FREIGELASSENE

Der Freigelassene, der Ex-Sklave, ist ein gewöhnlicher Römer, von dem man sich in westlichen Gesellschaften, wo eine auch nur entfernt vergleichbare Kategorie fehlt, nur schwer eine Vorstellung machen kann. Freigelassene haben in der römischen Sozialgeschichte immer wieder die Aufmerksamkeit auf sich gezogen, weil sich die Elite auf bezeichnende und oft negative Art und Weise zu ihnen in Beziehung setzte. Ironischerweise hat ihre Präsenz in der von Vorurteilen geprägten Darstellung durch Schriftsteller der Oberschicht ihre reale Lebenswelt so gut wie unsichtbar gemacht. Freigelassene Männer und Frauen sind gewöhnlichen Freien weitgehend vergleichbar, unterscheiden sich aber nach Situation und Möglichkeiten erheblich von ihnen, und die ihren Stand betreffenden Feindseligkeiten und Missverständnisse sind irreführend genug, um eine gesonderte Behandlung zu rechtfertigen.

Die Feindseligkeit entspringt dem Bild, das die Elite von den Freigelassenen zeichnet, ein Bild, das oft als zutreffende Beschreibung des Freigelassenen überhaupt betrachtet wurde. In der Darstellung von Autoren wie Juvenal, Martial, Tacitus und Sueton erscheinen Freigelassene für die Herrschenden und ihre literarischen Wortführer zumindest als Affront und meist als Greuel. Ihren Grund hat diese Einstellung in der vitalen Bedeutung von Sklaverei und freigelassenen Sklaven in den Haushalten der Elite. Im Folgenden schildere ich Situation und Leben von Freigelassenen eingehender. Hier kurz zusammengefasst nur so viel: Für das müßige Leben der begüterten Klassen der Aristokraten waren Ex-Sklaven ebenso wie Sklaven absolut unentbehrlich. Vornehmlich die Ex-Sklaven waren mehr als bloße Arbeitskräfte – sie repräsentierten die erfolgreichsten unter den Sklaven eines Haushalts der Oberschicht. Es waren die Sklaven, die mit der Führung von Haushalt oder Landgut betraut waren; es waren die Sklaven, die mit Kapital ausgestattet wurden, um im Namen ihres Herrn Geschäfte zu tätigen. Nur mithilfe dieser abhängigen Männer, und manchmal auch Frauen, konnte ein Herr die Ressourcen verwalten und kontrollieren, die den Reichtum generierten, der die Muße ermöglichte. Für das »Privileg«, im Haushalt des Herrn ein Sklave oder Ex-Sklave zu sein, schuldete der Sklave oder Freigelassene dem Herrn und seinen Interessen Gehorsam und Pflichterfüllung. Was den Herrn betraf, war ihre Stellung eine der immerwährenden Unterwerfung (für den Sklaven) bzw. Unterordnung (für den Freigelassenen). Akzeptierten sie diese Stellung, hatte alles seine Ordnung. Oft aber wurde einem Mann mit außergewöhnlichen Fähigkeiten eine verantwortungsvolle Aufgabe anvertraut. Mit der Freilassung konnte dieser sein Talent für eigene Zwecke einsetzen und zu bedeutendem Reichtum gelangen. Daraus ergaben sich für die Aristokratie die Provokation und die Spannung, die immer dann entstehen, wenn »Außenseiter« mit Fähigkeiten und Geld die Macht und den Einfluss der traditionellen Führungsschichten herausfordern. Doch eine solche Provokation war schlimmer, wenn sie statt von Neureichen von Freigelassenen ausging, denn diese Männer waren einmal Sklaven gewesen – für die führenden Köpfe der Gesellschaft schon an sich ein immerwährender Zustand der Erniedrigung. Es war dieser Abscheu vor dem Überschreiten der Statusgrenzen, der bloße Geringschätzung zu Hass werden ließ.

Das größte Übel waren die Ex-Sklaven der kaiserlichen Familie. Sie sind in die vorliegende Darstellung im Allgemeinen nicht einbezogen, weil sie sich von den gewöhnlichen Freigelassenen durch ihre besondere Beziehung zum Kaiserhof unterscheiden; zu erwähnen ist jedoch, inwiefern sie für die Wahrnehmung der Freigelassenen durch die Elite von Bedeutung waren. Die Verbindung mit dem Herrscher aller Herrscher verlieh den kaiserlichen Freigelassenen ein besonderes Prestige. Ihnen oblag die Verantwortung, den Apparat des Imperiums in Gang zu halten, denn der Kaiser betrachtete das Reich als großen Haushalt, der zu verwalten war wie jeder andere Besitz. Sie konnten ihre Position zu ihrem Vorteil nutzen, um sich als Agenten des Kaisers dreist hervorzutun – auf Kosten der Elite, die sich den Wünschen des Kaisers fügen oder die Konsequenzen tragen musste. Die Situation war also doppelt ärgerlich: Die Elite musste sich dem Kaiser beugen und ebenso seinen Agenten, die einmal Sklaven gewesen waren.

Der Hass auf die kaiserlichen Freigelassenen, aber auch auf die blasierten Freigelassenen allgemein, führte dazu, dass diese gesellschaftliche Gruppe zur Zielscheibe schonungsloser Schmähungen wurde. Man zeigte ihnen die kalte Schulter und diffamierte sie als zeitlebens minderwertige und verächtliche Kreaturen, die nach Gesetz und Sitte als unwürdig galten, sich in der Politik, durch Heirat oder wie auch immer mit der Oberschicht zu mischen. Angesichts der Mentalität der Elite ist das alles verständlich. Allzu oft aber wird diese Einschätzung der Freigelassenen verallgemeinert. Dagegen versuche ich im Folgenden, die Lebenseinstellung der gewöhnlichen Freigelassenen und das eklatante Missverhältnis zwischen ihrem Leben und den negativen Darstellungen von Freigelassenen durch die Elite sichtbar zu machen.

Parallel zu den Anfeindungen der Freigelassenen durch die antike Elite besteht ein Missverständnis auch in moderner Zeit – die Auffassung, dass die Freigelassenen zur Bourgeoisie gehören. So wie der alte Adelsstand die Freigelassenen im Bann seiner Vorurteile beschrieb, hat man in den letzten zwei Jahrhunderten wiederholt versucht, sie als »Mittelklasse« zu verstehen, weil sie häufig in Handel und Industrie tätig waren. Eine solche »Klasse« sind sie jedoch in keiner Bedeutung, die heutigen Vorstellungen von »Mitte« entspräche, noch erfüllen sie die soziopolitischen Voraussetzungen einer Bourgeoisie. Heute sehen viele Wissenschaftler glücklicherweise von solchen Beschreibungen ab, sie finden sich jedoch in älteren Werken und oberflächlichen populären Darstellungen.

Einen unangenehmen Beigeschmack erhält die Diskussion über Freigelassene durch rassistische Untertöne. Spätere Autoren finden ihr Stichwort bei Tacitus und Juvenal und folgen deren scharfer Attacke auf den »Orontes, der in den Tiber fließt«. Von der Vorstellung ausgehend, die Völker im östlichen Teil des Reiches seien ganz allgemein weibisch, hinterhältig und widerwärtig, war die Elite überzeugt, dass die meisten Sklaven (jedenfalls solche, die zu blasierten Freigelassenen wurden) dort ihre Wurzeln hätten und die alteingesessenen, männlichen, moralischen Italiker Roms verdrängten. Dies führe, so dachten sie, schließlich zu einem endgültigen Niedergang römischer Eigenart überhaupt. Im frühen 20. Jahrhundert verfasste der große Althistoriker Tenney Frank einen äußerst einflussreichen Aufsatz, in dem er anhand epigraphischer Belege aus Rom zu »beweisen« suchte, dass die These der Alten zutreffe. Er kam zu dem Schluss, dass während des Kaiserreichs nur zehn Prozent der Römer »reinblütige« Italiker gewesen seien, volle achtzig Prozent der Einwohner Roms hingegen Freigelassene und deren Nachkommen aus dem östlichen, »orientalischen« Teil des Imperiums. Für heutige Leser ist diese Analyse unverhohlen eurozentrisch, rassistisch und ein Paradebeispiel des Orientalismus. Doch diese Statistik und die Folgerungen fügen sich so nahtlos in die parteiischen Ansichten der antiken Elite, dass sie von A. M. Duff in seiner grundlegenden Darstellung der Freigelassenen (1928) nicht ernsthaft in Frage gestellt wurden: »Es scheint also, als hätten Freigelassene und ihre Nachkommen in großem Ausmaß zum Untergang Roms beigetragen … die Freilassung, wenn sie richtig durchgeführt wurde, musste sich nicht mit so beklagenswerten Folgen auf die Bevölkerung auswirken … Der Einfluss orientalischen Blutes wäre nicht so überwältigend gewesen.« Franks Prämissen und »Beweise« wirkten noch bis in die späten sechziger Jahre nach. Es ist an der Zeit, solches Denken aus allen Untersuchungen über die Freigelassenen zu verbannen.

Freiheit

Wenn ich über Freigelassene spreche, beschränke ich mich im Grunde auf eine besondere Gruppe: auf Sklaven, die von Besitzern in die Freiheit entlassen wurden, die römische Bürger waren. Nach einer vorschriftsmäßig durchgeführten manumissio wurden diese Sklaven ihrerseits zu römischen Bürgern, zu Bürgern mit einigen rechtlichen Einschränkungen, wie zu zeigen sein wird. Befreite Sklaven aus allen anderen Völkern (man denke daran, dass es vor dem frühen 3. Jahrhundert n. Chr. keine allgemeine römische Staatsbürgerschaft gab) erhielten bei der Freilassung weder das Bürgerrecht in ihrer jeweiligen Stadt noch das des römischen Staates, sondern waren den übrigen Nichtbürgern in ihren Städten – Athen, Alexandria, Antiochia – und im Kaiserreich gleichgestellt. Aus demographischen Gründen waren die Freigelassenen also auf Italien konzentriert, wo die meisten Bürger lebten, und in geringerem Maß auf den Westen des Imperiums. Seltener waren römische Bürger, und darum auch Freigelassene, im Osten des Reiches. Außerdem lebte der Großteil der Freigelassenen offenbar mehr in städtischen als in ländlichen Gebieten, da sich die Möglichkeiten einer Freilassung im Rahmen städtischer Haushalte anscheinend häufiger boten.

Zum Freigelassenen wurde man durch die manumissio. Wie ich im 4. Kapitel gezeigt habe, war eine Freilassung jederzeit möglich. Die Männer erhielten sie wahrscheinlich meist im Alter um die dreißig, die Frauen mit dem Ende der Gebärfähigkeit. Ausnahmen waren natürlich immer möglich, doch relativ junge Männer mit besonderen Fähigkeiten boten ihren vormaligen Herren und jetzigen Patronen besonderen Nutzen; ältere Frauen waren für den Herrn vermutlich von geringerem Wert, so dass der Haushalt leicht auf sie verzichten konnte. Doch Statistiken fehlen, und viele Sklaven wurden zweifellos nie freigelassen. Für den Besitzer konnten ebenso gut persönliche wie ökonomische Erwägungen ausschlaggebend sein; wovon seine Entscheidung im Einzelnen bestimmt wurde, wissen wir nicht.

Die rechtlichen Aspekte der Freilassung lassen sich kurz zusammenfassen: Die Freilassung konnte auf verschiedene Art vollzogen werden – unter anderem als öffentlicher und formeller Akt vor einem Magistrat oder als ganz informelle Erklärung vor Freunden oder auch als testamentarische Verfügung. Es konnte einen Unterschied bedeuten, ob man formell oder informell freigelassen wurde, denn die informelle manumissio führte nicht zum Erwerb des römischen Bürgerrechts; gewährt wurde dann nur eine mindere Rechtsstellung, der sogenannte latinisch-junianische Status. Man könnte annehmen, dass weit mehr Sklaven auf informellem Weg, also mit Einschränkungen, freigelassen wurden als formell, doch die relativen Zahlen sind unbekannt. Schätzungen zufolge waren bis zu vierzig Prozent oder mehr Latiner, Genaues lässt sich jedoch nicht sagen. Die Freigelassenen selbst machen in Epigraphik oder Literatur keinen Unterschied. Keiner bezeichnet sich als »latinischer Freigelassener«; in römischen Rechtsdokumenten ist fast kein Latiner erwähnt, was darauf hindeuten könnte, dass man es nicht für wichtig hielt, zwischen Freigelassenen mit voller Staatsbürgerschaft und Latinern zu unterscheiden. Beide hatten schließlich fast dieselben ökonomischen, sozialen und gesetzlichen Rechte. Die wesentliche Rechtsunfähigkeit Letzterer lag darin, Kindern kein Erbe nach römischem Recht hinterlassen zu können. Darüber hinaus war das einzige »Problem«, dass es dem latinischen Bürger verwehrt war, in Rom oder anderen Gemeinden römischer Bürger ein politisches Amt zu übernehmen. Wie ich wiederholt betont habe, war die mangelnde Amtsfähigkeit für den Mann auf der Straße kein Grund zum Ärger, und dasselbe galt zweifellos auch für die meisten Freigelassenen. Sie hatten weder Hoffnung noch Ehrgeiz noch die geringste Absicht, sich in die Reihen der lokalen Elite zu drängen, von der Elite des Reiches ganz zu schweigen. Im Umfeld der Eliten konnte der latinische Status gelegentlich von Bedeutung sein, nicht jedoch im Leben der meisten Römer der Mittel- und Unterschicht. Es ist somit durchaus gerechtfertigt, Freigelassene, denen die Freiheit formell zugesprochen wurde, zusammen mit jenen zu behandeln, die informell freigegeben wurden; beide Gruppen werden also im Folgenden zusammengefasst.

Abb. 14. Treue Sklaven belohnte ein Herr häufig testamentarisch mit der Freilassung; so sicherte er sich auf Lebenszeit ihre Dienste und schädigte nur seine Erben, denen kostbarer Besitz entging: Auf diesem Relief umgeben Trauernde eine Bahre. Unten rechts eine Frau mit der Freiheitskappe.

Wie oben erwähnt, ließ sich das kulturelle, soziale und ökonomische Leitbild der Oberschicht nur aufrechterhalten, wenn fähigen, vertrauenswürdigen Sklaven Aufsichts- und Verwaltungsaufgaben übertragen wurden. Zwar wurden auch Freie als Arbeitskräfte verpflichtet, wenn bei einem zeitlich begrenzten Projekt Hilfe nötig war, doch gibt es kaum Belege dafür, dass man Freien die Aufsichtstätigkeit zuwies, die ein Sklave oder Freigelassener übernehmen konnte, und ausgeschlossen war eine Funktion als Geschäftsvertreter. Das Musterbeispiel eines verlässlichen Freigelassenen ist Ciceros unentbehrlicher Tiro, der zuvor sein Sklave war. In Petrons Roman ist Lichas von Tarent ein vermögender Kaufmann im Kreis der lokalen Elite, der Schiffe und Landgüter besitzt und eine beträchtliche Anzahl von Sklaven damit betraut hat, seine Geschäfte abzuwickeln. Solche Sklaven konnten irgendwann mit der Freilassung rechnen. Die Rechtsspezialisten Ulpian und Gaius stellen zweifelsfrei klar, dass Frauen ebenso wie Männer von ihren Herren als Vertreter eingesetzt werden konnten. Der Weg zur Freiheit war also mit erlernten Fähigkeiten gepflastert. Und in der Tat erhalten einige Freigelassene die Freiheit, nachdem sie als Zeugen oder Gehilfen an Giftmorden, anderen Mordtaten oder Verbrechen ihres Herrn beteiligt waren. Der Historiker Dionysios von Halikarnassos schreibt von Freigelassenen, »die als Vertraute und Komplizen ihrer Herren bei Giftmorden später von ihnen zur Belohnung ihre Freiheit erhielten« (Antiquitates RomanaeGeschichte Roms 4,24). Unmoralisches Verhalten dieser Art kann nicht überraschen; Freigelassene dienten ihren früheren Herren, und wenn diese in ruchlose Aktivitäten verwickelt waren, ist dasselbe auch von den Freigelassenen anzunehmen.

Nützlich waren Sklaven auch für konventionellere Besitzer. Im Folgenden hat ein Herr einen Sklaven freigelassen und ihm zu einer Geschäftstätigkeit für Gravuren in Gold und Silber verholfen:

 

Er sagte in seinem Leben niemand etwas Böses nach, ohne den Willen seines Patrons tat er nichts, bei ihm lag immer eine Menge Gold und Silber, aber nie begehrte er davon etwas. (CIL VI 9222 = ILS 7695, Rom/Geist, Grabinschriften, Nr. 189)

 

Dem Herrn als Sklave von Nutzen gewesen zu sein ist für die Freilassung von entscheidender Bedeutung. Es ist durchaus denkbar, dass ein Besitzer einen Sklaven aus Freundlichkeit und Rücksicht freilässt, weil dieser gute Arbeit geleistet hat, oder um sich als großzügiger Herr zu erweisen, oder um von einem Sklaven, der sich freikauft, zu profitieren, oder auch einfach, um einen Ballast loszuwerden, für dessen Unterhalt er nicht länger Geld ausgeben will. Am zweckmäßigsten war jedoch der folgende Weg: Man wählte einen jungen Sklaven aus, der besonders talentiert und verantwortungsbewusst, und vielleicht, wie im Fall des Trimalchio, auch sexuell attraktiv war, übertrug ihm Pflichten und beförderte ihn dann ins Management eines Bereichs der eigenen Geschäftsunternehmen; dann ließ man den Sklaven frei und profitierte weiter von seinen Diensten als Freigelassener und hatte somit weiteren ökonomischen Gewinn, ohne jedoch länger für die Versorgung eines Sklaven aufkommen zu müssen.

Damit ist ein lange bekanntes Merkmal der Freigelassenen angesprochen: Freigelassene sind in großer Zahl und verschiedener Funktion im Geschäftsleben tätig, was nicht nur auf Inschriften bezeugt ist, sondern auch aus Berichten der Elite sowie aus Romanen und Dokumenten hervorgeht. Das lag daran, dass die Möglichkeiten, Kapital für neue Unternehmen aufzunehmen, in der griechisch-römischen Welt eng begrenzt waren. Wegen des relativ unterentwickelten Banken- und Finanzwesens war es für den gewöhnlicher Römer schwierig, Startkapital zu annehmbaren Bedingungen zu leihen. Stufenweises, also ein direkt aus den Gewinnen finanziertes Wachstum war möglich, wurde aber durch die geringen Margen erschwert. Die Freigelassenen dagegen stiegen offenkundig in großer Zahl mit der finanziellen Unterstützung ihrer Herren ins Geschäftsleben ein, wo einige von ihnen möglicherweise schon als Sklaven tätig gewesen waren. Für den Besitzer war es die beste Lösung, denn er brauchte verlässliche Personen, die zu seinem Vorteil arbeiteten. Wenn er Sklaven einsetzte, die rechtlich Teil seines Besitzes waren, und Freigelassene, die ihm durch Bindungen und Verpflichtungen nahestanden, war eine gute Geschäftsführung praktisch gesichert. Der Rechtsexperte Gaius bestätigt das: »Ein rechtmäßiger Grund zur Freilassung liegt z. B. vor, wenn jemand … einen Sklaven, den er als Bevollmächtigten (procurator) haben will, … vor dem Beirat freiläßt« (Institutionen 1,19). Dank Sklaven und Freigelassenen konnten die Geschäfte der Elite abgewickelt werden, ohne dass man das Risiko einging, freien Partnern oder Agenten zu vertrauen, oder sich selbst die Finger schmutzig machte.

Für den Sklaven auf dem Weg zur Freiheit hielt der Herr einen doppelten Ansporn für vollen Einsatz bereit: das Versprechen der Freilassung für gute Arbeit und die Möglichkeit, selbst Geld zu verdienen und zu behalten, einen Spargroschen (peculium), der mit Blick auf den Tag der Freiheit zurückgelegt werden durfte. Die anhaltende Beziehung eines Freigelassenen zu seinem Patron war weit verbreitet. Sie konnte völlig fehlen – wenn der Patron starb oder wenn mit der Bezahlung für die Freiheit alle Bindungen durchtrennt waren –, konnte aber auch sehr eng sein, wenn der Freigelassene weiterhin im Haushalt des Patrons verblieb. Doch den Ausgangspunkt hatte der Erfolg eines Freigelassenen direkt in seinem alten Leben – den Erfahrungen unter seinem Herrn und den Chancen, die sie eröffneten.

Eine erstaunliche Parallele bietet ein Zeugnis aus Brasilien:

 

Sklaven, die sich in solchen Aufsichtspositionen als geschickt und verantwortungsvoll bewährten, wurden häufig für treue Dienste belohnt. Ihre Besitzer erlaubten ihnen, Eigentum zu eigenem Gebrauch zu erwerben, eingeschlossen Land und andere Sklaven, und sich schließlich durch Kauf ihrer selbst ihre Freiheit zu verdienen. Solche Freigelassenen blieben oft weiterhin in einer Kundenbeziehung zu ihren früheren Besitzern, so dass die Verfügung eines Sklaven oder einer Sklavin über die eigene Person und andere Sklaven für einen Sklavenbesitzer keine Bedrohung darstellte. Vielmehr erhöhte der Erfolg solcher Sklaven eher Status und Stellung des Sklavenbesitzers in der Gesellschaft, denn die Führung von Menschen war eine Funktion von hohem gesellschaftlichen Ansehen. (Karasch, Slave Life)

 

Das Leben eines Freigelassenen begann als Sklave, als Un-Person, im Haushalt seines Herrn, der familia, die ihn prägte. Mit der manumissio wurde er »wiedergeboren«, und der ihn freiließ, sein Herr, wurde zu seinem »Patron«, ein Wort mit derselben Wurzel wie pater, »Vater«. In Rechtstexten ist der Freigelassene einem Sohn gleichgesetzt. Die Digesten halten fest: »Durch den Freigelassenen (liberatus) oder den Sohn (filius) sollte die Person des Patrons oder Vaters immer geehrt und heilig gehalten werden.« Bei der offiziellen Namengebung eines römischen Bürgers ist der Vatersname durch den Namen des Patrons – die filiatio durch die libertatio – ersetzt. Die einem Sohn auferlegten Beschränkungen und Pflichten glichen weithin denen für Freigelassene, obwohl diese in wichtigen Belangen freier waren als die Söhne, die der Autorität ihres Vaters unterstanden. Ein Sohn konnte zum Beispiel nicht heiraten oder selbstverdientes Geld behalten oder selbst Eigentümer sein – im Unterschied zu einem Freigelassenen. Beide konnten gegen den Patron bzw. Vater nicht Anklage erheben oder als Zeuge gegen ihn aussagen. Vor allem aber waren beide gehalten, den Vater bzw. Patron als die Quelle ihres Daseins zu ehren und ihm zu gehorchen. Gerade Gehorsam war für den aus dem Sklavenzustand entlassenen Freigelassenen die höchste Pflicht, so wie für Sohn und Tochter. Die enge Bindung an den Haushalt zeigt sich auch bei der Bestattung zusammen mit anderen Mitgliedern der familia. Hunderte von Inschriften sind Beispiele für diesen Brauch:

 

Sextus Rubrius Logismos, Silberschmied, setzte in seinem Testament fest, dass dieses Grabmal errichtet werde für ihn selbst und Rubria Aura, seine Freigelassene, und Sextus Rubrius Saturninus, seinen Sohn, und alle seine Freigelassenen und deren Nachkommen. (AE 1928, 77, Rom)

 

Eutychia, seine Tochter, errichtete dieses Grabmal für die Geister der Toten und für Titus Labienus Patavinus, ihren sehr verdienstvollen Vater, und für ihre Freigelassenen und deren Nachkommen. (CIL V 2970, Padua)

 

Aus der durch Sklaverei und Freilassung geschaffenen Verbindung ergaben sich allerdings bestimmte Verpflichtungen, die über das hinausgingen, was für den Ersatz einer Vater-Sohn-Beziehung zu erwarten war. Sie gliederten sich in zwei Kategorien: die ungeschriebenen, zahlenmäßig nicht begrenzten obsequia (loyales Verhalten) und officia (festgesetzte Pflichten), in denen die für einen Sklaven geltenden Ideale des Gehorsams und der Pflichterfüllung ihre Fortsetzung fanden, und daneben die speziell aufgelisteten operae (Aufgaben oder besonders geschuldete Dienste). Obsequia und officia konnten all das umfassen, was dem Ansehen in der Gesellschaft dienlich war – etwa Loyalität in Auseinandersetzungen, die Pflicht, durch aktives Auftreten als Klient die soziale Bedeutung des Patrons vor der Öffentlichkeit anzuerkennen oder ihm zu helfen, wenn er einmal in der Klemme saß. Die geschuldeten Dienste, die der Freigelassene bei der manumissio ausdrücklich akzeptierte, konnten sehr unterschiedlich sein, je nachdem, ob er im Haushalt verblieb oder sich außer Haus in Geschäften oder anderen Angelegenheiten engagierte. Sie konnten etwa ein bestimmtes Stundendeputat an Arbeiten im Interesse oder im Haushalt des Patrons umfassen. Zu beachten ist, dass keineswegs alle Sklaven ihrem früheren Herrn weiterhin verpflichtet waren; ein Sklave, der sich bedingungslos freikaufte, hatte möglicherweise keine anderen Bindungen mehr an seinen Herrn als die rein emotionalen eines ehemaligen Mitglieds der familia. Beide Arten von Pflichten, die formelle wie die informelle, konnten höchst unterschiedlich sein, entsprachen jedoch dem Wunsch eines früheren Herrn, Leben und Arbeit seines früheren Sklaven zum eigenen Vorteil weiterhin unter Kontrolle zu behalten. Der unmittelbare Nutzen für den Freigelassenen wiederum bestand darin, dass die Erfüllung seiner Pflichten ihm nicht nur das Wohlwollen des Patrons, sondern auch dessen Unterstützung in persönlichen und geschäftlichen Notlagen sicherte, zum Beispiel Hilfe in Rechtsstreitigkeiten oder weiteres Investitionskapital. Das Arrangement war im Allgemeinen vorteilhaft für beide Seiten.

Gegen Missbrauch war das System selbstredend nicht gefeit. Der Freigelassene konnte überheblich werden, vor allem wenn er geschäftlich erfolgreich war, und gegen die Pflichttreue verstoßen, auf die sein Patron ein Recht zu haben meinte. Die Literatur der Elite ist voll böser Worte über undankbare Freigelassene, und auch auf dem Rechtsweg versuchte man ihnen beizukommen. Für den Adel stellten allzu mächtige Freigelassene sichtlich ein Problem dar. Für die gewöhnlichen Freigelassenen hingegen war der Missbrauch durch die Patrone das Problem, zum Beispiel die Forderung übermäßiger operae. Unter Umständen nötigte ein Patron zu Arbeiten über die vereinbarte Zeitspanne hinaus. In den Digesten ist festgehalten, dass eine Freigelassene über fünfzig nicht zur Arbeit für ihren Patron gezwungen werden konnte, was also offenkundig vorgekommen war. Ebenso konnte eine Freigelassene nicht gezwungen werden, ihren Patron zu heiraten – hatte sie allerdings als Sklavin bei der Freilassung das Heiratsversprechen gegeben, musste sie es auch halten.

Weiter kam es vor, dass die Bande der Loyalität missbraucht wurden, um Dienste zu verlangen, die wegen des Alters oder der körperlichen Verfassung des Betreffenden oder wegen des vorgegebenen Zeitrahmens unzumutbar waren, so dass die Freigelassenen keiner eigenen Erwerbstätigkeit mehr nachgehen konnten. Ein Patron konnte einem Freigelassenen ein hohes Darlehen aufzwingen und ihn so durch Schulden an sich bnden. Er konnte ihn ferner zwingen, ledig zu bleiben, so dass das Erbe an ihn, den Patron, ging statt an die Nachkommen. Im Fall einer informellen Freilassung hatte der Patron die Möglichkeit – die er auch nutzte –, mit dem Widerruf der gewährten Freiheit zu drohen, was allerdings einem Rechtsbruch nahegekommen wäre. Doch hätte es genügt, ganz einfach zu leugnen, dass die Freilassung stattgefunden hatte, besonders wenn der Patron so schlau gewesen war, sie ohne Anwesenheit von Zeugen vorzunehmen. Die Behörden standen bei Streitigkeiten vermutlich aufseiten des Patrons, wie ein Beleg aus Ägypten zeigt: Der Statthalter von Ägypten teilt einem Freigelassenen mit, er werde ausgepeitscht, falls dem Statthalter weitere Beschwerden des Patron über ihn zu Ohren kämen (P. Oxy. IV 706). Kurz, die Patrone nutzten oft jedes ihnen zur Verfügung stehende Mittel, sei es illegal oder legal, um Freigelassene unter Druck zu setzen – wie Artemidor von den Sklaven schreibt: »Viele wurden zwar freigelassen, mußten aber weiter Sklavenarbeit leisten und blieben untergeordnet« (Traumbuch, 2,31).

Weil die Freigelassenen in den Schriften der Elite sowie in Rechtstexten so prominent vertreten sind, könnte man annehmen, dass sie sehr zahlreich waren. Aber wer genau ist eigentlich als Freigelassener zu bezeichnen? Die Identität dieser Gruppe zu bestimmen erweist sich als äußerst schwierig. Sicher gibt es einige, die sich selbst als solche bezeichnen – die den Status auf ihren Grabsteinen anzeigen –, sowie auch eine Reihe von literarischen Beispielen, darunter als bekanntestes die Akteure von Trimalchios Gastmahl in Petrons Satyrica. Doch die Historiker, wie so oft im Schlepptau der Elite, griffen jede Erwähnung von Freigelassenen auf und kamen auf hohe Zahlen. Das methodische Vorgehen besteht darin, dass eine bestimmte Gruppe von Namen, meist griechischen Ursprungs, und der Status des Freigelassenen, wie er in Inschriften ausdrücklich bezeugt ist, miteinander in Beziehung gesetzt werden. Ausgehend davon, dass die meisten, wenn nicht alle Personen mit solchen Namen Freigelassene seien, werden aus dieser plausiblen Beziehung dann allgemeine Behauptungen abgeleitet, denen demographische Statistiken folgen. Auch ohne in statistische Details zu gehen, kann man feststellen, dass dieses Vorgehen höchst zweifelhaft ist. Es gibt nämlich einerseits viele freigeborene Personen mit »typischen« Freigelassenen-Namen sowie andererseits als solche bezeichnete Freigelassene mit Namen, die nicht auf dieser Liste stehen. Ob jemand ein Freigelassener ist, lässt sich mit Sicherheit nur dann sagen, wenn er selbst sich so bezeichnet – normalerweise in Form der Wendung »Freigelassener des X«, um anzuzeigen, dass er von einem bestimmten Besitzer freigegeben wurde.

Die Schwierigkeit wird dadurch nicht geringer, dass »Freigelassener« keine Kategorie für die Straße war. Will sagen, man ging gewöhnlich nicht herum und wies sich als Freigelassener aus. Offenbar wurde man von anderen auch nicht als solcher identifiziert, während Sklaven leicht zu erkennen waren. Das Neue Testament zum Beispiel enthält einen möglichen Verweis auf Personen, die Freigelassene sind (allerdings wird der Zustand des »Befreiten« als Metapher für die Beschreibung der Anhänger Christi verwendet). Behauptungen, dass etwa Lydia, die Purpurkrämerin, in der Apostelgeschichte (16) eine Freigelassene war oder Paulus der Sohn oder Enkel eines Freigelassenen, finden in den Texten selbst keine Bestätigung. Im Goldenen Esel kommt in einer Episode (10,17) eine Person vor, die als Freigelassener erkennbar ist, und ich weiß von keiner Erwähnung in den griechischen Romanen. In den Papyri sind als Freigelassene bezeichnete Personen selten; dasselbe gilt für Artemidors Traumbuch. Hier gibt es nur einen Verweis darauf, ob der Träumende eine Freigelassene heiraten wird, doch er bleibt die Ausnahme. Anders als zahlreiche soziale Klassen wie etwa Frauen und Sklaven wird der »Freigelassene« in den Träumen nicht mit stereotypen Merkmalen in Verbindung gebracht – so wird keine Beziehung etwa zwischen Arroganz oder Undank und Freigelassenen hergestellt; sie sind nicht mit bestimmten Bedeutungen verknüpft. Vorausgesetzt, dass Artemidor Deutungen zusammenstellte, die seinem eigenen Dossier ausgelegter Träume entnommen waren, muss man daraus schließen, dass in den Träumen seiner Kunden kein Freigelassener auftauchte und dass überdies die in den Schriften der Elite bezeichneten Eigenschaften Freigelassener für Träume ohne Bedeutung waren. Dazu könnte allerdings beigetragen haben, dass Artemidor für ein Publikum im griechischen Osten schrieb, wo Freigelassene weit seltener waren als in Italien. Ergänzt man das übrige Material um das Zeugnis der Träume, so wird deutlich, dass am »Freigelassenen« als einer Schlüsselkategorie allgemein kein sonderliches Interesse bestand.

Diese Gleichgültigkeit steht in schärfstem Kontrast zu dem Gefühl errungener Bedeutung, das ein Ex-Sklave verspürte, wenn er die Freiheit gewann. Darauf deutet hin, dass Freigelassene sich auf ihren Grabsteinen durch die Nennung ihrer früheren Herren oft als Ex-Sklaven zu erkennen geben.

 

Freigeborener: C. Cornelius Cai filius Lupulus = Gaius Cornelius Lupulus, Sohn des Gaius.

 

Freigelassener: C. Cornelius Cai libertus Lupulus = Gaius Cornelius Lupulus, Freigelassener des Gaius.

 

Der Freigelassene Gaius Lupulus hätte das »Freigelassener des Gaius« ohne weiteres weglassen können. Der Einschub war ebenso wenig nötig wie die Nennung des Vatersnamens (»Sohn des Gaius«). Zu betonen ist, dass derjenige, der seine Freiheit erlangt hatte, sich dieser Leistung stark bewusst war und sie freiwillig auf seinem Grabstein bekunden wollte. Er war stolz darauf, die Freiheit erlangt zu haben und als freier Mann zu sterben. Gleichzeitig schien es andere Teile der breiten Bevölkerung im Alltag wenig zu kümmern, ob sie einen Freigelassenen vor sich hatten oder nicht.

Wie hoch war die Zahl der Freigelassenen? Wie gesagt, war der Status wesentlich dadurch begrenzt, dass er nur auf diejenigen Sklaven anzuwenden ist, die von römischen Bürgern freigelassen wurden. Diese Bürger stellten bis zur allgemeinen Verleihung des Bürgerrechts im Jahr 212 n. Chr. gerade zehn bis fünfzehn Prozent der Gesamtbevölkerung des Imperiums. Die Zahl ihrer Freigelassenen betrug ungefähr eine halbe Million. Man bedenke, dass der Status mit der ersten Generation erlosch. Innerhalb einer zahlreichen Bürgerschaft wie in Italien oder einer Kolonie römischer Bürger war zu jedem beliebigen Zeitpunkt vielleicht nur eine von zwanzig Personen ein Freigelassener oder eine Freigelassene. In Gebieten mit wenigen römischen Bürgern musste man vermutlich weit über hundert Leuten begegnen, bevor man vor einem Bürger und Freigelassenen stand. Diese Angaben sind zwangsläufig sehr grobe Schätzungen, da demographische Informationen fehlen. Sie geben aber einen gewissen Hinweis auf die tatsächlich sehr geringe Zahl, vor allem im Vergleich zum Anteil der Sklaven, der etwa neun Millionen (15 %) der Gesamtbevölkerung betrug, mit zeit- und ortsbedingten Schwankungen natürlich. Von einer Bevölkerung aus Freigelassenen, die eine freie Bevölkerung »übermannte« oder auch nur zahlenmäßig sehr stark ins Gewicht fiel, kann keine Rede sein. Dieser Schluss steht in klarem Widerspruch zum Bild des »Orontes, der in den Tiber fließt«, das die Eliten heraufbeschwören, und ebenso zur angeblichen Beweiskraft der Namen von Freigelassenen, die ich im Vorangehenden kritisch untersucht habe.

Die Stimmen der Freigelassenen

Es ist an der Zeit, die Freigelassenen für sich sprechen zu lassen. Doch zuvor soll der Sohn eines Freigelassenen zu Wort kommen: Quintus Horatius Flaccus, der berühmte Dichter Horaz. In seinen Satiren (1,6,65 – 88) berichtet er, dass sein Vater ein Sklave war, der vermutlich während der Bürgerkriegsunruhen im frühen 1. Jahrhundert v. Chr. versklavt worden war. Er wurde freigelassen, arbeitete als Steuereinnehmer und lebte in Venusia. Seinem Sohn wollte er eine gute Bildung zukommen lassen, weshalb er ihn nicht auf die Schule von Venusia, sondern auf eine Schule in Rom schickte. Horaz zufolge wollte sein Vater nur, dass sein Sohn im selben Rahmen erfolgreich würde wie er. Aber die väterliche Fürsorge brachte höheren Gewinn. Seine Begabung verschaffte Horaz Eingang in den Kreis des Maecenas, Schirmherr der Künste in Rom. Horaz ist damit ein offenkundiges Beispiel für den väterlichen Ehrgeiz eines Freigelassenen. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Vater sich seines Status oder seines Berufs schämte – und dennoch wünschte er, dass seinem Sohn dank guter Bildung und Beziehungen der gesellschaftliche Aufstieg gelang. Horaz betont die allgemeine Tendenz, Personen, deren Vater ein Freigelassener ist, Geringschätzung spüren zu lassen. Doch es war nur der Versuch »emporzukommen«, der dem Sohn in den Augen der elitären Gesellschaft, mit der er jetzt herumzog, als Makel anhing. Dieser Sohn verleugnete seinen Vater nicht, sondern respektierte, was sein Vater, der Freigelassene, für ihn getan hatte, dass er ihn nach strikten moralischen Prinzipien erzogen und ihm geholfen hatte, vorwärtszukommen. Wäre Horaz im Berufsfeld seines Vaters verblieben und Kaufmann, Auktionator oder Steuereintreiber geworden, sein Vater hätte sich, wie der Sohn versichert, nicht beklagt. Im Vater des Horaz sehen wir also einen Freigelassenen, der stolz war auf das Erreichte, zufrieden mit der eigenen Situation und für seinen Sohn auf ein besseres Fortkommen bedacht.

Es ist wichtig, sich Freigelassene wie den Vater des Dichters vor Augen zu halten, wenn Wissenschaftler die Freigelassenen einer »marginalen Untergruppe der Bevölkerung« zuordnen oder etwa behaupten: »Er ist Sklave gewesen, und weder er selbst noch die anderen konnten es vergessen.« Wie ich gezeigt habe, gibt es dafür außer der Beziehung wohlhabender Freigelassener zur Elite nur spärliche Belege. Allein die Tatsache, dass kein Verbot für die Heirat zwischen Freien und Freigelassenen bestand, sollte als unzweideutiger Beleg gelten, dass gewöhnliche Menschen diese Unterschiede nicht weiter kümmerten. Die zusätzlichen Einschränkungen für eine Heirat zwischen Freigelassenen und Angehörigen der höchsten Elite, dem Stand der Senatoren, unterstreichen den Befund, dass eine »Schande« einzig in den Augen der Aristokratie vorlag. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass Freigelassene ebenso wie freigeborene Bürger von der Vermögenssteuer befreit waren; Bürgern zweiter Klasse wäre dieses Privileg kaum zugestanden worden. In der Öffentlichkeit war ein Freigelassener nicht als solcher zu erkennen. Bei der manumissio trug er traditionell die Kappe des Freigelassenen, die aber ein zeremonielles Requisit, keine alltägliche Kopfbedeckung war. In Aussehen und Kleidung waren Freigelassene von der übrigen Bevölkerung nicht zu unterscheiden. Der Freigelassene lebte nicht anders als freigeborene Römer, und Einschränkungen in seiner sozialen Stellung ergaben sich aus wirtschaftlichen Faktoren und individuellen Fähigkeiten und Ambitionen, nicht aber durch Restriktionen.

Die bestehende Rechtsunfähigkeit hielt sich in engen Grenzen und fiel praktisch nicht ins Gewicht. Wie gesagt, konnten Freigelassene in Rom oder Städten mit Selbstverwaltung keine öffentlichen Ämter bekleiden, aber wie vielen war wohl daran gelegen? Zu einigen römischen Priesterschaften blieb ihnen der Zutritt verwehrt, aber wie viele hätten ihn sich gewünscht? Sie konnten nicht in die Legionen eintreten, doch standen ihnen andere militärische und quasi-militärische Einheiten offen. Der größte Teil der Sklaven kam jedoch erst mit etwa dreißig frei, und nur die wenigsten von ihnen hätten in diesem Alter wohl noch eine militärische Karriere in Betracht gezogen. Mit einem Wort, die rechtlichen Einschränkungen waren im Leben des durchschnittlichen Freigelassenen so gut wie bedeutungslos.

Da die meisten Freigelassenen ihre Freiheit besonderen Leistungen im Dienst ihres Herrn verdankten, der Herr aber, wie es die kulturelle Norm vorschrieb, auch vom Sklaven in Freiheit Ehrerbietung und materiellen Nutzen erwartete, musste die Einstellung gegenüber dem Herrn je nach beider Persönlichkeit variieren. Einige Freigelassene respektierten ihre Patrone und schätzten sie, wie Hermeros gegenüber Askyltos erklärt:

 

… ich habe mir Mühe gegeben, meinen Herrn zufriedenzustellen, einen honorigen und würdiglichen Mann, an dem ein Nagel mehr wert war, als du es insgesamt bist. (Petron, Satyrica 57)

 

In den Grabinschriften ist eine Fülle solcher Ehrenbezeigungen von Freigelassenen gegenüber ihrem Patron zu finden. Auch wenn einige dieser Zeugnisse vielleicht als Schmeicheleien post mortem außer Acht zu lassen sind oder gemäß einem Zusatz testamentarischer Freilassung erforderlich wurden, muss die große Zahl positiver Würdigungen doch in vielen Fällen als Ausdruck guter Beziehungen gelten. Einige Beispiele:

 

Lucius Servilius Eugenes und Lucius Servilius Abascantus und Servilia Lais, die Freigelassene des Lucius, errichteten dies aus eigenem freien Willen für den besten der Patrone. (CIL V 7955, Cimiez, Frankreich)

 

Den Göttern der Unterwelt. Tiberius Claudius Onesimus, der 65 Jahre, 6 Monate und 5 Tage lebte. Aurelia Dioclia, seine Frau, und Tiberius Claudius Meligerus, sein Freigelassener, errichteten dies dem besten der Patrone. (CIL VI 15 172, Rom)

 

Den Göttern der Unterwelt. Quintus Fabius Theogonus, Farbenhändler, der auf dem Esquilin in der Nähe der Statue des Plancus sein Geschäft betreibt. Fabia Nobilis errichtet dies für den allerbesten und höchst rücksichtsvollen Patron und für sich selbst. (CIL VI 9673, Rom)

 

Andere wiederum mochten dem früheren Herrn gegenüber berechtigte oder unberechtigte Ressentiments hegen und gingen bei dem Versuch, sich den erwähnten formellen oder informellen Verpflichtungen zu entziehen, vielleicht sogar so weit, dass sie von einem Herrn vor Gericht gezerrt wurden, der die ihm geschuldeten operae einklagte. Diese Freigelassenen bleiben natürlich anonym. Belegt ist aber der Zorn eines Patrons über einen undankbaren Freigelassenen:

 

Marcus Aemilius Artema machte dieses Grabmal für Marcus Licinius Sucessus, seinen sehr verdienstvollen Bruder, und für Caecilia Modesta, seine Frau, und für sich selbst und für seine Freigelassenen und ihre Nachkommen, AUSGENOMMEN den Freigelassenen Hermes, dem ich wegen seines Unrechts gegen mich jeden Eingang und Zugang zu diesem Grabmal und jedes Näherkommen verbiete. (CIL VI 11 027, Rom)

 

In Rechtsquellen sind Beispiele für solches »Unrecht« aufgeführt, das Freigelassene ihren Patronen antaten: mangelnde Erfüllung von Pflichten gegenüber dem früheren Herrn, unverschämtes Betragen, körperliche Angriffe, Verbreitung bösartiger Gerüchte, Anstiftung zu gerichtlicher Klage gegen ihn oder öffentliche Anklage gegen ihn vor Gericht.

Die Lebensumstände waren unterschiedlich, je nachdem, ob der Freigelassene im Haus des Patrons verblieb oder einen eigenen Haushalt und Geschäftssitz gründete. Unter den gewohnten Umständen erhielt der freigelassenen Sklave zwar weiterhin Kost und Logis, doch fehlte die Handlungsfreiheit, die das selbständige Leben mit sich brachte. Andererseits konnte die Entlassung aus dem Haushalt des früheren Herrn viel weniger erfreulich sein als erhofft. Epiktet, selber ein Freigelassener, spricht philosophisch nicht wenig pikant von der Möglichkeit, dass die Welt, der ein befreiter Sklave sich ausgesetzt sehe, weitaus unleidlicher sei als die des Sklaven, die er hinter sich ließ. Ich habe die betreffende Stelle im 4. Kapitel vollständig zitiert (Epiktets Gespräche, 4,1,34 – 37).

Es fällt auf, dient aber vielleicht nur literarischen Absichten, dass bei fast allen Freigelassenen in der Episode von »Trimalchios Gastmahl« nicht zu erkennen ist, ob sie von ihrem Herrn abhängig oder unabhängig sind. Die Patrone kommen nämlich nicht vor – vielleicht nur, um die Freigelassenen selbst in den Vordergrund zu rücken und nicht, weil sie in ihrem Leben tatsächlich keine Rolle spielten. Jedenfalls aber gab es Freigelassene, die keinen Patron hatten. Diese Ex-Sklaven agierten ohne die Unterstützung, aber auch ohne die Einmischung eines Patrons.

Gelegentlich standen Freigelassene in enger Beziehung zueinander, wie das Beispiel des Aulus Memmius Clarus zeigt, dessen Grab ein Mitfreigelassener stiftete:

 

Daß zwischen mir und dir, mein liebster Mitfreigelassener, nie ein Streit geherrscht, dessen bin ich mir bewußt. Auch auf diesem Grabstein rufe ich die ober- und unterirdischen Götter zu Zeugen auf, daß ich gleichzeitig mit dir beim Sklavenverkauf zusammengekommen bin, zusammen aus dem Hause entlassen wurde, und kein Tag hätte uns je getrennt außer diesem deinem Schicksalstag. (CIL VI 22 355a = ILS 8432, Rom/Geist, Grabinschriften, Nr. 106)

 

Neben Freundschaften gab es natürlich auch Konkurrenzbeziehungen. Die Grabinschriften Freigelassener bezeugen einen Wettbewerb um Anerkennung. Allein ihre Häufigkeit, verknüpft mit der Hervorhebung von Erfolg in Familie und Geschäften, die dem Freigelassenen am Herzen lagen, legt davon Zeugnis ab. Rivalitäten dieser Art sind im Kontext einer Kultur der Ehre an der Tagesordnung. Es scheint jedoch, als seien die Freigelassenen trotz Konkurrenzdenkens in der Regel eng miteinander verbunden gewesen. Gelegentlich bildeten Freigelassene eigene Kollegien, die aber offenbar Einzelerscheinungen blieben; in der Epigraphik sind nur wenige derartige Gruppen belegt. Da normale Freigelassene weder auffällig stigmatisiert noch beeinträchtigt waren, ist zu erwarten, dass sie nicht nur mit anderen Freigelassenen, sondern auch mit Freien engere Verbindungen eingingen. Weit häufiger als Vereine von Freigelassenen waren also solche gemischter Art – sehr oft von Freien mit Freigelassenen, auch unter Einschluss von Sklaven. Manchmal stehen Freie, dann wieder Freigelassene an der Spitze. Hinweise auf die Diskriminierung Freigelassener fehlen; es gibt kein »Freigelassenen-Milieu«. Freigelassene hatten auch Umgang mit Sklaven, der sich über die Vereine hinaus auf andere Unternehmungen erstreckte, wie an einem den Laren des Augustus geweihten Altar zu sehen ist:

 

Als Gaius Caesar, Sohn des Augustus, und Lucius Paullus Konsuln waren, errichteten diese Kultbeamten den Laren des Augustus einen Altar: Quintus Numisius Legio, Freigelassener des Quintus; Lucius Safinius, Freigelassener des Lucius; Hilarus und Sodalis, Sklaven des Gaius Modius Cimber; Aeschinus, Sklave des Octavius Marcus. (CIL X 1582 = ILS 3611, Pozzuoli, Italien)

 

Ergänzend sei bemerkt, dass die hier genannten Sklaven und Freigelassenen nicht denselben Besitzer hatten, ihre Beziehungen also außerhalb des je eigenen Haushalts anknüpften.

Neben der Freiheit war die Familie die bedeutsamste Errungenschaft der Freigelassenen. Ein allerdings literarisches Beispiel für diese Wertschätzung ist Teil der Erzählung von einem unglaublich ausschweifenden Nachtmahl Freigelassener: In seiner Rede an Enkolpius verteidigt Hermeros die Gefühle der Würde und des Stolzes, die für ihn mit dem Gewinn seiner Freiheit verbunden sind:

 

»Du bist der einzige, dem wir komisch vorkommen; sieh dir deinen Professor an, einen Mann mit mehr Jahren hinter sich; dem gefallen wir. Du bist ein Grünschnabel, schwätzt nicht Muh und nicht Mäh, ein Blumentopp, was sage ich, ein aufgeweichtes Stück Leder, noch schlapper, nicht besser. Du bist also höher gestellt: iß doch zweimal zu Mittag, iß doch zweimal zu Abend! Mir ist mein Kredit lieber als ein Haufen Geld im Tresor. Kurz und gut, hat sich schon einer zweimal an mich gewandt? Vierzig Jahre bin ich Sklave gewesen; trotzdem, keiner hat gewußt, ob ich Sklave bin oder freier Mann. Na, als Junge mit langen Haaren bin ich in dieses Nest gekommen; das Rathaus war noch nicht gebaut. Trotzdem, ich habe mir Mühe gegeben, meinen Herrn zufriedenzustellen, einen honorigen und würdiglichen Mann, an dem ein Nagel mehr wert war, als du es insgesamt bist. Na, es gab Leute im Haus, die mir ein Bein stellten, mal hier mal da; trotzdem, dem Genius des Mannes seis gedankt, ich kriegte Boden unter die Füße. Das ist richtige Herkulesarbeit; denn als freier Mann geboren werden ist so leicht wie ›Komm mal her‹«. (Petron, Satyrica 57)

 

Das erste Unternehmen eines Sklaven nach seiner Befreiung war vermutlich der Versuch, auch für die Freilassung der Frau zu sorgen, mit der er in der Sklaverei zusammengelebt hatte, und mitunter die gemeinsamen Kinder. Hermeros erklärt: »… meine Kumpanin habe ich freigekauft, damit sich niemand an ihren Haaren die Hände trocknet« (Satyrica 57,5 – 6). Natürlich lebten nicht alle Freigelassenen in Verhältnissen dieser Art; wo sie aber existierten, musste die Freilassung von Frau und Kindern von größter Wichtigkeit sein. Andere Freigelassene gingen nach dem Gewinn der Freiheit vielleicht eine Ehe ein. Für die wohlhabendsten unter den Freigelassenen ergaben sich gewisse rechtliche Einschränkungen, vor allem das Verbot der Einheirat in den Senatorenstand, aber gewöhnliche Freigelassene hatten das Recht zu heiraten, wen sie wünschten, und ihre Kinder besaßen dieselben testamentarischen Rechte wie Freigeborene. Auch wenn ein Mann die Freiheit, was wahrscheinlich ist, mit ungefähr dreißig erhielt und eine Frau sogar in noch höherem Alter, konnten sie noch mit einigen Kindern rechnen. In jedem Fall galt die Familiengründung eines Freigelassenen, verglichen mit der eines Freigeborenen, als weit weniger selbstverständlich. Der sichtbarste Beweis für die hohe Bedeutung der Familie sind Inschriften auf den Grabsteinen von Freigelassenen, vor allem aber Grabreliefs. Diese zeigen nicht die mythologischen Themen und Abbildungen heroisierter Gestalten, wie sie von Grabreliefs der Elite bekannt sind. Stattdessen schauen uns gewöhnliche Menschen an, stolz gekleidet in die Bürgertracht, Toga und Stola, und oft mit einem Kind zwischen den Eltern oder an ihrer Seite.

Innige Bindungen zwischen einem freigelassenen Ehemann und seiner Frau finden ihren Ausdruck auf dem berühmten Grabstein des Aurelius Hermia und seiner Ehefrau Aurelia Philematio, der bereits im 2. Kapitel zitiert wurde (S. 67 f.). Zahlreiche weitere Inschriften drücken, wenn auch kürzer, den Respekt vor einem verlorenen Ehepartner aus:

 

Aelia Musa errichtete dieses Grabmal für ihren höchst verdienstvollen Ehemann. (CIL VI 23 324, Rom)

 

Eine andere zeigt den Respekt, den ein Sohn dem Wunsch seiner Eltern erweist, im Tod wie im Leben vereinigt zu sein:

 

Marcus Volcius Euhemerus, Freigelassener des Marcus, bittet darum, dass seine sterblichen Überreste nach seinem Tod zusammen mit denen von Volcia Chreste, seiner Frau, in eine einzige Begräbnisurne gelegt werden. Marcus Volcius Cerdo tat, was sein Vater wünschte. (CIL VI 29 460 = ILS 8466, Rom)

 

In diesen Bekundungen liebenden Gedenkens spiegeln sich die gleichen Erklärungen der Treue, Hingabe und ähnlicher Gefühle, wie man sie auf den Grabsteinen Freigeborener findet. In den Satyrica lesen wir von einem stolzen Vater, der bestrebt ist, seinen Söhnen eine erfolgreiche Zukunft zu sichern, wie es der Vater des Horaz für seinen Sohn wünschte: Echion, ein Lumpenhändler, hat zwei Söhne. Der eine ist intellektuell begabt und hat ein Studium des Griechischen und der Literatur aufgenommen. Der andere hat sein Studium abgeschlossen, besitzt einige Rechtskenntnisse und wird weiter ausgebildet, um das väterliche Geschäft zu übernehmen oder um eine andere Tätigkeit auszuüben, als Jurist vielleicht oder als Barbier oder Auktionator. Auch aus der folgenden Inschrift spricht elterliche Hingabe. Hier trauert eine Mutter um ihre Tochter:

 

Posilla Senenia, Tochter des Quartus, liegt hier. Ebenso Quarta Senenia, Freigelassene des Gaius. Vorübergehender, halt an, lies, was geschrieben ist. Einer Mutter war nicht erlaubt, sich ihrer einzigen Tochter zu freuen. Ein Gott – ich weiß nicht welcher – beneidete sie und ließ es nicht zu. Da es nicht möglich war, dass sie von ihrer Mutter als Lebende angekleidet wurde, hat ihre Mutter das geziemend getan, als ihre Zeit auf der Erde beendet war. Sie hat sie mit diesem Grab fein gekleidet, sie, die sie während ihres ganzen Lebens geliebt hat. (CIL IX 4933, Monteleone Sabino, Italien)

 

Hier wird beklagt, dass der Sohn sich nie der schwer errungenen Freiheit der Eltern wird freuen können:

 

Den Göttern der Unterwelt. Ich nenne seinen Namen nicht und sage nicht, wie viele Jahre er lebte, damit der Schmerz in unseren Herzen nicht lebendig werde, wenn wir dies lesen. Du warst ein süßes kleines Baby, aber der Tod nahm dir bald das Leben. Du hast dich nie an der Freiheit gefreut. O weh, o weh! Ist es nicht schmerzlich, dass der, den du liebst, zugrunde geht? Nun gab der ewigwährende Tod die einzige Freiheit, die er kennen wird. (CIL VIII 25 006, Karthago)

 

Über die Zahl der Kinder von Freigelassenen kann man keine Angaben machen. Man könnte vermuten, dass viele Kinder, die in der Sklaverei zur Welt kamen, losgekauft wurden und dass die freigelassenen Sklaven zu alt waren, um Kinder zu haben. Doch Gewissheit gibt es hier nicht. Ebenso wenig lässt sich sagen, was in der folgenden Generation geschah, denn das Kennzeichen des Status der Freigelassenen, das »Patronymikon«, in dem der Name des Patrons den des leiblichen Vaters ersetzt, geht bei der Namengebung von Nachkommen eines Freigelassenen natürlich verloren. Die folgende Inschrift zeigt, dass Atticus und Salviola, ein Ehepaar, sich mit der Formel »Freigelassener/Freigelassene des Eros« als ehemalige Sklaven zu erkennen geben, während ihr Sohn, das Kind jetzt freier Eltern, die traditionelle filiatio eines Freigeborenen, »Sohn des Atticus«, erhält: