17

Zweiter Monat des Sommers – 1. Tag

 

»Du warst also draußen«, sagte Henet, die herbeieilte, als Esa in ihr Zimmer humpelte. »Seit fast einem Jahr hast du das nicht mehr getan!« Forschend betrachtete sie die Greisin.

»Alte Leute haben Launen«, gab Esa zur Antwort.

»Ich sah dich mit Hori und Renisenb am See sitzen.«

»Gibt es etwas, das du nicht siehst, Henet?«

»Ich weiß wirklich nicht, was du meinst, Esa. Alle Welt konnte euch dort sitzen sehen.«

»Aber niemand konnte uns hören!«

»Warum bist du nur so unfreundlich zu mir, Esa? Ich habe viel zu viel zu tun, um die Gespräche anderer zu belauschen. Wenn Imhotep nicht wäre, der mich schätzt…«

Esa fiel scharf ein: »Ja, wenn Imhotep nicht wäre! Von Imhotep bist du abhängig, nicht wahr? Wenn ihm etwas zustoßen würde…«

Diesmal schnitt Henet ihr die Rede ab. »Imhotep wird nichts zustoßen!«

»Woher weißt du das, Henet? In diesem Hause gibt es keine Sicherheit.«

»Ja, das stimmt. Sobek ist gestorben, und Yahmose ist beinahe gestorben…«

Esa lehnte sich vor.

»Henet, warum hast du bei deinen Worten soeben gelächelt?«

»Ich habe gelächelt?«, rief Henet bestürzt. »Du träumst, Esa! Wie könnte ich lächeln, wenn ich von etwas so Entsetzlichem spreche?«

»Es ist wahr, meine Augen sind sehr schlecht«, sagte Esa. »Aber ich bin noch nicht blind. Und wenn man meint, man hat es mit einem Menschen zu tun, der nicht mehr viel sieht, so nimmt man sich oft nicht in Acht. Deshalb frage ich dich noch einmal: Warum hast du mit stiller Befriedigung gelächelt?«

»Was du da sagst, ist ungeheuerlich!«

»Jetzt fürchtest du dich.«

»Wer würde sich in diesem Hause nicht fürchten?«, rief Henet schrill. »Wir haben alle Angst, denn böse Geister kehren zu uns zurück, um uns zu quälen! Aber ich weiß, was los ist – du hast auf Hori gehört. Was hat er über mich gesagt?«

»Was weiß denn Hori von dir, Henet?«

»Nichts, gar nichts. Du solltest mich lieber fragen, was ich von ihm weiß.«

Esas Gesicht wurde hart.

»Nun, und was weißt du von ihm?«

Henet warf den Kopf zurück.

»Ach, ihr verachtet alle die arme Henet! Ihr findet sie hässlich und dumm. Aber ich weiß vieles – wahrhaftig, nur wenig geht in diesem Haus vor sich, das ich nicht weiß. Vielleicht sehe ich mehr als so gescheite Leute wie Hori. Wenn Hori mir begegnet, dann hat er eine Art, über mich hinwegzublicken, als ob ich überhaupt nicht vorhanden sei. Er sollte lieber mich ansehen! Satipy hat sich auch für klug gehalten, und wo ist sie jetzt?« Frohlockend hielt Henet inne.

Aber Esa schien in eigene Gedanken versunken. Ihr Gesicht trug einen verwirrten, beinahe entsetzten Ausdruck. Langsam sagte sie sinnend: »Satipy…«

Henet fuhr mit ihrem üblichen Klageton fort: »Entschuldige, Esa, dass ich mich vergessen habe. Ich weiß wirklich nicht, was in mich gefahren ist.«

Esa, schaute auf und erwiderte kurz angebunden: »Geh jetzt, Henet. Und ich warne dich, nimm deine Worte und Taten in Acht. Wir wollen keine Toten mehr in diesem Haus. Du verstehst mich hoffentlich.«

 

Nach der Unterredung unter der Sykomore traf Renisenb, die sich nicht recht entschließen konnte, sich zu Kait und den Kindern zu gesellen, am Hoftor mit Ipy zusammen, der mit hocherhobenem Kopf und einem fröhlichen Lächeln daherkam.

Renisenb betrachtete ihn verwundert. Sie erkannte das verwöhnte, eigenwillige Kind, das sie verlassen hatte, als sie mit Khay fortgezogen war, nicht wieder.

»Was ist denn, Renisenb?«, lachte Ipy. »Du siehst so töricht aus wie Henet.«

Renisenb schüttelte den Kopf.

»Henet ist nicht töricht. Sie ist schlau.«

»Sie ist bösartig, ist eine Last für das ganze Haus. Ich habe im Sinn, mich ihrer zu entledigen.«

»Du… du willst…«, hauchte Renisenb.

»Meine liebe Schwester, was ist mit dir? Hast du, wie der unglückselige, törichte Schwarze, böse Geister gesehen?«

»Du hältst wohl jeden Menschen für töricht?«

»Der Junge war entschieden schwachsinnig. Nun ja, es stimmt, dass ich Dummheit gegenüber unnachsichtig bin. Davon habe ich genug gehabt. Es ist kein Vergnügen, das kannst du mir glauben, mit zwei langweiligen älteren Brüdern geschlagen zu sein, die über ihre eigene Nase nicht hinausblicken können. Nachdem sie aus dem Weg sind und nur noch mein Vater da ist, wirst du den Unterschied merken. Mein Vater wird tun, was ich sage.«

Renisenb musterte ihn. Er sah ungewöhnlich schön und hochmütig aus. Es ging eine starke Vitalität von ihm aus, eine geradezu frohlockende Lebenskraft.

Sie entgegnete nachdrücklich: »Meine Brüder sind nicht beide aus dem Weg, wie du dich ausdrückst. Yahmose lebt.«

Ipy schaute sie mit verächtlichem Spott an.

»Und du glaubst wohl, dass er wieder ganz gesund werden wird?«

»Warum denn nicht?«

Ipy lachte.

»Nun, da bin ich anderer Meinung. Yahmose ist erledigt, es ist aus mit ihm. Er wird nur noch herumkriechen und in der Sonne sitzen. Er ist kein Mann mehr. Die erste Wirkung des Giftes hat er überwunden, aber du wirst sehen, besser wird es nicht mehr.«

»Aber wieso denn?«, fragte sie. »Der Arzt sagte doch, dass er nach einiger Zeit wieder ebenso kräftig wie früher sein würde.«

Ipy zuckte die Schultern.

»Ärzte wissen nicht alles. Sie reden weise und machen viele Worte. Gib der bösen Nofret die Schuld, wenn du willst, aber Yahmose ist verdammt.«

»Und hast du selber keine Angst, Ipy?«

»Ich? Angst?«

Lachend warf der Jüngling das schöne Haupt zurück.

»Nofret hat dich nicht gerade geliebt, Ipy.«

»Mir kann kein Leid geschehen, Renisenb, solange ich es nicht zulasse! Ich bin noch jung, aber ich gehöre zu den Menschen, die für den Erfolg geboren sind. Und was dich betrifft, Renisenb, so tätest du klug daran, dich gut mit mir zu stellen, hast du verstanden? Du behandelst mich oft wie einen unmündigen Knaben. Aber das bin ich jetzt nicht mehr. Mit jedem Monat wird sich der Unterschied zeigen. Bald bestimme nur noch ich in diesem Hause. Mein Vater mag die Befehle erteilen, aber wer sie ersinnt, das bin ich!« Er machte einige Schritte, blieb stehen und sagte über die Schulter: »Hüte dich also, Renisenb, dass du dir nicht meine Gunst verscherzest.«

Während Renisenb ihm noch nachblickte, vernahm sie Schritte. Sie drehte sich um und sah Kait auf sich zukommen.

»Was hat Ipy gesagt, Renisenb?«

Renisenb antwortete langsam: »Dass er hier bald der Herr sein wird.«

»Wirklich?«, gab Kait zurück. »Da bin ich anderer Meinung.«

 

Ipy lief leichtfüßig die Stufen zum Haus hinauf und trat ein. Der Anblick Yahmoses, der auf einem Lager ruhte, schien ihn zu erfreuen.

Er sagte munter: »Nun, wie geht es dir, mein Bruder? Werden wir dich nie mehr auf den Feldern sehen? Ich begreife gar nicht, dass ohne dich nicht alles zusammengebrochen ist!«

Yahmose antwortete mit schwacher Stimme: »Das Gift ist nun bekämpft. Warum gewinne ich meine Kraft nicht zurück? Ich versuchte heute früh aufzustehen, aber meine Beine wollten mich nicht tragen. Mit jedem Tag fühle ich mich matter, das ist das Schlimmste.«

Ipy schüttelte mitleidig den Kopf.

»Wirklich traurig. Und die Ärzte können nicht helfen?«

»Mersus Gehilfe kommt täglich. Er versteht meinen Zustand nicht. Ich trinke starke Kräuterabsude. Jeden Tag werden die Götter angerufen. Es besteht kein Grund, dass ich nicht bald gesund werde. Doch stattdessen schwinden meine Kräfte immer mehr.«

»Schlimm, schlimm«, sagte Ipy.

Er ging weiter, leise vor sich hin summend, bis er seinen Vater und Hori traf, die mit Abrechnungen beschäftigt waren.

Imhoteps sorgendurchfurchtes Gesicht erhellte sich beim Anblick seines Lieblingssohnes.

»Da kommt ja mein Ipy. Was hast du mir von draußen zu melden?«

»Alles läuft gut, Vater. Die Gerste ist bald reif. Wir werden eine erfreuliche Ernte haben.«

»Ja, den Göttern sei Dank, draußen steht alles zum besten. Wollte es doch auch drinnen gut gehen. Ich muss weiterhin auf Ashayet bauen, sie wird uns ihre Hilfe nicht versagen. Ich sorge mich um Yahmose. Ich begreife seine Schwäche nicht.«

Ipy lächelte verächtlich.

»Yahmose war immer ein Schwächling«, sagte er.

»Das stimmt nicht«, entgegnete Hori milde. »Seine Gesundheit war stets gut.«

»Die Gesundheit des Menschen hängt vom Geist ab«, erklärte Ipy strahlend. »Yahmose scheute sich sogar, Befehle zu erteilen.«

»In letzter Zeit hat Yahmose bewiesen, dass er ein überlegener Geist ist«, wandte Imhotep ein. »Es hat mich selber überrascht. Aber diese körperliche Schwäche macht mir Sorgen. Mersu versicherte mir, dass die Heilung schnell vonstatten gehen würde, wenn die Wirkung des Giftes erst einmal überwunden wäre.«

Hori legte einige Papyrusrollen beiseite.

»Es gibt noch andere Gifte«, sagte er ruhig.

Imhotep fuhr herum.

»Wie meinst du das?«

Hori sprach mit sanfter, nachdenklicher Stimme.

»Es gibt Gifte, die nicht sofort, nicht heftig wirken. Sie sind heimtückisch. Wer jeden Tag ein wenig davon einnimmt, bei dem sammeln sie sich im Körper an. Erst nach langen Monaten der Schwäche kommt der Tod. Frauen wissen über solche Gifte Bescheid – sie benutzen sie manchmal, um sich ihres Gatten zu entledigen und den Anschein eines natürlichen Todes zu erwecken.«

Imhotep war erblasst.

»Willst du damit sagen, dass… dass es sich so mit Yahmose verhält?«

»Ich will damit nur sagen, dass es möglich wäre. Wenn seine Speisen auch immer von einem Sklaven gekostet werden, so bedeutet diese Vorsichtsmaßnahme doch gar nichts, da diese geringen Mengen bei einem kräftigen Menschen unter Umständen ohne Wirkung bleiben könnten.«

»Unsinn!«, rief Ipy laut. »Reiner Unsinn! Ich glaube nicht, dass es solche Gifte gibt. Ich habe nie davon gehört.«

Hori hob den Blick.

»Du bist noch jung, Ipy. Es gibt viele Dinge, von denen du vorläufig noch nichts weißt.«

»Aber was können wir tun?«, schrie Imhotep auf. »Wir haben Ashayet angerufen. Wir haben im Tempel Opfer gebracht. Was sollen wir mehr tun?«

Hori antwortete nachdenklich: »Lass Yahmoses Speisen von einem vertrauenswürdigen Sklaven zubereiten und sorge dafür, dass dieser Sklave dauernd bewacht wird.«

»Aber das bedeutet, dass hier in diesem Hause…«

»Unsinn!«, rief Ipy abermals. »Reiner Unsinn!«

Hori zog die Brauen in die Höhe.

»Versuchen wir es auf jeden Fall. Dann werden wir sehen, ob es Unsinn ist.«

Ipy ging ärgerlich hinaus.

Hori blickte ihm stirnrunzelnd nach.

 

Ipy verließ das Haus in solcher Wut, dass er beinahe mit Henet zusammengeprallt wäre.

»Geh mir aus dem Weg, Henet! Du schleichst immerzu herum und kommst einem in die Quere.«

»Wie roh du bist, Ipy. Du hast meinen Arm gequetscht.«

»Umso besser. Ich kann dein Geschnüffel nicht mehr ertragen. Je eher du dieses Haus verlässt, desto besser – und ich werde dafür sorgen.«

In Henets Augen blitzte es böse auf.

»Du willst mich also hinauswerfen, wie? Nach allem, was ich für euch getan habe! Dein Vater weiß, wie treu ergeben ich der ganzen Familie bin.«

»Er hat davon sicher genug gehört! Und wir andern ebenfalls! Meiner Meinung nach bist du eine Giftzunge, die Unheil anrichtet. Du hast Nofret bei ihren Plänen geholfen, das ist mir wohl bekannt. Nach ihrem Tode hast du uns wieder umschmeichelt. Aber du wirst sehen, zum Schluss hört mein Vater auf mich und nicht auf deine Lügenmärchen.«

»Was hat dich so aufgebracht, Ipy?«

»Das geht dich nichts an.«

»Du hast doch nicht etwa Angst? Es gehen hier sonderbare Dinge vor sich.«

»Du kannst mich nicht erschrecken, du alte Katze.«

Er eilte an ihr vorbei.

Henet ging langsam ins Haus. Ein Stöhnen Yahmoses erregte ihre Aufmerksamkeit. Er hatte sich von seinem Lager erhoben und machte Gehversuche. Aber seine Beine schienen fast sogleich den Dienst zu versagen, und wäre Henet nicht flink hinzugesprungen, so wäre er gefallen.

»Leg dich wieder hin, Yahmose«, sagte sie beschwichtigend.

»Wie stark du bist, Henet. Das sieht man dir gar nicht an.« Er legte das Haupt auf die hölzerne Kopfstütze. »Hab Dank. Was ist nur mit mir? Woher kommt dieses Gefühl, als ob meine Muskeln zu Brei geworden wären?«

»Das Haus ist eben verzaubert. Es ist das Werk einer Teufelin, die aus dem Norden zu uns kam. Nie ist Gutes aus dem Norden gekommen.«

Yahmose murmelte verzagt: »Ich muss sterben. Ja, ich muss sterben…«

»Andere werden vor dir sterben«, prophezeite Henet grimmig.

»Wie meinst du das?« Yahmose stützte sich auf einen Ellenbogen und starrte sie an.

»Ich weiß, was ich sage.« Henet nickte mehrmals. »Du wirst nicht als nächster sterben. Warte nur ab, du wirst’s sehen.«

 

»Warum meidest du mich, Renisenb?«

Kameni stellte sich Renisenb in den Weg. Sie errötete und fand keine passende Antwort. Es stimmte, sie hatte sich absichtlich abgewandt, als sie Kameni kommen sah.

»Warum, Renisenb? Sag mir den Grund!«

Aber sie konnte nur stumm den Kopf schütteln.

Dann schaute sie zu ihm auf. Sie hegte die geheime Angst, dass auch Kamenis Antlitz verändert sein könnte. Mit merkwürdiger Freude nahm sie wahr, dass es unverändert war. Seine Augen betrachteten sie ernst, und ausnahmsweise spielte kein Lächeln um seine Lippen.

Vor seinem Blick senkte sie die Lider. Kameni verwirrte sie immer. Seine Nähe spürte sie körperlich. Ihr Herz schlug etwas schneller.

»Ich weiß, warum du mir aus dem Weg gehst, Renisenb.«

Sie fand ihre Stimme wieder: »Ich… ich bin dir nicht aus dem Weg gegangen. Ich sah dich nicht kommen.«

»Das ist gelogen.« An seiner Stimmer erkannte sie, dass er jetzt lächelte. »Renisenb, schöne Renisenb.«

Sie fühlte seine warme, kräftige Hand an ihrem Arm, und sogleich machte sie sich frei.

»Rühr mich nicht an!«

»Warum wehrst du dich gegen mich, Renisenb? Du weißt recht gut, wie es um uns beide steht. Es ist widernatürlich, dass du, so jung und stark und schön, dein ganzes Leben um einen toten Gatten trauerst. Ich will dich von hier fortbringen. Dieses Haus ist von bösen Geistern erfüllt. Du sollst mit mir kommen und in Sicherheit sein.«

»Und wenn ich nicht mitkommen will?«, entgegnete sie lebhaft.

Kameni lachte. Seine kräftigen Zähne blitzten.

»Du willst ja mitkommen, nur magst du es nicht zugeben! Das Leben ist schön, Renisenb, wenn Mann und Frau beisammen sind. Ich werde dich glücklich machen. Ich glaube, dass du hier nicht sicher bist; deshalb will ich dich fortführen. Ich bin ein guter Schreiber, und ich kann in das Haus eines Vornehmen eintreten, obwohl ich, offen gestanden, das Landleben hier vorziehe. Teti nehmen wir mit. Sie ist ein schönes, gesundes Kind, und ich werde ihr ein guter Vater sein. Sprich, Renisenb!«

Renisenb stand stumm. Ihr Herz klopfte heftig, und sie empfand ein sehnsüchtiges Verlangen. Doch gleichzeitig lehnte sich etwas in ihr auf.

Wenn er mich berührt, werde ich schwach, dachte sie. Aber von seinen Gedanken, von seinem Herzen weiß ich nichts. Was wünsche ich mir? Ich ahne es nicht, doch dies nicht, nein, dies nicht…

Ihren eigenen Ohren klangen die Worte matt und unbestimmt, als sie sich sagen hörte: »Ich will keinen zweiten Gatten. Ich will allein sein.«

»Nein, Renisenb, du irrst dich. Für das Alleinsein bist du nicht geschaffen. Das sagt deine Hand, wenn sie in der meinen zittert.«

Mühsam zog sie ihre Hand zurück.

»Ich liebe dich nicht, Kameni. Ich glaube, ich hasse dich.«

Er lächelte.

»Es ist mir gleich, dass du mich hasst. Dein Hass ist der Liebe sehr nahe. Wir werden noch einmal darüber sprechen.«

Mit der Eleganz einer Gazelle schritt er von dannen.

Langsam begab Renisenb sich zu der Stelle am See, wo Kait mit den Kindern spielte.

Die beiden Frauen wechselten einige belanglose Worte.

Ganz plötzlich fragte dann Renisenb: »Soll ich einen zweiten Gatten nehmen? Was würdest du dazu sagen, Kait?«

Ohne sonderliche Anteilnahme erwiderte Kait gelassen: »Das wäre vielleicht ganz gut. Du bist jung und gesund und kannst noch viele Kinder haben.«

»Besteht darin das Leben der Frau?«

»Für die Frau ist es die Hauptsache, das weißt du wohl. Rede nicht, als ob du eine Sklavin wärst. In Ägypten verfügen die Frauen über Macht, durch sie geht die Erbschaft auf die Kinder über. Die Frauen sind das Lebensblut Ägyptens.«

Nachdenklich betrachtete Renisenb ihre Tochter Teti, die voller Ernst für ihre Puppe einen Blumenkranz wand.

Teti blickte auf und lächelte ihre Mutter an. Es war ein zutrauliches, heiteres Lächeln.

Kait sah Renisenb neugierig an.

»Was wünschst du dir eigentlich, Renisenb? Ich verstehe dich nicht recht.«

Renisenb antwortete nicht. Wie hätte sie in Worte fassen sollen, was sie selber nicht verstand? Sie sah um sich, auf die Hofmauern, den fröhlich bemalten Vorplatz des Hauses, das glatte Wasser des Sees und den anmutigen kleinen Pavillon, die hübschen Blumen und die Papyrusstauden.

Leise sagte sie: »Von hier aus kann man den Fluss nicht sehen…«

Kait machte ein erstauntes Gesicht.

»Wozu soll man ihn denn sehen?«

»Ich weiß nicht. Ach, ich bin dumm…« Renisenb holte tief Atem. »Wie friedlich es hier ist. Man vermag sich gar nicht vorzustellen, dass hier etwas geschehen könnte, etwas Grauenvolles…«

Aber gerade am See wurde Ipy am nächsten Morgen gefunden. Er lag, das Gesicht nach unten gekehrt, ausgestreckt auf dem Grunde des Wassers, wo eine Hand ihn festgehalten hatte, so dass er ertrunken war.