SOLDATEN

Das Zusammenziehen von Legionen, um den Sklavenaufstand des Spartacus niederzuschlagen, ein wilder Angriff auf kreischende Barbaren: Bilder des römischen Soldaten sind untrennbar mit den visuellen Eindrücken von Romanen, Film und Fernsehen verbunden. Doch was bedeutete es, das Leben eines römischen Legionärs zu führen, wenn man von den kurzen Augenblicken der Kampfdisziplin und des Todes, blutigen Gemetzels und beeindruckender Tapferkeit absieht? Die Quellen geben darauf keine Antwort. Sie erlauben es auch bei erschöpfender Befragung nicht, die Geschichte des einfachen Soldaten in irgendeinem Zeitabschnitt der ersten drei nachchristlichen Jahrhunderte zu erzählen. Doch lässt sich unter Benutzung von Material aus der gesamten Epoche ein allgemeines Bild entwerfen. Massierte Legionen, brüllende Barbarenhorden und Schlachtenmut – all das gab es, aber ich möchte hier von dem erzählen, was jenseits dieser »Höhepunkte« lag, von der gewöhnlichen Legionärsexistenz mit ihren Grenzen, ihrer Banalität und Spannung und ihren vielversprechenden Aussichten.

Der einzelne Legionssoldat wird wie andere Römer im Schatten der Geschichte in den wichtigen klassischen Quellen so gut wie nie erwähnt. Er erscheint im Umfeld eines größeren Ganzen – der »Armee« oder einer »Legion« oder einer anderen Gruppierung. Nur in Ausnahmefällen und dann meist in halb-fiktionalen Situationen kommt ein Soldat in Texten von Schriftstellern der Oberschicht als Individuum vor. Für diese Autoren ist die Armee unterhalb der Kommandoebene, sehr seltene Situationen ausgenommen, eine undifferenzierte Masse, die eine Rolle in dem Drama der Elite spielte, das sie Geschichte nannten. Wenn Autoren dieses Standes sich herabließen, gewöhnliche Soldaten in ihre Überlegungen aufzunehmen, stellten sie gern heroische Leistungen ins Rampenlicht, nahmen aber letztlich meist gefährliche Gestalten wahr, unwissend, von niedriger Geburt und von rohen Instinkten beherrscht. Doch aus dem – sozialen, ökonomischen und kulturellen – Blickwinkel des einfachen Soldaten war sein Leben, obwohl es hart und höchst gefahrvoll sein konnte, weitgehend mit den Privilegien stabiler Verhältnisse und anderer Vorteile ausgestattet, auf die andere Teile der normalen Bevölkerung nicht hoffen durften. Das wird im Folgenden deutlich, wenn ich die Soldaten unter dem Gesichtspunkt ihrer Lebensbedingungen betrachte.

 

Abb. 16. Soldaten im Kampf: Zwei Soldaten rücken vor, der eine mit gezücktem Kurzschwert (gladius), der zweite mit dem Speer (pilum) bewaffnet.

Rekrutierung

Die Zahl der neuen Rekruten pro Jahr war gering. Denkt man an die Legionen, die über das Reich verstreut waren, vergisst man leicht, dass die Dienstzeit lang war und die Verluste durch Kriege minimal. Etwa 7500 bis 10 000 neue Soldaten pro Jahr genügten, um die Stärke der Legionen aufrechtzuerhalten. Alle mussten freigeborene römische Bürger sein; Freigelassene wurden nur in wenigen Sondereinheiten zugelassen, und Sklaven waren während der Kaiserzeit wehruntauglich – nach Artemidor bedeutete der Traum eines Sklaven, als Soldat zu dienen, dass er freigelassen würde, da nur Freie in die Legionen eintreten konnten (Traumbuch 1,5). Geht man davon aus, dass der Anteil der Bürger an der Gesamtbevölkerung bei etwa 9 Millionen lag, ist die Zahl benötigter Soldaten bescheiden. Die Legionen umfassten nicht zwingend die theoretisch vorgesehene Stärke von 6000 Mann, doch dafür waren finanzielle Gründe maßgeblich. Nicht belegen lässt sich, dass es schwierig gewesen wäre, die notwendige Zahl von Rekruten zusammenzubringen. Zwangsrekrutierungen – Konskriptionen – sind während der Kaiserzeit nur in wenigen Einzelfällen bezeugt. Wie die Digesten festhalten: »Meist wird die Zahl der Soldaten von Freiwilligen ergänzt« (16,4,10).

Das Alter der Rekruten lag fast ausschließlich zwischen 17 und 24 Jahren; der Eintritt in die Armee erfolgte wahrscheinlich meist mit zwanzig. Von Autoren der Oberschicht wird gern der Eindruck vermittelt, alle Soldaten seien abgerissene Existenzen. Königin Elisabeth I. nennt ihre gewaltsam angeworbenen Soldaten »Diebe, die an den Galgen gehörten«, und Tacitus zitiert Tiberius, der Aushebungen vorsieht und dazu bemerkt, die Freiwilligen zeigten »nicht die gleiche Tüchtigkeit und Zucht, weil sich meist mittel- und heimatlose Leute aus eigenem Antrieb anwerben ließen« (Annalen 4,4). Die Elite konnte die rauhe Welt der einfachen und armen Leute nur in verächtlichen Strichen malen. Aber die meisten dieser jungen Männer, wenn nicht alle, waren in Familien aufgewachsen, hatten einen Beruf erlernt, auch wenn es nur die Landarbeit war, und dann beschlossen, ein neues Leben zu beginnen. Da es Brauch war, dass Frauen sehr jung, noch als Teenager, heirateten und Männer vergleichsweise spät, das heißt mit Ende zwanzig, hatten die wenigsten Rekruten bereits eine eigene Familie. Erwünschte Eigenschaften waren simplicitas (Einfalt) und imperitia (Unwissenheit). Natürlich wurden keine Idioten gesucht – aber Männer mit wenig eigenen Ideen ließen sich besser formen. Gewiss gab es Ausnahmen. Auch auf der Ebene des einfachen Soldaten wurden bei einigen Rekruten elementare Kenntnisse geschätzt, da solche Männer leichter in die Position von Sekretären der Legion aufrücken konnten (Vegetius [in seinem Handbuch des Militärwesens – Epitoma rei militaris] 2,19).

Sowohl von antiken als auch von modernen Autoren wird mit Vorliebe die Härte des Wehrdiensts betont. Doch das Bild eines harten Lebens ist nach heutigen Begriffen irreführend. Vergisst man jeden Gedanken an einen Vergleich der Lebensbedingungen im römisch-griechischen Altertum mit denen der westlichen Welt seit 1800, wird klar, dass ein römischer Soldat nach den Maßstäben seiner eigenen Zeit ein gutes Leben hatte. Sogar wenn der bäuerliche Rekrut das harte Leben des Landmanns mit dem harten Soldatenleben vertauschte, mühte er sich doch in weit besseren, aussichtsreicheren Verhältnissen, als er sie auf seinem Hof je hätte erleben können. Gegenüber den härtesten Aspekten eines Bauernlebens stellte das Soldatenleben eine erhebliche Verbesserung dar.

Es überrascht also nicht, dass an Rekruten kein Mangel war. In einem Dokument aus Ägypten heißt es: »Und wenn Aion Soldat werden will, soll er nur kommen, denn alle werden Soldaten« (BGU VII 1680/Schubart, Nr. 73). Es mochte Eltern geben, die Einwände machten, doch die meisten hätten wohl den jüdischen Eltern zugestimmt, die in einer Geschichte des Talmud offenbar sehr darum bemüht sind, ihren Sohn anwerben zu lassen:

 

Ein Mann kam, um jemandes Sohn anzuwerben. Sein Vater sagte: sieh meinen Sohn an, was für ein Bursche, was für ein Held, wie groß er ist. Auch seine Mutter sagte: sieh unseren Sohn an, wie groß er ist. Der andere erwiderte: in euren Augen ist er ein Held und ist er groß. Lasst uns sehen, ob er groß ist. Sie maßen ihn und es zeigte sich, dass er zu klein war, und er wurde zurückgewiesen. (Aggadat Genesis 40,4/zit. nach Isaac, S. 302 f. mit Anm. 206)

 

Im Allgemeinen geht man davon aus, dass Eltern, die einen Sohn in die Armee schicken wollten, die Ausnahme waren. Es besteht jedoch kein Grund zu der Annahme, dass die in der zitierten Talmud-Episode bekundete Einstellung der Eltern merkwürdig oder selten war – dieser Umstand wäre in der Quelle wohl nicht unerwähnt geblieben. Die Schilderung macht im Gegenteil sehr deutlich, dass Eltern sich bemühten, ihre Söhne im Militärdienst unterzubringen. Denn Eltern wie Kindern war bewusst, dass die Aussichten im Zivilleben im Großen und Ganzen äußerst trübe waren und dass die Armee inmitten dieser Düsternis als glänzende Gelegenheit erschien.

So mancher junge Mann ließ sich also leicht für den Militärdienst gewinnen. Natürlich war eine solche Wahl nicht jedermanns Sache. Den Hof oder das Geschäft der Familie zu verlassen konnte seine Nachteile haben – man tauschte das Bekannte gegen Unbekanntes, die Stabilität und Unterstützung einer Familie gegen ein neues Leben in fremder Umgebung. Auch die Familie konnte Einspruch erheben. In einem Brief aus Ägypten tadelt eine Frau ihren Mann, weil er einen Sohn ermuntert hat, Soldat zu werden:

 

Was Sarapas, meinen Sohn, angeht, er ist gar nicht bei mir geblieben, sondern ist ins Lager gegangen, um in die Armee einzutreten. Es war nicht recht von dir, ihm zu raten, zur Armee zu gehen. Denn als ich zu ihm sagte, er solle nicht eintreten, sagte er zu mir: »Mein Vater sagte mir, ich solle in die Armee eintreten.« (BGU IV 1097)

 

Nicht nur der emotionale Verlust eines Sohnes spielte dabei eine Rolle, sondern auch der praktische Nachteil, dass kurzfristig häusliche Arbeitskraft verlorenging und langfristig die Unterstützung durch einen erwachsenen Sohn im Alter. Zu rechnen war (wenn auch nicht unbedingt in der späteren Kaiserzeit) mit Truppenverlegungen in entfernte Regionen. Dann entfiel die direkte Unterstützung durch die Familie, entfiel angesichts der Langsamkeit des Briefverkehrs sogar jeder zügige Nachrichtenaustausch. Briefe aus Ägypten zeigen, dass auch Soldaten, die an entfernte Schauplätze abkommandiert waren, die familiären Bindungen aufrechterhielten. Zu Beginn fiel die Trennung von Heim und Familie vermutlich oft schwer, vielleicht sogar während der gesamten, jahrelangen Dienstzeit. In einem Brief des Ägypters Apion, der nach seiner Anwerbung zur Flotte am Kap Misenum in Italien verlegt wurde, kommt diese Situation berührend zum Ausdruck:

 

Apion dem Epimachos, seinem Vater und Herrn, vielmals Grüße. Vor allem wünsche ich Dir Gesundheit, allzeit Wohlergehen und Glück samt meiner Schwester und deren Tochter und meinem Bruder. … es geht mir gut. Ich bitte Dich nun, o mein Herr Vater, schreibe mir ein Briefchen, erstens über Dein Befinden, zweitens über das meiner Geschwister, drittens damit ich (die Schrift) Deiner Hand verehren kann, weil Du mich wohl erzogen hast … Grüße den Kapiton vielmals und meine Geschwister, Serenilla und meine Freunde. Ich habe Dir mein Bildchen durch Euktemon gesandt. … (BGU II 423 [= Campbell, Nr. 10]/Hengstl, Nr. 84)

 

Die innere Verbundenheit mit der Familie hielt vermutlich manchen jungen Mann davon ab, sich zum Militärdienst zu melden. Doch der Lohn der Mühe, der in Aussicht stand, war potenziell hoch, und viele andere verließen die Familie und begannen ein neues Leben. In einer Welt chronischer Unterbeschäftigung, des Nahrungsmangels während der Wintermonate und von Katastrophen aller Art, die das Leben aus dem Gleis bringen konnten, bot die Armee die einzige Gelegenheit zu Vollbeschäftigung und regelmäßigem Lohn. Artemidor griff diese Realität auf und benutzte sie in seinen Traumdeutungen:

 

Zum Heeresdienst eingezogen zu werden oder ins Feld zu ziehen bedeutet … Müßiggängern und Hungerleidern … Arbeit und Verdienst; denn der Soldat faulenzt nicht, noch fehlt es ihm an dem Notwendigen. (Traumbuch 2,31)

 

Die in der folgenden Inschrift angedeutete Erfahrung eines Seemanns, dass ihn der Militärdienst aus der Armut befreit habe, wurde von anderen Soldaten zweifellos geteilt:

 

Lucius Trebius, Sohn des Titus, Vater [weihte dieses Grabmal]. Ich, Lucius Trebius Ruso, Sohn des Lucius, wurde in elendeste Armut geboren. Dann diente ich siebzehn Jahre als Marinesoldat an der Seite des Kaisers. Ich wurde in Ehren entlassen. (CIL V 938 = ILS 2905, Augusta Bagiennorum, Italien)

 

Soldat zu sein galt bei den Soldaten selbst wie auch in der Zivilbevölkerung als Beruf. In seine Beispiele für Menschen, die eine Arbeit tun und es verdienen, dafür bezahlt zu werden, schließt Paulus auch die Soldaten ein:

 

Wer zieht jemals in den Krieg auf seinen eignen Sold? Wer pflanzt einen Weinberg, und ißt nicht von seiner Frucht? Oder wer weidet eine Herde, und nährt sich nicht von der Milch der Herde? (1. Korinther 9,7)

 

Bei Horaz (Satiren 2,23 – 40) erscheint neben dem Bauern, Gastwirt und Matrosen ein Soldat als Beispiel für hart arbeitende Männer, die erwartungsvoll ihrem Ruhestand entgegenblicken. An Möglichkeiten für materiellen Gewinn fehlte es nicht. Da war zunächst die Besoldung. Der Sold eines Soldaten entsprach etwa dem anständigen Tageslohn eines Arbeiters in der zivilen Welt – doch der Soldat erhielt ihn an jedem Tag des Jahres, während der Zivilist wegen der im Altertum durchgehend herrschenden Unterbeschäftigung oft ohne Arbeit war. Dokumente aus Ägypten zeigen, dass trotz verschiedener Abzüge und Ausgaben 25 Prozent eines Jahressolds gespart wurden. Im Lauf seiner Dienstzeit rückte ein Soldat vielleicht auch in einen höheren Rang und damit in eine höhere Gehaltsstufe auf – der Sold konnte dann das Anderthalbfache oder sogar Doppelte dessen betragen, was der gemeine Soldat verdiente. Wer zum Zenturio aufstieg – allerdings ein seltener Fall –, erhielt etwa das Fünfzehnfache des Solds eines einfachen Rekruten. Unter Kaiser Septimius Severus wurde der Sold überdies verdoppelt. Wenn Soldaten verlegt wurden, erhielten sie ein Reisegeld (viaticum), wenn sie zu einem langen Marsch aufbrachen, wurde ein »Schuhnagelgeld« (clavarium) entrichtet. Der Rest kam ebenfalls in die »Sparkasse«. Hinzu kamen periodische Schenkungen der regierenden Kaiser, die den Soldaten dem Dienstgrad entsprechend anteilmäßig ausbezahlt wurden. Auch beim Tod eines Kaisers konnten die Soldaten ein Legat erwarten. Schließlich erhielt der Soldat bei seiner Entlassung aus dem Dienst zusätzlich einen Bonus. Dieser Bonus wurde anfangs in Form von Land ausbezahlt, doch der Mangel an geeignetem Land und Klagen der Soldaten, dass sie durch die Zuteilung von magerem Boden in weit entfernter Lage letztlich betrogen würden, führte dann dazu, dass stattdessen ein Geldbonus ausbezahlt wurde. Laut einem Gesetz, das auf Kaiser Augustus zurückging, waren das deponierte Geld und der Bonus der Kontrolle des Vaters eines Soldaten entzogen. Die Juristen hatten es unmissverständlich festgelegt: Soldat zu sein bedeutete, dass der wichtigste Aspekt väterlicher Gewalt über den Sohn aufs äußerste limitiert war: Dem Vater war nicht nur der Zugriff auf dessen Geld verwehrt, es konnte auch unabhängig von den Wünschen des Vaters vererbt werden. Damit besaßen die Soldaten eine ökonomische Freiheit, die in der Zivilbevölkerung beispiellos war.

Außer auf finanziellen Gewinn konnte der Soldat auf rechtliche Privilegien zählen. Diese Sonderrechte liefen im Wesentlichen darauf hinaus, dass der Soldat durch die besonderen Umstände eines Prozesses und rechtlicher Verfahren immer begünstigt war. Zuständig für Soldaten waren einzig Militärgerichte. Der Zuständigkeitsbereich umschloss Verbrechen, die von Soldaten an Soldaten begangen wurden, sowie jedes Vergehen, das der Soldat als Soldat beging. Klagte ein Zivilist gegen einen Soldaten, wurde vor einem Militärgericht verhandelt, das sich aus Zenturionen zusammensetzte. Außerdem musste ein Zivilist, der gerichtlich gegen einen Soldaten vorgehen wollte, sich an dessen Fersen heften, denn Militärangehörige konnten nicht in Abwesenheit beschuldigt werden. Auch konnten sie nicht als Zeugen an einen entfernten Verhandlungsort geladen werden. Wenn ein Soldat in militärischem Auftrag unterwegs war, konnte er nicht gerichtlich belangt werden. Die Klage eines Soldaten gegen einen Zivilisten wurde vor einem Zivilgericht verhandelt. Aber das Verfahren eines Soldaten hatte Vorrang, und dieser konnte den Zeitpunkt der Verhandlung bestimmen. Hatte ein Soldat das Unglück, eines schweren Verbrechens überführt zu werden, war er von der Folter, von einer Verurteilung zu Arbeit in den Minen oder anderer Schwerarbeit ausgenommen. War es ein Kapitalverbrechen, wurde er nicht wie ein gemeiner Verbrecher hingerichtet – kein Galgen, keine Kreuzigung, kein Ende als Fraß für wilde Tiere.

Angesichts all dieser Umstände kann es nicht überraschen, dass manchem Jüngling die Armee als der beste Weg erschien, rechtlichen Problemen in seinem Zivilleben aus dem Weg zu gehen; war es doch leichter, eine Anklage zu verfolgen oder zu bekämpfen, wenn man sich militärischer Sonderrechte erfreute. Ein Rechtsgelehrter aus dem 3. Jahrhundert spricht solche betrügerischen Tricks an:

 

Nicht Jeder, welcher einen Rechtsstreit gehabt, und deshalb in Kriegsdienste getreten ist, wird des Soldatenstandes beraubt, wohl aber wer in der Absicht Kriegsdienste genommen hat, um unter dem Vorschützen des Soldatenstandes dem Gegner seine Belangung kostspieliger zu machen. Es wird jedoch auch demjenigen nicht leicht ohne vorgängige richterliche Untersuchung nachgesehen, welcher eine Rechtssache zuvor gehabt; wenn aber [jener Rechtsstreit] sich durch einen Vergleich erledigt hat, so muss ihm Nachsicht zu Theil werden. (Arrius Menander, De re militariiVom Kriegswesen = Digesten 49,16,4,8)

 

Die privilegierte Stellung eines Soldaten vorzutäuschen war ein allzu verführerischer Weg zum Erfolg vor Gericht.

Allerdings war ein Soldat in gewissen Fällen auch nicht rechtsfähig. So konnte er nichts als Geschenk annehmen, was Gegenstand eines Rechtsstreits war, konnte nicht als Vertreter für Dritte fungieren, und er konnte in der Provinz, in der er Dienst tat, kein Land kaufen, ein Verbot, das offenbar regelmäßig umgangen wurde. Doch das waren vergleichsweise geringfügige Einschränkungen. Man begreift, warum an Rekruten kein Mangel war.

Anwerbung und Ausbildung

Bei der Musterung durch den Werbeoffizier wurden die persönlichen Daten des Rekruten aufgenommen. Das waren Vor- und Familienname, Vorname des Vaters, Beiname (cognomen), wenn er einen solchen hatte, Stimmbezirk, Ort der Geburt oder Herkunft und Datum der Anwerbung. Bemerkenswert ist, dass das Geburtsdatum nicht festgehalten wurde. Entscheidend war der Zeitpunkt der Aufnahme ins Militär als Grundlage für die Berechnung der Dienstjahre, die vor der Entlassung zu leisten waren. Dieses Datum muss Teil der Personalakte gewesen sein, denn auf den Gräbern verstorbener Militärangehöriger ist häufiger die Zahl der Dienstjahre (stipendia) angegeben als das Alter.

An jungen Männern, die durch und durch unwissend (imperitia) und frei von Phantastereien waren (simplicitas), herrschte kein Mangel. Anders stand es um Rekruten mit nützlichen Fertigkeiten. Schmiede, Zimmerleute, Metzger und Jäger gehörten laut Vegetius (1,7) zu den Experten, die der Armee von Nutzen waren. Männer, die mit beruflicher Ausbildung in die Armee kamen, wurden hoch geschätzt.

Nach einer Probezeit, in der die Werbeoffiziere klärten, ob der Rekrut in der geeigneten körperlichen und geistigen Verfassung war, um ein guter Soldat zu werden, wurde der künftige Soldat offiziell einberufen. Er bekam das »Militärabzeichen« – ein unzerstörbares Brandmal oder eine Tätowierung auf der Hand – und wurde dann in eine Legion abkommandiert, wo eine vier- oder fünfmonatige Grundausbildung einsetzte. In der Legion begann für den Rekruten ein neues Leben.

Wenn er, wie die meisten, als Analphabet eingerückt war, stellte er fest, dass das Leben der Armee in erstaunlichem Maß als »Papierkrieg« verlief. Im Tages- und Jahresrhythmus wurden die unterschiedlichsten Register geführt, dafür waren Soldaten mit Schreib- und Lesekenntnissen gefordert. Diese elementaren Fähigkeiten waren vor allem unerlässlich, wenn man aufsteigen wollte. Vegetius berichtet, dass in der Armee lese- und schreibkundige Rekruten gesucht wurden:

 

Bei den Rekruten muss man außer auf Körperkraft auch auf die Fähigkeit zu schreiben oder zu rechnen achten. Aber da es in den Legionen mehrere Beschäftigungszweige gibt, die gebildetere Soldaten verlangen, ist tunlichst von denen, die die Rekruten prüfen, bei allen zwar große Gestalt, Körperkraft und geistige Beweglichkeit zu erproben, aber bei etlichen wird auch Schriftkunde und Fähigkeit im Kalkulieren und Rechnen ausgesucht. (Abriss des Militärwesens 2,19)

 

In Vindolanda, in der Nähe des Hadrianswalls, wurden Schreibtafeln gefunden, die ungewöhnlich gut erhalten und noch lesbar waren. Sie zeigen, dass nicht nur Truppenführer wie Zenturionen und Dekurionen, die Führer von Zehntschaften, lesen und schreiben konnten, sondern auch einfache Soldaten. Ein Wissenschaftler behauptet sogar, dass deren Grundkenntnisse besser gewesen seien als die der Zivilbevölkerung. Wer als Analphabet in die Armee kam, konnte im Dienst Kenntnisse erwerben, gelangte dann aber über diese provisorische »militärische« Alphabetisierung wahrscheinlich nicht hinaus. Die gebildete, kultivierte Welt der geschulten Offiziere blieb ihm verschlossen.

Das tägliche Brot war gesichert. In den Heerlagern gab es keine Zivilisten, vielleicht mit Ausnahme der Familien von Offizieren und weniger Soldaten (vgl. dazu unten). Der Schwarm kleiner Diebe und Raufbolde, die Plage der Städte, fehlte vollständig. Die wenigen Straftaten, die vorkamen, wurden unter Soldaten verübt. Doch den größten Gewinn zogen die Soldaten vermutlich aus den sanitären Verhältnissen, der medizinischen Versorgung, der körperlichen Ertüchtigung und dem allgemeinen Augenmerk auf die Gesundheit. In der Armee hatte jedes Lager seine Badeanlage, einen Ort, der die Möglichkeit zu einfachem Körpertraining und eine gewisse Sauberkeit bot. Fließendes Wasser durchspülte die Latrinen und beseitigte die Exkremente; dabei achtete man darauf, dass dieses Wasser sich in einen Fluss oder See ergoss, der in einiger Entfernung von den Gewässern lag, die man als Wasserstellen für die Legion benutzte. Vegetius schreibt:

 

Nunmehr will ich, worauf am allermeisten zu achten ist, erinnerlich machen, wie man das Heer gesund erhalten kann … Auch soll der Soldat kein schädliches oder Sumpfwasser trinken. Denn ein Trunk schlechten Wassers, gleichsam ein Gift, infiziert die Trinkenden mit Seuchen. Dass dann aber die durch solches Malheur erkrankten Kameraden mit geeigneter Nahrung wiederhergestellt und von der Kunst der Ärzte kuriert werden, dafür braucht es der beständigen Sorgfalt der Anführer und Tribunen und selbst des Legionsführers … Denn mit solchen kann man schlecht etwas erreichen, die zugleich von der Not des Krieges und der Krankheit bedrückt sind. Aber die im Kriegswesen Erfahrenen meinten, dass tägliche Waffenübungen für die Gesundheit der Soldaten zuträglicher seien als Ärzte. (Abriss des Militärwesens 3,2)

 

Diesen Zielen wurde vielleicht nicht immer entsprochen, doch waren die Soldaten besser ernährt und lebten in einer reinlicheren Umgebung mit besserer Luft und besseren sanitären Einrichtungen als die Bevölkerung im Allgemeinen.

Das Leben im Heerlager

Das Leben in der Armee ist zum größten Teil Routine: Schlafen, Essen, einfache Lagerdienste und Drill. Entscheidend war, dass die Legion effizient als Einheit operierte und Befehlen bedingungslos gehorchte, ein Ziel, dem laufende Waffenübungen dienten. Rekruten mussten zweimal täglich zum Exerzieren antreten, erprobte Soldaten einmal. Auf Märschen und bei Manövern lernten die Soldaten, sich als Truppenkörper zu bewegen, sie lernten ihre Waffen – Schild, Schwert und Speer – zu gebrauchen und bauten Kondition auf, um täglich lange Märsche mit schwerem Tornister zu bewältigen. Besondere Detachments für die Latrinen und ähnliches kümmerten sich offenbar auch um die Hygiene und andere Bedürfnisse.

Die Soldaten waren in Baracken untergebracht (Abb. 17 und 18). Sie lebten als Einheit zusammen: Jede Baracke hatte einen größeren Raum mit eigenem Vorzimmer für den Zenturio sowie acht bis zehn Räume für ein contubernium, eine Gemeinschaft von acht Männern. Jeder dieser Räume war in Vor- und Schlafraum unterteilt. Ein Zenturio konnte im Lager mit seiner Gefährtin und vermutlich auch mit Kindern zusammenleben. Es gibt zwar Belege dafür, dass dies in einzelnen Lagern auch für einige Soldaten galt, doch in der Regel lebten im Lager selbst nur die Männer. »Ehefrauen« wohnten mit der Familie außerhalb des Truppengeländes und wurden von ihrem Partner, der im Lager selbst leben musste, regelmäßig besucht.

Abb. 17. Dieser Plan der Befestigung in Housesteads am Hadrianswall in Nordengland weist die typische Anlage des Kastells auf: rechts und links die Baracken der Soldaten, unten in der Mitte das Haus des Kommandanten.