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Dritter Monat der Überschwemmung – 14. Tag

 

Überall herrschte lebhaftes Treiben, es wurden Vorbereitungen getroffen. Unzählige Brote waren in der Küche gebacken worden, jetzt wurden Enten gebraten, und es roch würzig. Frauen riefen und erteilten Befehle; Diener liefen hin und her.

Allenthalben hörte man: »Der Herr kommt… der Herr kommt!«

Renisenb, die beim Winden der Mohn- und Lotosgirlanden mithalf, war voller Wiedersehensfreude. Ihr Vater kehrte heim! In den letzten Wochen hatte sie sich unmerklich ihrem alten Leben wieder angepasst. Das Gefühl der Unsicherheit und Fremdheit, das, wie sie glaubte, Horis Worte in ihr geweckt hatten, war verschwunden. Wie einst ging sie nun im Wirbel der Vorbereitungen für Imhoteps Rückkehr auf. Es hieß, er würde noch vor Einbruch der Nacht eintreffen. Einer der Diener war am Flussufer aufgestellt worden, um die Ankunft des Herrn gleich zu melden; plötzlich ließ seine laute, klare Stimme den vereinbarten Ruf hören.

Renisenb legte die Blumen aus der Hand und eilte mit den anderen hinaus. Yahmose und Sobek befanden sich schon am Anlegeplatz, inmitten von Dorfbewohnern, Fischern und Landarbeitern, die alle aufgeregt riefen und mit dem Finger wiesen.

Ja, da war das Boot mit dem großen Segel, das der Nordwind blähte. Dicht dahinter kam das Küchenboot, vollbesetzt mit Männern und Frauen. Und dann erkannte Renisenb ihren Vater, der eine Lotosblüte in der Hand hielt; neben ihm saß eine Gestalt.

Die Jubelrufe am Ufer verstärkten sich, Imhotep winkte leutselig, die Bootsleute sputeten sich, das Boot zum Anlegen bereitzumachen. »Willkommen, Herr!«, erschallte es ringsum, und kurz darauf kam Imhotep an Land, um seine Familie zu begrüßen und für den Empfang zu danken.

Renisenb, angesteckt von der allgemeinen Erregung, drängte nach vorn.

Imhotep nahm eine würdige Haltung an, und plötzlich dachte Renisenb ernüchtert: Aber er ist ja ein kleiner Mann. Ich meinte, er sei viel größer.

Sie empfand beinahe Bestürzung. War ihr Vater zusammengeschrumpft? Oder täuschte sie die Erinnerung? Wenn sie in all den Jahren an ihn dachte, hatte sie stets eine eindrucksvolle Persönlichkeit vor sich gesehen, einen Herrscher, der befahl und mahnte. Aber dieser kleine, untersetzte, ältliche Mann, der von seiner eigenen Bedeutung völlig überzeugt schien und dabei doch eigentlich gar nicht eindrucksvoll wirkte… Wie war es möglich, dass ihr solch unbotmäßige Gedanken kamen?

Nachdem Imhotep die zeremonielle Begrüßung beendet hatte, ging er zu persönlichen Worten über. Er umarmte seine Söhne.

»O mein guter Yahmose, ich grüße dich. Du warst fleißig während meiner Abwesenheit, dessen bin ich sicher. Und Sobek, mein schöner Sohn, du bist immer noch fröhlichen Herzens, wie ich sehe. Und hier ist Ipy, mein viel geliebter Ipy… lass dich anschauen… Du bist gewachsen, wirst allmählich ein Mann. Wie erfreut es mein Herz, dich wieder in den Armen zu halten! Und Renisenb, meine liebe Tochter… wieder daheim. Satipy, Kait, meine nicht weniger geliebten Töchter… Und Henet, meine treue Henet…«

Henet lag auf den Knien und wischte sich geflissentlich Tränen aus den Augen.

»Es tut wohl, dich wiederzusehen, Henet. Du bist doch gesund und glücklich? In treuer Liebe ergeben wie stets… das erfreut mein Herz. Und mein ausgezeichneter Hori, so gewissenhaft in allen Abrechnungen und gewandt mit der Feder! Gedeiht alles wohl? Ich bin dessen sicher.«

Als schließlich die Begrüßung ein Ende gefunden hatte und das Gemurmel ringsum erstarb, hob Imhotep, Schweigen gebietend, die Hand und sprach mit lauter, klarer Stimme:

»Meine Söhne und Töchter, meine Freunde. Ich habe euch eine Neuigkeit mitzuteilen. Seit vielen Jahren bin ich, wie ihr alle wisst, ein einsamer Mann. Meine erste Frau – eure Mutter, Yahmose und Sobek – und meine Schwester und zweite Frau – deine Mutter, Ipy – sind vor vielen Jahren zu Osiris eingegangen. Deshalb bringe ich euch, Satipy und Kait, eine neue Schwester, die euer Haus teilen wird. Seht, dies ist mein Weib, Nofret, die ihr um meinetwillen lieben sollt. Sie ist mit mir von Memphis gekommen und wird hier bleiben, wenn ich wieder fortreise.«

Während er dies sagte, schob er eine Frau in den Vordergrund. Sie stand nun neben ihm, mit zurückgeworfenem Kopf und zusammengezogenen Brauen, jung, anmaßend und schön.

Renisenb dachte mit Schrecken und Verwunderung: Aber sie ist ja noch so jung, wahrscheinlich nicht älter als ich.

Nofret rührte sich nicht. Um ihre Lippen spielte ein schwaches Lächeln, das eher spöttisch als ängstlich war und deshalb missfiel.

Sie hatte sehr gerade dunkle Brauen und eine glühende Bronzehaut; ihre Wimpern waren so lang und dicht, dass man kaum ihre Augen sah.

Die Familie betrachtete sie verdutzt in dumpfem Schweigen.

Mit leicht gereiztem Unterton fuhr Imhotep fort: »Nun, meine Kinder, heißt Nofret willkommen. Wisst ihr nicht, wie ihr das Weib eures Vaters zu begrüßen habt, wenn er es in sein Haus bringt?«

Zögernd und zurückhaltend wurde die junge Frau begrüßt.

»So ist’s recht! Meine liebe Nofret… Satipy, Kait und Renisenb werden dich zum Frauengemach geleiten. Wo sind die Kisten?«

Die runddeckligen Reisekisten wurden an Land getragen.

Imhotep sagte zu Nofret: »Hier sind deine Juwelen und deine Gewänder. Geh und sieh zu, dass sie verwahrt werden.«

Als die Frauen sich entfernt hatten, wandte er sich an seine Söhne: »Die Geschäfte können bis morgen warten, meine Lieben. Heute wollen wir uns des Wiedersehens freuen. Komm, Ipy, mein Junge, lass uns miteinander heimgehen. Wie groß du geworden bist – du überragst mich ja schon.«

Mürrisch trottete Sobek hinter seinem Vater und Ipy her. Er flüsterte Yahmose ins Ohr: »Juwelen und Gewänder, hast du das gehört? Da ist der Gewinn des nördlichen Besitzes geblieben. Unser Gewinn.«

»Sei still«, raunte Yahmose. »Unser Vater hört dich.«

»Und wenn er mich hört? Ich fürchte mich nicht vor ihm – wie du.«

Als sie im Haus angelangt waren, trat Henet zu Imhotep ins Zimmer, um das Bad vorzubereiten. Sie war ganz Lächeln.

Imhotep stand von seiner verteidigenden Herzlichkeit ab, als er sie fragte:

»Nun, Henet, was hältst du von meiner Wahl?«

»Oh, sie ist schön! Wunderschön! Welches Haar, welche Gestalt! Sie ist deiner wert, Imhotep, mehr vermag ich nicht zu sagen. Dein liebes Weib, das tot ist, wird sich freuen, dass du eine solche Gefährtin gewählt hast, die dir die Tage verschönt.«

»Du kanntest meine Frau gut… Ich fand es einfach an der Zeit, wieder wie ein Mann zu leben. Werden meine Söhne und Töchter es mir wohl verargen?«

»Das sollten sie lieber nicht tun«, erwiderte Henet. »Sind alle in diesem Hause nicht von dir abhängig? Deine Güte kleidet und ernährt sie, ihr Wohlergehen ist ganz und gar das Ergebnis deiner Bemühungen.«

»Ja, das stimmt.« Imhotep seufzte. »Ich bin um ihretwillen fortwährend tätig. Manchmal bezweifle ich, ob ihnen klar ist, was sie mir zu verdanken haben.«

»Du musst sie daran erinnern. Ich, deine demütig ergebene Henet, vergesse nie, was ich dir verdanke. Aber Kinder sind mitunter gedankenlos und selbstsüchtig; sie wähnen vielleicht, dass sie die Hauptpersonen sind, und machen sich nicht klar, dass sie nur die ihnen gegebenen Anweisungen auszuführen haben.«

»Das stimmt wirklich«, nickte Imhotep. »Ich habe immer gesagt, du bist ein sehr kluges Geschöpf, Henet.«

»Du bist zu gütig, Herr.«

Sie machte eine Pause und fügte dann hinzu: »Die Sklaven warten im Badezimmer mit dem heißen Wasser. Nach dem Bad möchte deine Mutter mit dir sprechen.«

»Ach, meine Mutter? Ja, ja, natürlich…«

Imhotep sah mit einem Mal leicht verwirrt aus. Er verbarg seine Unruhe, indem er rasch fortfuhr: »Natürlich, ich hatte ohnehin die Absicht… Richte Esa aus, dass ich kommen werde.«

 

Esa, die ihr schönstes Linnengewand trug, blickte ihren Sohn mit geradezu sardonischer Belustigung an.

»Willkommen, Imhotep. Du bist also heimgekehrt – und nicht allein, wie ich höre.«

Imhotep versetzte würdevoll: »Oh, du hast es schon gehört?«

»Natürlich. Das ganze Haus summt ja von der Neuigkeit. Das Mädchen ist schön, heißt es, und ganz jung.«

»Sie ist neunzehn und sieht nicht übel aus.«

Esa lachte – es war das spöttische Kichern einer alten Frau.

»Nun ja, es gibt keinen größeren Narren als einen alten Narren.«

»Meine liebe Mutter, ich verstehe nicht, was du meinst.«

»Du warst von jeher ein Tor, Imhotep.«

»Ist es etwa ungewöhnlich, wenn ein Mann ohne Frau sich ein Weib nimmt?«

»Ganz und gar nicht. Die meisten Männer sind Narren.«

»Ich sehe nicht ein, was an der Sache so töricht ist.«

»Bildest du dir ein, dass die Anwesenheit des Mädchens Frieden in diesem Hause schaffen wird? Satipy und Kait werden außer sich sein und ihre Gatten gegen sie aufstacheln.«

»Was haben sie damit zu schaffen? Haben sie ein Recht, sich aufzulehnen?«

»Nein.«

Imhotep begann ärgerlich auf und ab zu gehen.

»Darf ich in meinem Hause nicht tun, was mir beliebt? Sorge ich nicht für meine Söhne und ihre Frauen? Verdanken sie mir nicht das Brot, das sie essen?«

Esa seufzte.

»Sie arbeiten für dich, vergiss das nicht.«

»Möchtest du, dass ich sie zur Faulheit ermuntere? Natürlich arbeiten sie.«

»Es sind erwachsene Männer.«

»Sobek hat kein Urteilsvermögen. Er macht alles verkehrt. Auch ist er oft unverschämt, was ich nicht dulden werde. Yahmose in ein folgsamer Knabe…«

»Kein Knabe mehr!«

»Aber manchmal muss ich ihm etwas zweimal sagen, bis er es begreift. Ich muss an alles denken, muss überall sein! Wenn ich fort bin, muss ich die ganze Zeit schriftliche Anweisungen geben. Ich ruhe kaum, ich schlafe kaum! Und nun komme ich heim, habe mir ein wenig Frieden verdient, und schon gibt es neue Schwierigkeiten! Sogar du, Mutter, machst mir das Recht streitig, wie andere Männer ein Weib zu nehmen. Du bist zornig…«

Esa unterbrach ihn: »Ich bin nicht zornig. Es belustigt mich. Immerhin gebe ich dir den Rat, das Mädchen mitzunehmen, wenn du wieder Richtung Norden reist.«

»Ihr Platz ist hier, in meinem Hause! Und wehe demjenigen, der sich untersteht, sie schlecht zu behandeln.«

»Es geht nicht um die Frage schlechter Behandlung. Doch bedenke, es ist leicht, trockenes Stroh in Brand zu setzen. Es gibt Orte, an denen für eine Frau nicht gut sein ist…«

Esa schwieg ein Weilchen, dann fuhr sie langsam fort:

»Nofret ist schön. Aber bedenke dies: ›Durch die gleißenden Glieder der Weiber werden Männer zu Toren, und siehe, in einer Minute sind sie entstellte Karneole geworden…‹«

Ihre Stimme wurde dunkler, als sie weiterzitierte: »›Ein bisschen, ein wenig, so etwas wie ein Traum, und am Ende kommt der Tod…‹«