15
Um ihr Vorhaben, mit Tristan Frieden zu
schließen, zu planen und in die Tat umzusetzen, war ein
außergewöhnliches Maß an Einfallsreichtum und verwegener Kühnheit
vonnöten, wie sie es noch nie zuvor an den Tag gelegt hatte. Aber
sie hatte keine andere Wahl. Sie ließ Gasthorpe zu sich kommen,
erteilte ihm dreist Anweisungen und veranlasste, dass eine Kutsche
bestellt würde, die sie in die
rückwärtige Gasse hinter der Green Street bringen und dort auf sie
warten sollte.
Natürlich all dies unter dem Vorbehalt, dass
Seine Lordschaft, der Earl, unter keinen Umständen etwas davon
erfahren dürfe. Gasthorpe hatte ihr seine Dienste bereitwillig zur
Verfügung gestellt; obwohl ihr der Gedanke widerstrebte, den Mann
dazu anzustiften, seine Loyalität Tristan gegenüber bewusst außer
Acht zu lassen, diente die Aktion doch letzten Endes seinem
Besten.
Als Leonora schließlich in der Dunkelheit des
späten Abends zwischen den Büschen in Tristans Garten stand und
Licht aus den Fenstern seines Arbeitszimmers dringen sah, empfand
sie ihr Verhalten als absolut gerechtfertigt.
Er war also nicht ausgegangen, um irgendeinen
Ball oder eine Dinnerparty zu besuchen. Angesichts der Tatsache,
dass sie selbst ebenfalls durch Abwesenheit glänzte, würde sein
Nichterscheinen gewiss heftige Spekulationen auslösen. Während sie
dem Weg zwischen den Büschen entlang folgte und schließlich das
Haus erreichte, fragte sie sich, wie bald er sich wohl ihren
Hochzeitstermin wünschen würde. Nun, da sie ihre Entscheidung
endlich getroffen hatte, war es ihr im Grunde egal, aber wenn sie
eine Vorliebe hätte äußern sollen, dann eher früher als
später.
Desto weniger Zeit bliebe ihr, sich Gedanken
darüber zu machen, wie sich das Ganze wohl entwickeln würde -
lieber stürzte sie sich ins kalte Wasser und brachte es hinter
sich.
Ihre Mundwinkel wanderten nach oben. Gewiss war
er derselben Meinung, wenn auch vielleicht nicht aus denselben
Gründen.
Vor dem Fenster seines Arbeitszimmers blieb sie
stehen und spähte auf Zehenspitzen hinein; der Fußboden lag um
einiges höher als der Boden hier draußen. Tristan saß an seinem
Schreibtisch, den Kopf über die Arbeit gebeugt; er hatte ihr den
Rücken zugewandt. Ein Stoß Papiere befand sich zu seiner Rechten,
eine geöffnete Kladde zu seiner Linken.
Sie konnte genug sehen, um sicher zu sein, dass
er allein war.
Als er sich nach links wandte, um einen Eintrag
in dem Buch zu überprüfen, und sie sein Gesicht erkennen konnte,
fand sie, dass er nicht nur allein, sondern regelrecht einsam
wirkte. Ein einsamer Wolf, der sein einzelgängerisches Dasein hatte
ablegen müssen, um sich samt Titel, Häusern und Angehörigen in die
Kreise der feinen Gesellschaft einzuordnen und den damit
verbundenen Anforderungen gerecht zu werden.
Er hatte all seine Freiheit, seinen aufregenden,
gefährlichen und einsamen Lebenswandel aufgegeben, ohne sich zu
beschweren, um die Zügel aufzunehmen, die man ihm ungebeten in die
Hand gedrückt hatte.
Er hatte dafür kaum eine Gegenleistung erwartet
- weder eine Belohnung noch eine Entschädigung.
Er verlangte nur eines, nämlich sie zur Frau zu
nehmen. Er hatte ihr alles geboten, was sie sich jemals hätte
erträumen können, ihr alles gegeben, was sie bedenkenlos annehmen
konnte und annehmen würde.
Im Gegenzug hatte sie ihm ihren Körper
dargeboten, nicht jedoch das, wonach er sich am meisten sehnte.
Nicht ihr Vertrauen. Nicht ihr Herz.
Oder vielleicht hatte sie das durchaus getan,
aber sie hatte es sich selbst nicht eingestanden. Und es ihm daher
nie gesagt.
Aber diese Nachlässigkeit würde sie nun
wiedergutmachen.
Sie wandte sich leisen Schrittes ab und ging
weiter in Richtung Frühstückszimmer. Sie hatte damit gerechnet,
dass er daheimbleiben und sich um geschäftliche Dinge kümmern
würde, die er zweifellos vernachlässigt hatte, um sich auf die
Suche nach Mountford zu konzentrieren. Sie hatte gehofft, dass er
in seinem Arbeitszimmer sein würde; sie kannte sowohl die
Bibliothek als auch das Arbeitszimmer, und sie hatte den Eindruck
gewonnen, dass Letzteres weit mehr von seiner Persönlichkeit
widerspiegelte, dass dies der Raum war, in den er sich
normalerweise zurückzog. Seine Zuflucht.
Sie war heilfroh, dass sie mit dieser
Einschätzung offenbar richtiglag.
Die Bibliothek befand sich nämlich im anderen Gebäudeteil jenseits
der Eingangshalle.
Sie erreichte die Verandatür, durch die sie bei
ihrem letzten Besuch ins Haus gelangt waren. Sie stellte sich
direkt davor, legte ihre Hände gegen den Rahmen, so wie er es getan
hatte - wobei sie jedoch sicherheitshalber beide Hände benutzte -,
und versetzte ihm einen kräftigen Stoß.
Die Türflügel knarrten, blieben allerdings
verschlossen.
»Verdammt!« Sie blickte sie böse an; dann trat
sie etwas näher heran und lehnte sich mit der Schulter gegen den
Türrahmen. Sie zählte bis drei und warf sich mit ihrem gesamten
Gewicht gegen die Tür.
Die Türflügel sprangen abrupt auf; um ein Haar
wäre sie der Länge nach hingefallen.
Während sie noch mit ihrem Gleichgewicht
kämpfte, wirbelte sie herum, um die Tür wieder zu verschließen;
dann zog sie ihren Mantel fest um sich und schlich leise durchs
Zimmer. Mit angehaltenem Atem wartete sie ab, ob jemand etwas
bemerkt hatte; sie war der Meinung, nicht allzu viel Lärm gemacht
zu haben.
Sie hörte keine Schritte; niemand eilte herbei.
Allmählich beruhigte sich ihr Puls etwas.
Vorsichtig ging sie weiter. Das Letzte, was sie
jetzt gebrauchen konnte, war, dabei erwischt zu werden, wie sie ins
Haus einbrach, um sich heimlich mit dem Hausherrn zu treffen; dann
würde sie nach ihrer Heirat das gesamte Personal entlassen oder
bestechen müssen, und darauf war sie beileibe nicht erpicht.
Sie warf einen prüfenden Blick in die
Eingangshalle. Wie zuvor war um diese Zeit kein Diener mehr zu
sehen; Havers, der Butler, hielt sich mit Sicherheit im
Untergeschoss auf. Sie hatte freie Bahn und schlüpfte in den
dunklen Korridor, der zu seinem Arbeitszimmer führte - ein
Stoßgebet auf den Lippen.
Zum Dank dafür, dass sie es bis hierher
geschafft hatte, und mit der innigen Bitte, ihr Glück noch ein
wenig fortdauern zu lassen.
Vor der Tür seines Arbeitszimmers hielt sie inne
und starrte die Wandvertäfelung an, um sich noch ein letztes Mal
den fiktiven Ablauf ihrer Unterhaltung durch den Kopf gehen zu
lassen; doch ihr Verstand war wie leer gefegt.
Sie musste es jetzt hinter sich bringen, ihre
Entschuldigung wie auch ihre Bekanntmachung. Sie atmete tief ein
und griff nach dem Türknauf.
Er wurde ihr ruckartig aus der Hand gerissen;
die Tür flog weit auf.
Sie blinzelte und fand sich Tristan gegenüber,
der sie bedrohlich überragte.
Er blickte an ihr vorbei den Korridor hinunter,
dann packte er ihre Hand und zog sie in den Raum. Während die eine
Hand eine Pistole sinken ließ, gab die andere Leonoras Hand wieder
frei und schloss prompt die Tür.
Sie starrte die Pistole an. »Grundgütiger!« Sie
sah ihn fassungslos an. »Wolltest du mich erschießen?«
Er kniff die Augen zusammen. »Nicht dich. Ich
konnte ja nicht ahnen, wer …« Seine Lippen spannten sich an. Er
wandte den Blick ab. »Es ist nicht besonders empfehlenswert, sich
an mich heranzuschleichen.«
Sie riss die Augen weit auf. »Das werde ich mir
für die Zukunft merken.«
Er schritt mit seinem Raubtiergang zu einer
Anrichte hinüber und legte die Pistole in das geöffnete Etui, das
darauf lag. Er warf ihr einen düsteren Blick zu, dann ging er
zurück zu seinem Schreibtisch und blieb davor stehen.
Sie selbst rührte sich nicht von der Stelle und
blieb mitten im Raum stehen. Dies war nicht gerade ein großer Raum
- und er befand sich darin.
Er hob seinen Blick, um sie anzusehen. Seine
Züge verhärteten sich. »Was tust du hier? Nein, warte!« Er hob die
Hand. »Verrate mir erst, wie du hergekommen bist.«
Sie hatte mit dieser Frage gerechnet. Sie
verschränkte ihre Hände
ineinander und nickte. »Da du nicht zu mir gekommen bist - nicht,
dass ich damit gerechnet hätte«, das hatte sie durchaus, aber ihr
Irrtum war ihr inzwischen klar geworden, »musste ich eben
hierherkommen. Und wie wir bereits festgestellt haben, bietet ein
offizieller Besuch während der normalen Tageszeiten nur geringe
Chancen auf ein vertrauliches Gespräch, daher«, sie atmete tief ein
und redete dann hastig weiter, »habe ich Gasthorpe zu mir bestellt
und mit seiner Hilfe eine Kutsche gemietet. Ich habe darauf
bestanden, dass er meine Pläne streng vertraulich behandelt; du
darfst ihm dies nicht zum Vorwurf machen. Die Kutsche …«
Sie berichtete ihm alles, wobei sie
nachdrücklich betonte, dass besagte Kutsche in der Gasse hinter dem
Haus auf sie wartete und sie auch wieder nach Hause bringen würde.
Als sie ihren Vortrag beendet hatte, schwieg er einen Moment; dann
zuckten leicht seine Brauen - die erste sichtbare Veränderung, seit
sie den Raum betreten hatte.
Er verlagerte sein Gewicht und lehnte sich gegen
den Schreibtisch. Sein Blick blieb auf ihr Gesicht gerichtet. »Und
Jeremy? Was glaubt er, wo du dich gerade aufhältst?«
»Er und Humphrey denken, dass ich bereits
schlafe. Sie haben sich auf Cedrics Tagebücher gestürzt und
versuchen, ihnen irgendeinen Sinn zu entlocken. Sie sind ganz in
ihre Arbeit versunken.«
Eine leichte Veränderung huschte über seine Züge
- sie wurden schärfer, härter; hastig fügte sie hinzu: »Jeremy hat
im Übrigen alle Schlösser auswechseln lassen, so wie du es geraten
hast.«
Er sah sie unverwandt an; einen ausgedehnten
Moment lang geschah gar nichts, dann neigte er fast unmerklich den
Kopf als Bestätigung, dass sie seine Gedanken richtig erraten
hatte. Sie unterdrückte ihren Drang zu lächeln und sprach weiter.
»Darüber hinaus habe ich Henrietta des Nachts in meinem Zimmer
behalten, damit sie nicht mehr herumstromern kann.« Und sie beunruhigen, sie ängstigen kann. Sie
blinzelte und fuhr fort. »Deswegen musste ich sie heute Abend
mitnehmen. Ich habe sie in Biggs’ Obhut gelassen, in der Küche von
Nummer zwölf.«
Tristan dachte über all das nach. Und musste
innerlich schnauben. Sie hatte tatsächlich an jedes kleinste Detail
gedacht; in dieser Hinsicht hatte sie sich nichts vorzuwerfen. Sie
war hier - in Sicherheit; sie hatte sogar für ihre sichere
Heimfahrt gesorgt. Er lehnte sich entspannt gegen den Schreibtisch
und verschränkte die Arme. Er sah sie unverwandt an und ließ seinen
Blick bewusst noch eindringlicher werden. »Also, warum bist du
hier?«
Sie erwiderte seinen Blick ruhig und gefasst.
»Ich bin hergekommen, um mich bei dir zu entschuldigen.«
Er zog die Augenbrauen hoch; sie fuhr fort: »Ich
hätte dir von den früheren Angriffen berichten sollen, aber nach
all den Ereignissen der letzten Wochen habe ich einfach nicht mehr
darüber nachgedacht.« Sie studierte seinen Blick, eher betrachtend
als forschend. Ihm fiel auf, dass sie ihre Worte spontan wählte;
das hier war kein auswendig gelernter Vortrag.
»Außerdem kannten wir uns zu dem Zeitpunkt der
Angriffe ja noch gar nicht, und es gab niemanden sonst, dem ich so
wichtig war, dass ich mich verpflichtet gefühlt hätte, ihm von der
Bedrohung zu erzählen oder ihn zu warnen.«
Sie hob ihr Kinn, ohne von seinem Blick
abzulassen. »Ich sehe ein und akzeptiere, dass sich die Situation
inzwischen geändert hat, dass ich dir wichtig bin und dass du
erfahren solltest …« Sie zögerte und sah ihn nachdenklich an; dann
korrigierte sie sich. »Dass es vielleicht sogar dein gutes Recht
ist, alles zu erfahren, was eine Bedrohung für mich darstellen
könnte.«
Wieder hielt sie inne, so als würde sie ihre
Worte im Geiste noch einmal überprüfen, dann straffte sie ihren
Rücken und nickte, während ihr Blick zu ihm zurückkehrte. »Daher
entschuldige ich mich in aller Form dafür, dass ich dir nichts von
den Vorfällen erzählt habe. Mir war die Notwendigkeit einfach nicht
bewusst.«
Er blinzelte sie zögerlich an; mit einer so
umfassenden und glasklaren Entschuldigung hatte er nicht gerechnet.
Seine Nerven begannen zu kribbeln, eine innere Erregung erfasste
ihn. Er erkannte diese körperliche Reaktion als das typische
Gefühl, wenn er kurz
vor einem Sieg stand. Wenn der uneingeschränkte und bedingungslose
Triumph zum Greifen nah war.
Er war nur noch einen Schritt davon
entfernt.
»Du räumst also ein, dass es mein gutes Recht
ist, von jeder Bedrohung, die deine Person betrifft, zu
erfahren?«
Sie hielt seinem Blick stand und nickte
entschlossen. »Ja.«
Er zögerte höchstens einen Herzschlag lang. »Und
darf ich daraus schließen, dass du mich heiraten wirst?«
Sie zögerte nicht im Geringsten. »Ja.«
Die tiefe Anspannung, die er schon so lange mit
sich herumgetragen hatte, dass er sich dessen nicht einmal mehr
bewusst war, löste sich und fiel von ihm ab. Seine Erleichterung
war grenzenlos. Er atmete tief ein und hatte das Gefühl, zum ersten
Mal seit Wochen wieder frei atmen zu können.
Aber er war noch nicht mit ihr fertig, hatte ihr
noch nicht alle notwendigen Versprechungen entlockt. Noch
nicht.
Er drückte sich vom Schreibtisch ab und richtete
sich auf. Seinen Blick fest auf sie gerichtet, fragte er: »Du
versprichst also, meine Frau zu werden, dich in jeder Beziehung wie
meine Frau zu benehmen und mir in allen Angelegenheiten zu
gehorchen?«
Diesmal zögerte sie und sah ihn stirnrunzelnd
an. »Das sind gleich drei Fragen - ja, ja und im vernünftigen
Maße.«
Er zog eine Braue hoch. »›Im vernünftigen Maße.‹
Ich glaube, da ist eine genauere Definition vonnöten.« Er
verringerte den Abstand zwischen ihnen und blieb unmittelbar vor
ihr stehen. Er sah ihr tief in die Augen. »Versprichst du mir, wo
immer du auch hingehst, was immer du auch tust, mich vorher von
deinen Plänen in Kenntnis zu setzen, wenn dir dabei auch nur die
geringste Gefahr drohen könnte?«
Ihre Lippen waren aufeinandergepresst; ihr Blick
war fest. »Wenn möglich, ja.«
Er sah sie mit zusammengekniffenen Augen an.
»Jetzt wirst du kleinlich.«
»Weil deine Forderungen unvernünftig
sind.«
»Ist es so unvernünftig, wenn ein Mann seine
Ehefrau zu jeder Zeit in Sicherheit wissen will?«
»Nein, aber es ist unvernünftig, sie zu diesem
Zweck in Watte packen zu wollen.«
»Das ist reine Ansichtssache.«
Er brummte diese Worte leise in sich hinein,
doch sie entgingen Leonora keineswegs. Er trat noch näher an sie
heran, um sie einzuschüchtern; sie spürte, wie sie allmählich die
Geduld verlor. Doch sie hielt sich entschlossen zurück. Sie war
nicht hierhergekommen, um einen Machtkampf mit ihm auszutragen. Er
hatte schon viel zu oft mit Konflikten zu tun gehabt; sie würde
alles dafür tun, dass ihre Beziehung frei davon bliebe. Sie
erwiderte seinen kompromisslosen Blick; ihre Haltung war ebenso
unerschütterlich wie seine. »Ich bin gewillt, alles zu tun, was
möglich - und vernünftig - ist, um deinem Drang, mich zu
beschützen, entgegenzukommen.«
Sie ließ all ihre Überzeugung, all ihre
Entschlossenheit in diesen Worten mitschwingen. Und er hörte es
heraus; sie las Verständnis und Akzeptanz in seinen Augen.
Sein Blick wurde immer schärfer und klarer, bis
seine haselnussbraunen, kristallenen Augen sie absichtsvoll
durchbohrten. »Wenn dies das beste Angebot ist, das du zu machen
bereit bist …?«
»Das ist es.«
»Dann nehme ich es an.« Sein Blick sank zu ihren
Lippen. »Und nun wüsste ich zu gerne, wie weit du gehen wirst, um
meinem anderen Drang entgegenzukommen.«
Es war, als hätte er plötzlich einen
Schutzschild heruntergenommen, als hätte er eine Barriere
niedergerissen. Eine heiße Welle der Lust schlug über ihr zusammen;
mit einem Mal fiel ihr wieder ein, dass sie es mit einem
verwundeten Wolf - einem wilden verwundeten Wolf - zu tun hatte und
dass sie ihn erst noch besänftigen musste. Zumindest auf dieser
anderen Ebene. Auf logischer, rationaler Ebene - sprich, mit Worten
- hatte sie ihre Wiedergutmachung bereits geleistet, und er hatte
sie angenommen. Doch dies war nicht die einzige Ebene, auf der sie
beide agierten.
Ihr Atem geriet ins Stocken. »Und welchen Drang
meinst du?« Sie zwang die Worte heraus in einem verzweifelten
Versuch, noch einige Sekunden herauszuschinden, bevor ihre Stimme
gänzlich versagte.
Sein Blick wanderte tiefer; ihr Busen schwoll
erwartungsvoll an. Er hob seine Lider, sah ihr wieder ins Gesicht.
»Den Drang, dem du in den vergangenen Wochen beharrlich aus dem Weg
gegangen bist, den du so hartnäckig gemieden hast und dessen
Verlockungen du trotz alledem erlegen bist.«
Er schob sich näher an sie heran; sein Jackett
berührte ihren Oberkörper, seine Beine berührten ihre
Schenkel.
Das Herz schlug ihr bis zum Hals;
leidenschaftliche Begierde breitete sich wie ein Waldbrand über
ihre gesamte Haut aus. Sie betrachtete sein Gesicht, seine feinen,
lebhaften Lippen und spürte, wie ihre eigenen gierig pochten. Dann
wanderte ihr Blick zu seinen hypnotischen braunen Augen, und
plötzlich wurde ihr etwas bewusst. Trotz allem, was bisher zwischen
ihnen gewesen war, all jener Momente, die sie miteinander geteilt
hatten, hatte er ihr niemals die volle Wahrheit gezeigt.
Er hatte ihr nie gezeigt, sie nie erkennen
lassen, wie tief und umfassend sein Besitzanspruch tatsächlich war
- sein tiefstes Begehren, seine tiefste Leidenschaft, sie zu
besitzen.
Er griff nach der Schließe ihres Mantels und
hatte sie mit einem Handgriff gelöst; das Kleidungsstück glitt zu
Boden und breitete sich hinter ihr aus. Sie trug ein schlichtes,
dunkelblaues Abendkleid; sein Blick wanderte mit unverhüllter Gier
über ihre Schultern, dann suchte er erneut ihren Blick. Er zog
spielerisch eine Braue hoch. »Also, was wirst du mir bieten? Wie
viel bist du bereit zu geben?«
Er hielt ihren Blick gebannt; sie wusste, was er
von ihr erwartete.
Alles.
Bedingungslos, grenzenlos.
Sie wusste tief in ihrem Herzen, wusste mit all
ihren Sinnen, dass
sie sich hierin vollkommen einig waren, dass sie allen irrigen
Vorstellungen zum Trotz nie in der Lage sein würde, ihm in dieser
Hinsicht irgendetwas auszuschlagen.
Weil sie es ebenso sehr wollte wie er.
Trotz seiner Aggressivität, trotz der dunklen
Begierde, die hinter seinen Augen schwelte, gab es nicht das
Geringste zu befürchten.
Nur zu genießen.
Während sie zugleich ihre letzte Schuld
abbezahlte.
Sie befeuchtete ihre Lippen und betrachtete
seine. »Was willst du von mir hören?« Ihre Stimme war leise, voller
Leidenschaft. Sie hielt seinem Blick stand und zog hochmütig eine
Braue hoch. »Nimm mich, ich bin dein?«
Ihre Worte fielen wie ein Funke auf trockenes
Holz; das Feuer in seinen Augen flammte auf. Es knisterte zwischen
ihnen.
»Das«, er streckte seine Arme nach ihr aus,
umfasste ihre Hüfte und zog sie völlig unverblümt gegen sich,
»erscheint mir durchaus angemessen.«
Er neigte den Kopf, legte seine Lippen auf die
ihren und stürzte sich mit ihr in ein loderndes Feuer.
Sie öffnete ihre Lippen, hieß ihn willkommen,
genoss die Hitze, die ihre Adern durchflutete.
Sie genoss es, ihren Mund vollkommen
auszuliefern; seine warmen, langsamen und intensiven Liebkosungen
waren eine Ankündigung dessen, was nun folgen würde.
Sie hob ihre Arme, schlang sie um seinen Hals
und gab sich ihrem Schicksal hin.
Er schien dies zu spüren; spürte ihre
vollständige und bedingungslose Hingabe, sowohl ihm wie auch dem
hitzigen Moment gegenüber.
Und gegenüber der unkontrollierbaren
Leidenschaft, die sie beide mit sich riss.
Er hob die Arme und nahm ihr Gesicht in beide
Hände, hielt sie fest, während er seinen Kuss vertiefte. Ihre
Münder vereinten sich,
bis auch ihr Atem eins wurde und der donnernde Rhythmus in ihren
Adern in tiefem Einklang stand.
Mit einem leisen Murmeln presste sie sich gegen
seinen Körper, ihn hemmungslos aufreizend. Seine Hände verließen
ihr Gesicht, schweiften über ihre Schultern nach unten und
umspielten kühn ihre Brüste. Er schloss seine Hände, und Funken
stoben auf. Sie schauderte, trieb ihn weiter voran. Küsste ihn
heftig, ebenso begierig wie er selbst. Er gehorchte ihrem Drängen;
seine Finger fanden die harten Erhebungen ihrer Brustwarzen und
drückten sie, langsam, unerbittlich, fest.
Sie unterbrach den Kuss, um nach Luft zu ringen.
Seine Hände hielten keinen Augenblick inne; sie waren überall, um
sie zu streicheln, zu massieren, zu liebkosen. Sie zu
besitzen.
Sie erhitzten ihren Körper. Entzündeten ein
Feuer unter ihrer Haut, brachten ihren Puls zum Toben.
»Diesmal will ich dich nackt sehen.«
Sie konnte die Worte kaum verstehen.
»Hinter keiner einzigen Naht versteckt.«
Sie hatte keine Ahnung, was sie seiner Meinung
nach vor ihm hätte verstecken wollen. Es war ihr auch egal. Als er
sie herumdrehte, um ihr Mieder zu lösen, wartete sie nur so lange
ab, bis sie spürte, dass sich ihr Oberteil lockerte, um es sich
über die Schultern nach unten zu schieben. Sie setzte an, ihre Arme
aus den engen Ärmeln zu befreien …
»Nein. Warte.«
Sie war nicht in einer Position, um sich seinem
Befehl zu widersetzen; ihr Verstand drehte sich im Kreis, ihre
Sinne waren in wildem Aufruhr, ihre Erregung steigerte sich mit
jedem Atemzug, jeder Berührung. Doch in diesem Augenblick berührte
er sie nicht. Sie hob ihren Kopf und atmete flach und zitternd
ein.
»Dreh dich wieder um.«
Während sie das tat, wurde das Licht in dem
kleinen Raum heller. Auf dem riesigen Schreibtisch standen zwei
Öllampen, eine an jedem Tischende; Tristan hatte ihre Dochte weit
herausgedreht. Als
sie sich ihm zuwandte, lehnte er sich, genau zwischen den beiden
Lampen stehend, gegen die vordere Kante des Schreibtisches.
Er begegnete ihrem Blick, dann ließ er seine
Augen hinabwandern. Zu ihren Brüsten, die noch unter dem
hauchdünnen Stoff ihres seidenen Unterkleids verborgen lagen. Er
hob eine Hand und winkte sie zu sich heran. »Komm her.«
Sie gehorchte, während ihr in einem wirren
Schwall von Gedanken bewusst wurde, dass er sie, trotz der diversen
Male, die sie zusammen gewesen waren, noch nie in einer halbwegs
beleuchteten Umgebung nackt gesehen hatte.
Ein Blick in sein Gesicht verriet ihr, dass er
fest entschlossen war, heute Abend ausnahmslos alles zu
sehen.
Seine Hand glitt über ihre Hüfte; er zog sie zu
sich heran, sodass sie zwischen seinen Beinen stand. Er nahm ihre
Hände und legte sie mit den geöffneten Handflächen auf seine
Oberschenkel. »Nicht bewegen, ehe ich es dir erlaube.«
Ihr Mund war völlig ausgetrocknet; sie gab keine
Antwort. Stattdessen beobachtete sie, wie er die Ärmel ihres
Oberteils weiter hinunterschob und dann keineswegs nach der
Schleife ihres Unterhemds griff, wie sie es erwartet hatte, sondern
nach ihren seidenumschleierten Brüsten.
Was nun folgte, war eine überaus süße Qual; er
berührte, umspielte, hob und massierte, während er sie aufmerksam
musterte, ihre Reaktion einschätzte. Unter seiner gekonnten
Zuwendung schwollen ihre Brüste an, wurden schwer und straff. Bis
sie vor Sehnsucht schmerzten. Durch den feinen Stoff der Seide
hindurch waren seine Berührungen neckend, aufreizend, sie erfüllten
sie mit atemloser Begierde; der dringenden Begierde, seine Hände
direkt auf ihrer Haut zu spüren.
Heiße Haut an Haut.
»Bitte …« Das Wort entrang sich ihren flehenden
Lippen, während ihr Blick zur Decke wanderte in dem verzweifelten
Versuch, den Verstand nicht vollends zu verlieren.
Seine Hände ließen von ihr ab; sie wartete, dann
spürte sie seine
Finger an ihren Handgelenken. Er hob ihre Hände an, während sie
ihren Kopf sinken ließ und ihn ansah.
Seine Augen waren dunkle Seen, in denen goldene
Flammen tanzten. »Zeige sie mir.«
Er führte ihre Hände zu den Bändern ihrer
chemise.
Ihr Blick verlor sich in seinem, während sie die
Enden der Bänder ergriff und langsam daran zog; völlig fasziniert
von dem Ausdruck in seinen Augen, der nackten Leidenschaft, der
wilden Begierde, schob sie den feinen Stoff nach unten und setzte
ihre Brüste dem sanften Lichtschein aus.
Und seinem Blick. Er brannte wie eine lodernde
Flamme, hitzig züngelnd. Ohne aufzublicken, nahm er ihre Hände und
legte sie wieder auf seine Oberschenkel. »Lass sie dort
liegen.«
Er ließ ihre Hände los und legte seine an ihre
Brüste.
Eine wahre Folter begann. Er schien genau zu
wissen, wie viel sie ertragen konnte; er neigte den Kopf und
beruhigte eine ihrer schmerzenden Brustwarzen mit seiner Zunge,
dann nahm er sie zwischen die Lippen.
Weidete sich daran.
Bis sie aufschrie. Bis sich ihre Fingerspitzen
in die eisernen Muskeln seiner Oberschenkel krallten. Er saugte,
während ihre Knie nachzugeben drohten. Sein Arm umschlang sie
unterhalb der Hüfte und gab ihr Halt, während er sich weiterhin
nahm, was er wollte, während er sich auf ihrer Haut, ihren Nerven,
ihren Sinnen verewigte.
Sie öffnete ihre Augen einen Spaltbreit und
blickte atemlos auf ihn herab. Sie sah und spürte, wie sein dunkler
Schopf sich gegen sie bewegte, während er seinem - und ihrem -
Verlangen nachgab.
Mit jeder Berührung seiner Lippen, jedem Kreisen
seiner Zunge, jedem endlos gedehnten Saugen fachte er das Feuer in
ihrem Körper beharrlich und schonungslos an.
Bis sie lichterloh brannte. In ihr herrschte
eine glühende Leere, von der sie nichts sehnlicher, nichts
dringlicher wünschte, als dass Tristan sie ausfüllte. Sie
vervollständigte.
Sie hob ihre Arme und befreite sie aus den
Ärmeln ihres Kleides, dann umfasste sie sein Gesicht, legte ihre
Handflächen um sein Gesicht, spürte seine Bewegungen, während er an
ihr saugte. Sie fuhr ihm mit den Fingern durchs Haar; widerwillig
ließ er von ihr ab und erlöste ihre empfindliche Haut.
Er sah ihr ins Gesicht, begegnete ihrem Blick,
dann stellte er sie wieder aufrecht hin. Seine großen Handflächen
glitten nach oben über ihre hitzig angeschwollenen Wölbungen, dann
ließ er sie über die Taille wieder nach unten wandern, zeichnete
ihre Konturen besitzergreifend nach, während er gleichzeitig ihr
Kleid und die chemise über die Hüfte
streifte, bis beides mit einem leisen Rauschen zu Boden sank und
sich um sie herum ausbreitete.
Sein Blick war dem herabsinkenden Stoff bis zu
ihren Knien gefolgt. Er musterte sie einen Augenblick lang; dann
glitt sein Blick allmählich absichtsvoll höher, ihre Oberschenkel
hinauf, um auf den dunklen Locken in ihrem Schritt zu verweilen,
dann weiter über die sanfte Wölbung ihres Bauchs, ihren Nabel, ihre
Taille bis hin zu ihren Brüsten und schließlich hinauf zu ihrem
Gesicht, ihren Lippen, ihren Augen. Eine lange, eingehende
Begutachtung, die keinerlei Zweifel darüber aufkommen ließ, dass er
alles, was er da vor sich sah, alles, was sie war, als sein Eigen
betrachtete.
Sie zitterte. Aber nicht vor Kälte, sondern vor
wachsender Begierde. Sie griff nach seiner Krawatte.
Er umfing ihre Hände. »Nein. Nicht heute.«
Trotz ihrer drängenden Lust gelang ihr ein
leicht empörter Blick. »Ich will dich auch sehen.«
»Du wirst im Laufe der Jahre noch genug von mir
sehen.« Er richtete sich auf und trat zur Seite, ihre Hände noch
immer fest umschlossen. »Heute Abend will ich dich. Nackt. Ganz
mein.« Er hielt ihren Blick gebannt. »Auf diesem
Schreibtisch.«
Auf dem Schreibtisch?
Sie warf einen Blick darauf.
Er ließ ihre Hände los und umfasste ihre Taille,
um sie anzuheben und auf die Kante des Schreibtischs zu setzen,
dort wo er eben noch selbst gestanden hatte.
Das Gefühl von poliertem Mahagoni unter ihrem
nackten Hintern lenkte sie einen Moment lang ab.
Tristan packte ihre Knie, schob sie weit
auseinander und stellte sich dazwischen. Als sie überrascht zu ihm
aufblickte, nahm er ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie
hemmungslos.
Er ließ die Zügel schießen, ließ sich vollkommen
gehen, ließ die ungebremste, tobende Leidenschaft seinen und
zugleich ihren Körper erfassen. Ihre Münder verschmolzen, ihre
Zungen umtanzten einander. Ihre Hände griffen in seinen Nacken,
während sein Kopf tiefer sank in dem unerbittlichen Drang, ihre
zarte Haut, ihr Verlangen, ihre leidenschaftliche Reaktion auf
seine Berührung erneut zu erleben - all jene Beweise, dass sie
tatsächlich ihm gehörte.
Ihr Körper fühlte sich an wie fließende Seide;
nur heiße, geschmeidige Leidenschaft. Er ergriff ihre Hüfte und
lehnte sich immer fester gegen sie, drängte sie immer mehr zurück,
bis sie schließlich flach auf dem Schreibtisch seines Großonkels
lag.
Er unterbrach den Kuss, richtete sich ein wenig
auf und nutzte die Gelegenheit, um den Anblick auf sich wirken zu
lassen - ihr nackter Körper, erhitzt und atemlos, ausgebreitet auf
glänzendem Mahagoni. Das edle Holz war um keinen Deut prächtiger
als ihr Haar, das noch immer zu einem Knoten hochgesteckt
war.
Diese Beobachtung spukte ihm durch den Kopf,
während seine Hand langsam von ihrem nackten Knie aus nach oben
wanderte und ihren festen Oberschenkel umspielte, bis er sich
schließlich herabbeugte, um ihren Mund erneut in Beschlag zu
nehmen.
Er füllte ihn aus, eroberte ihn vollständig und
verfiel dann in einen Rhythmus aus Vorstoß und Rückzug, den sie und
ihr Körper nur allzu gut kannten. In ihren Gedanken und Taten, in
ihrer Lust und ihrem Verlangen war sie völlig eins mit ihm. Sie
bewegte sich unter seiner Berührung; er schloss seine eine Hand
kräftiger um ihre Hüfte, um sie festzuhalten, und ließ die andere
von der Stelle zwischen ihren Brüsten über ihre Bauchdecke nach
unten wandern, um die feuchten Locken über ihrem Venushügel zu
liebkosen.
Sie rang durch den Kuss hindurch nach Atem. Er
unterbrach ihn
und wich ein wenig zurück, um in ihre veilchenblauen Augen zu
sehen, die ihn zwischen schweren Wimpern hindurch intensiv
anstrahlten. »Löse dein Haar.«
Leonora blinzelte, während sie sein beiläufiges
Streicheln in ihren feinen Locken aufs Extremste wahrnahm. Er
berührte ihr gieriges Fleisch nur andeutungsweise. Sie spürte das
wilde Pochen, spürte, wie es sehnsüchtig in ihr pulsierte. Ein
sinnliches Verlangen, das sich unmöglich ignorieren ließ.
Ohne ihren Blick von ihm zu lösen, hob sie ihre
Arme und tastete langsam nach den Haarnadeln, die ihre langen
Flechten zurückhielten. Als sie die erste Nadel fand, berührte er
sie, presste einen kühnen Finger gegen ihr Fleisch.
Ihr Körper spannte sich an, krümmte sich ein
wenig; sie schloss die Augen, packte die Nadel und zog sie heraus.
Sie spürte die Befriedigung in seiner Berührung, in seiner
vorsichtigen, aufreizenden Liebkosung. Sie öffnete ihre Lider einen
Spaltbreit und beobachtete ihn, wie er sie ansah; ihre tastenden
Finger fanden eine weitere Haarnadel.
Sie musste die Augen unwillkürlich wieder
schließen, als sie eine weitere Strähne ihres Haars freigab - und
er sich zugleich freigiebig mit ihrem Körper beschäftigte. Sie
berührte, sie streichelte.
Und dann zärtlich vorwärtsdrängte.
Nur ein leichter Druck an der Öffnung ihres
Körpers.
Genug, um sie zu reizen, jedoch lange nicht
genug, um sie zu befriedigen.
Mit geschlossenen Augen zog sie eine weitere
Nadel hervor; sein großer Finger drang ein winziges Stück in sie
ein.
Sie war geschwollen, pulsierend, feucht. Sie
atmete gezwungen ein, tastete mit beiden Händen nach den Nadeln und
ließ sie auf den Schreibtisch prasseln.
Als sie ihr Haar schließlich vollständig gelöst
hatte, war sein Finger weit in ihr, drang tiefer und tiefer vor,
anregend, aufreizend. Sie rang nach Luft, ihre Sinne brannten, ihr
Körper wand sich unter seinem Griff. Ihr langes Haar breitete sich
über ihre Schultern und
den Schreibtisch aus. Sie sah zu ihm auf und beobachtete, wie sein
Blick über ihren Körper glitt, um ihre bedingungslose Hingabe
auszukosten; sein Besitzanspruch war tief in seine Züge
eingemeißelt.
Er begegnete ihrem Blick, musterte sie, dann
beugte er sich zu ihr herab und küsste sie. Nahm ihren Mund
gefangen und fesselte ihre Sinne in einem betörenden Kuss. Dann
verließen seine Lippen die ihren; er drängte ihr Kinn nach oben und
neigte seinen Kopf, um eine Linie feuchter Küsse über ihren Körper
zu ziehen, von der straffen Kontur ihres Halses hinunter bis zu der
Wölbung ihrer Brüste. Hier verweilte er einen Augenblick, leckte,
küsste, saugte an ihren Brustwarzen, jedoch nur leicht, dann spürte
sie, wie sein weiches Haar gegen die Unterseite ihres Busens
streifte, während seine Küsse tiefer nach unten wanderten. Sie rang
heftig nach Atem - über jeden Zustand lüsterner Hingabe längst weit
hinaus; überaus verlockende Gefühle und Empfindungen durchströmten
sie, erfüllten sie, trieben sie voran.
Ihre Hände lagen inzwischen auf seinen
Schultern; er trug noch immer sein Jackett. Diese fühlbare Tatsache
unterstrich ihre eigene körperliche Verletzbarkeit; nackt wand sie
sich vor ihm auf dem Tisch wie eine orientalische Schönheit. Sie
schnappte nach Luft, als seine Lippen über ihren Bauch weiter nach
unten wanderten.
Er setzte seine Reise beharrlich fort.
»Tristan … Tristan!«
Er beachtete sie gar nicht; sie musste ihre
Schreie gewaltsam unterdrücken, als er ihre Schenkel weiter
auseinanderdrängte und zwischen ihnen hinabsank. Er verzehrte sie,
so wie er es schon einmal getan hatte, doch damals war sie nicht
nackt gewesen, nicht so entblößt. Nicht so verletzlich.
Sie schloss ihre Augen. Krampfhaft versuchte
sie, die ansteigende Flutwelle einzudämmen.
Eine Welle, die unaufhaltsam anschwoll, Stoß um
Stoß, Schwall für Schwall, bis sie sie vollständig erfasste und mit
sich riss.
Sie erzitterte.
Ihr Körper krümmte sich.
Ihre Sinne barsten. Die Welt versank in Scherben
strahlenden Lichts, in einem pulsierenden Leuchten, das ihren
Körper umfing, ihn durchdrang, aus ihm herausstrahlte. Ihre Knochen
schmolzen, ihre Muskeln erschlafften, eine wohlige Hitze
durchströmte sie, und doch fühlte sie sich leer.
Unvollständig.
Sie fühlte sich schwindelig, unfähig etwas zu
tun, aber sie zwang sich, die Augen zu öffnen. Sie sah, wie er sich
aufrichtete.
Seine kräftige Gestalt bebte vor unterdrückter
Stärke, vor fein kontrollierter, kraftvoller Spannung. Er stand
über ihr, seine Hände an ihrer Hüfte, während sein brennender Blick
über ihren Körper schweifte.
Was sie in seinem Gesicht las, ließ ihr den Atem
versagen und ihr Herz für einen Schlag aussetzen, bevor es dann
umso heftiger weiterpochte.
Nacktes Verlangen bestimmte seine Züge,
kennzeichnete jede Linie in seinem Gesicht.
Doch zugleich entdeckte sie Züge von Einsamkeit,
Verletzlichkeit - und Hoffnung.
Sie sah und verstand.
Dann begegnete er ihrem Blick. Einen Augenblick
lang stand die Zeit völlig still; dann streckte sie ihm ihre Arme
entgegen, ganz gleich wie schwach sie auch sein mochten.
Er rührte sich aus seiner Starre. Seinen Blick
fest auf sie gerichtet, streifte er das Jackett ab; dann löste er
seine Krawatte, öffnete sein Hemd und enthüllte die muskulösen
Konturen seines Oberkörpers, auf denen ein feiner Flaum dunklen
Haars wuchs. Die Erinnerung daran, wie sich dieses Haar an ihrer
empfindsamen Haut rieb, während er sich kraftvoll in ihr bewegte,
ließ ihre Brüste sehnsuchtsvoll anschwellen, während sich ihre
Brustwarzen spitz zusammenzogen. Er sah es. Und öffnete seinen
Hosenbund. Er löste die Knöpfe, befreite sein erregtes Glied.
Er warf nur einen knappen Blick nach unten, um
sie zu finden, dann drang er ein winziges Stück in sie ein.
Und sah wieder zu ihr auf. Blickte sie an,
während er sich vorbeugte, seine Hände neben ihrem Kopf aufstützte
und mit den Fingern durch ihr Haar fuhr. Er lehnte sich weiter vor
und küsste ihre Lippen.
Wieder hielt er ihren Blick gebannt, während er
in sie eindrang.
Ihr Körper wölbte sich ihm entgegen. Ihrer
beider Atem vermischte sich, während sie sich wand, sich ihm
anpasste, ihn in sich aufnahm. Zuletzt drang er mit einem festen
Stoß tief in sie ein und füllte sie ganz aus. Ein heftiger Atemzug
entrang sich ihren Lippen; sie schloss die Augen, genoss das
Gefühl, ihn in sich zu haben. Dann hob sie ihre Hand, fuhr ihm ins
Haar und zog ihn zu sich herab, um seinen Lippen zu begegnen. Sie
öffnete einladend ihren Mund.
Lud ihn unverhohlen ein, sie zu plündern.
Er nahm die Einladung an.
Mit jedem kräftigen Stoß hob er sie an, drängte
er sie vorwärts.
Sie unterbrachen ihren Kuss. Ohne auf eine
Aufforderung zu warten, hob sie ihre Beine und schlang sie um seine
Hüfte. Sie hörte sein Stöhnen und sah, wie sein Gesichtsausdruck
leer wurde, während er unwillkürlich die Gelegenheit nutzte, um
noch weiter vorzudringen, noch tiefer und fester in sie
hineinzustoßen. Sich völlig von ihr umschließen zu lassen.
Mit einer Hand hielt er ihre Hüfte gepackt, um
sein rhythmisches Vordringen zu verstärken. Während das Tempo
beständig zunahm, lehnte er sich wieder zu ihr herab und ließ seine
Lippen über die ihren streifen, dann tauchte seine Zunge tief in
ihren Mund ein, während sein Körper zugleich tief in den ihren
eintauchte.
Alle Zurückhaltung zerbarst, er gab sich ihr
vollständig hin.
So wie sie sich ihm zuvor hingegeben hatte, mit
Körper und Seele, Herz und Verstand.
Sie ließ sich ebenso gehen, ließ alles los,
folgte ihm, wohin er sie auch immer führte.
Durch den Nebel seiner unermesslichen
Leidenschaft hindurch spürte Tristan ihre vollständige Ergebenheit,
ihren Entschluss, sich nicht nur der Situation, sondern vor allem
ihm selbst bedingungslos hinzugeben. Sie war völlig eins mit ihm -
nicht nur körperlich, sondern auch noch auf eine ganz andere Art,
auf einer ganz anderen Ebene.
Er hatte diesen mystischen Ort noch mit keiner
anderen Frau erreicht; hatte nie auch nur davon geträumt, eine
solche seelenerschütternde Erfahrung zu erleben. Und dennoch spürte
er in diesem Augenblick, wie sie ihn in sich aufnahm, jeden Stoß
erwiderte, ihn mit ihrer Hitze umfing. Voller Freude, voller
Begeisterung gab sie ihm alles, was er sich je erhofft, was er sich
je ersehnt hatte.
Bedingungslose Kapitulation.
Sie hatte gesagt, sie werde ihm gehören. Und nun
gehörte sie ihm. Für immer.
Er brauchte keine weitere Bestätigung, keinen
weiteren Beweis ihrer Ergebenheit als die feste Umklammerung ihres
Körpers, als die Bewegung ihrer nackten Kurven, die sich
geschmeidig unter ihm wanden.
Ihn hatte innerlich nach mehr verlangt, und sie
hatte es ihm ungefragt gegeben.
Nicht nur ihren Körper, sondern all dies - all
ihre bedingungslose Hingabe an sie beide und an alles, was zwischen
ihnen war.
All das schlug über ihnen zusammen wie eine
Sturmflut - jenseits aller Kontrolle. Es stürzte auf sie ein, riss
sie mit sich, wirbelte sie auf, ließ sie nach Luft schnappen und
sich aneinanderklammern. Nach Atem ringen. Nach einem letzten
verzweifelten Halt in dieser Welt suchen, ehe sie sich in
strahlendem Glanz auflöste und ihre Körper sich krampfhaft
umklammerten, erzitterten, erbebten.
Er ergoss seinen Samen tief in sie, verharrte
völlig reglos, während die Ekstase sie beide überwältigte.
Sie erfüllte, sie durchdrang und dann allmählich
abebbte und verschwand.
Er ließ alle Anspannung von sich abfallen, ließ
sich von ihrer Wärme umfangen und festhalten, seine Stirn an die
ihre gelegt.
Innig ineinander verschlungen, ihre Lippen sanft
gegeneinandergepresst, ergaben sie sich in ihr gemeinsames
Schicksal.
Sie blieb mehrere Stunden lang bei ihm. Sie
sprachen kaum ein Wort. Es gab keinerlei Anlass; keiner von ihnen
wollte diesen Zauber durch unzulängliche Worte brechen.
Er hatte das Feuer wieder geschürt. Vor dem
Kamin hatten sie sich zusammen in einen Sessel sinken lassen. Sie,
noch immer nackt, lag auf seinem Schoß zusammengerollt, bedeckt von
ihrem Mantel, der sie vor der Kälte schützte, und darunter umfangen
von seinen warmen Armen, die ihre nackte Haut berührten, während
ihr Haar wie wilde Seidenfäden an ihnen beiden haftete. Er hätte am
liebsten für immer in dieser Position verharrt.
Er sah auf sie hinunter. Vom Licht des Feuers
erhellt, schimmerte ihr Gesicht golden. Derselbe Schimmer hatte
zuvor ihren nackten Körper umspielt, als sie vor dem Kamin
gestanden und er jede Linie, jede Kurve genauestens betrachtet
hatte. Diesmal waren kaum Spuren zurückgeblieben; nur an den
Hüften, wo er sie festgehalten hatte, waren Abdrücke seiner Finger
zu sehen.
Leonora sah auf, begegnete seinem Blick,
lächelte, dann ließ sie ihren Kopf wieder gegen seine Schulter
sinken. Unter ihrer Handfläche, die sie auf seine nackte Brust
gelegt hatte, spürte sie das gleichmäßige Schlagen seines Herzens.
Wie ein Echo spürte sie das Pochen in ihren eigenen Adern. In ihrem
ganzen Körper.
Die Nähe hielt sie beide umfangen, schuf eine
Verbindung, die sie nicht beschreiben konnte und noch weniger
erwartet hatte; ebenso wenig wie er. Doch beide nahmen sie die
Verbindung bedingungslos an. Und einmal angenommen, war diese Nähe
nicht mehr zu leugnen.
Es musste wohl Liebe
sein, doch was wusste sie schon davon? Sie wusste nur eins mit
Sicherheit: Dieses Gefühl war für sie unerschütterlich.
Unwandelbar, dauerhaft und ewig.
Was immer auch die Zukunft für sie bereithielt -
Heirat, Familie, Verwandtschaft und alles Übrige -, sie würde immer
auf diese unverrückbare Kraft zurückgreifen können.
Es fühlte sich richtig an. Richtiger als alles,
was sie jemals zuvor empfunden hatte, und richtiger, als sie es je
für möglich gehalten hätte.
Sie war genau da, wo sie hingehörte. In seinen
Armen. In Liebe vereint.