Abb. 10. Sklavenauktion: In der Mitte wird der Sklave zur Schau gestellt, daneben Auktionator und Bieter. Grabstein aus Capua.

Abb. 11. Versteigerung eines Sklaven: Rechts der Auktionator, während der beleibte Bieter den nackten Sklaven rundum dreht, um ihn von allen Seiten zu begutachten. Zeichnung eines verlorenen Reliefs aus Arlon, Belgien.

Die römische Lex Cornelia untersagte den Verkauf von Bürgern in die Sklaverei, doch die Sklavenhändler waren berüchtigt dafür, dass sie keine Fragen stellten. Und ungeachtet der Möglichkeit eines rechtlichen »Gesuchs um Wiederherstellung der Freiheit« vor einem Magistrat dürfte es höchst selten gewesen sein, dass eine entführte und verkaufte Person in der Lage war, auf dem Rechtsweg ihre Freiheit geltend zu machen. Außerdem konnte ein Vater, dem die uneingeschränkte gesetzliche Aufsicht über den Nachwuchs oblag, ein Kind in die Sklaverei verkaufen, was oft dazu diente, Schulden zu bezahlen oder dem Hungertod vorzubeugen. Obwohl das römische Recht um diesen Punkt viel Aufhebens machte, ist es klar, dass sowohl bei römischen Bürgern als auch bei Provinzbewohnern während der gesamten hier behandelten Zeit Kinder verkauft wurden. Das Augustinus-Zitat ist nur eine der zahlreichen Bestätigungen. Außerdem gab es die legale Selbst-Versklavung. Während Schuldsklaverei – der Verkauf einer freien Person, um deren Schulden zu begleichen – gegen das Gesetz verstieß und ein römischer Bürger sich nicht selbst in die Sklaverei verkaufen konnte, war es möglich, sich vertraglich dazu zu verpflichten, Sklave zu werden, das heißt seine Rechte als freier Mann gegen Geld aufzugeben. »Weil doch unzählige Freie sich selbst verkaufen, so daß sie durch einen Vertrag Sklaven sind, gelegentlich sogar unter keineswegs annehmbaren, sondern außerordentlich harten Bedingungen« (Dion Chrysostomos, Sämtliche Reden [Knechtschaft und Freiheit 2] 15,23). Ob gesetzlich oder nicht – offensichtlich wurde ein Freier manchmal aus eigenem Antrieb zum Sklaven. Schließlich konnten gewöhnliche Menschen, die wegen besonders abscheulicher Verbrechen verurteilt waren, mit Versklavung bestraft werden. Die relativen Zahlen der Sklaven aus diesen verschiedenen Quellen sind nicht zu ermitteln, doch jeder Hintergrund einer Versklavung hatte mit Sicherheit seine besondere Wirkung auf die psychische Verfassung der Betroffenen. Ein Kind, das als Sklave aufgewachsen war, mochte sehr wohl eine andere Lebensauffassung haben als ein Erwachsener, den man im späteren Leben gefangen genommen und versklavt hatte, nachdem er jahrelang als freier Mensch gelebt hatte. Ein Entführter muss die Ungerechtigkeit des ganzen Geschehens umso stärker empfunden haben, während der Selbstversklavte vermutlich wusste, was er tat.

Versklavtes Dasein: Unterwerfung

Trotz der Bandbreite von Reaktionen auf die Versklavung, die aufgrund des unterschiedlichen Ursprungs der einzelnen Sklavenschicksale vorstellbar sind, war die Essenz der Knechtschaft die totale Unterwerfung des Sklaven unter den Herrn. Sklaven waren jederzeit verfügbar und hatten nach dem Willen des Herrn ihre Arbeit zu verrichten. Augustinus dürfte es treffen, wenn er sagt: »Jedes Dienen ist voll Bitterkeit. Alle, die ihr Los zum Dienen bestimmt hat, dienen unter Murren« (Kommentar zu Psalm 99,7). Lucius in seiner Eselsform beschreibt das harte Leben von Sklaven in einer Bäckerei:

 

Guter Gott, was gab es da für Kreaturen! Die ganze Haut mit blauen Striemen gezeichnet, den verprügelten Rücken mit ein paar verschlissenen Fetzen mehr betupft als bedeckt, einige nur mit einem winzigen Lendenschurz, – alle jedenfalls so angezogen, daß die Knochen durch die Lumpen zu sehen waren! Die Stirn gezeichnet, der Kopf halbrasiert, die Füße beringt; weiter, von Geisterblässe entstellt, die Lider vom Qualm und Dunst in der Stockfinsternis entzündet bis zur Trübung des Augenlichts; und wie Boxer, die sich zum Kampf mit einer Sandkruste pudern, alle vom Mehlstaub schmutzig weiß! (Apuleius, Der goldene Esel 9,12)

 

Dabei war der Besitzer dieser Sklaven laut Apuleius ein »anständiger und sehr maßvoller Mensch«! Sklaverei war gleichbedeutend mit harter Behandlung. In einem Brief aus Ägypten tadelt ein Mann seinen Bruder, er behandle ihre Mutter »hart, als wäre sie eine Sklavin«. In einem anderen Brief beklagt sich eine Frau bei den Behörden, ihr Mann gehe mit ihr und beider Kinder um, »als wäre sie seine gekaufte Sklavin«, misshandelt habe er sie und eingesperrt.

Natürlich bestand immer auch die Möglichkeit, dass ein Sklave einen rücksichtsvollen Herrn fand. Ein Beispiel könnte Servandus sein:

 

Valerius Servandus, Freigelassener von Lucius, Gaius und Sextus Valerius, 20 Jahre alt, liegt in diesem Grab. Seine Patrone errichteten das Grabmal in Anerkennung seiner vielen Verdienste. »Knechtschaft, du warst mir nie verhasst. Ungerechter Tod, du nahmst diesem Unglücklichen die Freiheit.« (CIL XIII 7119, Mainz)

 

Anzunehmen, dass Sklaven mit ihrem Los zufrieden waren, war Teil der Ideologie des Herrn, und man muss sich fragen, ob es Servandus selbst war, der sein Sklavendasein für glücklich hielt, oder nur seine Herren. Diese Besitzer als »freundlich« und »gut« zu bezeichnen wäre vielleicht allzu großzügig gedacht. Ihre Motive waren rein praktischer Art, aber einige Umstände machten das Leben ihrer Sklaven wohl tatsächlich erträglicher, als es andernfalls vielleicht gewesen wäre. Columella, Verfasser von Agrarschriften, gibt praktische Ratschläge zum guten Umgang mit Sklaven. Er erkannte zumindest einige Gefahren des Sklavenbesitzes und versuchte sie zu vermeiden, vor allem durch Festsetzung sinnvoller Ziele für die Arbeit und ausreichender Qualitätsstandards für Kleidung und Nahrung sowie durch die Kontrolle grausamer Aufseher und die Einrichtung von Zusammenkünften, bei denen die Sklaven ihm ihre Probleme vortragen konnten (De re rusticaÜber Landwirtschaft 1,8,17 – 19; 11,1,13 – 28). Man kann sich fragen, ob viele Güter oder Haushalte nach diesen Prinzipien aufgeklärten Selbstinteresses verwaltet wurden, jedenfalls aber ist es möglich, dass der eine oder andere Sklave sich in einer Situation befand, die zwar immer noch unsäglich ausbeuterisch, aber im Vergleich mit den schlimmsten der vielen möglichen Misshandlungen doch erträglicher war.

Misshandlungen gab es noch und noch. Die häufigste und gewalttätigste Form der Erniedrigung war körperliche Misshandlung. Im Rechtsmaterial der Digesten finden sich wiederholt Anspielungen auf Gewalttätigkeit jeder Art gegen Sklaven, aber nur vereinzelte Anmerkungen, dass ein Nachspiel für den Besitzer die Folge sein könnte. Unter normalen Umständen konnten Sklaven geschlagen werden, um erwünschtes Verhalten zu fördern und schlechtes zu strafen, oder beides zugleich – oder auch einfach aus Ärger, Frustration oder Sadismus. Die Macht des Herrn, völlig unverhältnismäßige Gewalt auszuüben, unterlag in der Praxis keiner Kontrolle: »Ist es nicht durchaus gerecht, wenn ein Sklave zur Strafe jahrelang in Fesseln gelegt wird, der mit raschem Wort oder Schlag seinen Herrn beleidigt oder verletzt hat?« (Augustinus, De civitate deiVom Gottesstaat 21,11). Seit je griff man zum Auspeitschen (die vielleicht beliebteste der Gewohnheitsstrafen) und zum Arrest in Ketten (ergastulum). Beides nennt zum Beispiel der Herr des Äsop (Das Leben Äsops S. 123). Aber es gab eine unbegrenzte Zahl besonderer Formen der Misshandlung, oft begleitet von bleibenden Zeichen der Erniedrigung wie dem Brandmarken: »Eumolpus bedeckte unsere Stirnen mit riesigen Buchstaben und schrieb uns mit roher Hand das Schandmal der flüchtigen Sklaven übers Gesicht« (Petron, Satyrica 103). Diese Art der Peinigung wird in der Literatur über Sklaven durchgehend thematisiert, wie den Stücken des Plautus und den Romanen des Apuleius und Petron leicht zu entnehmen ist. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass solches Verhalten bei christlichen Sklavenhaltern seltener vorkam als bei heidnischen. Körperlicher Misshandlung ausgesetzt zu sein war vielmehr das vorherrschende Kennzeichen der Sklaverei. Zeugnisse aus dem frühmodernen Brasilien und Nordamerika zeigen ein ähnliches Bild:

 

Tag und Nacht zur ständigen Verfügung seines Herrn, kannte der Haussklave keine regelmäßigen Arbeitsstunden. Hinzu kam das Unbehagen, beständig den wachsamen Blicken der Weißen ausgesetzt und jeder ihrer bizarren, rachsüchtigen oder sadistischen Launen ausgeliefert zu sein. Haussklaven wurden häufig wegen belangloser Fehler, Unwissenheit, ausstehender Arbeit oder »unverschämten« Benehmens geohrfeigt oder geprügelt, oder auch einfach weil sie in der Nähe und für Schläge leicht erreichbar waren, wenn der Herr verstimmt war. (W. Blassingame, The Slave Community)

 

Apuleius erzählt von einem Koch, der befürchtete, mit dem Tod betraft zu werden, weil man ihm eine Rehkeule gestohlen hatte (Der goldene Esel 8,31). Martial erwähnt einen weiteren Koch, der ausgepeitscht wurde, weil ein Hase nicht einwandfrei zubereitet war (Epigramme 3,94). Abgesehen von Peitsche und Brandmal waren die äußeren Lebensbedingungen der meisten Sklaven miserabel, obwohl auch hier Unterschiede bestanden, besonders zwischen ländlichen und städtischen Haushalten. In Sachen Kleidung und Nahrung waren sie abhängig von ihren Herren, und trotz wiederholter Ratschläge in agrarischen und philosophischen Schriften fehlte es wahrscheinlich sehr häufig an einer angemessenen Versorgung.

Für eigene Sklavenquartiere gibt es kaum Belege, nur in wenigen italischen Landgütern wurden kleine Zellen als wahrscheinliche Sklavenwohnungen identifiziert. Es ist anzunehmen, dass Sklaven, wie in der Sklavengesellschaft Brasiliens, oft in den Korridoren und unter den Treppen großer Häuser lebten, ihre Bettstellen für die Nacht herausnahmen und morgens forträumten. Ein Beispiel ist Lucius, der, noch nicht verwandelt, in seinem Schlafraum auf die Geliebte Photis wartet. Er bemerkt: »Meinen Burschen war nämlich außerhalb der Schwelle, vermutlich um sie als Zuhörer beim nächtlichen Geschäker fernzuhalten, möglichst weit weg am Boden ihr Lager gerichtet« (Der goldene Esel 2,15). Nicht nur die Schläge, auch die allgemeinen Lebensbedingungen konnten also quälend sein. Eines der begehrtesten Privilegien war die Verfügung über eigenen Wohnraum, wie bescheiden auch immer. Sogar ein behelfsmäßiger Schuppen im Freien dürfte willkommen gewesen sein.

Nicht weniger schlimm als die körperliche Misshandlung war die geistig-seelische: »›Äsop, mach das Tischlager fertig; Äsop, heize das Bad; … Äsop, füttere das Vieh.‹ Alles, was mühsam, anstrengend, schmerzhaft oder erniedrigend ist, alles das muß Äsop erledigen« (Das Leben Äsops 13). Athenaios gibt einen kleinen Einblick in die erniedrigende Welt des Sklaven:

 

Epikrates läßt im »Schwerverkäuflichen« einen der Sklaven auftreten, der seinem Ärger Luft macht: / »Denn was ist schrecklicher als daß man mit ›he, Sklave, du‹ zum Wein gerufen wird, / und das im Dienst für einen jungen Spund, dem noch kein Bart gewachsen ist, / wie auch den Spucknapf bringen und das Milchgebäck da liegen seh, / halb aufgezehrt und Stücke von Geflügel auch, / von denen etwas wegzunehmen einem Sklaven, auch wenn’s Reste sind, / verwehrt bleibt, wie die Frauen sagen. Was jedoch die Wut anheizt:: / Sie nennen unsereinen, der davon was ißt, gleich einen Fettwanst oder einen Unersättlichen.« (Deipnosophistai – Das Gelehrtenmahl 6,262[d])

 

In Petrons Roman verweist Hermeros auf die herabwürdigende Behandlung, die das Leben des Haussklaven begleitete: »… meine Kumpanin habe ich freigekauft, damit sich niemand an ihren Haaren die Hände trocknet« (Satyrica 57,5 f.).

Lässt man allgemeinere kulturelle und persönliche Gründe für eine solche Behandlung von Sklaven beiseite, war das praktische Ziel der körperlichen und psychischen Misshandlung die Einübung der Unterwürfigkeit. Im Idealfall sollte der Sklave bedingungslos gehorchen und alle seine Fähigkeiten einsetzen, um auszuführen, was der Herr befahl. Man fragt sich zwar, ob Schläge und psychische Quälerei das geeignete Mittel waren, willige, umsichtige Sklaven zu schaffen, doch dieser Widerspruch fand bei den Herren in der Regel keine Beachtung. Die Sklaven hatten die Bürde willigen Gehorsams zu schultern, wie Paulus es den Christen in Kolossos ans Herz legte:

 

Ihr Knechte, seid gehorsam in allen Dingen euren leiblichen Herren, nicht mit Dienst vor Augen, als den Menschen zu gefallen, sondern mit Einfalt des Herzens und mit Gottesfurcht. Alles, was ihr tut, das tut von Herzen als dem Herrn und nicht den Menschen, und wisset, dass ihr von dem Herrn empfangen werdet die Vergeltung des Erbes … Ihr Herrn, was recht und billig ist, das beweiset den Knechten, und wisset, dass ihr auch einen Herrn im Himmel habt. (Kolosser 3,22 – 4,1)

 

Der unbekannte Autor des ersten Petrusbriefs lässt eine ausdrückliche Ermahnung der Herren sogar ganz fallen und legt die Bürde allein den Sklaven auf:

 

Ihr Knechte, seid untertan mit aller Furcht den Herren, nicht allein den gütigen und gelinden, sondern auch den wunderlichen. Denn das ist Gnade, dass jemand um des Gewissens willen zu Gott das Übel verträgt und leidet das Unrecht. Denn was ist das für ein Ruhm, so ihr um Missetat willen Streiche leidet? Aber wenn ihr um Wohltat willen leidet und erduldet, das ist Gnade bei Gott. (1. Petrus 2,18)

 

Andere, wie Apollonios, sprachen sich vorbehaltlos dafür aus, die Verantwortung allein den Sklaven zu geben, ohne Rücksicht darauf, ob der Herr ein Scheusal war:

 

»… Wenn Herren ihre Sklaven vernachlässigen, kann man sie nicht zur Verantwortung ziehen. Sie verachten die Diener vielleicht, weil sie unnütze Menschen sind. Wenn aber die Knechte ihren Herren nicht bedingungslos zugetan sind, dann verdienen sie von denen die Todesstrafe, weil sie von den Göttern gehaßte und verfluchte Sklaven sind.« (Philostrat, Das Leben des Apollonios von Tyana 4,40)

 

Vielleicht das Schlimmste war die Verbindung von körperlicher und seelischer Gewalt – der sexuelle Missbrauch, der weder als Sadismus noch als Unterwürfigkeitstraining zu verstehen ist. Es konnte sich dabei natürlich um Vergewaltigung handeln, aber da sowohl Sklaven als auch Freie beiläufig und völlig selbstverständlich davon ausgingen, dass Sklaven als Sexualobjekte zur Verfügung standen, war offene Gewalt häufig gar nicht im Spiel. Kurz nach der hier behandelten Zeitspanne schrieb Salvian im 5. Jahrhundert n. Chr.: »die Sklavinnen werden gegen ihren Willen gezwungen, den unzüchtigen Herren zu gehorchen, und die Wollust der Herren ist für die Untergebenen Befehl« (Über die göttliche Regierung 7,4). Und nicht nur die Frauen litten. Petron erzählt die Geschichte eines Sklaven von Glykon, den die Ehefrau seines Herrn in ihr Bett befahl. »Was kann ein Sklave dafür, wenn man ihn zwingt, ein Ding zu drehen?« (Satyrica 45). Männliche Sklaven wurden auch von ihren Herren sexuell missbraucht. Figuren wie Trimalchio brüsten sich zwar damit, dass sie vom Knabenliebling des Herrn und Päderasten zu seinem Liebling im Hauhalt aufgerückt seien (»Vierzehn Jahre lang war ich Gegenstand der sexuellen Avancen meines Herrn – es ist nicht verächtlich zu tun, was dein Herr befiehlt«) und es überdies zu Freiheit und Wohlstand gebracht hatten, doch muss das Erlebnis der Vergewaltigung die Knaben und Mädchen sehr belastet haben. Der ältere Seneca sagt es so: Schamloses Sexualverhalten ist bei einem Freien verbrecherisch, für einen Sklaven notwendig und für einen Freigelassenen Pflicht (Declamationes 4, pr. 10). Im Neuen Testament findet sich keine Verurteilung dieses sexuellen Missbrauchs. Die rabbinische Literatur schreibt vor, wann Geschlechtsverkehr mit der eigenen Sklavin erlaubt ist. Sogar der aufgeklärte römische Philosoph Musonius Rufus schrieb: »Jeder Herr ist voll berechtigt, seinen Sklaven nach Wunsch zu benutzen« (Diatribe 12,88). Die Erwartung, dass Sklaven zu jeder Zeit, an jedem Ort sexuell zur Verfügung standen, war allseits verbreitet, und so hatten sie diese Tatsache in ihrem Leben zu berücksichtigen.

Auch bei brutalster körperlicher Misshandlung blieb den Sklaven kaum ein Refugium. Gute Herren mochten sich die Beschwerden eines Sklaven vielleicht anhören und auch hilfreich eingreifen, aber die große Mehrheit der Sklavenbesitzer, die von ihrem leiblichen Eigentum eine schlechte Meinung hatte, fühlte sich nicht nur bemüßigt, Gewalt gegen ihre Sklaven zu verüben, sondern auch, sie ihren Aufsehern nachzusehen – und alles im Namen des Gehorsams. Theoretisch konnte ein Sklave in einem Tempel oder bei einer Götterstatue Zuflucht suchen und damit das antike Asylrecht als Schutz vor einem gewalttätigen Herrn in Anspruch nehmen. Davon machten Sklaven auch Gebrauch, wie einige Anekdoten zeigen. Die Frage ist allerdings, wie oft dieser verzweifelte Schritt zu andauerndem Erfolg führte. Gewiss, die Sklaven konnten sich auf verschiedene gesetzliche Verfügungen berufen, die der fast unbeschränkten Willkür ihrer Herren Grenzen setzten. In der hier dargestellten Epoche wurden Gesetze und Erlasse verabschiedet, die Besitzer daran hindern sollten, ihre Sklaven wilden Tieren vorzuwerfen, ausgesetzte kranke Sklaven, falls sie gesundeten, zurückzuholen, einen Sklaven ungestraft zu töten und Sklaven zu kastrieren. Es liegen Rechtsdokumente über Sklaven vor, die wegen solcher Fälle vor Gericht gingen, doch dürfte es selten gewesen sein, dass ein Sklave mit einer Klage gegen seinen Herrn erfolgreich war – immer durch die Person eines Vertreters natürlich, denn er selbst galt vor Gericht nicht als Person. Die einzigen Klagen, die relativ verbreitet und manchmal erfolgreich waren, bezogen sich nicht auf die Sklaverei, sondern auf die Freiheit: Prozesse, die entscheiden sollten, ob eine Person frei geboren und illegal versklavt war. Es ging in diesen Fällen also nicht um die Behandlung eines Sklaven, sondern um Personen, die als Sklaven behandelt wurden, eigenem Bekunden nach aber frei waren. Die Gesellschaft im Allgemeinen hatte gewisse Sympathien für Menschen, die behaupteten, Freie zu sein, jedoch versklavt waren. Ein solcher Fall unterschied sich sehr von dem eines Sklaven, der behauptete, als Sklave Gewalt zu erleiden, und wurde entsprechend behandelt. Jedenfalls aber führte ein Versuch vor Gericht, der mit einem Scheitern endete, höchstwahrscheinlich auch zu einer abschreckenden Bestrafung des Sklaven, der diesen Versuch unternommen hatte. Die Gesetze boten also einem Sklaven so gut wie keine Hilfe. Vielmehr war das Gesetz ein wichtiges Kontrollinstrument in der Hand der Herren. Die Furcht vor grauenhaften Todesstrafen, wie sie durch behördliche Urteile routinemäßig über »kriminelle« Sklaven verhängt wurden – Kreuzigung, Verbrennung bei lebendigem Leibe, Tod durch wilde Tiere in der Arena –, hatte ihren Grund. Nur ein Sklave mit großem Selbstvertrauen und besten Beziehungen hätte den Versuch gewagt, vor Gericht zu gehen. Für fast alle barg das Rechtssystem nur Schrecken, keine Hoffnung.

Das Ich eines Sklaven war eine Verbindung dessen, was aus ihm gemacht wurde, mit dem, und was er selbst ausprägen konnte. Höchsten Symbolwert als Akt der Prägung des Ich hat die Benennung des Sklaven durch den Herrn. Durch die Namengebung erhält der Sklave eine neue Identität als Eigentum des Herrn. Sie stellt den Versuch dar, das frühere Selbst dieses Menschen auszulöschen und zu zeigen, dass das Ich der Kontrolle des neuen Herrn untersteht. Doch für das neue Sklaven-Ich war nicht einfach alles vergessen, was zuvor geschehen war. Ein Mensch, der als Erwachsener in die Sklaverei gezwungen wurde, hatte lebhafte und bleibende Erinnerungen. Ein Epitaph hält dieses wechselhafte Dasein im Fall eines Parthers fest, der in jungen Jahren gefangen genommen und in die Sklaverei verkauft wurde; er kam schließlich nach Ravenna, wo er freigelassen wurde und diesem Ereignis ein steinernes Zeichen setzte:

 

Gaius Julius Mygdonius, der Abstammung nach Parther, freigeboren, gefangengenommen in jugendlichem Alter, auf römischen Boden verpflanzt. Ich habe, dann zum römischen Bürger gemacht, auf Geheiß des Schicksals, 50 Jahre alt, mir den Sarg besorgt. (CIL XI 137 = ILS 1980/Geist, Grabinschriften, Nr. 326)

 

Claudia Aster, auch sie eine versklavte Gefangene, verschlug es nach Puteoli (Pozzuoli) in der Bucht von Neapel, wo sie freigelassen wurde. Sie erinnerte sich an ihre Gefangennahme in Jerusalem am Ende des jüdischen Aufstands im Jahr 70 n. Chr. (CIL X 1971).

Ein dritter, ein gewisser Arrius Capito, als Sklave Finanzverwalter und bei seiner Freilassung Geldverleiher, gedachte seiner Anfänge in Pannonien jenseits der Donau:

 

Capito, der Freigelassene des Arrius, ein Geldverleiher des pannonischen Volkes, liegt hier nach 35 Lebensjahren. (CIL XIII 7247, Mainz)

 

Ein anderer erinnerte sich noch Jahre nach seiner Versklavung an den Namen seines Vaters:

 

Gaius Ducenius Phoebus, Freigelassener des Gaius, Sohn des Zeno, wurde in Nisibis in Syrien geboren und in Rom zum Freigelassenen gemacht. (CIL VI 700 = ILS 3944, Rom)

 

Und schließlich spricht ein Mann, der über die Grenzen des Reichs gebracht und in Gallien in die Sklaverei verkauft wurde, beredt über seine Versklavung und Freilassung:

 

Gaius Ofillius [Arimnestus], Freigelassener des Gaius, aus der Tribus Palatina, … [hat] zu Lebzeiten sich und Mindia [Prima], der Tochter des Marcus, … seiner Frau, und Gaius Ofillius [Proculus], Sohn des Gaius, … seinem Sohn und … [dies Grab errichtet] … Barbarenland brachte ihn hervor, Handelsverkehr überantwortete ihn unverschuldeter Sklaverei, so daß er sein Wesen änderte. Zu seinem vom Vater erworbenen Namen fügte er, sobald er konnte, einen [römischen Gentil-]Namen hinzu, und für sein Geld erhielt er, was er durch seine Bitte nicht vermochte. Durch Pflichterfüllung überwand er seinen Herrn und bekam keine Prügel zu spüren, Belohnungen erhielt er keine … (CIL XII 5026, Narbonne/nach Botermann, S. 299 f.)

 

Dokumentationen dieser Art sind zwar selten, aber die Erinnerungen der Sklaven an ihr Leben vor der Versklavung dürfte lebendig geblieben sein. Ohne Zweifel war den Sklaven im amerikanischen Süden und in Brasilien, um einen Vergleich zu ziehen, ihre Vergangenheit in Afrika vor der Gefangennahme und Versklavung in aller Klarheit gegenwärtig. Für die Sklaven der Antike ist mit Sicherheit dasselbe Erinnerungsvermögen zu erwarten und damit eine Möglichkeit, sich neben dem von den Herren auferlegten Sklaven-Ich das eigene zu bewahren.

In einer anregenden Studie hat Sandra Joshel den unsichtbaren Römern ihre Stimme zurückgegeben, und sie betont, dass die Arbeit der Sklaven für Bildung und Erhalt ihrer Identität von besonderer Bedeutung war. Sie weist in ihrer sorgfältigen und überzeugenden Untersuchung darauf hin, dass Sklaven in der Epigraphik ihre Beschäftigung weit häufiger erwähnen als Freie, und das aus eigenem Antrieb und nicht auf Beschluss der Herren. In seiner Arbeit konnte der Sklave Ichstärke entwickeln, denn mit erstklassiger Arbeit stellte er nicht nur den Herrn zufrieden, der anstellige Sklaven schätzte und sogar belohnte, er konnte sich durch seine Vorzüge auch von seinen Mitsklaven abheben und überdies Geld zusammenbringen, mit dem er vielleicht einmal sich selbst und gegebenenfalls auch ihm nahestehenden Versklavten die Freiheit erkaufen konnte. Gute Arbeit hatte nur Vorteile, also konnten die Sklaven, wo sich die Gelegenheit bot, hart arbeiten und stolz darauf sein.

Das soll nicht zu falschen Vorstellungen führen – die Arbeit eines Sklaven war alles andere als eitel Freude und Sonnenschein. Viele Sklaven hatten nie die Gelegenheit, ein Handwerk oder andere Fertigkeiten zu erlernen, konnten also auch in keiner Tätigkeit brillieren. Andere nutzten die Möglichkeiten nicht, die sich boten. Von ihren Herren wurden die Sklaven hart herangenommen, einerseits aus praktischen Gründen – die Arbeit musste erledigt werden –, andererseits ließen sich auf diese Weise auch Ordnung und Gehorsam wahren. Doch Stolz auf geleistete Arbeit war auf verschiedenen Ebenen möglich, und viele Sklaven fanden einen Halt darin, sich auf diese Seite ihres Lebens zu konzentrieren, die sie mehr oder minder beherrschten – ein Herr würde einen Sklaven kaum daran hindern, ausgezeichnete Arbeit zu leisten, und es bestand zumindest die Aussicht auf eine Belohnung.

Denken als Versklavte

Wenn Sklaven über ihr Leben und seine begrenzten Möglichkeiten nachdachten, stand bereits ihr Denken unter dem Einfluss ihres Sklavendaseins. Der grundlegende Aspekt dieses Denkens war ein Mangel – der Mangel jeder Möglichkeit einer gesellschaftlichen Veränderung oder Alternative: einer Gesellschaft ohne Sklaverei. Eine soziale Existenz, die nicht Sklaverei als ihren akzeptierten, integralen Teil einschloss, lag außerhalb des Vorstellbaren. Während im Westen seit Mitte des 18. Jahrhunderts die Überzeugung aufkam, dass Sklaverei grundsätzlich unrecht sei, und dieser Gedanke sich auch unter den Sklaven verbreitete und der Kampf für die Abschaffung der Sklaverei stetig an Boden gewann, war in der römisch-griechischen Welt Ähnliches unbekannt. Ein Aspekt im Denken des Sklaven, der Hass auf die Sklaverei als Institution und der Glaube, dass nicht nur sie selbst ihr möglicherweise einmal entkommen würden, sondern das ganze System zerstört werden konnte und sollte, fehlte den Sklaven der hier untersuchten Epoche vollkommen. Der radikalste Gedanke, sich aus der Sklaverei zu befreien, schloss nie das Ziel ein, ihr für immer ein Ende zu machen. Diese Einstellung setzte allem Denken seine Grenzen. Wenn die Sklaven über ihre Situation und die Möglichkeiten zu ihrer Bewältigung nachdachten, waren ihre Überlegungen ausschließlich praktischer Art.

Das Gefühl der Ungewissheit ihres Daseins verließ sie nie. Diese Grundbedingung ihrer Existenz ergab sich mit dem Bewusstsein, ein Besitzstück zu sein. Nichts war je sicher. Man konnte alles tun, was der Herr wünschte, und gute Arbeit leisten und wurde doch verkauft, oder man konnte von Vertrauten getrennt werden oder erkranken und ausgesetzt werden oder altern und vernachlässigt dahinvegetieren oder Schlimmeres. Einigen Trost und Halt fand man in schlichten Lebensweisheiten, populärer Philosophie und anderen Versuchen, die conditio humana mit der Realität des Sklavendaseins in Einklang zu bringen. Stöhnen, Murren und Unzufriedenheit boten schwachen Trost. Als einzige geistige Waffe gegen die Angst vor der inhärent unsicheren und belastenden Situation blieb letzten Endes wohl meist nichts anderes, als die Ungerechtigkeit des Lebens anzuerkennen und sich in das Los zu ergeben, das die Parzen verhängt hatten. Der Wächter in Plautus’ Gefangenen (196 f.) wusste wenn auch herben Rat: »Wenn dies die ew’gen Götter wollten, dass ihr durchmacht dieses Leid, / So müsst ihr es mit Fassung dulden: dann wird leichter sein die Not.«

Die Gemeinschaft der Sklaven

Das Denken der Sklaven kreiste auch um Möglichkeiten, die Belastung zu mindern und ein gewisses Maß an Normalität in ihr Leben zu bringen. Der Ausgangspunkt für einen solchen Prozess lag in der Sklavengemeinschaft selbst. Obwohl der Herr Arbeit und Gehorsam verlangte, war allen auch bewusst, dass Sklaven als menschliche Wesen miteinander in Verbindung standen. Ein Herr konnte »schwierige« Sklaven isolieren, und unter besonders gefährlichen Bedingungen wie im Bergbau wurden die Kommunikationsmöglichkeiten streng begrenzt. In normalen Verhältnissen aber, sei es in einem großen Haus, einem kleineren Wohnsitz oder in ländlicher Umgebung, gingen die Sklaven Bindungen und Wechselbeziehungen ein, die ihrem Leben trotz der Unsicherheit und Brutalität der Verhältnisse Sinn verliehen. Solidarität und Freundschaft unter Sklaven ist vielfach bezeugt. Im Folgenden ruft sich ein Ex-Sklave eine lebenslange Freundschaft in Erinnerung, die bis in Zeiten der gemeinsamen Versklavung zurückreicht:

 

Aulus Memmius Urbanus errichtete dies für Aulus Memmius Clarus, den Mitfreigelassenen und teuersten Gefährten. Ich weiss, mein hochgeschätzter Mitfreigelassener, dass es zwischen dir und mir noch nie einen Streit gegeben hat. Mit dieser Inschrift rufe ich auch die Götter über uns und unter uns zu Zeugen an, dass du und ich, die zur selben Zeit im selben Haushalt als Sklaven gekauft wurden, auch zusammen freigelassen wurden. Kein Tag hat uns je getrennt außer dem deines schicksalsschweren Todes. (CIL VI 22 355a = ILS 8432, Rom)

 

Der Fall des Jucundus im Haushalt des Taurus ist ein weiteres Beispiel:

 

Jucundus, Sklave des Taurus, ein Abfallträger, war solange er lebte ein wirklicher Mann. Sein Leben lang hat er auf sich selbst und auf die anderen achtgehabt. Callista und Philologus, Mitsklaven, errichteten dies. (CIL VI 6308 = ILS 7408 d, Rom)

 

Der Gebrauch des Wortes vir für den »richtigen Mann« bedeutet, dass dieser Sklave und andere seiner Art sich selbst und anderen die Eigenschaft zuschreiben konnten, die in der Kultur allgemein hoch gepriesen wurde – Männlichkeit. Und Jucundus’ Gewohnheit, sich um seine Mitsklaven zu kümmern, ist Ausdruck der Solidarität innerhalb der Sklavengemeinschaft, die oft zu beobachten ist, aber auch, wie im Weiteren gezeigt wird, oft erschüttert wurde. Ein Beispiel für diese Solidarität ist die Ermordung des römischen Senators Pedanius Secundus durch seine Sklaven, von denen trotz grausamster Strafmaßnahmen nicht ein Einziger versuchte, den Mord zu verhindern oder den Täter zu entlarven (Tacitus, Annalen 14,43). Im Leben Äsops dagegen setzen sich die Mitsklaven als Gruppe von dem Außenseiter Äsop ab und versuchen ihn überdies dazu zu bringen, dass er für ihre Übeltaten den Kopf hinhält.

Gruppen von Sklaven engagierten sich auch im religiösen Leben. Auf einer Votivtafel in Gaud (im Südwesten Frankreichs) liest man:

 

Dem Gott Garris. Geminus, ein Sklave, hat das Gelübde auch für seine Mitsklaven abgelegt. (CIL XIII 49, Gaud, Frankreich)

 

Außerdem organisierten sich die Sklaven oft in Begräbnisgesellschaften, entweder innerhalb eines großen Haushalts oder über mehrere Haushalte oder auch als Beteiligte an einem Unternehmen wie die Arbeiter einer Goldmine in Dakien oder Wollarbeiter in Italien:

 

Die Wollkämmer errichteten dieses Grabmal für Acceptus, Sklaven der Chia, ihren Gefährten. (CIL V 4501, Brescia)

 

Im italischen Luceria beerdigten Sklaven einen der Ihren unter diesem Grabstein:

 

Den Göttern der Unterwelt und Gelasmus, dem Sklaven der Sittia. Seine Genossen aus dem Herkules- und Apollo-Kollegium errichteten dies. Er lebte 25 Jahre, 3 Monate und 21 Tage. (AE 1983, 213)

 

Aber wie im Fall von Äsop herrschte in der Gemeinschaft auch Konkurrenzverhalten. Natürlich rivalisierte man um die Gunst des Herrn, wie es die literarische Figur des Hermeros beschreibt:

 

… ich habe mir Mühe gegeben, meinen Herrn zufriedenzustellen, einen honorigen und würdiglichen Mann … Na, es gab Leute im Haus, die mir ein Bein stellten, mal hier mal da; trotzdem, dem Genius des Mannes sei’s gedankt, ich kriegte Boden unter die Füße. (Petron, Satyrica 57)

 

Auch zu bösartigem Klatsch und Streit konnte es kommen, oder man sabotierte die Arbeit eines anderen. Die angespannten Verhältnisse in einem Haushalt, in dem die Sklaven in die Auseinandersetzungen zwischen den Familienangehörigen hineingezogen wurden, beschreibt Augustinus in seinen Bekenntnissen. Mittel zur Konfliktlösung waren nötig, um Streitigkeiten zu schlichten, wie sie sich aus praktisch jeder Kleinigkeit ergeben konnten. Im Fall von Äsop stritten die Frauen des Haushalts darüber, wer seine sexuelle Gunst genießen würde. Die vielleicht hinterhältigste Aushöhlung der Solidarität unter Sklaven ergab sich aus der Tätigkeit der silentiarii, der den Sklaven übertragenen Aufgabe, in ihrer Gemeinschaft für Ordnung zu sorgen.

 

Sie fürchten die Aufseher, fürchten die Silentiarier, fürchten die Verwalter, so dass unter solchen Leuten die Sklaven am wenigsten die Sklaven ihrer eigenen Herren sind. Von allen werden sie geschlagen, von allen gequält. Was lässt sich noch mehr darüber sagen? Viele Sklaven suchen Schutz bei ihren Herren, da sie ihre Mitsklaven fürchten müssen. Die Flucht ist deshalb nicht denen zuzurechnen, welche fliehen, sondern jenen, welche sie zur Flucht zwingen. (Salvian, Über die göttliche Regierung 4,3)

 

Die Organisation des Zusammenlebens der Sklaven lud zum missbräuchlichen Umgang miteinander geradezu ein. Äsop zum Beispiel erklärt, dass ein hübscher Sklave einem andern, der »ihm gefiel« (Das Leben Äsops S. 125), sexuelle Avancen machte. Als Aufseher und Betreuer wurden nicht Freie eingesetzt, diese Verantwortung hatten vielmehr Sklaven zu übernehmen, sei es in einem Haushalt, der Sklaven zur Oberaufsicht benötigte, oder auf einem Landgut mit abwesendem Eigentümer. Wie in anderen Sklavengesellschaften waren solche Aufseher im Kreis der Mitsklaven zutiefst verhasst. Besonders wenn sie ihrerseits nicht unter Aufsicht des Herrn standen, konnten sie ohne jede Einschränkung Strafen austeilen, andere Sklaven zu ihrem persönlichen Vorteil einsetzen und sie sexuell ausbeuten, ganz zu schweigen von Betrügereien auf Kosten ihres Herrn durch Fälschen der Bücher, Abwicklung eigener Geschäfte und ähnliches. Besonders dringlich raten die Agrarschriftsteller, die Sklavenaufseher genau im Auge zu behalten und sicherzustellen, dass sie die Mitsklaven nicht grausam behandeln. Theoretisch konnten die Sklaven Klagen über Misshandlungen durch Aufseher und Mitsklaven vor ihren Herrn bringen, und ein guter Herr wird angehalten, solche Beschwerden zu ermöglichen. Aber wie das Salvianzitat bezeugt, war das einzige Mittel, einem Mitsklaven zu entkommen, häufig nur die Flucht.

Neben den mächtigen und verhassten Aufsehern fürchteten die Sklaven auch ihre Mitsklaven, die zum Foltern und Strafen bestellt waren. Während Routinezüchtigungen wie Auspeitschen und andere Körperstrafen von Mitsklaven unter direkter Aufsicht des Herrn vorgenommen wurden, war es gängige Praxis, schwerere körperliche Bestrafungen »auszulagern«, denn ein »innerbetrieblicher« Strafvollzug hätte sich auf das Leben in der Sklavengruppe störend ausgewirkt. Es gab daher Spezialisten für die Behandlung von Sklaven, die bei ihren Herren als besonders störrisch oder tückisch galten. Ein gutes Beispiel findet sich im 18. Kapitel des Matthäusevangeliums in den Versen 21 bis 34. Jesus erzählt von dem König, der einem seiner Diener eine große Schuld erließ. Der Diener ging daraufhin zu einem Mann, der seinerseits ihm Geld schuldete, weigerte sich aber, die Bitte des Armen um Gnade und Aufschub zu erhören, und verkaufte ihn und seine Familie, um die Schulden einzutreiben. Als der König davon erfuhr, wurde er zornig »und überantwortete ihn den Peinigern, bis dass er bezahlte alles, was er ihm schuldig war«. Auch in Apuleius’ Roman strafen Sklaven ihre Schicksalsgenossen.

Das Leben in der Gemeinschaft der Sklaven war komplex: Der Einzelne musste sich ein Urteil über die Mitsklaven bilden, Freundschaften und Bündnisse schließen und sich, soweit möglich, Kummer ersparen. Dieselbe Komplexität galt über seine unmittelbare Umgebung hinaus für das Miteinander in der freien Bevölkerung außerhalb des Hauses. Zu entscheiden ist die grundlegende Frage, ob Sklaven und Freie in der Gesellschaft als Ganzer prinzipiell voneinander getrennt waren, weil sich die Freien den Sklaven im Bewusstsein ihrer Freiheit überlegen fühlten. Dass die Elite und aller Wahrscheinlichkeit nach auch die sehr Wohlhabenden eine solche Geringschätzung empfanden und zwischen sich und jedem Sklaven eine massive psychologische Barriere errichteten, ist nicht zu bezweifeln, doch muss man sich fragen, ob die breite Bevölkerung dieses Gefühl teilte. Die Meinungen dazu gehen heute auseinander. Zum Teil ist man überzeugt, dass jeder Freie sich von den Sklaven abgrenzte, stolz auf seine Freiheit und im sicheren Gefühl der Überlegenheit, die sie ihm gegenüber den Sklaven verlieh, selbst wenn ein bestimmter Sklave mehr Geld, Einfluss und Aussichten hatte als er. Andere verweisen darauf, dass das Leben vieler gewöhnlicher Menschen dem vieler Sklaven gar nicht unähnlich war und folglich alles dafür spricht, dass Sklaven und Freie mehr über die Dinge nachdachten, die sie gemeinsam hatten, als über die Kennzeichnung »Sklave« oder »frei«. Gemeinsam war ihnen auch der enorme Abstand zur Elite, und dass sie die Abneigung, wenn nicht Hassgefühle gegenüber der winzigen herrschenden Minderheit teilten, lag wohl ebenfalls nahe. Als nach der Ermordung des Senators Pedanius Secundus sämtliche Sklaven des Hauses zur Kreuzigung verurteilt wurden, als Strafe und Denkzettel, weil keiner von ihnen das Komplott bekannt gemacht oder seine Ausführung verhindert hatte, bildete sich ein zorniger Mob aus freien Römern der Mittel- und Unterschicht und Sklaven, der den Vollzug der Strafe zunächst blockierte. Erst Kaiser Neros Truppenaufgebot machte den Weg frei für die Exekutionen (Tacitus, Annalen 14,42 – 45).

Es wäre jedoch auch schwierig gewesen, die Sklaven von der gewöhnlichen Bevölkerung abzugrenzen. Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass sich die Sklaven in Sprache und Aussehen meist nicht von Freien unterschieden. Sie trugen in der Regel keine kennzeichnende Kleidung. Es gab natürlich Ausnahmen: gebrandmarkte Sklaven oder solche mit »Sklavenschnitt« – kurz geschnittenem Haar – oder Sklaven in der besonderen Livree ihres Herrn. Doch abgesehen von den Geschäftsleuten in der formellen Kleidung, der Toga, waren die Männer im Alltag äußerlich kaum zu unterscheiden. Bei Petron sagt Hermeros: »Ich war vierzig Jahre lang ein Sklave, und niemand wusste, ob ich Sklave war oder frei.«

Die Sklaven verrichteten ihre Tätigkeit häufig außerhalb des Hauses und lebten oft im Freien. Sie wurden von ihren Herren mit großen und kleinen Pflichten betraut, die zuweilen auch Freie übernahmen, so im Bau- und Transportwesen, im Handwerk, Handel und Geldverleih. Angesichts der Ähnlichkeit in Herkunft, Kultur und Beschäftigung ist es kein Wunder, dass Sklaven, Freie und Ex-Sklaven (Freigelassene) denselben religiösen und weltlichen Organisationen angehörten. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele. Einige, deren Vergangenheit als Sklave noch nicht weit zurücklag, hegten für die noch Versklavten wenig Sympathie. Zu ihnen gehörte Larcius Macedo, Sohn eines Freigelassenen, der seine Sklaven besonders grausam behandelte und von einem seiner Sklaven getötet wurde (Plinius d. J., Briefe 3,14). Die Mehrzahl aber ging mit den Sklaven in beruflichen und religiösen Vereinigungen wie mit Gleichgestellten um. Zweck dieser Vereine waren vorgeblich die Beisetzungen, tatsächlich aber geselliges Leben. In Praeneste existierte ein gemischter Verein von Walkern, und neben mehreren Sklaven ist ein Freigelassener aufgeführt; in Ostia errichtete ein Verein von Freigelassenen und Sklaven der Stadt ein Mal zu Ehren der Göttin Bellona; in Lanuvium nahmen sie mit Freien am Kult des Antinous und der Diana teil, allerdings war die Erlaubnis der Herren nötig. Die Sklaven sahen sich vor der Aufgabe, mit einer Welt fertig zu werden, in der sie zeitweise zusammen mit Freien und auch selbst fast als Freie lebten und wirkten; doch vergaßen sie nie, dass im Streit mit den Behörden ihre grundsätzlich andere Behandlung im Zivilwie im Strafrecht zutage treten würde, vor allem hinsichtlich des schnellen Griffs zum Mittel der körperlichen Bestrafung eines Sklaven, auch wenn die Anklage nur auf Vermüllung lautete:

 

Marcus Alfius Paulus, Stadtrat, befiehlt: Wer immer an diesem Ort Exkremente fortwerfen will, sei gewarnt, dass dies nicht erlaubt ist! Wer gegen diese Bekanntmachung verstößt, dem soll, wenn es ein Freier ist, eine Buße auferlegt werden, wenn er Sklave ist, zur Warnung der Hintern gepeitscht werden! (AE 1962, 234, Herkulaneum)

Sklaven und ihre Herren

Im Mittelpunkt seines Lebens unter den Mitsklaven und der freien Bevölkerung standen für den Sklaven vier Fragen. Sie gehen aus dem Orakelbuch Sortes Astrampsychi hervor und sind besonders geeignet, dem Denken der Sklaven näherzukommen: »Werde ich zu einer Einigung mit meinen Herren kommen?« (Frage 46), »Werde ich (als Sklave) verkauft werden?« (Frage 74) und »Werde ich aus der Sklaverei freikommen?« (Frage 32). Die vierte Frage wird nicht vom Sklaven, sondern vom Herrn gestellt, betrifft ihn aber indirekt: »Werde ich den Entlaufenen finden?« (Frage 36). Den Sklaven beschäftigten also die Beziehung zum Herrn, ein mögliches Verkauftwerden und die Freilassung, während das Augenmerk des Herrn auf den Ausreißer gerichtet ist, ein Hinweis darauf, dass Sklaven oft mit dem Gedanken spielten, ihr Heil in der Flucht zu suchen. Ähnliche Überlegungen lassen sich auch verschiedenen Traumdeutungen bei Artemidor entnehmen. Am häufigsten erwähnt sind die Freilassung, unterschiedliche Beziehungen zu einem Herrn (gut, schlecht, wechselnd) sowie die Flucht. Das Verkauftwerden scheint nur einmal Thema zu sein. Verbindet man diese Fragen mit den Mustern des Sozialverhaltens, die auf Grabsteinen erwähnt sind, ergibt sich der Eindruck, dass die Gedanken der Sklaven begreiflicherweise um das momentane Überleben kreisten, während Furcht abwechselnd mit Hoffnung den Blick in die Zukunft bestimmte. Dagegen fehlen weitgehend Hinweise auf eine Beschäftigung mit dem Zustand der Versklavung selbst, dem Zustand ihres Inneren, wie man sie bei Menschen in ihrer Situation voraussetzen würde. Auch ist wenig Protest gegen die Ungerechtigkeit dieser Sklaverei zu spüren, nur die Wahrnehmung der persönlichen Situation, in der man sich befand. Der römische Epitaph eines Sklaven allerdings spricht für sich:

 

Hier liege ich, Lemisio. Nichts als der Tod hat meine Plage beendet. (CIL VI 6049 = ILLRP 932, Rom)

 

Erfreulich ist immerhin die Erkenntnis, dass die Sklaven mit eigener Stimme eine zumindest allgemeine Vorstellung dessen vermitteln, was sie vorrangig beschäftigte. Dabei entsteht das Bild eines aktiven Lebens von Sklaven, die sich Aktionsraum verschafften und, wenn möglich, für ihre Freiheit arbeiteten.

Wichtig war zu bedenken, wie sich die Beziehungen zum Herrn gestalteten. Im Leben Äsops wird der Konflikt zwischen Sklave und Herr als entscheidendes Problem behandelt und gezeigt, wie der Sklave es erfolgreich bewältigen konnte. Einige Herren gingen mit ihren Sklaven pfleglicher um als andere; einige Sklaven waren in ihrer Anpassung an die Situation der Versklavung dynamischer als andere: Die Verhältnisse waren von schillernder Vielfalt, doch jeder Sklave musste für seine besondere Situation besondere Verhaltensformen entwickeln.

Zunächst einmal gab es unterschiedliche Möglichkeiten, sich den je gegebenen Umständen anzupassen. Am einfachsten war es, das Schicksal der Versklavung hinzunehmen und das Beste daraus zu machen. »In schlimmer Lage Fassung zu bewahren hilft« (Plautus, Die Gefangenen 202). Das rät der Wächter den Kriegsgefangenen, die soeben in die Sklaverei verkauft wurden. Dieselbe Einstellung spricht aus einer Sentenz des Publilius Syrus (616): »Wer ungern front, trägt schwer, doch muss er fronen.« Eine Form der Anpassung war demnach, aus einer schlimmen Lage den größtmöglichen Nutzen zu ziehen: »Wer klug zu dienen weiß, ist halb Gebieter« (Sentenz 596). Was leichter wurde, wenn der Herr eine Spur Vernunft besaß und auf den Rat der Agrarschriftsteller hörte, zu den Sklaven, wenn möglich, eine positive, auf Gegenseitigkeit beruhende Beziehung zu unterhalten.

Einfacher wurde es vielleicht, wenn der Herr an seinem menschlichen Eigentum Gefallen fand und die Beziehung sich nicht in sexuellem Missbrauch erschöpfte. Es konnte vorkommen, dass illegitime Kinder der Sklavenhalter nicht nur geliebt wurden, sondern auch Geld erbten: Steia Fortuna, eine Sklavin des Publius Steius Felix, erbte ein Sechstel seines Eigentums – sie war vermutlich seine illegitime Tochter (CIL XIV 1641, Ostia Antica). Zahlreich sind literarische Beispiele von Sklaven, die in einem Haushalt vom sexuellen Günstling zu wichtigeren Rollen aufstiegen und schließlich ein erfolgreiches Leben als Freigelassene führten – bekannte Vertreter dieses Typs sind die Figuren Hermeros und Trimalchio in Petrons Satyrica. Nicht wenige Herren hatten ihre Lieblinge unter den Sklaven. Einer adoptierte seinen Sklaven und verhalf ihm zu einem erfolgreichen Geschäftsbetrieb:

 

Vitalis, des Gaius Lavius Faustus Sklave und zugleich Sohn, als Sklave im Haus geboren, liegt hier. Er lebte 16 Jahre, als Verkäufer im Laden des Aprius bei den Leuten beliebt und von den Göttern dem Leben entrissen. Ich bitte euch, Wanderer, verzeiht mir, wenn ich etwas zu wenig an Gewicht gegeben habe, um es meinem Vater zuzuwenden. Ich bitte bei den Oberirdischen und Unterirdischen, laßt meinen Vater und meine Mutter euch empfohlen sein! Und nun ade! (CIL III 14 206.21 = ILS 7479, Amphipolis, Griechenland/Geist, Grabinschriften, Nr. 151)

 

Ein anderer erinnerte sich liebevoll eines kleinen Sklavenmädchens:

 

Celerinus der Herr errichtete dieses Grabmal der zutiefst unglücklichen Valentina, sein Pflegekind und liebstes Entzücken, Tochter des Sklaven Valentino, die nur 4 Jahre lebte. (CIL III 2130, Salona, Kroatien)

 

Von Plinius dem Älteren ist das Beispiel eines Sklaven überliefert, der durch die Gunst seiner Herrin zu Reichtümern gelangte:

 

[Korinthische Bronze war berühmt und teuer] Als Dreingabe für einen solchen Leuchter wurde auf Befehl des Ausrufers Theon der bucklige und außerdem noch hässlich aussehende Walker Klesippos angeboten; Gegania kaufte den Leuchter für 50 000 Sesterzen. Sie zeigte ihren Kauf bei einem Gastmahle, und da der Walker sich des Gespöttes wegen entblößen musste, wurde sie von schamloser Lust ergriffen, nahm ihn zu sich ins Bett und setzte ihn bald ins Testament ein; dieser aber, sehr reich geworden, verehrte jenen Leuchter wie eine Gottheit … dennoch wurde die Moral durch das prächtige Grabmal bewahrt, mit dem die Erinnerung an die Schande der Gegania ewig über die Länder dauern sollte. (Naturalis historia – Naturkunde 34,6,11 f.)

 

Plinius’ Geschichte ist insofern etwas ungewöhnlich, als sich darin eine Herrin eine männliche Konkubine hält. Dass die Herren unter den Sklavinnen ihre Beischläferinnen hatten, ist weit häufiger bezeugt. Frauen mochten in einer solchen Beziehung vielleicht eine gewisse Sicherheit finden, obwohl mit der Quälerei durch den Herrn oder seine Frau auch dann noch zu rechnen war. Offenkundig erwies sich eine ganze Reihe solcher Liebschaften als dauerhaft, denn sie sind wiederkehrend in Grabinschriften erwähnt:

 

Grab, bestimmt für Septimius Fortunatus, den Sohn des Gaius, und seine Nebenfrau Septimia, sei sie noch Sklavin oder Freigelassene. (CIL V 5170 = ILS 8553, Bergamo/Geist, Grabinschriften, Nr. 117)

 

In der Regel waren die Sexualbeziehungen zwischen Herren und Sklaven natürlich von kürzerer Dauer. Das Verhalten, das dem Sklaven die Gunst seines Herrn sicherte, variierte innerhalb des Spektrums der Ansprüche des Herrn an den Sklaven: effiziente Arbeit, Profit, Gehorsam und Treue. Gehorsam bedeutet Kontrolle, also schien ein gewisses Maß an Gehorsam, ob echt oder geheuchelt, das beste Mittel, sich der Situation anzupassen und Strafen zu entgehen. Paulus ermahnt die christlichen Sklaven zu aufrichtigem Gehorsam, »nicht mit Dienst allein vor Augen, als den Menschen zu gefallen, sondern als die Knechte Christi« (Epheser 6,6), und anerkennt damit die Realität eines vorgetäuschten Gehorsams wie auch die Erwünschtheit des echten. Eng verbunden mit dem Gehorsam war die Treue. Auch hier war echte oder simulierte Bekundung von Vertrauenswürdigkeit der geeignete Weg, den Herrn für sich einzunehmen. Schmeichelei war immer angebracht, ob an die Adresse des Herrn oder eines aufsichtführenden Sklavengenossen. Es mochte sogar Sklaven geben, die den Herrn, dem sie schmeichelten und gehorchten und für den sie gewissenhaft ihre Arbeit verrichteten, wirklich liebten. All das war natürlich leichter bei einem freundlichen Herrn. In einer solchen Lage konnte es sogar vorteilhafter erscheinen, Sklave zu bleiben als freigelassen zu werden. Der Philosoph Epiktet, selbst ein ehemaliger Sklave, hat sich über die Gefahren der Freiheit im Vergleich zum Sklavendasein bei einem aufgeklärten Herrn seine eigenen Gedanken gemacht:

 

Ein Sklave wünscht, aufs eheste freigelassen zu werden. Warum? Meint ihr, er habe ein großes Verlangen, den Pächtern der Sklaven Steuergeld zu geben? Nein, sondern er stellt sich vor, bis jetzt stände er, weil er diese Freilassung noch nicht erreicht habe, vor lauter Hindernissen und Schwierigkeiten. »Bin ich erst einmal freigelassen«, sagt er, »so geht mir von Stunde an alles nach Wunsch, da frage ich nach niemandem, da rede ich mit jedermann als meinesgleichen und meines Ranges; ich gehe, wohin ich will, es darf mich niemand fragen, woher ich komme und wohin ich will.« Er wird frei gelassen, und nun, da er nichts zu essen hat, sieht er sich sogleich um, wem er schmeicheln, bei wem er schmarotzen könne. Dann treibt er entweder Gewinn mit seinem Leibe und läßt sich die schändlichsten Dinge gefallen, und wenn er durch dieses infame Mittel sich eines Unterhalts versichert hat, so ist er in eine Sklaverei verfallen, die viel schlimmer als die vorige ist; oder wenn der Tropf, der so wenig von Ehre und Tugend weiß, wohlhabend geworden ist, so verliebt er sich in ein Mädchen, und wenn sie ihn nicht erhört, so beklagt er sein hartes Schicksal und sehnt sich nach der vorigen Sklaverei zurück. »Denn was fehlte mir damals? Da hatte ich meinen Herrn, der schaffte mir Kleider, schaffte mir Schuhe an, gab mir zu essen, versorgte mich in kranken Tagen, und dafür tat ich ihm einige wenige Dienste. Jetzt hingegen, was habe ich Armer nicht auszustehen, da ich statt einem Herrn nun vielen dienen muß!« (Epiktets Gespräche 4,1,34 – 37)

 

Im Leben Äsops heißt es kurz und bündig:

 

Wenn du mit Sklaven gut umgehst, wird keiner das Gute mit dem Schlechten vertauschen und ein Landstreicherleben führen, wo ihn Hunger und Schrecken erwarten. (Das Leben Äsops 26)

 

Ein kluger Herr wusste die harte und fleißige Arbeit »guter«, das heißt treuer und gehorsamer Sklaven zu schätzen und belohnte sie. Dieser Lohn war teils gering – Geschenke zu den Saturnalien, gelegentlich ein freier Tag –, teils aber auch hoch, zum Beispiel als Gelegenheit, Gelder zu erwerben, mit denen man den Herrn auszahlen und sich freikaufen konnte. Die Geldbörse des Sklaven, sein peculium, war formal immer im Besitz seines Herrn wie alles, was er »besaß« bis hin zur eigenen Person. In Wirklichkeit sammelten die Sklaven kleinere und größere Summen an, die sie für dieselben Zwecke ausgeben konnten wie freie Personen. So konnten sie Weihgeschenke stiften, wie diese Inschrift aus dem italienischen Pesaro zeigt:

 

Faustus, Sklave des Publius Versennius, bezahlte für eine Statue und einen Schrein, dem Gott Priapus geweiht, aus seinem peculium. (CIL XI 6314 = ILS 3581)

 

Andere Sklaven gaben ihr Geld vielleicht für eine materielle Verbesserung ihres Lebens aus oder sparten für einen späteren Freikauf oder den Freikauf eines oder einer Geliebten – oder sie verschwendeten es. Ein peculium besaßen alle Sklaven, sogar, wenn wir Plautus glauben können, die Schäfer: »Auch der Schäfer, Mutter, der die fremden Schafe weidet, hat / Ein ganz eigenes [peculium], auf das er Hoffnung setzt« (AsinariaDie Eselskomödie 539). Die Sklaven nutzten jede Gelegenheit, das Ersparte zu vermehren. Für einen städtischen Sklaven waren die Gelegenheiten günstig. Sie reichten vom Verkauf der eigenen Nahrung über Diebstahl und Verkauf von Besitzstücken seines Herrn bis zur Entgegennahme von Bestechungsgeldern für den Abschluss von Verträgen oder für den Zugang zum Herrn oder zur Herrin des Hauses wie im folgenden Fall:

 

Ehe du dich’s versiehst, erscheint also ein ganz manierlicher Hausbedienter, um dich zur Tafel einzuladen, und den mußt du dir dann vor allen Dingen günstig zu machen suchen, indem du ihm, mindestens, wenn du nicht für einen Menschen ohne alle Lebensart bei ihm gelten willst, fünf bare Drachmen in die Hand drücken mußt. (Lukian, Das traurige Los der Gelehrten, die sich an vornehme und reiche Familien vermieten, Bd. 4, S. 240)

 

Ein Sklave konnte nebenher auch Güter herstellen oder Geschäfte betreiben und den Verdienst einstreichen. Die Sklaven in den Städten verfügten über weit bessere Möglichkeiten zum Nebenerwerb. Doch sogar auf den Bauerngütern ging der Aufseher (vilicus) gewöhnlich einem Nebenerwerb nach, wie Columella einräumt, wenn er darauf hinweist, dass ein vilicus ohne Oberaufsicht vermutlich Geschäfte zum eigenen Gewinn betreibt, weil der Herr abwesend ist (Über Landwirtschaft 1,8,14).

Sklaven wurden auch als verlängerter Arm ihres Herrn in Handelsgeschäften eingesetzt. Das peculium war für einen Sklaven die treibende Kraft, sich als leistungsfähiger Agent zu erweisen, denn er konnte als Geschäftsvertreter seines Herrn auf mehr oder weniger durchsichtige Art selbst zu Geld kommen, sei es im Handel, im Geldverleih oder im Handwerk.

Die Sklaven des Pompejaners Lucius Caecilius Jucundus konnten bei Geschäftsabschlüssen sogar Siegel mit ihren eigenen Namen benutzen. Das Gleichnis von den getreuen Knechten im Neuen Testament zeigt in aller Klarheit, wie das System funktionierte. Der Herr geht auf Reisen und übergibt jedem von drei Sklaven unterschiedliche Geldbeträge zur Verwahrung. Zwei der Sklaven legen das Geld an und erstatten dem Herrn bei seiner Rückkehr den Gewinn; der dritte hat seinen Anteil aus Furcht vor einem Nachspiel bei verlustreichen Investitionen vergraben. Als der Herr zurückkommt, lobt er die beiden, die das Geld gut angelegt hatten, ist aber zornig auf den dritten, der auf Nummer Sicher gegangen ist. Die ersten zwei belohnt er, entzieht dem dritten jedoch jede weitere Verantwortung und damit vermutlich auch jede Hoffnung auf ein Fortkommen im Haushalt (Matthäus 25,14 – 28). Zuverlässige Sklaven konnten also ihre unternehmerischen Fähigkeiten nutzen, um den Wohlstand ihres Herrn zu mehren, und gleichzeitig Kontakte knüpfen und sich auch anderweitig günstige Voraussetzungen für künftige Profite schaffen. Einer von Trimalchios Lieblingssklaven gelangte auf genau diese Art zu eigenem Besitz. Er war jung und hübsch – und für Trimalchio offenkundig attraktiv –, aber auch talentiert und einfallsreich:

Abb. 12. Sklavinnen bei der Arbeit: Hier haben zwei Sklavinnen in Pietrabbondante (Italien) bei der Herstellung von Dachziegeln die Abdrücke ihrer beschuhten Füße hinterlassen und ihre Namen in den noch feuchten Ton gekratzt: »Delftri, die Sklavin des Herrenneis Sattis, hat dieses Zeichen mit ihrem Fuß hinterlassen« (auf Oskisch); und: »Amica, die Sklavin des Herreneis, hat dies Zeichen hinterlassen, während wir die Ziegeln zum Trocknen aufstellten« (auf Lateinisch).

Einen kreuzbraven Jungen hab ich geküßt, nicht wegen seiner Schönheit, sondern weil er brav ist: durch zehn kann er teilen, ein Buch kann er vom Blatt lesen, einen Fechterdreß hat er sich von seinem Kostgeld zugelegt, einen Armstuhl hat er sich aus eigener Tasche angeschafft und zwei Schöpflöffel. (Petron, Satyrica 75)

 

Man mag sich fragen, wie sinnvoll diese Erwerbungen sind, doch der Junge hat kommerzielle Fertigkeiten und noch als Sklave Geld verdient und Käufe gemacht.

Bei Gelegenheit hatte dieses System wie im obigen Gleichnis für den Herrn aber auch katastrophale Folgen. Nicht nur konnten Investitionen scheitern, der Sklave nutzte die Situation möglicherweise zu Betrug und Flucht. Ein römischer Rechtstext (Digesten 14,5,8) berichtet über einen Titianus Primus, der einen Sklaven damit beauftragte, »Darlehen zu gewähren und Pfänder anzunehmen«. Der Sklave ging jedoch weiter: Er übernahm auf eigene Rechnung (und mit dem Kapital des Herrn?) die Schulden einiger Kunden von Getreidehändlern und tilgte sie mit Gewinn. Nachdem er eine ordentliche Summe zusammengebracht hatte, setzte er sich ab. Die Beispiele zeigen das hohe Vertrauen, das ein Sklave genießen konnte, aber auch die Möglichkeiten, zu Reichtum zu kommen, die sich für den Sklaven daraus ergaben. Der Sklave des Titianus ist insofern eine Ausnahme, als er sich davonmacht, statt zu warten, bis er freigelassen wird und sich, mutmaßlich im Finanzhandel, selbständig machen kann.

Diese Bilder sollten jedoch nicht zu der Annahme verleiten, dass solche Gelegenheiten sich einer Mehrzahl von Sklaven boten. Nur eine kleine Auswahl wurde in der Absicht gekauft oder dazu bestimmt, ins Geschäftsleben eingeführt zu werden und als Agent des Herrn zu fungieren. Aber selbst dem gewöhnlichen Haussklaven und dem Sklaven in der Landwirtschaft boten sich Möglichkeiten, ein schmales peculium anzusammeln und sich die Bürde der Versklavung geringfügig zu erleichtern.

Widerstand

Die in der Sklaverei erlittenen Einschränkungen und Misshandlungen führten die Sklaven natürlich auf Wege des Widerstands. Erst in einer Verbindung von Anpassung und Widerstand konnte es den Sklaven gelingen, ein Ich auszubilden, und diese Verbindung nahm in der Sklavengemeinschaft unzählige Formen an, da jeder sich seiner besonderen Situation, Begabung und psychischen Disposition gemäß anpasste. Sklavenbesitzer rechneten selbstverständlich mit Widerstand, den sie als Ungehorsam, Illoyalität und Feindseligkeit auffassten. Im ländlichen wie im städtischen Umfeld war ihnen dieses »negative« Verhalten von Sklaven und seine Verbreitung wohlbekannt. Das Leben Äsops ist voll von Beispielen für diese Art der Selbstbehauptung. Die Sklaven waren miteinander im Gespräch, klatschten, stachelten einander zum Ungehorsam an, widersprachen dem Herrn, wenn sie es wagten, und blickten, wenn nicht, verächtlich in seine Richtung. Die Besitzer konnten versuchen, solches Gerede einzudämmen, indem sie die Sklaven unter Aufsicht arbeiten ließen, wie Columella es empfiehlt, oder indem sie Streit unter ihnen anfachten, wie Cato nahelegt, oder durch die Bestrafung von Sklaven, die ihre Herren durch Drohungen und feindliche Gesten einzuschüchtern suchten. Aber die Absicht, dem Herrn eins auszuwischen, ließ sich nicht aus der Welt schaffen. Viele Besitzer hielten Sklaven für eingefleischte Lügner – und das waren sie in der Tat auch oft, wenn sie versuchten, sich mithilfe von Lügen begründeten oder falschen Beschuldigungen und den anschließenden Strafen zu entziehen. Salvian erklärt: »Sie müssen lügen, wollen sie sich vor der Züchtigung bewahren. Was Wunder, wenn ein Sklave in der Furcht eher lügen als sich geißeln lassen will!« (Über die göttliche Regierung 4,3). Sklaven beklagten sich, wann immer Hoffnung bestand, ungeschoren davonzukommen, und Weinen und Wehklagen in Gegenwart ihrer Herren war ebenso wie das »Bummeln« eine Standardtaktik (Apuleius, Der goldene Esel 9,21). Sklaven konnten sich vor der Arbeit drücken, indem sie sich versteckt hielten, um der Aufmerksamkeit zu entgehen, oder sich langsam bewegten, Aufgaben nicht beendeten und Aufträge mangelhaft ausführten. Ihre Herren glaubten dann manchmal, der Grund sei Erschöpfung oder auch einfach Faulheit; aber diese Taktiken sind in anderen Sklavengesellschaften gut dokumentiert. Ein anderes gängiges Kalkül war die Vortäuschung von Krankheit: Die Sklaven erhofften sich davon, zu Bett liegen zu dürfen oder eine Zeitlang ins »Krankenhaus« geschickt zu werden. Schließlich konnte man noch versuchen, sich unwissend zu stellen, obwohl auch das wie die übrigen Strategien zur Auspeitschung führen konnte.

Riskanter war es, offen gegen die Interessen des Herrn zu verstoßen, zum Beispiel durch Diebstahl. Aus zahlreichen ägyptischen Dokumenten geht hervor, dass man Sklaven nicht traute und dass sie dieses Misstrauen oft verdienten. Sowohl die Herren und Aufseher als auch die Herrinnen mussten damit rechnen, bestohlen zu werden. Besonders verlockend waren Nahrungsmittel:

 

Man sagt, sie seien unmäßig und gefräßig. Auch das ist nichts Neues. Der so oft Hunger erduldet, verlangt mehr nach Sättigung. Aber wenn er auch gerade nach Brot kein Verlangen trägt, das Verlangen nach Genüssen trägt er sicher, und deshalb ist es zu verzeihen, wenn er zu heftig das ersehnt, was ihm beständig abgeht. (Salvian, Über die göttliche Regierung 4,3,13 – 18)

 

Diebstahl deckte entweder ein echtes Bedürfnis oder lieferte Verkaufs- oder Handelsware zur Mehrung des eigenen peculium oder war einfach ein Akt des Widerstands gegenüber dem Herrn.

Auch Sachbeschädigung war eine Form des Diebstahls, denn sie beraubte den Herrn seines Eigentums. Man konnte immer Nachlässigkeit geltend machen, und die Sabotage von Werkzeug und Ausrüstung war eine naheliegende Möglichkeit der Arbeitsverweigerung, zumindest für gewisse Zeit. Die Verweigerung gewissenhaften Dienens war eine andere Möglichkeit, es dem Herrn heimzuzahlen – wenn man sich nicht erwischen ließ:

 

Welcher ist aber nun ein treuer und kluger Knecht, den der Herr gesetzt hat über sein Gesinde, daß er ihnen zu rechter Zeit Speise gebe? Selig ist der Knecht, wenn sein Herr kommt und findet ihn also tun. Wahrlich, ich sage euch: Er wird ihn über alle seine Güter setzen. (Matthäus 24,45 – 47)

 

So weit, so gut – für den getreuen Knecht. Doch wenn

 

… jener, der böse Knecht, wird in seinem Herzen sagen: Mein Herr kommt noch lange nicht, – und fängt an zu schlagen seine Mitknechte, ißt und trinkt mit den Trunkenen: so wird der Herr des Knechts kommen an dem Tage, des er sich nicht versieht, und zu der Stunde, die er nicht meint, und wird ihn zerscheitern und … da wird sein Heulen und Zähneklappern. (Matthäus 24,48 – 51)

 

Eine für einen Sklaven seltene, doch süße Rache war Callistus vergönnt: Nachdem sein Herr ihn als wertloses Besitzstück verkauft hatte, machte ihn sein neuer Besitzer zum Türhüter. Als nun sein früherer Herr das Haus betreten wollte, wies er ihn seinerseits als unwürdig ab (Seneca, Briefe an Lucilius 47).

Oft waren Sklaven versucht, Leid und Schaden zuzufügen. Aus Ägypten ist bezeugt, dass Sklaven ihren Herren keinen Respekt erwiesen, sie anschrien und auf andere Art beleidigten. Sie sollen sich sogar an gewalttätigen Angriffen in den Straßen beteiligt haben. Dieses Verhalten nahm zum Teil bedrohliche Ausmaße an, so dass das Leben eines Sklavenhalters nicht ohne Risiko war. Zum Mord an einem Herrn kam es vermutlich selten, doch die Elite, die umgeben von Sklaven lebte, war potenziell immer das Ziel extremer Gewalt, und Beispiele gab es genug, so dass ihnen die Möglichkeit immer gegenwärtig war. Neben Beispielen in der Literatur der Elite erzählt eine Inschrift aus Mainz die Geschichte von der Rache eines Sklaven:

 

(Grabstein für) Iucundus, Freigelassenen des Marcus Terentius, Viehzüchter. Wer du immer vorübergehst und dies liesest, bleib stehen, Wanderer, und sieh, wie schmählich entrafft ich nutzlos klage. Nicht länger konnte ich leben als 30 Jahre, denn mir entriß ein Sklave das Leben und stürzte sich selbst in den Fluß. So hat der Main ihm genommen, was er seinem Herrn geraubt hatte. Sein Patronus hat dies aus eigenen Mitteln aufgestellt. (CIL XIII 7070 = ILS 8511, Mainz/Walser, Nr. 65)

 

Eine andere stammt aus Clunia (Penalba de Castro) in Spanien:

 

Atia Turellia, Tochter des Gaius Turellius, 27 Jahre alt, wurde von einem Sklaven erschlagen. Gaius Turellius und Valeria [errichteten dieses Grabmal] (AE 1992, 1037)

 

Zu Gewalt im großen Stil gegen Sklavenhalter kam es nicht; Sklavenaufstände hatten vor Beginn der Kaiserzeit praktisch ihr Ende gefunden. Entlaufene Sklaven allerdings förderten immer wieder Gesetzlosigkeit, die dann mitunter fast in Rebellion münden konnte. Jedoch fehlten die klassischen Bedingungen für Rebellionen: Die Sklavenpopulation war nicht überwiegend männlich oder sehr viel zahlreicher als die freie Bevölkerung und ihre Versklavung nicht jüngeren Datums. Diese extreme Form der Gewalttätigkeiten hat im Denken der Sklaven sehr wahrscheinlich keine größere Rolle gespielt.

Anders die Absicht, sich selbst Gewalt anzutun. Aus dem Vergleichsmaterial lässt sich mit einiger Sicherheit schließen, dass Selbsttötung als eine Möglichkeit galt, den Schrecken der Sklaverei zu entkommen. Suizide von Sklaven sind in Rechtstexten erwähnt, und fester Bestandteil der Beschreibung von Sklaven, die zum Verkauf standen, war offenbar die Erklärung, ob sie jemals versucht hatten, sich zu töten. Oben wurde der Fall des Sklaven zitiert, der seinen Herrn ermordete und sich danach in einen Fluss stürzte. Darüber hinaus aber gibt es erstaunlich wenige Beispiele von Sklaven, die Selbstmord begingen. Aufschlussreich ist allerdings, dass Lucius im Goldenen Esel daran denkt, sich seinem Elend durch Selbstmord zu entziehen, auch wenn er den Gedanken nicht in die Tat umsetzt.

Geplant und auch umgesetzt wurde von zahlreichen Sklaven dagegen die Befreiung durch Flucht, was aus Traumdeutungen und Weissagungen deutlich wird. Der Hauptgrund waren Misshandlungen, das Hauptbedenken die Rücksicht auf eine bestehende Familie und soziale Bindungen, die man würde aufgeben müssen. Im Leben Äsops finden sich laufend Erwähnungen von Flucht als der logischen Reaktion eines Sklaven auf drohende Schläge oder andere Misshandlungen, sei es durch den Herrn oder einen Mitsklaven. Ägyptische Quellen dokumentieren die Häufigkeit von Fluchtversuchen und den Ärger, den sie dem Herrn verursachten. Die Epigraphik hat Zeugnisse für die trostlose Maßnahme hinterlassen, zu der die Herren manchmal griffen: das Sklavenhalsband. Diese Halsbänder waren mit Inschriften wie den folgenden versehen:

 

Ich bin Sklave meines Herrn Scholastikus, eines wichtigen Beamten. Halte mich fest, damit ich nicht aus der Villa mit dem Namen Pulverata entkomme. (AE 1892, 68, Rom)

 

Ergreife mich, denn ich bin entflohen, und bringe mich zurück zu meinem Herrn, dem hochgeschätzten Cethegus auf dem Livianischen Markt, dritte Region der Stadt Rom. (CIL VI 41 335, Rom)

 

Ich bin Asellus, Sklave des Praeiectus, eines Gehilfen des Präfekten der Getreideversorgung. Ich bin außerhalb der Mauern gegangen. Ergreift mich, denn ich bin fortgelaufen. Bringt mich zurück an den Ort, genannt »Bei der Blume«, neben den Barbieren. (CIL XV 7172 = ILS 8727, Velletri)

 

Bei der Planung und auch bei der Flucht selbst wurde von den Sklaven allem Anschein nach das Carmen Astrologicum benutzt. Horoskope, die auf ihre Situation Bezug nehmen, sind aufschlussreich: Der Geflüchtete wird »in die Ferne gelangen« oder »in der Nähe bleiben«; er »hält sich an die Straßen und schweift nicht umher und lässt sich nicht verwirren, sodass er seinen Ort erreicht, den er sich wünscht«; er »vergießt Blut an dem Ort, an den er kommt, sodass er darum mit Gewalt festgenommen wird, damit er an seinen Herrn zurückgeschickt werden kann«; er »hat Verdacht erregt und eine List benutzt, sodass er darum in Ketten gelegt wurde«; »der Flüchtige hat die Güter verloren, die er stahl, als er fortlief, er entfernte sich von ihnen, und der Flüchtige wird ergriffen und zu seinem Herrn zurückgeschickt werden, und Elend und Ketten werden ihn auf dieser seiner Flucht erreichen«. In sechs Horoskopen entkommt der Flüchtige mit Erfolg; in acht wird er aufgegriffen – vielleicht im Haus eines Mächtigen, und sein Herr erlangt ihn nur unter großen Schwierigkeiten zurück, oder sein Herr bekommt ihn zurück und verzeiht ihm. Letzteres ist offenbar das Szenario, das Paulus in seinem Brief an Philemon, den Herrn des Onesimus, vorschwebt. Das Leben des Flüchtigen konnte hart und sogar verhängnisvoll sein: Er konnte auf der Flucht sterben, durch Feuer oder Messer, von der Hand eines Menschen oder durch Tiere, oder durch ein Gebäude, das zusammenbrach und ihn unter sich begrub, durch Ertrinken bei Überschwemmungen oder Selbstmord, Hände und Füße konnten ihm abgehackt werden; er konnte erhängt, gekreuzigt oder lebendig verbrannt werden oder im Meer ertrinken. Insgesamt enthalten die Voraussagen praktisch alles, was einem Sklaven auf seiner Flucht zustoßen konnte, und vermitteln ein anschauliches Bild dessen, was manch einem Sklaven vor Augen stand, wenn er den radikalen Schritt tat und sein Heil in der Flucht suchte.

Einmal auf der Flucht, konnte der Sklave, wie es der Sterndeuter angibt, unentdeckt bleiben. Um dies sicherzustellen, griff man unter anderem zur Magie. Auf einem der magischen Papyri ist festgehalten, dass ein Flüchtiger, der drei bestimmte Verse Homers, eingeritzt auf einem kleinen Eisenblatt, bei sich trägt, »nie gefunden wird«. Auch wenn man es realistisch betrachtet – es gab keine Möglichkeit, einen Flüchtigen zu identifizieren, weil die meisten aussahen und sprachen wie die Bevölkerung, in der sie untertauchten. Wer, der ihn allenfalls anhielt, konnte wissen, ob der Verdächtigte kein freier Mann war, wenn nicht der Herr oder ein anderer erschien, ihn eindeutig beschrieb und der Flucht beschuldigte? Fehlte der übliche dokumentarische Nachweis, gab es nur wenige Mittel, den Freien vom Sklaven zu unterscheiden – charakteristische Merkmale etwa oder das Zeugnis von Freunden oder die eigene Aussage. So schließen auch Dokumente aus Ägypten Genehmigungen ein, flüchtige Sklaven ausfindig zu machen und zu bestrafen, während der jüngere Plinius über die Entdeckung von Sklaven berichtet, die sich in die römische Armee eingeschmuggelt hatten – vielen anderen war das vermutlich unentdeckt gelungen (Plinius, Briefe 10,29 f.).

Auf seiner Flucht konnte ein Sklave bei Freunden oder ehemaligen Sklaven seines Haushalts Unterschlupf finden, sich als Arbeiter verdingen, (auf illegalem Weg) in die Armee einzutreten versuchen, zum Räuber werden, sich einem Grundbesitzer als Pächter anbieten – also ungefähr all das tun, was die – freien – Armen der Gesellschaft auch taten. Vielleicht führte er ein Leben voll Mühsal, und vielleicht wurde er schließlich doch aufgegriffen. Aber Phänomene wie das Dauerthema des flüchtige Sklaven in der Literatur der Elite, die detaillierten Verweise auf ein starkes Interesse an der Flucht in den astrologischen Schriften und die Leichtigkeit, mit der ein entsprungener Sklave mit der Bevölkerung verschmelzen konnte, deuten in ihrer Gesamtheit darauf hin, dass die Flucht einem Sklaven, der unter harten Bedingungen lebte, eine echte Chance bot.

Bisher habe ich die Sklaven hinsichtlich der Personen betrachtet, die ihr Leben bestimmten – ein Sklave als Aufseher oder ein Herr –, und dabei habe ich Material konsultiert, das sich auf flüchtige Sklaven bezieht. Im Folgenden sollen Sklaven zur Sprache kommen, die ihrer Angst Ausdruck geben, verkauft zu werden. Einige wenige Sklaven betrachteten einen solchen Verkauf vielleicht als Erlösung von einem schlechten Herrn, für die meisten aber war er bedrohlich: Die Lebensumstände konnten bei einem neuen Herrn vielleicht besser, aber auch schlechter sein. Doch mehr als die Sorge um das eigene Wohl bedeutete das Schreckgespenst eines Verkaufs den Abbruch enger, positiver, stärkender Bindungen innerhalb der Gemeinschaft der Mitsklaven.

Ehe, Sexualität, Familie

Am engsten waren die Bindungen an die Familie. Obwohl Sklaven dem Gesetz nach nicht heiraten konnten – wer keine Person im rechtlichen Sinn war, konnte einem anderen nicht gesetzlich verbunden werden –, gingen sie regelmäßig dauerhafte Beziehungen ein. Ein Blick auf die Inschriften, in denen Verbindungen unter Sklaven bezeugt sind, zeigt, dass es schwierig ist, anhand der verwendeten Begriffe und Formeln Verbindungen unter Sklaven von freien Verbindungen zu unterscheiden. Verschiedentlich werden Gefährte oder Gefährtin als contubernalis bezeichnet, als »Zeltkamerad«, der herkömmliche Begriff zur Benennung eines Partners in einer Verbindung von Sklaven:

 

Den Göttern der Unterwelt. Anna, Sklavin des Quintus Aulus, lebte 19 Jahre. Ohne jede Warnung raffte ein plötzlicher Tod sie hinweg in der Blüte ihrer Jugend. Dies ist der besten Gefährtin (contubernalis) geweiht. (AE 1976, 173, Cosenza)

 

Den Göttern der Unterwelt. Hermes Callippianius errichtete dies für Terentina, Sklavin des Claudius Secundus, die 22 Jahre und 3 Monate lebte. Sie war die liebste, pflichteifrigste, würdigste Gefährtin. (CIL VI 27 152, Rom)

 

Doch häufiger als contubernalis erscheinen die traditionellen Wörter für »Gattin«, uxor und coniunx:

 

Den Göttern der Unterwelt. Ihr Mitsklave Mercurius errichtete dies für seine sehr verdienstvolle Ehefrau (uxor), Fortunata. (AE 1973, 110, Rom)

 

Errichtet für Primus, Sklave des Herennius Verus von Hilarica, seiner Ehefrau (uxor). (CIL III 11660, Wolfsberg, Österreich)

 

Dieselben Begriffe erscheinen in Rechtstexten, ein klarer Beweis dafür, dass sie auch zur Bezeichnung von Verbindungen unter Sklaven akzeptiert wurden. Offenkundig konnten Sklaven, unabhängig von ihrer genauen Rechtsstellung, sowohl in der eigenen Gemeinschaft als auch bei Freien als »verheiratet« gelten. Manchmal wurden diese Verbindungen von den Besitzern gefördert, wozu auch Varro rät: »Stärkt den Arbeitseifer der Aufseher durch Belohnungen, und seht darauf, dass sie persönliche Ersparnisse machen können und dass jeder seine Mitsklavin hat, damit sie zusammen Kinder haben können« (Über Landwirtschaft 1,17,5). Oder die Sklaven selbst bahnten die Verbindung auch ohne besondere Ermunterung an. Diese Verhältnisse waren zum Teil nicht unproblematisch, und sexuelle Kontakte blieben zweifellos nicht auf solche Zweierbeziehungen beschränkt.

In der Tat ist es schwierig, von den sexuellen Beziehungen unter Sklaven ein klares Bild zu gewinnen. Die Besitzer gingen davon aus, dass Sklaven, sich selbst überlassen, zu Ausschweifungen neigten, wozu unsittlicher Sexualverkehr miteinander und in Bordellen gehörte (Columella, Über Landwirtschaft 1,8,9 f.). Eine lockere Sexualmoral unter den Sklaven wurde in erster Linie dadurch begünstigt, dass Herren und Herrinnen sich die Freiheit nahmen, versklavte Männer und Frauen, Mädchen und Knaben als verfügbare Sexualobjekte zu behandeln, die weder das Recht noch die Mittel besaßen, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Jedes Recht auf sexuelle Integrität war ja mit der Versklavung per definitionem ausgeschlossen. Ein Sklave konnte bemüht sein, sich diese Integrität bei aller Wehrlosigkeit gegenüber einer Vergewaltigung zu erhalten; doch für die betroffene Frau oder den Mann, deren Widerstand fruchtlos blieb, hatte die Sexualität sich aus dem normalen Kontext von selbstgewählter Entspannung, Fortpflanzung oder Profit gelöst, so dass alle sozialen Regeln für ein akzeptables Sexualverhalten sich als extrem schwach erwiesen.

Für viele bedeutete diese Erniedrigung nur Elend. Für die Durchsetzungsfähigsten dagegen war Sexualität einfach eine weitere Waffe im Arsenal von Anpassung oder Widerstand. Wie oben gezeigt, konnte aus einer sexuellen Beziehung zwischen Sklavin und Herr Nachwuchs hervorgehen, der in der Regel besser behandelt wurde als andere Sklaven, und vielleicht erlangte auch die Mutter und Konkubine eine bessere Stellung im Haushalt. Es gab auch Fälle, in denen eine Konkubine von ihrem Herrn freigelassen und geehelicht wurde. Ein Knabe – hier ist Petrons Trimalchio das literarische Beispiel par excellence – konnte aus der Gunst seines Herrn über lange Zeit seinen Nutzen ziehen, sogar dann noch, wenn die jünglingshaften Reize welkten. Ein Sklave zog vielleicht den Blick seiner Herrin auf sich und fuhr gut damit. Solche Fälle blieben jedoch Randerscheinungen; im Normalfall musste ein Sklave damit rechnen, benutzt und abgeschoben zu werden, auch das ein Teil der Erniedrigung durch die Versklavung.

Wie wirkte sich diese Situation auf die Entstehung und Erhaltung langfristiger »ehelicher« Bindungen unter Sklaven aus? Nach dem Zeugnis von Inschriften zu urteilen setzten die Sklaven sich darüber hinweg. Unfähig, Missbrauch durch ihren Herrn zu verhindern, unberührt von der demütigenden Einstellung des Herrn zu ihrer Sexualität, gingen sie dennoch dauerhafte Beziehungen ein.

Epigraphische Zeugnisse zeigen, dass sich der Ausdruck der Zuneigung und Würdigung von denen freier Personen in keiner Weise unterscheidet. Viele dieser Zeugnisse betreffen Kinder:

 

Der höchst unglückseligen Pieris, Sklavin des Gavianus, die 24 Jahre lebte. Was der Tochter angestanden hätte, taten statt ihrer die unglücklichen Eltern, Anteros und Gallitana. Sie errichteten diesen Grabstein für sich – und für ihre Tochter. (CIL IX 955, Troia, Italien)

 

Dem Schatten des Primulus, dem kleinen Sohn des Sequens und der Primula. Dies wurde errichtet für ihren Sklavensohn. (CIL XIII 4199, Hetzerath, Deutschland)

 

Dies ist das Grab von Martialis zehnjährig, Loveus neunjährig und Paternus vierjährig, Sklaven im Haus des Laediensus. Von Gemellinus, dem Sklaven des Florus, errichtet für seine Kinder. (Hispania Epigraphica 6, 636, Lugo)

 

Ebenso auch Eltern:

 

Den Göttern der Unterwelt. Von Priscus und Primigenia, seinen Eltern, und Theophile, seiner Ehefrau (coniunx) errichtet für Primitivus, Sklave des Violentilla, Augenarzt. Er lebte 18 Jahre, 7 Monate und 16 Tage. (AE 1953, 59, Rom)

 

Und Geschwister:

 

Geweiht den Göttern der Unterwelt. Antinoe und Phoebe sind Schwestern und Mitsklaven der Volusii, Marcus und Aemilianus. Hier liegen Phoebe, die 6 Jahre, 10 Monate, 15 Tage lebte, und Antinoe, 1 Jahr und 20 Tage. Von Phoebus und Rhodope errichtet für ihre höchst pflichtgetreuen Töchter und ebenso von Tertius. (AE 1984, 347, Pagus Interpromium, Italien)

 

Im folgenden Beispiel sind Großeltern erwähnt, die wie der Vater noch Sklaven sind, während die Mutter bereits ihre Freiheit erlangt hat:

 

Den Göttern der Unterwelt. Von Anthus, dem Sklaven der Marci, seinem Großvater, seiner Großmutter Rhoxane, seinem Vater Terminalis und Julia Euphrantice, seiner Mutter, errichtet für ihren Sohn, Tiberius Julius. (CIL VI 35530, Rom)

 

Kinder von Sklaven waren natürlich selbst Sklaven und Eigentum des Herrn. Aus dem Wunsch, zusammenzubleiben, neigten Sklaven mit Kindern zu mehr Kooperation mit dem Herrn. Einer Frau konnte außerdem die Arbeit erlassen und sogar die Freiheit gewährt werden, wenn sie drei bis fünf Kinder geboren hatte.

Sklaven litten als Eltern denselben Kummer wie Freie, so durch den Tod eines Kindes in sehr jungen Jahren:

 

Von Novesis dem Sklavenagenten und Juventilla errichtet für Surisca, ihre höchst unglückselige Tochter, die würdig gelebt hat, aber nur 2 Jahre und 3 Monate. (CIL III 2126, Salona, Kroatien)

 

Oder durch den Tod von Mutter und Kind bei der Geburt:

 

Sie lag vier Tage in Wehen, damit sie gebäre, und sie gebar nicht und so ist sie gestorben. Mitsklave Justus hat das Grab errichtet. (CIL III 2267, Salona, Kroatien/Geist, Grabinschriften, Nr. 63)

 

Die Auflösung von Sklavenfamilien konnte für die Beteiligten und ihre engen Freunde nur großes Leid bedeuten. Aus der späteren Kaiserzeit gibt es Belege für einige Sympathie aufseiten der Behörden, was die Trennung von Sklavenfamilien durch einen Verkauf betrifft. Im Jahr 334 n. Chr. verfügte Kaiser Konstantin:

 

Hinsichtlich der kaiserlichen sardischen Güter ist darauf zu sehen, dass die neuen Besitzer von Land, das verschiedenen Eigentümern zugeteilt wurde, Sklavenfamilien nicht trennen. Denn wer würde dulden, dass Kinder den Eltern entrissen werden, Brüder den Schwestern, Ehemänner den Ehefrauen (sic)? Wenn also jemand Dienstfamilien zu verschiedenen Besitzern geschleppt hat, müssen diese getrennten Familien wieder vereint werden … Mit größter Sorgfalt ist darauf zu achten, dass in der Provinz danach keine Klagen über die Verteilung naher Angehöriger auf verschiedene Herren aufkommen. (Codex Theodosianus 2,25,1)

 

Die Verfügung wirft natürlich Licht auf die Tatsache, dass es Usus war, Familien auseinanderzureißen. Verkaufsdokumente aus Ägypten scheinen tatsächlich darauf hinzuweisen, dass die Besitzer in der Regel nicht darauf bedacht waren, Sklavenpaare oder -familien als Einheit zu verkaufen – und warum sollten sie auch, ließe sich aus der Sicht der Besitzer hinzufügen. Frauen im gebärfähigen Alter, Kinder, kräftige junge Männer, sie alle hatten ihren eigenen Markt und wurden im Allgemeinen einzeln verkauft.

Soziale und religiöse Beziehungen

Enge Bindungen entwickelten Sklaven auch bei geselligen Anlässen. Die Agrarschriftsteller rieten zwar, die Sklaven von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang arbeiten zu lassen, damit sie ermüdeten und an nichts anderes mehr denken könnten als an Essen und Schlafen (Columella, Über Landwirtschaft 1,2,9 f.), aber die Sklaven fanden dennoch Zeit für sich selbst. Das bezeugt zumindest das Lamento der Besitzer. Columella zum Beispiel klagt darüber, dass die städtischen Sklaven viel zu viel Zeit zur Verfügung hätten. Einen Gemeinplatz von Autoren der Elite aufgreifend, bemerkt er, Sklaven seien »fahrlässig und schläfrig …, gewöhnt an Nichtstun und Herumspazieren, an Zirkus und Theater, an Würfelspiel und Garküche und Bordelle« (Über Landwirtschaft 1,8,2). Diese Situation war das Ergebnis eines »Personalüberschusses« im städtischen Bereich. Auf den Landgütern dagegen konnten die Sklaven, wie die einschlägigen Autoren wiederholt eindringlich empfehlen, von morgens bis abends bis zur Erschöpfung beschäftigt werden, so dass sie zum Herumbummeln weder Zeit noch Lust hatten. In städtischen Haushalten wurden Sklaven eher aus Statusgründen denn als notwendige Arbeitskräfte gehalten. Es gab bei weitem nicht genug Aufgaben, um sie mit Arbeit einzudecken, und man beschäftigte sie ebenso, um sich glanzvoll zur Schau zu stellen, wie der Dienste wegen, die sie verrichteten. Eumolpus gibt in seiner Scharade in Kroton vor, alle seine Sklaven seien auf See umgekommen: »Zu dieser Betrübnis sei jüngst ein Schiffbruch hinzugekommen, bei dem er mehr als zwei Millionen eingebüßt habe; dabei rege ihn nicht der Schaden auf, sondern nach dem Verlust seiner Untergebenen erkenne er sich in seinem Rang nicht wieder« (Petron, Satyrica 117). Seine Sklavenentourage hielt er sich nicht, weil jeder Einzelne wichtige Aufgaben zu erledigen hatte, sondern weil die bloße Tatsache ihrer Anwesenheit zu seinem Ansehen beitrug. So hatten viele Sklaven in städtischen Haushalten tatsächlich genug Zeit für ein aktives Sozialleben.

Sklaven konnten sich neben der Zeit, die sie im Ablauf der täglichen Pflichten für sich gewannen, auch auf Festtage freuen. Ihre Herren wussten sehr gut um den Wert zeitweiliger Gelegenheiten, sich zu zerstreuen und Dampf abzulassen – beides half den Sklaven, ihr Leben in der Erniedrigung um einiges glücklicher zu gestalten. Columella rät, den Sklaven an Feiertagen kleine Geldgeschenke zu machen und mit ihnen auf freundliche Weise geselligen Umgang zu pflegen, sogar mit ihnen zu speisen – eine Praxis, die schon in den Schriften des Aristoteles empfohlen wird. Aus einem ägyptischen Mietvertrag für Sklaven geht hervor, dass ein Sklave jährlich acht Ferientage beanspruchen konnte. Der Vertrag hält fest, dass die Inanspruchnahme einer größeren Zahl von Tagen anteilmäßige Kürzungen der Mieteinnahmen nach sich ziehen würde.

In Rom gab es drei »Sklavenfeste«: die Saturnalien (Ende Dezember), das Fest der Haussklavinnen (ancillarum feriae) am 7. Juli und den Festtag der Sklaven (servorum dies festus) am 13. August. Die Saturnalien wurden in weiten Teilen des Kaiserreichs gefeiert, während die übrigen zwei nur gebietsweise verbreitet waren. Andernorts feierte man eigene Feste. Darüber hinaus nahmen die Sklaven zweifellos auch an allgemeinen Festlichkeiten teil, die mitunter auf wenige Orte beschränkt oder sogar individueller Art waren – zum Beispiel für den »Schutzgeist« (genius) des Herrn oder die Schutzgötter des Haushalts, die Laren (lares), oder für die Toten. Während dieser Zeiten konnten die Sklaven auf eine Lockerung der Regeln hoffen, die ihnen auferlegt waren, auf besseres Essen, auf die Gelegenheit, sich so schmuck wie möglich zu kleiden, auf Geselligkeit – und oft auch auf allgemeine Zechgelage.

Durch einen Verkauf wurden oft nicht nur soziale, sondern auch religiöse Bindungen gelöst. Doch während einige religiöse Aktivitäten auf einzelne Haushalts- und Familieneinheiten beschränkt waren, umfassten andere weit größere Gemeinschaften – wie die Verehrung der Göttin Isis, der Äsop im Leben Äsops huldigt. Inschriften zeigen, dass Sklaven eine große Zahl traditioneller »größerer Götter« wie Minerva, Mars, Merkur und Jupiter verehrten, ebenso wie Mithras, Isis und den Gott der Christen. Wenig überraschend ist auch Fortuna Gegenstand der Verehrung, und sehr populär ist Silvanus; auch Jupiter Liber – »der Freie« – passte offenbar gut ins Bild. Die folgende Weihung fand sich auf Delos, einem Hauptumschlagplatz für Sklaven:

 

Marcus Granius Heras, Freigelassener des Marcus, Diodotus Seius, Sklave des Gaius und Gnaeus, Apollonius Laelius, Sklave des Quintus, Prepon Alleius, Sklave des Marcus, Nicandrus Rasennius, Sklave des Marcus, errichteten die Statue Jupiters des Freien. (CIL III 14 203.3 = ILS 9236)

 

Selbstverständlich nahm man, ob Sklave oder Freier, seine Zuflucht mit besonderer Vorliebe auch zu Magie und Aberglauben. Columella empfiehlt dem Besitzer, er solle sich vergewissern, dass der Aufseher der Sklaven Seher und Hexen (haruspices und sagae) vom Hof fernhielt, »die beide durch sinnlosen Aberglauben Ungebildete zu Ausgaben und weiterhin zu Schändlichkeiten verführen« (Über Landwirtschaft 1,8,6). Interessant ist, dass die griechischen magischen Papyri nicht eine einzige Zauberformel oder Bezugnahme auf magische Praktiken enthalten, die sich speziell auf die Situation oder die Bedürfnisse eines Sklaven richten; Ausnahmen sind der oben zitierte Papyrus zum Schutz flüchtiger Sklaven und vereinzelte Beispiele, die sich auf Sklaven in einschlägigen Berufen, zum Beispiel Wagenlenker, beziehen. In Analogie zur Neuen Welt wären gerade solche Zaubersprüche zu erwarten, ein Fluch auf einen Aufseher zum Beispiel, doch dafür fehlt jedes Beispiel. Man muss annehmen, dass Sklavenhexen und -zauberer ihre eigenen okkulten Formeln hatten, die begreiflicherweise nicht Teil der magischen Handbücher waren, zumindest nicht derjenigen, die erhalten sind. Anders steht es mit der Wahrsagerei. Wie bereits erwähnt, beziehen sich viele Deutungen in Artemidors Traumbuch direkt auf Sklaven. Zu den Stammkunden Artemidors, die er auch für seinen Sohn erwartet, gehörten offenkundig die Sklaven. Man kann sich gut vorstellen, dass auch weniger skrupulöse »Fachleute« wie die Seher mit Sklaven aus Stadt und Land ein gutes Geschäft machten. Sie zu befragen war ein gesuchtes Mittel, um sich gegen die Unberechenbarkeit des Sklavenlebens zu wappnen.

Freiheit

Inmitten der Bindungen an Familie, Freunde und Religion war die Trennung durch Verkauf eine ständige Bedrohung. Diese Angst prägte das Leben eines Sklaven. Ein Ende dieser Angst versprach vor allem der Weg in die Freiheit, und jeder Sklave war von dem verzehrenden Wunsch nach Freiheit erfüllt. Trotz möglichen Verlusts gewisser Sicherheiten galt, was der Wächter in Plautus’ Komödie Die Gefangenen (119) sagt: »Wir sind ja alle auch wahrhaftig lieber frei / Als Sklaven.« Im Leben Äsops bedrängt Äsop seinen Herrn beständig mit der Bitte, ihn freizulassen – der Herr, Xanthus, verspricht es immer wieder und lehnt es ebenso häufig ab. Deutet man die Abenteuer des »Esels« Lucius in Apuleius’ Roman als Metaphern für ein Leben in der Sklaverei, ist die Rose, die Lucius fressen muss, um seine menschliche Form wiederzugewinnen (und, wie sich zeigt, auch die Erlösung zu Füßen der Isis), die Freiheit selbst. Das Carmen Astrologicum enthält zahlreiche Horoskope, die die Freilassung eines Sklaven in Aussicht stellen. Dasselbe versprechen Traumdeutungen bei Artemidor. Viele Inschriften stammen von freigelassenen Sklaven, und in der Literatur der Elite wird oft darauf Bezug genommen. In der folgenden dankt ein Ex-Sklave für göttliche Hilfe:

 

Geweiht dem Schutzgeist der Annii Macer und Licinianus. Ich Alphios, ihr Sklave, errichtete dies, um mein Gelöbnis zu erfüllen – ich bin jetzt frei! (CIL XII 619, Auriol, Frankreich)

 

Die manumissio, das Losgeben des Sklaven, stand völlig im Belieben des Herrn. Die einzige Ausnahme war, dass vor einem Beamten eine unrechtmäßige Versklavung und damit der freie Status nachgewiesen werden konnte. Häufig nutzten die Besitzer das Versprechen der Freilassung, um die Sklaven nach ihren Wünschen zu lenken. In den Agrarschriften ist dieses Versprechen unter den Belohnungen, die zur Ermunterung von Sklaven vorgeschlagen werden, allerdings nicht aufgeführt. Die Freilassung konnte entweder durch die Erklärung des Herrn vor Freunden oder vor einem Beamten erfolgen, durch den eigenen Freikauf oder testamentarisch. Wurde ein Sklave förmlich vor einem Beamten freigelassen, erhielt er ein Dokument zum Beweis (Digesten 3,2,8,1). Aus Ägypten sind Verträge für eine Freilassung bekannt, doch das eigentliche Beweisstück, das amtliche »Papier«, das die Freilassung bestätigt, wurde nur selten gefunden. Es gibt einige griechische Beispiele. Hier ein lateinisches:

 

Abb. 13. Auf dem Weg in die Freiheit: In einem öffentlichen Freilassungsritual (manumissio) wird ein Sklave – kenntlich an der Freiheitskappe – für frei erklärt.

Marcus Aurelius Ammonion, Sohn des Lupergos, Sohn des Sarapion, aus Hermupolis, der Größeren, alten und prächtigen, erklärt in Gegenwart seiner Freunde, dass Helena, seine im Haus aufgezogene Sklavin, etwa 34 Jahre alt, nicht länger Sklavin sein soll und jetzt frei ist. Als Preis für ihre Freiheit erhielt er 2200 Augusteische Drachmen von Aurelius Ales, Sohn des Inarous, aus dem Bezirk Tisicheos im Kreis Hermupolis. Ales, Sohn des Inarous, gab das Geld an Helena, die oben erwähnte Freigelassene und wird keine Forderung darauf gegen sie geltend machen. Gegeben in Hermupolis, der Größeren, alten und prächtigen, am siebten Tag vor den Kalenden des Augustus, als Gratus und Seleucus Konsuln waren, im dritten Regierungsjahr des Verehrten Caesar Marcus Aurelius Antoninus Pius Fortunatus. (M. Chr. 372)

 

Theoretisch hätte ein freigelassener Sklave ein solches Dokument vorweisen können, aber es war auf wenig widerstandsfähigem Material festgehalten – eingeritzt auf eine Wachstafel, die von zwei mit Feder und Tinte beschriebenen Holzplatten umschlossen war. Damit unterschied es sich von einer anderen manumissio, der Entlassung eines Soldaten aus dem Militärdienst, die in Bronze ausgestellt wurde. In der Literatur oder andernorts wird anscheinend nirgendwo ein Freigelassener angeführt, der zum Beweis seiner Freilassung ein Dokument vorweist. Wenn ein Herr einen Flüchtigen zurückfordert, wird dieser anhand körperlicher Merkmale identifiziert; die Erklärung, dass er keine Freilassungsurkunde zeigen konnte, wird nie genannt. Theoretisch hätte diese Art der Identifikation einen flüchtigen Sklaven also daran hindern können, erfolgreich zu entkommen – oder zum Beweis der Freiheit leicht gefälscht werden können –, aber sie scheint keine besondere Rolle gespielt zu haben. Dagegen wurde die Freiheit, wenn sie erreicht war, freudig gefeiert. In einem Klub, unter dessen Mitgliedern Freie und Sklaven waren, musste der neue Freigelassene zur nächsten Zusammenkunft eine Amphore voll Wein mitbringen – was dem Inhalt von drei Kisten entspricht –, um das große Ereignis gebührend zu begießen (ILS 7212, Lanuvio, Italien).

Selbstverständlich kam der Moment der Freiheit nicht für alle Sklaven, viele starben im Joch. Nur eine kleine Minderheit erlangte die Freiheit vor dem dreißigsten Lebensjahr – wenn der oben genannte ägyptische Beleg dieser Einschätzung auch widerspricht – und wenige Frauen vor dem Ende ihrer Gebärfähigkeit (Anfang vierzig). Dem Vergleichsmaterial nach zu schließen, konnten Sklaven in städtischen Haushalten eher mit einer Freilassung rechnen als Sklaven auf dem Land. Doch die Sklaven waren von Freigelassenen umgeben. Die Möglichkeit der manumissio konnte nah oder fern sein; zumindest nahm sie in der Gedankenwelt des Sklaven, seinen Vorstellungen von Gegenwart und Zukunft einen wichtigen Platz ein, wie Dichtung und andere Quellen und vor allem die Stimmen der Sklaven selbst zeigen, die in den magischen Texten zu vernehmen sind.

Fazit

Die Lebensperspektiven eines Sklaven waren begrenzt. Vordringlich war die Notwendigkeit, das Verhältnis zu seinem Herrn zufriedenstellend zu regeln, und sei es durch die Flucht. Er entwickelte enge Bindungen an die Mitsklaven bis hin zur Familiengründung und fürchtete den Bruch dieser Beziehungen durch einen Verkauf. Er sehnte sich nach der Freiheit, die ihm möglicherweise endlich gewährt wurde. Die Versklavung beraubte den Betroffenen zwar der Selbstbestimmung, aber nicht seines Selbst. Er blieb auch in der Sklaverei ein denkendes, fühlendes, handelndes menschliches Wesen und versuchte mit seinen Lebensumständen so gut wie möglich zurechtzukommen.