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Dritter Monat der Überschwemmung – 15. Tag

 

Imhotep lauschte Sobeks Bericht über den Holzverkauf in düsterem Schweigen. Sein Gesicht war sehr rot geworden, und an der Schläfe pochte eine Ader.

Sobeks betont lässiges Auftreten wurde immer weniger überzeugend. Er hatte die Absicht gehabt, mit großer Gebärde alles zu erledigen, doch angesichts des väterlichen Ärgers begann er zu stammeln.

Schließlich schnitt Imhotep ihm kurzerhand das Wort ab:

»Ja, ja, du glaubtest es besser zu wissen als ich, du hast dich nicht an meine Anweisungen gehalten. Es ist immer dasselbe… wenn ich nicht hier bin und über allem wache…« Er seufzte. »Was aus euch würde, wenn ich nicht wäre, das kann ich mir nicht vorstellen!«

Sobek fuhr störrisch fort: »Es bot sich Aussicht auf einen viel größeren Gewinn, ich nahm das Wagnis auf mich. Es ist sinnlos, dauernd nur Vorsicht walten zu lassen!«

»Du bist viel zu voreilig und tollkühn, Sobek, und du hast kein Urteilsvermögen.«

»Habe ich denn jemals die Chance, mein Urteilsvermögen zu beweisen?«

Imhotep entgegnete trocken: »Diesmal hast du sie gehabt, hast meinen Befehlen zuwider gehandelt.«

»Muss ich ewig Befehle befolgen? Ich bin ein erwachsener Mann.«

Imhotep war mit seiner Geduld am Ende und rief: »Wer ernährt dich? Wer kleidet dich? Wer denkt an die Zukunft? Wer denkt immer an dein Wohlergehen, an euer aller Wohlergehen? Als der Fluss tief stand und Hungersnot uns bedrohte, sorgte ich da nicht dafür, dass euch aus dem Süden Lebensmittel geschickt wurden? Du hast Glück, einen Vater zu haben, der an alles denkt! Und was fordere ich als Entgelt? Nur dass du arbeitest und meine Anweisungen befolgst…«

»Ja«, schrie Sobek, »wir müssen wie Sklaven für dich arbeiten, damit du Gold und Juwelen für dein Weib kaufen kannst!«

Zornerfüllt trat Imhotep auf ihn zu.

»Frecher Knabe, der so zu seinem Vater spricht. Nimm dich in Acht, oder ich dulde dich nicht länger in meinem Hause!«

»Und wenn du dich nicht in Acht nimmst, geh ich freiwillig! Ich habe Einfälle, das sage ich dir, gute Einfälle, die uns Reichtum bringen würden, wenn ich nicht durch kleinliche Vorsicht gebunden wäre, sondern handeln dürfte, wie ich es für richtig halte.«

»Bist du fertig mit deiner Rede?«

Imhoteps Ton klang Unheil verkündend. Sobek, ein wenig ernüchtert, murmelte ärgerlich: »Ja, ja, ich habe nichts mehr zu sagen – vorläufig.«

»Dann geh und sieh nach dem Vieh. Wir haben keine Zeit zum Nichtstun.«

Sobek wandte sich ab und ging wütend davon. Nofret stand in der Nähe, und als er an ihr vorbeikam, blickte sie ihn von der Seite an und lachte. Bei ihrem Lachen schoss Sobek das Blut ins Gesicht; er machte zornig einen Schritt auf sie zu. Sie rührte sich nicht, sah ihn aus halbgeschlossenen Augen an.

Sobek murmelte etwas vor sich hin und setzte seinen Weg fort.

Nofret lachte abermals, dann ging sie langsam auf Imhotep zu, der jetzt mit Yahmose sprach.

»Was ist in dich gefahren, dass du Sobek so töricht hast handeln lassen?«, fragte er gereizt. »Du hättest es verhindern müssen! Weißt du denn nicht, dass er von Kauf und Verkauf nichts versteht? Er glaubt, alles wird nach seinen Wünschen gehen.«

Yahmose antwortete in abbittendem Ton:

»Du bist dir über die Schwierigkeiten nicht im Klaren, Vater. Du sagtest mir, ich solle Sobek beim Holzverkauf vertrauen. Darum war es notwendig, ihm nicht dreinzureden, damit er sein Urteilsvermögen bewies.«

»Er hat gar kein Urteilsvermögen! Er soll tun, was ich befehle, und du hast darauf zu achten, dass er genau das tut.«

Yahmose errötete.

»Aber ich habe keinerlei Vollmacht. Wenn ich dein Teilhaber wäre…«

Er brach ab, als Nofret hinzutrat. Sie gähnte und drehte eine rote Mohnblume in den Händen.

»Willst du nicht zu dem kleinen Pavillon am See kommen, Imhotep? Dort ist es kühl, und es warten deiner Früchte und Keda-Bier. Gewiss hast du inzwischen alle deine Befehle erteilt.«

»Sofort, Nofret, sofort.«

Nofret bat mit weicher, dunkler Stimme: »Komm jetzt. Ich möchte, dass du jetzt kommst…«

Imhotep sah geschmeichelt und ein wenig einfältig aus.

Yahmose sprach schnell, ehe sein Vater etwas sagen konnte: »Lass uns dies erst beenden. Es ist wichtig. Ich möchte dich bitten…«

Nofret drehte Yahmose den Rücken und sagte zu Imhotep: »Kannst du in deinem eigenen Hause nicht tun, was dir beliebt?«

Scharf fuhr Imhotep seinen Sohn an: »Ein andermal, Yahmose, ein andermal.«

Er schritt mit Nofret von dannen, und Yahmose, der auf dem Vorplatz stehen blieb, blickte ihnen nach.

Satipy trat aus dem Haus und gesellte sich zu ihm.

»Nun«, fragte sie eifrig, »hast du mit ihm gesprochen? Was hat er gesagt?«

Yahmose seufzte.

»Sei nicht so ungeduldig, Satipy. Der Augenblick war nicht gerade günstig.«

Sie stieß einen Ruf des Ärgers aus.

»Ach, das ist deine ewige Ausflucht! In Wirklichkeit hast du Angst vor deinem Vater. Du bist furchtsam wie ein Schaf, du begegnest ihm nicht wie ein Mann! Weißt du nicht mehr, was du mir gelobt hast? Am ersten Tag wolltest du mit ihm sprechen. Stattdessen…«

Er fiel milde ein: »Du irrst dich, Satipy. Ich habe mit ihm gesprochen, aber wir wurden unterbrochen.«

»Unterbrochen? Durch wen?«

»Durch Nofret.«

»O dieses Weib! Dein Vater sollte sich durch diese Frau nicht stören lassen, wenn er mit seinem ältesten Sohn spricht! Das hätte er ihr von Anfang an klar machen müssen.«

Yahmose entgegnete trocken: »Er schien darüber nicht ungehalten gewesen zu sein.«

»Es ist eine Schande! Sie hat deinen Vater vollständig verhext. Er lässt sie reden und tun, was ihr beliebt.«

»Sie ist sehr schön«, sagte Yahmose nachdenklich.

»Nun ja, sie sieht nicht übel aus«, schnaubte Satipy. »Aber sie hat kein Benehmen! Keine Erziehung! Sie macht sich nichts daraus, uns alle grob zu behandeln.«

»Vielleicht seid ihr grob zu ihr?«

»Ich bin ein Ausbund an Höflichkeit. Kait und ich behandeln sie mit aller Zuvorkommenheit. Oh, sie soll keinen Grund haben, sich bei deinem Vater zu beschweren. Wir können unsere Zeit abwarten, Kait und ich.«

Er blickte sie scharf an.

»Was meinst du damit – eure Zeit abwarten?«

Sie lachte anzüglich.

»Meine Gedanken sind die Gedanken einer Frau, du würdest sie nicht verstehen. Wir haben unsere eigene Art – unsere eigenen Waffen! Nofret täte gut daran, weniger unverschämt zu sein. Worauf läuft das Leben eines Weibes schließlich hinaus? Sie verbringt es im Hinterhaus – unter andern Weibern.«

Satipys Ton hatte eine besondere Bedeutung. Sie fügte hinzu: »Dein Vater wird nicht ewig hier sein. Er reist wieder auf seine Besitztümer im Norden. Und dann… werden wir sehen.«

»Satipy…«

Sie lachte – es war ein hart klingendes, hohes Lachen – und kehrte ins Haus zurück.

 

Am See tummelten sich spielend die Kinder. Die beiden Söhne Yahmoses waren schöne Knaben, die mehr der Mutter als dem Vater glichen. Außerdem befanden sich dort Sobeks drei Kinder, von denen das jüngste gerade laufen gelernt hatte, sowie Teti, ein ernstes, schönes Mädchen von vier Jahren.

Sie lachten und riefen, warfen Bälle, gelegentlich entstand ein kleiner Streit, und ein kindlicher Zornesschrei erhob sich schrill.

Imhotep, der neben Nofret saß und sein Bier trank, sagte: »Wie gern Kinder am Wasser spielen. Soweit ich zurückdenken kann, war es immer so. Aber, bei Hathor, was für einen Lärm sie machen!«

Nofret erwiderte schnell: »Ja, und es könnte hier so friedlich sein. Warum schickst du sie nicht weg, solange du hier weilst? Schließlich sollte dem Herrn des Hauses Hochachtung gezollt werden, wenn er ausruhen will. Bist du nicht auch dieser Meinung?«

»Eigentlich stören sie mich nicht.« Matt fügte er hinzu: »Sie sind daran gewöhnt, hier zu spielen.«

»Ja, solange du fort bist. Aber wenn ich bedenke, was du alles für deine Familie tust, Imhotep, dann sollte dir mehr Ehrfurcht bezeugt werden. Du bist zu gütig.«

Imhotep seufzte.

»Das war von jeher mein Fehler. Ich bestehe nie auf Wahrung der Formen.«

»Und so kommt es, dass die Frauen deiner Söhne aus deiner Güte Vorteil ziehen. Hier sollte ein für alle Mal Ruhe und Frieden herrschen, wenn du rastest. Ich will gehen und Kait sagen, dass sie ihre Kinder und auch die andern fortbringt. Dann hast du hier den Frieden, den du brauchst.«

»Du bist ein guter Mensch, Nofret, du bist immer auf mein Wohlergehen bedacht.«

Nofret murmelte: »Deine Freude ist meine Freude.«

Sie stand auf und ging zu der Stelle am Ufer, wo Kait neben ihrem Zweitältesten, einem ziemlich verwöhnt wirkenden Knaben, kniete. Gemeinsam versuchten sie, ein kleines Schiff schwimmen zu lassen.

Nofret sagte kurz: »Wirst du gefälligst die Kinder fortbringen, Kait?«

Kait starrte sie verständnislos an.

»Fort? Was meinst du? Hier spielen sie immer.«

»Heute nicht. Imhotep will seine Ruhe haben. Deine Kinder machen Lärm.«

Kaits Gesicht wurde von Röte übergossen.

»Du solltest deine Zunge in Acht nehmen, Nofret! Imhotep liebt es, die Kinder seiner Söhne hier spielen zu sehen.«

»Nicht heute«, wiederholte Nofret. »Er lässt dir durch mich sagen, dass du die ganze laute Bande ins Haus bringen sollst, damit er hier in Frieden sitzen kann – mit mir.«

»Mit dir…« Kait hielt inne, erhob sich und ging zu dem Platz, wo Imhotep halb saß, halb lag. Nofret folgte ihr.

Kait sprach ohne Umschweife: »Dein Weib sagt, ich solle die Kinder fortbringen. Warum? Was tun sie Böses? Aus welchem Grund werden sie verbannt?«

»Ich hätte gedacht, dass der Wunsch des Herrn genügt«, bemerkte Nofret sanft.

»Ganz recht, ganz recht«, sagte Imhotep verdrossen. »Weshalb muss ich Gründe angeben? Wem gehört dieses Haus?«

»Ich nehme an, dass dieses Weib die Kinder forthaben will.«

Kait musterte Nofret von oben bis unten.

»Nofret ist auf mein Wohlergehen und meinen Genuss bedacht«, entgegnete Imhotep. »Niemand sonst in diesem Hause denkt daran – die arme Henet vielleicht ausgenommen.«

»Die Kinder dürfen also nicht mehr hier spielen?«

»Nicht, wenn ich herkomme, um auszuruhen.«

Kaits Zorn loderte jäh auf.

»Warum lässt du dich von diesem Weib gegen dein eigen Fleisch und Blut aufhetzen? Warum erlaubst du, dass sie das ganze Haus auf den Kopf stellt?«

Imhotep, der das Bedürfnis fühlte, sich vor sich selbst zu rechtfertigen, begann zu brüllen: »Ich befehle hier, nicht du! Ich bin hier der Herr, das lass dir gesagt sein! Ich arbeite ständig zu eurem Besten – aber wird mir Dankbarkeit gezollt, werden meine Wünsche geachtet? Nein! Zuerst ist Sobek unverschämt und unehrerbietig, und jetzt versuchst du, Kait, dich gegen mich aufzulehnen! Wozu ernähre ich euch alle? Hüte dich – oder ich lasse euch fallen. Sobek spricht davon fortzugehen – dann soll er nur fortgehen und dich und die Kinder gleich mitnehmen.«

Einen Augenblick lang stand Kait völlig unbeweglich da. Ihr wenig schönes Gesicht war ganz leer. Dann antwortete sie mit völlig ausdrucksloser Stimme:

»Ich bringe die Kinder ins Haus.«

Sie machte ein paar Schritte, vor Nofret blieb sie stehen. Leise sagte Kait:

»Das ist dein Werk, Nofret. Ich werde es nicht vergessen. O nein, ich werde es nicht vergessen…«