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Erster Monat des Sommers – 25. Tag

 

Als die Mitglieder nach der Unterzeichnung des Teilhabervertrags vom Hof des Monarchen zurückkehrten, wurde allenthalben ein fröhlicher Geist spürbar. Die einzige Ausnahme bildete Ipy, der im letzten Augenblick wegen seines jugendlichen Alters von der Teilhaberschaft ausgeschlossen worden war. Infolgedessen war er in finsterer Stimmung und hielt sich bewusst abseits.

Imhotep ließ Wein auf den Vorplatz bringen, schlug Yahmose auf die Schulter und rief munter: »Trink, mein Sohn! Vergiss einmal deine Trauer. Lass uns nur an die kommenden guten Tage denken!«

Imhotep, Yahmose, Sobek und Hori leerten den Becher auf diesen Trinkspruch. Dann wurde ihnen die Nachricht gebracht, ein Ochse sei gestohlen worden, und alle vier Männer eilten davon, um die Angelegenheit zu untersuchen.

Als Yahmose eine Stunde später zurückkehrte, war er müde und erhitzt. Er ging zu dem Weinkrug, der immer noch dort stand. Er tauchte einen Bronzebecher hinein, ließ sich auf dem Vorplatz nieder und trank langsam den Wein.

Etwas später kam Sobek herbei und rief: »Ha, noch etwas Wein! Wir wollen auf unsere Zukunft trinken, die nun gesichert ist. Für uns ist wirklich ein freudiger Tag, Yahmose!«

»Ja, wirklich«, stimmte Yahmose zu. »Jedenfalls haben wir jetzt ein leichteres Leben.«

»Du bist immer so bescheiden, Yahmose.« Sobek lachte, während er sprach, tauchte einen Becher in den Wein, trank ihn in einem Zug aus und schnalzte mit der Zunge, indes er den Becher niedersetzte. »Jetzt wollen wir sehen, ob mein Vater immer noch ein solcher Hemmschuh ist, oder ob ich ihn zu neueren Methoden bekehren kann.«

»Ich würde an deiner Stelle langsam vorgehen«, rief Yahmose. »Du bist leicht zu hitzköpfig.«

Sobek lächelte seinem Bruder liebevoll zu. Er war in glänzender Stimmung.

»Alter Leisetreter«, neckte er.

Yahmose lächelte zurück.

»Das ist zum Schluss das beste Verfahren. Außerdem war unser Vater sehr gut zu uns. Wir dürfen ihn nicht ärgern.«

Sobek sah ihn neugierig an.

»Du hast unsern Vater wirklich gern? Du bist ein zartfühlendes Geschöpf, Yahmose! Ich schere mich um niemand, um niemand, außer um Sobek – er möge lange leben!«

Abermals leerte er einen Becher.

»Sei vorsichtig«, warnte Yahmose. »Du hast heute wenig gegessen. Wenn man den Wein trinkt…« Er brach ab, sein Mund verzerrte sich plötzlich.

»Was hast du, Yahmose?«

»Nichts weiter… ein plötzlicher Schmerz… es ist nichts…«

Aber Yahmose hob die Hand, um sich die Stirn abzuwischen, auf der mit einem Mal Schweiß ausgebrochen war.

»Du siehst schlecht aus.«

»Ich habe mich eben noch sehr gut gefühlt.«

»Solange niemand den Wein vergiftet hat…«

Sobek lachte über seine eigenen Worte und streckte den Arm aus, um nach dem Krug zu greifen. Doch jählings versteifte sich der Arm, und sein Körper knickte zusammen.

»Yahmose«, stieß er hervor, »ich auch…«

Yahmose stürzte mit einem halb erstickten Schrei zu Boden.

Sobek krümmte sich vor Schmerzen: »Hilfe! Holt einen Arzt… einen Arzt!«

Henet kam aus dem Haus gerannt.

»Was ist geschehen?«

Ihre aufgeregten Rufe ließen andere herbeieilen.

Die beiden Brüder stöhnten vor Schmerzen.

Yahmose sagte matt: »Der Wein… vergiftet… Holt einen Arzt…«

Henet schrie schrill: »Noch ein Unglück! Dieses Haus ist verflucht! Schnell! Lauft zum Tempel und holt den heiligen Vater Mersu, der ein erfahrener, geschickter Arzt ist!«

 

Imhotep schritt in der Haupthalle auf und ab. Sein schönes Linnengewand war schmutzig und zerknittert; er hatte sich weder gebadet noch umgezogen. Auf seinem Antlitz malten sich Sorge und Angst.

Aus dem Hintergrund des Hauses erklangen Jammern und Weinen; die Weiber, von Henet geführt, beklagten das neuerliche Unglück. Aus einem Zimmer hörte man die Stimme des Priesterarztes Mersu, der den reglosen Körper Yahmoses betastete und dabei betete.

Renisenb, die sich aus dem Frauenquartier gestohlen hatte, wurde von dem Gemurmel des Arztes angezogen. Sie lauschte ihm andachtsvoll.

Plötzlich entrang sich Yahmoses Lippen ein schwacher Seufzer.

Im Stillen begann Renisenb ebenfalls zu beten: »O Isis, rette meinen Bruder Yahmose… O Isis, lass Yahmose nicht auch noch sterben, rette ihn vor Nofrets rächendem Hass. Er hat ihr nichts getan, er ist für die Tat seines Weibes nicht verantwortlich…«

Imhotep, der immer noch zerstreut auf und ab ging, blickte auf und sah seine Tochter.

»Komm zu mir, Renisenb, mein liebes Kind.«

Sie eilte zu ihm, und er legte ihr den Arm um die Schultern.

»O Vater, was sagt man?«

Imhotep antwortete traurig: »Es heißt, dass für Yahmose Hoffnung besteht. Sobek… du weißt es wohl schon?«

»Ja, ja. Hast du uns nicht klagen gehört?«

»Er starb bei Sonnenuntergang. Sobek, mein starker, schöner Sohn…« Seine Stimme brach.

»War denn nichts mehr zu machen?«

»Man hat alles versucht. Ein Arzneitrank ließ ihn erbrechen. Kräftige Kräutersäfte wurden ihm eingeflößt. Heilige Amulette wurden ihm aufgelegt, und alle Beschwörungsgebete wurden gesprochen. Alles war vergebens. Mersu ist ein geschickter Arzt. Wenn er meinen Sohn nicht retten konnte, dann war es der Wille der Götter, dass er nicht gerettet werden sollte.«

Die Stimme des Priesterarztes erhob sich zu einem letzten Gesang. Dann kam Mersu aus dem Zimmer, er wischte sich den Schweiß von der Stirn.

»Nun?«, forschte Imhotep begierig.

Der Arzt sagte ernst: »Durch die Gnade Isis’ wird dein Sohn am Leben bleiben. Er ist noch geschwächt, aber die Krise ist überstanden, das Gift wirkt nicht mehr, der böse Einfluss ist überwunden. Glücklicherweise hat Yahmose von dem vergifteten Wein mäßiger getrunken. Dein Sohn Sobek scheint den Becher in einem Zug geleert zu haben, vielleicht sogar mehrere Becher.«

Imhotep stöhnte.

»Da siehst du den Unterschied zwischen den beiden. Yahmose ist stets vorsichtig und enthaltsam. Der Wein war also wirklich vergiftet?«

»Daran besteht kein Zweifel, Imhotep. Meine jungen Gehilfen haben die Probe gemacht – die Tiere, denen der Rest eingeflößt wurde, sind alle mehr oder weniger schnell gestorben.«

»Aber ich habe keine schlimme Wirkung gespürt, obwohl ich kaum eine Stunde früher von demselben Wein getrunken habe.«

»Das Gift ist zweifellos später hinzugefügt worden.«

Imhotep schlug sich mit der Faust auf die andere Handfläche.

»Kein lebender Mensch würde es wagen, meine Söhne unter meinem Dach zu vergiften! Das ist unmöglich. Kein lebender Mensch, sage ich!«

Mersu beugte leicht das Haupt. Sein Gesichtsausdruck war unergründlich.

»Das vermagst du am besten zu beurteilen.«

Imhotep schien zu überlegen. Dann sagte er unvermittelt: »Es geht ein Gerede, das du hören sollst.« Er befahl einem Diener: »Bring den Viehhirten her.«

Er wandte sich wieder an Mersu: »Es ist ein Junge, der nicht viel Verstand hat. Er erfasst nicht leicht, was zu ihm gesagt wird, und er ist nicht im Vollbesitz seiner Kräfte. Gleichwohl hat er Augen, recht gute Augen, und er ist meinem Sohn Yahmose sehr ergeben, der immer gütig zu ihm war und auf seine geistige Schwäche Rücksicht genommen hat.«

Der Diener kehrte zurück, er zog einen dünnen, fast schwarzhäutigen, nur mit einem Lendentuch bekleideten Jungen hinter sich her, der ängstlich um sich blickte.

»Sprich«, sagte Imhotep scharf. »Wiederhole, was du mir vorhin berichtet hast.«

Der Junge ließ den Kopf hängen und fingerte an seinem Lendentuch herum.

»Sprich!«, brüllte Imhotep.

Esa kam an ihrem Stock herbeigehumpelt, ihre kurzsichtigen Augen blinzelten.

»Du erschreckst das Kind. Hier Renisenb, gib ihm diese Jujube. So, mein Junge, nun erzähle, was du gesehen hast.«

Der Knabe blickte von einem zum anderen.

Esa half ihm: »Was hast du gestern gesehen, als du an der Hoftür vorbeikamst?«

Der Knabe schüttelte den Kopf und murmelte: »Wo ist mein Herr Yahmose?«

Der Priester sprach freundlich und würdevoll: »Es ist der Wunsch deines Herrn Yahmose, dass du uns alles erzählst.«

Das Gesicht des Jungen erhellte sich. »Mein Herr Yahmose war gut zu mir. Ich will seinem Wunsche folgen.« Dann kamen die Worte rasch von seinen Lippen, während er um sich blickte, als fürchtete er, von einem Unsichtbaren gehört zu werden: »Ich suchte den kleinen Esel, der immer Unheil anrichtet, und kam an dem großen Hoftor vorbei, und ich schaute durchs Tor auf das Haus. Auf dem Vorplatz war niemand, aber ich sah einen Weinständer. Und da trat eine Frau aus dem Haus. Sie ging zu dem Weinkrug und hielt ihre Hand darüber, und dann… dann… ging sie wieder ins Haus, glaube ich… ich weiß es nicht. Denn ich hörte Schritte, drehte mich um und sah in der Ferne meinen Herrn Yahmose vom Felde zurückkehren. Da suchte ich weiter nach dem kleinen Esel, und mein Herr Yahmose ging in den Hof.«

»Wer war diese Frau, die ihre Hand über den Weinkrug gehalten hat?«, fragte der Priester.

Mit ausdrucksloser Miene schüttelte der Junge den Kopf.

»Ich weiß es nicht. Es muss eine der Frauen vom Haus gewesen sein. Ich kenne die Frauen nicht. Ich hüte weit draußen die Herde. Sie trug ein Gewand aus gefärbtem Linnen.«

»Vielleicht eine Dienerin?«, meinte der Priester.

Sehr entschieden schüttelte der Knabe den Kopf.

»Es war keine Dienerin, denn sie trug eine Perücke und Schmuck.«

»Was für Schmuck?«, forschte Imhotep.

Der Knabe erwiderte eifrig, als ob er seine Furcht überwunden hätte und seiner Sache sicher wäre: »Eine dreireihige Perlenkette, an der goldene Löwen hingen.«

Esas Stock fiel zu Boden. Imhotep stieß einen erstickten Schrei aus.

Mersu sagte drohend: »Du lügst, Junge!«

Die Stimme des Knaben erhob sich schrill und klar: »Ich schwöre, es ist die Wahrheit!«

Aus dem Zimmer, in dem der Kranke lag, rief Yahmose: »Was ist los?«

Der Junge stürzte durch die geöffnete Tür und kauerte vor Yahmoses Lager nieder.

»Herr, sie wollen mich quälen!«

»Nein, nein.« Mühsam wandte Yahmose das Haupt auf der gebogenen hölzernen Kopfstütze. »Tut dem Kind nichts. Es ist einfältig, aber ehrlich. Versprecht mir, ihm nichts zu tun.«

»Natürlich, natürlich«, beschwichtigte Imhotep ihn. »Es ist klar, dass der Junge alles gesagt hat, was er weiß, und ich glaube nicht, dass er etwas erfindet. Geh, Knabe, aber bleib in der Nähe des Hauses, so dass wir dich rufen können, wenn wir dich brauchen.«

Mit einem zufriedenen Lächeln entfernte sich der Junge.

Der Priester untersuchte Yahmoses Augen und fühlte ihm den Puls. Dann riet er ihm zu schlafen und ging mit den andern wieder in die Haupthalle.

Er sagte zu Imhotep: »Es ist dir bekannt, was der Knabe beschrieben hat?«

Imhotep nickte. Seine bronzefarbenen Wangen waren gerötet.

Renisenb sagte: »Nur Nofret trug jemals ein Gewand aus gefärbtem Linnen. Sie hat diese neue Mode aus den Städten des Nordens mitgebracht. Aber ihre Kleider wurden mit ihr begraben.«

»Und die dreireihige Perlenkette mit den goldenen Löwen war ein Geschenk von mir«, erklärte Imhotep. »Niemand sonst besitzt einen solchen Schmuck. Er war kostbar und ungewöhnlich. All ihre Schmuckstücke sind außer einer kleinen Kette aus Karneolen mit ihr begraben und im Grab versiegelt worden.«

Er warf die Arme empor. »Ich habe mein Weib gut behandelt und der Toten alle Ehren erwiesen, ohne Kosten zu scheuen. Ich wollte ihr größere Gunst erweisen als meinen eigenen Söhnen. Warum kehrt sie nun aus der Unterwelt zurück und verfolgt mich und meine Familie?«

Mersu entgegnete ernst: »Es scheint, dass die Tote nicht dir persönlich übel will. Der Wein war harmlos, als du ihn trankst. Wer von deinen Angehörigen hat dein Weib beleidigt?«

»Eine Frau, die nicht mehr am Leben ist«, antwortete Imhotep kurz.

»Du meinst das Weib deines Sohnes Yahmose?«

»Ja.« Imhotep machte eine Pause, dann sprudelte er hervor: »Was können wir gegen dieses Böse tun, heiliger Vater? O böser Tag, an dem ich dieses Weib in mein Haus brachte!«

»Wahrlich, ein böser Tag«, sagte Kait, die vom Frauenquartier herkam, mit dunkler Stimme. Ihre Augen waren geschwollen von den Tränen, die sie vergossen hatte, und ihr Gesicht zeigte eine auffallende Strenge und Entschlossenheit. »Es war ein böser Tag, an dem du Nofret herbrachtest, Imhotep. Den klügsten und schönsten deiner Söhne hat sie vernichtet! Satipy und meinen Sobek hat sie in den Tod geführt, und Yahmose ist diesem Geschick nur knapp entronnen. Wer wird der nächste sein? Wird sie auch unsere Kinder vernichten, sie, die meine kleine Ankh zu Boden stieß? Etwas muss geschehen, Imhotep!«

»Etwas muss geschehen«, wiederholte Imhotep, den Priester flehend anblickend.

»Es gibt immer Mittel und Wege«, sagte Mersu. »Wenn wir der Tatsache sicher sind, können wir beginnen. Ich denke an dein erstes Weib, Imhotep, an Ashayet. Sie stammte aus einer einflussreichen Familie. Sie vermag im Lande der Toten Mächte aufzurufen, gegen die Nofret nichts ausrichten kann. Wir müssen zusammen beratschlagen.«

Kait stieß ein kurzes Lachen aus.

»Wartet nicht zu lange! Männer bleiben sich immer gleich. Alles muss sich nach den Regeln vollziehen. Ich aber sage euch, handelt rasch, oder es wird noch mehr Tote geben unter diesem Dach.«

Sie wandte sich ab und ging fort.

»Eine großartige Frau«, murmelte Imhotep. »Ihren Kindern eine ausgezeichnete Mutter, eine pflichtgetreue Gattin, aber dem Oberhaupt des Hauses gegenüber lässt sie es manchmal an Ehrerbietung fehlen. Natürlich verzeihe ich ihr das jetzt. Wir sind alle durch den Kummer außer uns. Wir wissen kaum, was wir tun.« Er griff sich mit beiden Händen an den Kopf.

»Einige von uns wissen selten, was sie tun«, bemerkte Esa.

Imhotep warf ihr einen ärgerlichen Blick zu. Der Priesterarzt traf Anstalten, sich zu verabschieden, und Imhotep begab sich mit ihm auf den Vorplatz hinaus, wo er sich Anweisungen für die Behandlung des Kranken geben ließ.

Renisenb sah, dass ihre Großmutter die Stirn runzelte und einen so seltsamen Ausdruck zur Schau trug, dass sie fragte: »Was denkst du, Großmutter?«

»In diesem Haus geschehen so sonderbare Dinge, dass man denken muss.«

»Sie machen mir Angst«, sagte Renisenb schaudernd.

»Mir auch«, versetzte Esa. »Aber vielleicht nicht aus demselben Grund.« Mit schroffer Gebärde schob sie ihre Perücke zurecht.

»Aber Yahmose wird nicht sterben«, bemerkte Renisenb.

Esa nickte.

»Ja, der Arzt ist zur rechten Zeit gekommen. Mag sein, dass er ein andermal weniger Glück hat.«

»Glaubst du… glaubst du, dass sich noch mehr solche Dinge ereignen werden?«

»Meiner Meinung nach müsst ihr, du, Yahmose, Ipy und vielleicht auch Kait, beim Essen und Trinken sehr vorsichtig sein. Achtet darauf, dass ein Sklave eure Nahrung immer zuerst kostet.«

»Und du, Großmutter?«

Esa lächelte ihr sardonisches Lächeln.

»Ich bin eine alte Frau, Renisenb. Ich habe aber die besten Lebensaussichten, weil ich vorsichtiger sein werde als ihr alle.«

»Und mein Vater? Gewiss wird Nofret meinem Vater doch nichts Böses wünschen?«

»Ich weiß nicht. Ich sehe noch nicht klar. Morgen will ich noch einmal mit dem Viehhirten sprechen. An seinem Bericht war etwas…« Stirnrunzelnd brach Esa ab.

Dann humpelte sie an ihrem Stock langsam ins Frauenquartier zurück.

Renisenb begab sich zu ihrem Bruder. Er schlief, und leise ging sie wieder hinaus. Nach kurzem Zögern schritt sie zu der Tür, die in Kaits Gemach führte. Kait sang eins der Kinder in den Schlaf. Ihr Antlitz war wieder ruhig und friedlich; sie sah ganz wie sonst aus, so dass Renisenb einen Augenblick lang das Gefühl hatte, die traurigen Ereignisse der letzten vierundzwanzig Stunden seien ein Traum gewesen.

Sie wandte sich ab und betrat ihr eigenes Zimmer. Auf einem Tisch stand unter ihren Schminksachen und Parfümkrügen das Schmuckkästchen, das Nofret gehört hatte.

Renisenb nahm es in die Hand und betrachtete es. Nofret hatte es berührt, hatte es in der Hand gehalten – es war ihr Eigentum gewesen. Wieder wurde Renisenb von einer Welle des Mitgefühls für die tote Frau ergriffen. Sicher war sie unglücklich gewesen, und deshalb hatte sie gehasst, und dieser Hass suchte Rache… o nein, o nein!

Beinahe mechanisch öffnete Renisenb das Kästchen. Darin lagen die Karneolenkette und das zerbrochene Amulett und noch etwas…

Mit klopfendem Herzen entnahm Renisenb dem Schmuckkästchen eine dreireihige Perlenkette mit goldenen Löwenanhängern…