). In der Form eines Epigramms ist die Grabinschrift eines Zuhälters gestaltet, der auf Teilnehmer an abendlichen Banketten spezialisiert war:

 

Hier ruht Psyllos, der hübsche Hetären vermietete, immer / wenn sich zu fröhlichem Trunk Jungen zusammengetan; / der auf die Männer ausging, die etwas Zärtliches suchten, / und von den Leuten mit Fleiß schmählichen Lohn sich gewann. / Dennoch bewirf nicht den Hügel mit Steinen, Wanderer, stifte / auch nicht andere an. Liegt doch ein Toter im Grab! / Schone ihn, freilich nicht, weil er Einkünfte schätzte: Durch seine / Mädchenschar hielt er gewiß manchen vom Ehebruch ab! (Griechische Anthologie 7,403)

 

Nicht nur die Prostituierten, sondern jede Frau, die sich in der Öffentlichkeit bewegte, musste damit rechnen, dass vorübergehende Männer ungeniert unzüchtige Bemerkungen machen und sich ihnen ungestraft nähern durften. Eine verheiratete Frau aus wohlhabender Familie trug dezente Kleidung und deutete damit ihre Stellung an. Ein Mädchen aus solchen Kreisen kleidete sich, um seinen Rang sichtbar zu machen, und war von einer Sklavin oder älteren Frau begleitet, die den Auftrag hatte, spähende Blicke und unpassende Bemerkungen fernzuhalten. Mädchen und junge Frauen der Mittel- und Unterschicht aber mussten Geschäfte, die sie auf die Gassen führten, ohne solche Beaufsichtigung erledigen – sie zeigten sich nicht in der Öffentlichkeit, um Eindruck zu machen oder an die frische Luft zu gehen, sondern um bestimmte Pflichten zu erledigen, und ihre Mittel ließen den Luxus vornehmer Kleidung und privater Hüterinnen nicht zu. Die bloße Tatsache, dass Prostituierte schutzlos waren, kennzeichnete sie in den Augen der Männer als rechtmäßige Beute, sei es zwecks direkter Annäherung oder auch nur als Zielscheibe für Bemerkungen. Kurz gesagt, jedes Mädchen und jede Frau, die sich wie die Sklavinnen einfach kleidete, war Freiwild. Dies umso mehr, wenn sie mit ihrer Kleidung die Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollte. Ulpian lässt in den Digesten keinen Zweifel:

 

Wer mit Kleidern von Sclavinnen angethane Personen Jungfrauen genannt hat, der vergeht sich nicht, um so weniger wenn Weiber mit Hurenkleidern angethan sind, und nicht mit denen der Matronen. (Digesten 47,10,15,15)

 

Beleidigungen vonseiten eines Mannes oder unwillkommene Avancen wurden also von der Obrigkeit geduldet. Prostituierte hatten sich selbst zu schützen. Das konnte schwierig sein, wenn Rüpel sich zum Angriff entschlossen. Gaius Plancius, ein Freund Ciceros, war als junger Mann in die Gruppenvergewaltigung einer Mimenschauspielerin verwickelt:

 

… eine Schauspielerin sei entführt worden, was, wie man sagt, die Jugend von Atina nach althergebrachtem, zumal in den Landstädten verbreitetem Brauch getan hat. (Für Plancius 30)

 

Nicht besser dürfte es den Prostituierten ergangen sein, wenn Rowdys oder zügellose Jugendliche und Männer über sie herfielen.

Wie erwähnt, gaben im Alltag der meisten Prostituierten, wenn sie einmal im Gewerbe gelandet waren, die Zuhälter den Ton an. Den zahllosen Gelegenheiten zu Ausbeutung und physischem Missbrauch waren sie mehr oder weniger hilflos ausgeliefert. Eine Dirne war – auch als Freigeborene – in vieler Hinsicht nicht besser gestellt als eine Sklavin. Das bedeutete mit Sicherheit oft ein elendes, bedrückendes Leben, aus dem es faktisch kein Entrinnen gab. Zum physischen Missbrauch kam der soziale. Es mag übertrieben sein, von der Schande als dem »Scharlachroten Buchstaben«2 zu sprechen, den die Prostituierten trugen, doch war der käufliche Sex zweifellos mit einer gewissen Stigmatisierung verbunden. Ein Graffito in Pompeji lautet:

 

Sie, an die ich schrieb und die es einmal las, ist mit Recht mein Mädchen, sie, die ihren Preis nannte, gehört nicht mir, sondern dem Volk. (CIL IV 1860/Hunink, Nr. 732)

 

Da Prostituierte probrosae waren, konnten sie nach den Heiratsgesetzen des Augustus keinen freigeborenen römischen Bürger heiraten. Auch galt für sie die infamia, das heißt, sie waren teilweise rechtsunfähig – konnten kein Testament aufsetzen und keine volle Erbschaft antreten. Doch war die Prostitution kein irreversibler Zustand. Die Frauen konnten die Tätigkeit aufgeben, heiraten und fortan in Glück und Frieden leben bis an ihr Ende. Andererseits war die moralische Ächtung nicht stark genug, um viele Frauen vom Verbleib in ihrem Beruf abzuhalten, was angesichts der unattraktiven Alternativen wenig verwunderlich ist.

Praktische Erwägungen hatten für die Prostituierten mit Sicherheit mehr Gewicht als die mutmaßliche »Schande«. Schwangerschaften zum Beispiel kamen sehr ungelegen, wie Myrtion in Lukians Hetärengesprächen ihren Liebhaber unverblümt wissen lässt: »Das ist also alles, was ich von deiner Liebe habe, daß ich einen großen Bauch vor mir hertragen muß und nächstens ein Kind zu stillen habe, was für ein Mädchen meines Standes so äußerst lästig ist!« (Bd. 3, S. 138). Eine beliebte Verhütungsmethode waren Zaubersprüche wie diese Anweisung für einen magischen Bann: »Nimm eine durchbohrte Bohne und bind sie in Maultierleder und häng es um« (PGM LXIII 26 – 28). Man versuchte es auch mit »Knaus-Ogino« – doch wenn die Ärzte meinten, die weibliche Ovulation zu verstehen, hatten sie sich verrechnet. Die Zeitabschnitte, die sie als sicher für den Geschlechtsverkehr empfahlen, waren tatsächlich die fruchtbarsten Perioden der Frau. Praxisnäher waren Pessare und Salben; die den Uterus »verschließen« und so die Empfängnis verhindern sollten. Eine häufig gebrauchte Zutat war Öl, das mit Ingredienzien wie Honig, Blei oder Weihrauch zu wahrscheinlich unwirksamen Mixturen vermischt wurde. Auch mancher Trank wurde empfohlen, etwa eine Kombination aus Weidenholz, Eisenrost und Eisenschlacke, fein gemahlen und mit Wasser verrührt, oder ein Getränk aus den mit Wasser vermischten Wurzeln des männlichen und weiblichen Farnkrauts. Außerdem gibt es archäologische wie auch Textbelege dafür, dass Frauen zur Verhütung Schwämme und andere hemmende Stoffe verwendeten, die mit gewöhnlichem Essig als Spermizid – und das ist er – getränkt waren und extensiv benutzt wurden. Dass eine der vielen Praktiken, die von der Volks- und Schulmedizin als Renner angeboten wurden, zum erwünschten Ergebnis führte, dürfte natürlich oft Zufall gewesen sein, verleitete die Prostituierten aber, zu solchen Methoden zu greifen. Tatsächlich aber war Empfängnisverhütung wohl nicht viel mehr als reine Glückssache.

Wenn es zu einer Schwangerschaft gekommen war, war die Abtreibung eine weitere Möglichkeit der Geburtenkontrolle. Als medizinischer Eingriff kam sie selten vor, und medizinische Autoren rieten davon als äußerst gefährlich ab. Es gab jedoch verschiedene Getränke, denen man abtreibende Wirkung garantierte. Sie wurden oral oder als Vaginalzäpfchen verabreicht; in beiden Fällen führten irrige physiologische Vorstellungen zu Verfahren von zweifelhaftem Wert, auch wenn einige Mischungen des Gebräus vielleicht tatsächlich wirkten. Wurde das Kind ausgetragen, konnte es nach der Geburt getötet oder ausgesetzt werden.

In heutiger Zeit besteht für die Gesundheit von Prostituierten und Kunden die sehr akute Gefahr sexuell übertragbarer Krankheiten. In dieser Hinsicht hatte die Prostituierte der römisch-griechischen Welt weniger zu befürchten. Das höchst gefährliche HIV-Virus existierte im Altertum natürlich noch nicht, und Syphilis war unbekannt. Allerdings wird darüber unter Medizinhistorikern seit langem lebhaft diskutiert. Einige betrachten die Syphilis als Krankheit der Neuen Welt, die als Teil des »kolumbianischen Austausches« nach Amerika gelangte, andere berufen sich auf Belege aus der Antike, dritte wiederum vertreten die These des doppelten Ursprungs; doch hat die Analyse alter Skelette schlüssig bewiesen, dass Syphilis im westlichen Altertum nicht existierte. Symptome, die einige Wissenschaftler auf diese Krankheit zurückführten, lassen sich durch andere Krankheiten erklären, die ähnliche Symptome zeigen. Eine Dirne brauchte sich also zumindest über diese Geißel des Bordelllebens keine Gedanken zu machen. Der Tripper, die zweitgefährlichste sexuell übertragbare Krankheit, könnte in der römischen Welt existiert haben, weil er aber keine Spuren in den Knochen hinterlässt, hilft die Osteologie hier nicht weiter, und die Hinweise von medizinischen Autoren sind nicht überzeugend. In den Werken dieser Autoren finden sich jedoch schlüssige Hinweise auf zwei weniger bedrohliche, doch schmerzhafte Geschlechtskrankheiten mit schädlichen Folgen: die genitale Herpes (Chlamydien-Infektion) und die genitalen Warzen (Kondylome). Seltsamerweise bringt jedoch keiner der Autoren diese oder andere Infektionen in direkten Zusammenhang mit dem Geschlechtsverkehr. So ärgerlich diese beiden Leiden sein mochten, die Prostituierten brauchten bei der Ausübung ihres Gewerbes immerhin nicht mit der Bedrohung durch lebensgefährdende sexuell übertragbare Krankheiten zu rechnen. Zumindest in diesem Punkt war das Leben in jenen alten Zeiten sicherer als heute.

Fazit

Die Prostitution war in der Mittel- und Unterschicht der römisch-griechischen Welt weit verbreitet. Sie bot Kindern, Frauen sowie einigen Männern eine Lebensmöglichkeit und Männern eine entkrampfte Form sexueller Befriedigung. In diesem ältesten Gewerbe arbeiteten Frauen sowohl aus freier Entscheidung als auch aus Notwendigkeit oder unter Zwang, Freie ebenso wie Sklavinnen. Ging man durch die Straßen einer Stadt, sah man die Dirnen rund um das Forum stehen, aus einem Eingang heraus den Passanten einladend zuwinken oder um Kunden werben, die aus dem Theater kamen. Sie waren im Leben des normalen Römers ein häufiger, vertrauter Anblick. Aber das Leben einer Prostituierten war oft gefährlich und Ausbeutung üblich. Generell war ihr Ruf nicht der beste, wenn auch nicht zu vergleichen mit der Diffamierung in den Schriften der Elite. Unter günstigen Umständen konnten Prostituierte ein annehmbares Leben führen, das den Durchschnitt dessen, was den gewöhnlichen Römern möglich war, vielleicht sogar um ein Geringes überstieg. In widrigen Verhältnissen allerdings führte brutale Ausbeutung zu Misshandlungen und zu einem frühen Tod.