Abb. 24 (links). Das Bild eines Soldaten und seiner Ehefrau schmückt ihren Grabstein im heutigen Ungarn; vor ihnen ihr Sohn. Da er wie sein Vater in der linken Hand ein Schwert hält, war auch er vermutlich Soldat.

 

Abb. 25 (rechts). Die erweiterte Familie eines Soldaten: Dieser Grabstein aus Aquincum, dem heutigen Budapest, wurde nach der Aufhebung des Heiratsverbots im frühen 3. Jh. n. Chr. errichtet. Der Text lautet: »Den Göttern der Unterwelt. Aurelia Ingenua, die Tochter, errichtete dies auf ihre eigenen Kosten für die geliebten Eltern, Aurelius Maximus, Veteran der Zweiten Hilfslegion, ihren Vater, und für Aelia Prima, ihre Mutter; ebenso auch für Aelia Resilla, ihre Großmutter. Auch Aurelius Valens, ein Soldat der Zweiten Legion, weihte dies den freundlichsten Schwiegereltern.«

So vielfältig die Beziehungen zu Frauen während der Dienstzeit auch waren, bei der Entlassung eines Soldaten konnte die Partnerin auf seinen Wunsch hin als uxor, als legale Ehefrau mit allen Privilegien einer verheirateten Frau anerkannt und damit die De-facto-Situation im Wehrdienst offiziell gemacht werden. Dabei hatte der Soldat keine Bestrafung wegen »Verletzung« des Heiratsverbots zu gewärtigen. Die Rechtsunfähigkeit war für eine Verbindung während der Dienstzeit allerdings nicht ohne Bedeutung. Vor allem war ohne eine Eheschließung nach römischem Recht das Vererben von Namen und Besitz unmöglich. Das Kind konnte nicht ins Geburtenregister eingetragen werden (Beweis des römischen Bürgerrechts). Ungeachtet des rechtlichen Status des Vaters und/oder der Mutter war jedes Kind illegal und konnte nicht als legitimer Sohn das Erbe antreten, eine Situation, die sich erst mit Lockerung der Erbschaftsgesetze änderte. Das Kind konnte natürlich zum Erben bestimmt werden, doch war eine solche Bestimmung weniger zwingend als im Fall des Sohnes, der als legitimer Sohn erbte. Hatte ein Soldat bei seiner Anwerbung Ehefrau und Kind, wurde die Ehe aufgelöst und das Kind (wahrscheinlich) als unehelich erklärt. Als sicher kann diese Herabsetzung des Status für jedes folgende Kind gelten. Auch die Mitgift der Ehefrau entfiel, ebenso eine Strafe wegen Ehebruchs.

Dennoch spielten Ehe und Familie im persönlichen Leben vieler Soldaten unzweifelhaft eine wichtige Rolle. Wie viele Soldaten Verbindungen eingingen und wen sie als Gefährtinnen wählten, ist unbekannt. Aufgrund der Namen von Ehefrauen in Grabinschriften lässt sich vielleicht sagen, dass die meisten Soldaten römische Frauen bevorzugten:

 

Lucius Plotidius Vitalis, Sohn des Lucius, aus dem Stimmbezirk Lemonia, Soldat der Fünfzehnten Legion Apollinaris, liegt hier. Er lebte 50 Jahre und diente 30. Annia Maxima errichtete dies Grab für einen sehr geliebten Ehemann. (AE 1954, 119, Petronell, Österreich)

 

Den Göttern der Unterwelt. Aurelius Victor, Soldat der Ersten Italischen Legion, lebte 36 Jahre und war 18 davon Soldat. Valeria Marcia, seine Ehefrau, und Valeria Bessa, seine Tochter, seine Erben, errichteten dieses (Grab) für einen sehr Verdienstvollen. (CIL III 13751a, Cherson, Ukraine)

 

Andere Zeugnisse zeigen, dass viele Ehefrauen Freigelassene waren, dass also am Anfang der Verbindung ein Sklavenmädchen stand.

 

Gaius Petronius, Sohn des Gaius, aus Mopsistum, lebte 73 Jahre und diente davon 26 im Kavallerieflügel Gemelliana. Er liegt hier. Urbana, seine Freigelassene und Ehefrau, errichtete dieses (Grab). (ILS 9138, Walbersdorf, Österreich)

 

Zahlreiche Inschriften nennen auch einen Soldaten im aktiven Dienst mit Ehefrau und Familie:

 

Den Totengöttern. Dies ist Marcus Aurelius Rufinianus geweiht, der 10 Jahre lebte, unserem Sohn. Ebenso auch unserer Tochter, Aurelia Rufina, die noch lebt. Marcus Aurelius Rufinus, Soldat in der Ersten Legion Adjutrix, und Ulpia Firmina, seine Ehefrau, ihre Eltern, errichteten dieses (Grab) für sie und auch für sich selbst. (Die römischen Inschriften Ungarns 5.1200, Dunaújváros, Ungarn)

 

Aus alldem geht hervor, dass Soldaten ungeachtet der offiziellen Bestimmungen Ehen eingingen und Nachkommen hatten, was bei strikter Durchsetzung des Heiratsverbots nicht möglich gewesen wäre. Augustus’ Versuch, eine militärische Familie an die Stelle der bürgerlichen zu setzen, geriet in Konflikt mit der tief in der Zivilbevölkerung verwurzelten Neigung zur Weiterführung der Familie. Es überrascht also nicht, dass gleichzeitig mit der Inszenierung des Heiratsverbots auch die Propaganda für seine Korrektur einsetzte und anhielt, bis den Soldaten schließlich im frühen 3. Jahrhundert die Heirat offiziell erlaubt wurde.

Wie kam der einfache Soldat zum heterosexuellen Beilager? Einen Versuch, die Legionäre zur Keuschheit zu zwingen oder zu ermuntern, gab es zweifellos nicht. Sexualverkehr mit Frauen war Ausweis der Männlichkeit, und Männlichkeit war die Basis der Soldatenexistenz. Vergewaltigungen, die im Rahmen eines Kampfgeschehens verübt wurden, fanden die volle Nachsicht der Offiziere. Sie galten als Attacken, die dem Töten männlicher Feinde entsprachen, nicht als Sexualakt, und sollten nicht mit der Suche nach einem Ventil für Sex verwechselt werden. Es gab jedoch zwei leicht zugängliche Möglichkeiten sexueller Entspannung ohne Anwendung von Gewalt und ohne Langzeitfolgen: Prostituierte und Sklavinnen – oft in einer Person. In den nächst den Lagern gelegenen canabae waren unter anderem auch Prostituierte im Angebot. Daneben stand, ob sie wollte oder nicht, jederzeit auch die eigene Sklavin zur Verfügung, die sich viele Soldaten während ihrer Dienstzeit hielten.

Leicht entstand auch eine andere Art der Beziehung – die zu jungen Mädchen aus dem Umkreis des Militärpostens. Ein Soldat konnte eine solche Beziehung eingehen, das Mädchen führte ihm den Haushalt, sorgte für seine sexuelle Befriedigung und erledigte andere häusliche Pflichten. Solche Gefährtinnen wurden focariae, »Herdmädchen«, genannt. Eine von ihnen hinterließ sogar eine Grabinschrift, die ihre Verbindung mit einem Marinesoldaten belegt:

 

Marcus Aurelius Vitalis war ein Soldat aus Pannonien, der 27 Jahre in der Prätorianerflotte in Ravenna diente. Valeria Faustina, seine focaria und Erbin, errichtete dieses Grab für einen großartigen Menschen. (CIL XI 39 = ILS 2904, Ravenna)

 

Die Inschriften belegen, dass Frauen häufig Beziehungen eingingen, die zu einer wilden Ehe, dem Vergnügen so vieler Soldaten, und dann auch zu Nachwuchs führten. So brauchte der einfache Soldat sexuelle Vergnügungen nicht zu entbehren und konnte sein Bedürfnis nach Frauen auf die eine oder andere Art befriedigen.

Vor wenigen Jahren wurden erste eingehende Untersuchungen zur Homosexualität in der römischen Armee der Kaiserzeit publiziert. Andere Arbeiten behandeln die offenbare schwere Bestrafung homosexuellen Verhaltens in der Zeit der Republik und stützen sich dabei auf Beispiele der Offizierskultur in Schriften der Elite, die stark von Begriffen wie »Männlichkeit« und »Ehre« geprägt sind. Zumindest zeigen brutale Strafen – die allerdings wohl nur selten verhängt wurden –, dass Homosexualität in diesen Armeen existierte. Für die Armee der späten Kaiserzeit allerdings fehlen selbst Quellen aus der Oberschicht, die über Einstellung oder Vorgehen hinsichtlich homosexueller Praktiken unter einfachen Soldaten in den Legionen aufklären könnten. Ein paar wenige Bruchstücke von Belegen können allerdings dazu beitragen, zumindest ein allgemeines Bild zu gewinnen.

Beziehungen von Männern zu Sklaven und Strichjungen wurden von der Elite zwar mit Stirnrunzeln aufgenommen, und das nicht ganz ohne Heuchelei, im Allgemeinen aber achselzuckend akzeptiert. Da einfache Soldaten und besonders Zenturionen sich Sklaven hielten, waren homosexuelle Beziehungen auch in der Armee üblich. In Plautus’ Pseudolus (Pseudolus, der Erzschelm – 1180 f.) wird ein Sklave ebendieses Verhaltens beschuldigt: »Wenn des Nachts der Hauptmann ging auf Wache und du mit ihm gingst, / Sag, geriet in deine Scheide nicht schon mal des Hauptmanns Schwert?« Im Epigramm 1,31 und andernorts spricht Martial von der sexuellen Beziehung des Zenturios Aulus Pudens zu seinem Sklavenjungen Encolpus. Auch Verhältnisse mit männlichen Prostituierten wurden vermutlich toleriert. Es dürfte also höchst unwahrscheinlich sein, dass Soldaten, die an sexuelle Befriedigung durch Sklaven und bezahlte Partner gewöhnt waren, immer ablehnend reagierten, wenn ein Kamerad ihnen Avancen machte oder Bereitschaft zum Sexualverkehr erkennen ließ.

Das einzige mögliche Hindernis für den Sexualverkehr zwischen sozial Gleichgestellten, das heißt zwei einfachen Soldaten, war ein kultureller Vorbehalt, der für Römer aller Schichten gut belegt ist: Der passive oder »rezeptive« Partner in einer Beziehung wurde als weibisch stigmatisiert, und weibisch zu sein war das Gegenteil der Männlichkeit, deren Forderung Teil der soldatischen Kultur war. Mancher Soldat verzichtete wohl auf eine sexuelle Beziehung der negativen Assoziationen wegen, anders gesagt, um sich nicht der Verletzung einer wichtigen Norm männlichen Verhaltens schuldig zu machen. Wie es scheint, galt dieses Tabu für die Bürgerarmee der Mittleren Republik und vielleicht sogar für die Späte Republik, die Zeit, auf die alle uns überlieferten Zeugnisse der Elite über die Greuel männlicher Homosexualität in der Armee zurückgehen. Danach schweigt die Überlieferung. Während der Kaiserzeit gibt es keinen Bericht über Offiziere, die ihnen unterstellte Soldaten verführen, keinen Hinweis auf eine Reglementierung der Sexualbeziehungen unter den Soldaten, nichts. Dafür wurden verschiedene Erklärungen vorgeschlagen. Einen Hinweis liefert ein historischer Vorfall: Als zwei Soldaten beschuldigt wurden, an der Verschwörung des Saturninus zur Ermordung Kaiser Domitians beteiligt gewesen zu sein, erwiderten sie, das sei unmöglich, denn es sei bekannt, dass sie »Penetrierte« seien, das heißt die passiven Partner im homosexuellen Verkehr, deswegen seien sie so sehr marginalisiert, dass niemand sie in eine Verschwörung einbezogen hätte (Sueton, Leben des Domitian 10,5). Diese Erklärung vermittelt das Bild von Soldaten, die um die passive Rolle einiger ihrer Waffenbrüder wussten, dies als Stigma bewerteten, doch nichts weiter unternahmen. Es gibt kein »Outing«, keine Bestrafung außer einer gewissen Marginalisierung innerhalb der soldatischen Gemeinschaft. Der soziale Druck bewirkte wohl, dass die Soldaten sich bemühten, ihren Umgang vor ihren Kameraden soweit möglich zu verbergen, doch die Beziehungen wurden eindeutig fortgeführt. Solange jedoch ein Soldat entweder die äußeren Attribute der Männlichkeit wahrte, oder immer wieder seine Fähigkeit demonstrierte, in Übungen, Strapazen und Kämpfen seinen Mann zu stehen, hatte er außer gelegentlichen Sticheleien nichts zu befürchten.

Das religiöse Leben

Die Anpassung eines Soldaten an das Militärleben versuchte man auch dadurch zu erreichen, dass man der Religion einen neuen Inhalt gab. Die Gottheiten, die ein Soldat vor seiner Rekrutierung verehrt hatte, wurden mit seinem Dienstantritt natürlich nicht verboten. Doch wurde er angehalten, sich statt eines Spektrums lokaler/ethnischer Götter den zwei alles überragenden Manifestationen des Göttlichen zuzuwenden: dem Kaiser und der »offiziellen« römischen Gottheit Jupiter Optimus Maximus mitsamt dem Rest des Pantheons sowie dem »Ewigen Rom« und der Victoria Augusti als Inbegriffen des römischen Staatswesens.

In der Person des Kaisers fielen Kriegs- und Staatsführung untrennbar zusammen. Die offizielle Religion legte den Akzent auf die Einheit der Streitkräfte wie auch auf die zentrale Rolle des Kaisers darin. Das sichtbare Zeichen dieser Funktion war die Privatarmee des Kaisers als der Verkörperung Roms. Augustus wuchs über den Rang seiner kriegführenden Vorgänger und Zeitgenossen hinaus und beanspruchte nicht die Vormachtstellung im Staat, sondern quasigöttliche Führerschaft, um zum Synonym des Staates zu werden, was schließlich unter seinen Nachfolgern realisiert wurde. So waren Treue zu Rom und Treue zum personifizierten Rom, dem Kaiser, im Geist des Soldaten untrennbar verbunden. Treue zum Kaiser war das Zentrum des Soldatenlebens: »diese, die bloß ihren Sold empfangen, schwören, daß ihnen auf der Welt nichts wichtiger noch angelegner sein sollte, als des Kaisers Wohl« (Epiktets Gespräche 1,14,15). Vegetius (2,5) und fragmentarische Quellen ermöglichen eine ungefähre Vorstellung: Die Soldaten schwören bei der Majestät des Kaisers, mit Eifer alles zu tun, was der Kaiser befiehlt, sein Wohlergehen (salus) und das seiner Familie zu sichern, nie fahnenflüchtig zu werden noch sich zu weigern, für Rom zu sterben. Mit Sicherheit wurde der Eid jährlich wiederholt, wahrscheinlich aber wurde er jeden Morgen beim Wecken gesprochen. Auf jeden Fall aber war sein Credo allgegenwärtig. Die Soldaten nahmen den Eid ernst:

 

Dies ist der Sicherheit des Kaisers geweiht. Ich, Lucius Maximius, Sohn des Lucius aus der tribus Voltinia, aus Wien, habe als neuer Rekrut vor der Zwanzigsten Legion Valeria Victrix im Namen der heiligen Siege des Augustus einen Schwur abgelegt. Jetzt nach 57 Dienstjahren und Aufstieg in den Rang des obersten Zenturionen in der Ersten Italischen Legion habe ich meinen Schwur erfüllt. Datiert im Jahr der Konsuln Marullus und Aelianus (184 n. Chr.). (AE 1985, 735, Svischtov, Bulgarien)

 

Der Kaiser war in zahlreichen quasi-religiösen Elementen des Lebens der Soldaten präsent. Die Untereinheiten der Armee erhielten kaiserliche Namen; eine Standarte in jedem Lager trug das Bild des Kaisers und hatte ihren besonderen »Träger« (imaginifer); sein Porträt schmückte Waffen und andere Ausrüstung, es war auf allen Münzen eingraviert; alle Belohnungen und Medaillen kamen von ihm (auf dem Weg über die lokalen Kommandanten). Der Kaiser war eine Quelle großzügiger Spenden, nicht nur des regulären Soldes, sondern auch gelegentlicher Schenkungen sowie Zuwendungen im Todesfall. Er spielte im Wechsel die Doppelrolle des commiles – des Waffenbruders – und des göttlichen Führers, eine Art Gott-mit-uns.

Ebenso geordnet wie das Lagerleben waren auch die kultischen Rituale. Diese Ordnung war dem Zivilleben fremd, wo die Teilnahme an kultischen Aktivitäten ganz dem Einzelnen überlassen blieb. Aus der griechischen Stadt Dura Europos im heutigen Syrien ist ein reichsweit gültiger Opferkalender erhalten, der den Soldaten die alten Götter und das Kaiserhaus als Quellen des Seins einschärfen sollte. Hier sind Tag für Tag die zu verrichtenden religiösen Handlungen aufgeführt: die Ehrung bestimmter Götter, Bittgebete an den Kaiser, die Feier von Geburtstagen der kaiserlichen Familie samt Opfer, dankerfüllte Erinnerung an frühere Siege und die Feier der geheiligten Feldzeichen der Legion. Solche Zeremonien dienten nicht nur dem Zweck, die Armee auf den Kaiser und Rom einzuschwören; diese Paraden und Feste waren, unabhängig von der erklärten Absicht, als solche auch Ausdruck der Einheit – und Anlass zur Zerstreuung. Feiern boten auch Gelegenheit, die strikte Disziplin des Lagers außer Acht zu lassen. Sie konnten in exzessive Trinkereien ausarten und für einmal alle Regeln vergessen lassen. So gaben die Zeremonien dem einfachen Soldaten das Gefühl der Identität mit seiner Einheit und seinem Leben sowohl Abwechslung von der Alltagsroutine als auch Bedeutung.

Wie die Heiratsregeln trug auch der religiöse Aspekt des Soldatenlebens dazu bei, eine neue Form der Treue zum Staat zu schaffen, die sich von der des zivilen Lebens unterschied. Die Rekrutierung trug alle Merkmale der Initiation in eine neue religiöse Welt: die Aufnahme der persönlichen Daten, die Tätowierung, die ihn von den Nicht-Gekennzeichneten unterschied, und der dem Kaiser geschworene heilige Eid, all das diente der Neuausrichtung des Rekruten, während die religiösen Anlässe im Lauf des Jahres einerseits die Abgrenzung von der Zivilbevölkerung, andererseits die Zusammengehörigkeit der Initiierten bekräftigten.

Daneben war ein privates religiöses Leben der Soldaten jedoch nicht ausgeschlossen. Wenn man sagen kann, dass bei den kultischen Aktivitäten im Rahmen der Gemeinschaft die offizielle Religion der Truppe im Mittelpunkt stand, bei den individuellen hingegen der persönliche religiöse Glaube, dann verweist das Zeugnis individueller Weihungen auf ein lebendiges religiöses Leben (Abb. 26). Dem sollte man jedoch nicht allzu viel Gewicht beimessen. »Private« Soldatenkulte gab es nicht; die zwei in diesem Zusammenhang meistgenannten, der Kult des Mithras und der des Iupiter Dolichenus, sind durch wesentlich mehr nicht-soldatische als soldatische Weihungen bezeugt. Im Fall des Mithras-Kults stammen weniger als zwanzig Prozent der Weihungen von Soldaten, weniger als vierzig Prozent sind dem Dolichenus dargebracht. Doch obwohl nicht spezifisch »militärisch«, waren diese und andere Kulte eine Ergänzung der religiösen Orientierung, die die Legion selbst kennzeichnete.

Abb. 26. Soldaten beim Opfer.

Soldaten und soziale Mobilität

Nicht alle Rekruten, doch ein erheblicher Teil unter ihnen muss zu den Armen gezählt werden. Die oben genannten Vorteile des Waffendiensts in Verbindung mit dem Status des Veteranen bedeuteten, dass die Armee als einzige Institution der römischen Welt gelten kann, die sowohl soziales als auch finanzielles Fortkommen garantierte, wenn man hart arbeitete und lange genug lebte. Sie lieferte nicht nur die finanziellen Mittel, gleichviel, ob recht- oder unrechtmäßig erworben; weit wichtiger ist, dass sie es möglich machte, sich zwischen verschiedenen sozialen Klassen zu bewegen, was in der zivilen Welt praktisch unmöglich war. Ein einfacher Soldat konnte einen hohen Dienstgrad erreichen und dann als Veteran zum Ratsherrn werden:

 

Dieses Grabmal ist für Gaius Julius Valerio, Sohn des Gaius, aus der tribus der Papirier, Veteran der Dreizehnten Severischen Doppellegion, früher Soldat zur besonderen Verwendung, der zum Ratsherrn und vorsitzenden Magistrat der Kolonie Sarmizegetusa wurde. Gaius Julius Valerianus, auch er Offizier zur besonderen Verwendung, Carus, militärischer Versorger und Ratsmitglied der oben genannten Kolonie, Fronto, Soldat der Ersten Prätorianischen Kohorte und Sekretär des Obersten der kaiserlichen Leibwache, ebenfalls Ratsmitglied derselben Kolonie, Valeria und Carissima, ihre Kinder, errichteten dies zum Andenken an ihren Vater. Der Stadtrat hat den Platz für das Grabmal zugeteilt. (AE 1933, 248, Sarmizegetusa)

 

Solche Mobilität war unter Nicht-Soldaten fast einmalig und ein weiterer Grund für die große Anziehungskraft, die das Heer auf arme, aber auch auf weniger arme Zwanzigjährige ausübte, denen der Sinn nach Höherem stand.

Nachteile des Wehrdiensts

Bei allen Vorteilen, die sich ein Mann vom Wehrdienst versprach, gab es auch Nachteile. Gravierend war vor allem, dass der Soldat willentlich eine Beschneidung persönlicher Freiheiten und Rechte in Kauf nahm. Mit seinem Eid gab er sich in die Kontrolle seiner Herren, das heißt seiner Offiziere, die bis zur Verhängung der sofortigen Todesstrafe gehen konnte. Bei Artemidor heißt es: »Viele wurden zwar freigelassen, mussten aber weiter Sklavenarbeit leisten und blieben untergeordnet; denn ein Soldat muss dienen, auch wenn er persönlich frei ist« (Traumbuch 2,31). Wie andere Männer, die beschlossen, ihre Freiheit dem Willen eines anderen zu unterstellen, zum Beispiel Schuldknechte und Gladiatoren, kamen die Soldaten zu dem Schluss, dass die zu erwartenden Vorteile den Freiheitsverlust aufwogen. Allerdings gaben sie etwas auf, das für Zivilisten einen hohen Wert darstellte.

Tägliche Gefahren waren namentlich Krankheiten, in vormodernen Armeen die häufigste Todesursache, und natürlich militärische Aktionen, sei es in Kriegen oder in sogenannten friedenserhaltenden Operationen. Bei Artemidor heißt es, dass ein alter Mann, der davon träumt, Soldat zu werden, oft seinen Tod voraussieht (Traumbuch 2,31). Es war durchaus möglich, dass ein Soldat sein Leben ohne einen einzigen Fronteinsatz verbrachte, so wenn er zum Beispiel in der Legio III Augusta in Nordafrika oder der Legio VII Gemina im Norden Spaniens stationiert war. Legionäre an Rhein und Donau und im Osten dagegen mussten während ihrer Dienstzeit mit militärischen Aktionen rechnen. Und einige verloren ihr Leben:

 

Marcus Domitius Super, Soldat der Zweiten Legion Adjutrix, der 32 Jahre und 6 Monate lebte und im Germanischen Krieg starb. Und Aurelius Julius, der 26 Jahre und 5 Monate lebte, und Revocata, ihre Mutter, die 50 Jahre lebte. Concordius, ihr Freigelassener, errichtete dies. (Die römischen Inschriften Ungarns V 1228, Dunaújváros, Ungarn)

 

Aurelius Victor, Soldat der Zweiten Italischen Legion, vermisst im Kampf gegen den gotischen Feind. Er lebte 30 Jahre. Aurelia Lupula machte dies für einen geliebten Gatten. (CIL III 11 700, Dobrna, Slowenien)

 

Canius Otiorix, Soldat der Zweiten Legion Adjutrix, starb in Parthien. Canius Speratus, sein Sohn, errichtete dies auch für sich selbst, während er lebte, und für seine Frau, die auch noch lebt. (CIL III 3628, 3630, 10572, Szanto, Ungarn)

 

Jede Einheit konnte jederzeit zum Einsatz gegen Banditen aufgeboten werden. Auf einer Liste der Streitkräfte einer Garnison in Stobi (Mazedonien) sind die Namen von Männern aufgeführt, die ertranken und durch Banditen zu Tode kamen. Letzteres widerfuhr einem Soldaten der Zweiundzwanzigsten Legion:

 

Januarius Vosenus, Soldat der Zweiundzwanzigsten Legion … wurde von Banditen getötet … (CIL XIII 2667, Lyon)

 

Doch für die meisten Soldaten blieb nach den Stunden des Exerzierens und anderer Plackerei der tatsächliche Waffengebrauch in der Regel aus.

Ein weiterer Nachteil des Soldatenberufs war die ständig drohende Möglichkeit einer Versetzung. Wenn Männer davon träumen, Soldat zu sein, bedeutet das künftige »Schikanen, Unannehmlichkeiten, Bewegungen und Reisen«, verkündet Artemidor seinen Lesern (Traumbuch 2,31). Die größte Herausforderung und der beständigste Druck im Leben unter der Fahne war jedoch das Bemühen um eine Form des Wehrdiensts, bei der der Soldat zu seinem Recht kam. Theoretisch sollten die Zuteilung der Pflichten und die Durchsetzung der Vorschriften zwar mit Augenmaß erfolgen, doch die Soldaten machten im Allgemeinen andere Erfahrungen. Vegetius (2,19,3) deutet es an: »… damit dabei niemand mehr als billig belastet oder freigestellt wird, werden die Namen derer, die ihre Pflichten schon erfüllt haben, in kurzen Verzeichnissen festgehalten.« Der Zenturio war für den einfachen Soldaten die höchste Autorität; in seiner Hand lag es, ob das Leben der ihm Untergebenen angenehm war oder aber zur Hölle für sie wurde. Furcht und die verschiedenen Techniken, die Soldaten in Angst und Schrecken zu versetzen, waren ein grundlegendes Element der römischen Disziplin. Ein besonders grausamer Zenturio erhielt den Spitznamen cedo alterum – »Bring den nächsten!« – in Anspielung auf die Stöcke, die er reihenweise auf dem Rücken seiner Soldaten entzweibrach, wenn er sie aus Gründen der Disziplin verprügelte (Tacitus, Annalen 1,23). Außer Schlägen nennen die Digesten weitere militärische Strafen: Rügen, Geldbußen, Schwerarbeit, Versetzung in einen anderen Zweig der Armee, Herabstufung des Dienstgrades sowie unehrenhafte Entlassung. Für geringere Vergehen konnte ein Soldat mit Gerste (eigentlich Viehfutter) statt Weizen ernährt werden, oder es erwartete ihn eine psychische Strafe, die Demütigung etwa, sich einen Tag lang, den Augen der Kameraden ausgesetzt, nur mit einer Tunika bekleidet und ohne das wichtigste Statussymbol, den Schwertgürtel, vor dem Hauptquartier des Kommandanten aufzustellen. Auf Fahnenflucht stand die Todesstrafe. Bestechung war an der Tagesordnung, um allzu harter Behandlung zu entgehen oder sich ein Sonderrecht zu verschaffen. Tacitus schreibt von der Notwendigkeit, Zenturionen zu bestechen (Annalen 1,17), und bereits zitiert wurde der Brief des Claudius Terentianus mit der Bemerkung, dass »nichts geschieht ohne Geld«. Bestechung konnte einen Urlaub oder dessen Verlängerung sichern (Tacitus, Historien 1,46). Sie konnte auch die Befreiung von täglicher Mühsal bringen und die Chancen auf Beförderung erhöhen. Ein Soldat hatte eindeutig zur Bestechung bereit zu sein, wenn er sich mit seinem Zenturio gut stellen wollte.

Trieben diese harten Verhältnisse die Soldaten zur Meuterei? Die Annalen des Historikers Tacitus enthalten eine berühmte Passage (1,16,67), in der von rebellierenden Soldaten in Pannonien berichtet wird, die sich über die Schrecken ihres Daseins beklagen. Zu den Beanstandungen gehören: unverschämtes Verhalten von Zenturionen und Offizieren, schlechte Bezahlung (allerdings nennt Tacitus hier einen Denar täglich, zu jener Zeit zweifellos ein guter Lohn), häufige und harte Körperstrafen, viele gefährliche militärische Expeditionen, die willkürliche Ausweitung der vorgeschriebenen Dienstzeit sowie Beamte, die die Zuteilung von Land verweigern, das als Belohnung zum Abschluss der Dienstzeit versprochen war. Die Gefahren des Waffendiensts sind zweifellos zutreffend beschrieben: Krieg, schwierige Verhältnisse und die Härte der Disziplin. Wohl konnte es unter gewissen Umständen, und wenn sich ein entsprechender Anführer fand, zu Meutereien kommen, aber in den Quellen wird darüber nur sehr selten berichtet. Und es darf nicht unerwähnt bleiben, dass die Härte des Soldatenlebens im Lauf des zunehmend sesshaften, kampflosen Daseins gemildert wurde, ohne dass die Vorteile schwanden. Vegetius (3,4) spricht von einem Leben »müßig und in Freuden« (fraglos relative Vorstellungen!), dem sich die Soldaten an ihrem Standort hingaben – den Soldaten so willkommen wie ärgerlich für die kommandierenden Offiziere, sobald sie Soldaten für einen Feldzug brauchten.

Wenn der Dienst beendet war

Ein einfacher Soldat, der mit Zwanzig in eine Legion eintrat, konnte durchaus damit rechnen, seinen Wehrdienst zu beenden und ein Leben nach der Entlassung zu führen. Er konnte seine Dienstzeit natürlich verlängern, und Inschriften zeigen, dass dies häufig vorkam. Aber nach den üblichen zwanzig Dienstjahren hatte er den antiken Sterblichkeitstabellen zufolge im Alter von etwa Vierzig zumindest noch einige Lebensjahre vor sich. Mit anderen Worten, die Attraktivität des Wehrdiensts bestand unter anderem in der Erwartung einer ehrenhaften Entlassung und eines weiteren Lebens als Veteran; etwa die Hälfte aller Rekruten erreichte diesen Status und erfreute sich einer besonderen Behandlung durch die kaiserliche Regierung.

Die Soldaten wurden in drei Kategorien entlassen: ehrenvoll, aus Gesundheitsgründen (= ehrenvoll, unter Anrechnung seiner tatsächlichen Dienstzeit) und unehrenhaft. Nur die ersten beiden brachten ihn in den Genuss der Belohnungen, Rechte und Privilegien eines Veteranen. Jährlich wurden ungefähr 6000 bis 7000 Diensttuende als Veteranen entlassen bei einer gleichbleibenden Gesamtzahl lebender Veteranen von vielleicht 50 000 bis 60 000. Reine Veteranenniederlassungen gab es zwar, doch waren sie selten. Nach etwa fünfzig Gründungen im 1. Jahrhundert n. Chr. ging ihre Zahl immer stärker zurück. Um alle Veteranen dieser Zeit unterzubringen, wären ganze 300 Siedlungen nötig gewesen.

Besonders im östlichen Teil des Imperiums kehrten einige der Entlassenen in ihre Heimatstädte zurück. Andere ließen sich in der Nähe des Ortes nieder, wo sie zuletzt gedient hatten – dies trifft vor allem auf den Westen zu. Weitere landeten in den unterschiedlichsten Gegenden. Eine interessante Gruppe von Inschriften führt diese breite Streuung anschaulich vor Augen. Von fünf Soldaten einer Einheit, die eigentlich in Paestum (Süditalien) angesiedelt werden sollte, sind Entlassungsdokumente in Form von Bronzetäfelchen (diplomata) erhalten. Obwohl diese Soldaten keiner Bürgerlegion angehörten, sondern der Flotte, die aus Nichtbürgern bestand, liest man mit einiger Überraschung, wohin es sie verschlug. Die fünf Dokumente wurden weit verstreut aufgefunden: in Kavala (Philippi, Makedonien), Daldodeltzi (Thrakien), Pompeji (Italien, nördlich von Paestum), Agaiola (Korsika) und Slamac Slavonski (Pannonien, heute Kroatien), ein Zeichen dafür, wie die Veteranen landauf, landab im ganzen Reich Wohnsitz nahmen. Andere Veteranen wiederum ließen sich in den canabae in unmittelbarer Nähe der Lager nieder, in denen sie ihren Dienst absolviert hatten. So auch Valerius Pudens:

 

Dem Jupiter Optimus Maximus für die Gesundheit und Sicherheit des Kaisers Hadrian. Die Veteranen und römischen Bürger, die in den canabae der Fünften Makedonischen Legion angesiedelt sind, haben dies geweiht, als Gaius Valerius Pudens, Veteran der Fünften Makedonischen Legion, und Marcus Ulpius Leontius Oberste Magistrate der Bewohner der canabae waren und Tuccius Aelianus Aedil war. (CIL III 6166 = ILS 2474, Iglita, Rumänien)

 

Die Veteranen wurden insgesamt gut versorgt. Bei der Entlassung erhielten sie nicht nur ihre Ersparnisse aus den Dienstjahren, sondern auch die allen Veteranen gewährte Geldprämie. Weiteres Geld floss, wenn ihr Unteroffiziersverein auszahlte. Ein einfacher Soldat höheren Dienstgrads, ein Zenturio zum Beispiel, verließ die Armee mit genügend Kapital, um zur Elite einer Stadt gerechnet zu werden, sich zur Mitgliedschaft im Stadtrat zu qualifizieren und die höchsten lokalen Ämter zu besetzen. Zwei Beispiele mögen genügen: Ein Zenturio kehrte in seine Heimatstadt in Makedonien zurück und hatte dort das höchste Amt inne:

 

Zu Ehren des Publius Mucius, Sohn des Quintus, aus der tribus Voltinia. Er war Zenturio der Sechsten gepanzerten Legion, dann ein oberster Magistrat in Philippi. Gaius Mucius Scaeva, Sohn des Gaius, errichtete dieses Grabmal. Er handelte entsprechend dem Testament des Gaius Mucius Scaeva, Sohn des Quintus, aus der tribus Fabia. (AE 2004, 1335, Krenides, Griechenland)

 

Ein anderer ging nach der Entlassung in seine Heimatstadt in Spanien:

 

Laeta, seine Tochter, errichtete dies zu Ehren des Gaius Julius Scaena, Sohn des Lucius, aus der tribus Sergia. Er war Kommandeur der Kavallerie und führender Zenturio in der Vierten Legion, später dann ein oberster Magistrat [von Tucci]. (CIL II 16815, Martos, Spanien)

 

Ein Offizier aus dem Mannschaftsstand hatte natürlich weniger Geld, konnte aber nach dem Standard der Subelite als wohlhabend gelten. Ein Veteran aus Faventia in der Poebene – offenbar weder Zenturio noch Unteroffizier – besetzte die Stelle eines höheren Beamten in der nordafrikanischen Stadt, in der er sich niederließ:

 

Quintus Annaeus, Sohn des Quintus, aus der tribus Pollia, gebürtig aus Faventium [Italien], liegt hier, gestorben mit 53 Jahren nach einem ehrenhaften Leben. Er war Soldat in der Fünften Legion, zweimal ausgezeichnet, dann ein oberster Magistrat von Thuburnica [Nordafrika]. Quintus Annaeus Scapula hat dies beaufsichtigt. Heil auch dir [Vorübergehender]! (CIL VIII 10 605 = ILS 2249, Sidi Ali Ben Kassem, Algerien)

 

Bereits oben wurde das Beispiel eines Veteranen aus dem Mannschaftsstand angeführt, der es bis zum Magistrat der canabae in der Umgebung seines früheren Legionärslagers brachte.

Andere Veteranen besaßen genug Geld, um ins Geschäftsleben einzusteigen. Im folgenden Beispiel wurde ein Mann Keramikhändler:

 

Den Manen und dem ewigen Andenken an Vitalinius Felix, Veteran der Legio I Minervia, dem verständigsten und treuesten Menschen, Händler für Geschirr in Lyon, der … 8 Jahre, 5 Monate und 10 Tage gelebt hat. An einem Dienstag ist er geboren, an einem Dienstag ist er militärtauglich befunden worden, an einem Dienstag ist er entlassen worden, an einem Dienstag ist er gestorben. Den Stein haben Vitalinius Felicissimus, sein Sohn, und Iulia Nice, seine Gattin, aufstellen lassen, und ihn unter der Axt geweiht. (CIL XIII 1906 = ILS 7531, Lyon /Walser, Nr. 58)

 

Gentilius Victor handelte naheliegenderweise mit Schwertern:

 

Geweiht der Gesundheit und Sicherheit des Kaisers Commodus und der erfolgreichen Rückkehr der Zweiundzwanzigsten Legion Primigenia, der getreuen und rechtschaffenen. Gaius Gentilius Victor, ehrenhaft entlassener Veteran aus der Zweiundzwanzigsten Legion Primigenia, der getreuen und rechtschaffenen, Schwerthändler, bestimmte in seinem Testament, dass dieses Grabmal zu Kosten von 2000 Denaren errichtet wird. (CIL XIII 6677 = ILS 2472, Mainz)

 

Natürlich verschwendeten einige Soldaten ihr Geld an schlechte Investitionen, zügellose Weiber und Alkohol. Zu ihnen gehörte vielleicht Titus Cissonius:

 

Ich bin Titus Cissonius, Sohn des Quintus, aus der tribus Sergia, Veteran der Fünften Gallischen Legion. Während ich lebte, trank ich reichlich. Ihr alle trinkt, die ihr noch lebt! Publius Cissonius, Sohn des Quintus, tribus Sergia, sein Bruder errichtete dies. (CIL III 293/6825 = ILS 2238, Yalvaç, Türkei)

 

Doch das Leben vieler anderer verlief zweifellos gedeihlich und erfolgreich.

Verschiedene Privilegien und Sonderstellungen brachten weitere finanzielle Vorteile. Ein Dokument aus der Zeit Octavians (ca. 32/1 v. Chr.) hält fest: »… [Veteranen] sollen [von der Steuerpflicht] ausgenommen sein.« Ein zweites aus der Regierungszeit Domitians bestätigt, sie seien »… frei und ausgenommen von allen staatlichen Steuern und Zollpflichten«. Ebenfalls befreit waren sie von Aufgaben im Zusammenhang des Schiffsbaus und davon, als Steuereintreiber zu arbeiten. Ihnen wurden jedoch nicht alle Steuern erlassen. Zu bezahlen blieben die Erbschaftssteuer und die Vermögenssteuer sowie besondere Abgaben zum Beispiel für Straßenreparaturen.

Die Veteranen blieben nicht nur von der Entrichtung wichtiger Steuern verschont, sondern auch von verschiedenen Verpflichtungen im Rahmen öffentlicher Dienste. Auch dies wird in den oben zitierten Dokumenten bestätigt: Veteranen sind »… befreit von der Ausführung obligatorischer staatlicher Dienste« und dürfen »… gegen ihren Willen nicht in andere Ämter oder als Botschafter oder Aufsichtsbeamter oder Steuerpächter berufen werden« (Octavian), und »… [Veteranen] sollten frei und geschützt sein mit völliger Befreiung« (Domitian). Auch wenn ein Veteran mit dem Gesetz in Konflikt geriet, kam ihm seine Stellung zustatten. Im Extremfall blieben ihm wie den Magistraten und anderen wichtigen Persönlichkeiten einer Stadt die entwürdigenden Formen der Todesstrafe und auch die Zwangsarbeit in den Minen erspart, die praktisch einem Todesurteil gleichkam:

 

Das Privilegium der Veteranen umfasst unter Anderem auch bei Verbrechen des Vorrecht, dass dieselben hinsichtlich der Strafen von den übrigen [Verbrechern] abgesondert werden. Ein Veteran wird daher weder zum Kampfe mit wilden Tieren verurtheilt, noch erhält derselbe Stockschläge. (Arrius Menander, Vom Militärwesen = Digesten 49,18,1)

 

Gerieten diese Sonderrechte in Widerspruch zu Verpflichtungen, denen die Veteranen von Rechts wegen nachkommen mussten, oder zu möglichen Begünstigungen im Hinblick auf ihre Stellung in einem zivilen Amt, so bleibt laut dem römischen Juristen Ulpian die Immunität des Veteranen erhalten, selbst dann, wenn er Magistrat wird:

 

Die Befreiung von öffentlichen Amtslasten, welche Denjenigen, die ehrenvoll ihres Eides entbunden sind, verliehen worden, gilt auch in jenen Städten, zu deren Einwohnern dieselben gehören, und wird dadurch nicht beeinträchtigt, wenn Einer von ihnen freiwillig eine Ehrenstelle oder ein Amt übernommen hat. (Ulpian, OpinionesMeinungen 3 = Digesten 49,18,2)

 

Angesichts all dieser Privilegien und Freiheiten ist es wenig erstaunlich, dass dem einfachen Soldaten, während er die Jahre seiner Dienstzeit hinter sich brachte, der Gewinn vor Augen stand, den der Veteranenstatus mit sich bringen würde. Weit davon entfernt, bei seiner Entlassung kurz und knapp verabschiedet und mit einem kleinen Bonus abgespeist zu werden, konnte der römische Soldat den neuen Lebensabschnitt in der berechtigten Gewissheit beginnen, dass ihm in jeder Stadt seiner Wahl ein gutes Leben bevorstand.

Fazit

Uns liegt kein Tagebuch eines einfachen Soldaten vor, und seine geistige Welt ist uns nicht einmal in literarischer Darstellung erschlossen. Aber durch die Zusammenführung von Material aus einem breiten Quellenspektrum und im Besonderen durch Einbezug der Stimmen von Soldaten, wie sie auf Grabmonumenten hinterlassen sind, ist es möglich, einen skizzenhaften Eindruck ihrer Ängste, Hoffnungen und Träume zu gewinnen. In einer sozialen Welt, die oft ökonomisch instabil und zugleich von einem starren gesellschaftlichen System geprägt war, bot sich der Soldatenberuf einem jungen Mann als Chance dar, vor allem wenn im heimischen Umfeld aussichtsreiche Optionen fehlten. Wichtige Elemente bürgerlicher Freiheiten hatte er aufzugeben und seinen militärischen Vorgesetzten bedingungslos zu dienen. Hinzu kam die Trennung von einer Welt, in der er seine Jugend verbracht hatte. Doch er erhielt regelmäßige Bezahlung, und alles zum Leben Notwendige – Unterkunft, gute Nahrung, Kameradschaft – war in einem Maß sichergestellt, wie es das Zivilleben nur selten bot. Berufliche Fertigkeiten konnten erlernt oder vertieft werden; es war möglich, vom Analphabeten zum Lese- und Schreibkundigen zu werden. Geriet man außerhalb des Lagers in Schwierigkeiten, galt das Zivilgesetzbuch, das für den gewöhnlichen Zivilisten so viele Fallen barg, nicht. Mal weckte man Ängste, mal wurde man mit Respekt behandelt, hatte jedoch immer das Gefühl, in der Gesellschaft eine Person besonderer Art zu sein. Die Armee musste dem Soldaten zur Familie werden. Aber selbst hier gab es Erleichterung, waren doch Ehefrau und Kinder, obwohl offiziell verboten, unter besonderen Umständen erlaubt. Er war von der väterlichen Aufsicht befreit und konnte sein eigenes Testament aufsetzen. Der Wehrdienst war von langer Dauer, und es war nicht auszuschließen, dass Krieg, Krankheit oder ein Unfall dem Leben des Soldaten ein Ende setzten, bevor er den Gewinn einziehen konnte, den der Status des Veteranen bereithielt. Generell aber standen die Chancen nicht schlecht, und viele Männer ergriffen sie.