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Es musste normalerweise leichter sein, sich
verführen zu lassen - davon war Leonora felsenfest überzeugt. Als
sie am nächsten Tag im Salon saß und einen Brief nach dem anderen
schrieb - beharrlich die Liste von Cedrics Korrespondenzpartnern
abarbeitend -,
analysierte sie zugleich ihre aktuelle Lage und dachte über
weitere Schritte nach.
Sie hatte Trenthams Cousinen am Abend zuvor
gekonnt abgelenkt und in den Salon geführt; fünfzehn Minuten später
war Trentham zu ihnen gestoßen - sauber, adrett und charmant wie eh
und je. Als Grund für ihren Besuch hatte sie ihr Interesse für
Wintergärten vorgeschoben und ihm dementsprechend zahllose Fragen
gestellt, die er aufgrund seiner angeblichen Unkenntnis konsequent
von sich wies und ihr stattdessen anbot, seinen Gärtner einmal bei
ihr vorbeizuschicken.
Ihn darum zu bitten, sie ein wenig
herumzuführen, wäre insofern sinnlos gewesen, als seine Cousinen
sich zweifellos angeschlossen hätten.
Mit tiefem Bedauern hatte sie seinen
Wintergarten von der Liste möglicher Verführungsorte gestrichen;
ein angemessener Zeitpunkt würde sich sicherlich finden lassen, und
die gepolsterte Fensterbank war für ihre Zwecke auch bestens
geeignet, aber sie konnten niemals sicher sein, dort ungestört zu
bleiben.
Trentham hatte seine Kutsche anspannen lassen,
Leonora hinaufgeholfen und sie unverrichteter Dinge nach Hause
geschickt. Unbefriedigt. Und gieriger denn je.
Aber auch entschlossener.
Wenigstens war ihr Ausflug nicht ganz umsonst
gewesen; sie hielt nun einen Trumpf in der Hand. Und sie würde ihn
mit Bedacht ausspielen. Dies bedeutete, dass sie die Hindernisse
von Zeit, Ort und Privatsphäre alle gleichzeitig aus dem Weg
schaffen musste. Sie hatte keinen blassen Schimmer, wie notorische
Schwerenöter dies anstellten. Vielleicht warteten sie ganz einfach
ab, bis sich eine günstige Gelegenheit bot, und schlugen dann
zu.
Nachdem sie allerdings bereits jahrelang
geduldig gewartet und sich nun endlich entschlossen hatte, war sie
keineswegs gewillt, sich zurückzulehnen und Däumchen zu drehen.
Eine günstige Gelegenheit war alles, was sie brauchte; wenn nötig,
musste sie diese eben selbst schaffen.
Alles schön und gut, nur leider wusste sie nicht
wie.
Den ganzen Tag über zerbrach sie sich den Kopf.
Sie zog sogar in Betracht, das ständige Angebot ihrer Tante Mildred
anzunehmen und sich von ihr zu irgendeiner gesellschaftlichen
Veranstaltung mitnehmen zu lassen. Trotz ihrer allgemeinen
Abneigung gegen Bälle und Partys war sie sich sehr wohl bewusst,
dass derartige Veranstaltungen Rückzugsorte boten, an denen sich
Herren und Damen ungestört treffen konnten. Allerdings hatte sie
den Randbemerkungen seiner Cousinen wie auch seinen eigenen
bissigen Kommentaren entnommen, dass Trentham sich nur ungern in
gesellschaftlichen Kreisen bewegte. Warum sollte sie sich also
selbst die Mühe machen, wenn sie ihn dort sowieso nicht treffen
würde - weder ungestört noch sonst irgendwie.
Als die Uhr vier schlug, ließ sie die Feder
sinken und reckte ihre Arme über den Kopf. Sie war mit dem
Briefeschreiben nahezu fertig, doch was einen passenden Ort für die
Verführung anging, war sie noch immer keinen Schritt weiter.
»Es muss doch irgendeinen Ort geben!« Wütend und
ungeduldig sprang sie von ihrem Stuhl auf. Völlig frustriert. Ihr
Blick fiel zum Fenster. Es war ein schöner, aber recht windiger Tag
gewesen. Inzwischen hatte sich der Wind gelegt; ein ruhiger, wenn
auch kühler Abend sank langsam herab.
Sie ging zielstrebig in Richtung Eingang und
griff sich ihren Mantel. Die Haube ließ sie liegen; sie würde nicht
lange draußen bleiben. Sie ließ ihren Blick schweifen in der
Erwartung, Henrietta zu entdecken, doch dann fiel ihr ein, dass
einer der Diener die Hündin in den nahe gelegenen Park geführt
hatte, damit sie dort ihr Geschäft verrichten konnte.
»Verdammt!« Sie wünschte, sie wäre rechtzeitig
gekommen, um ihnen Gesellschaft zu leisten.
Der Garten, vor wie hinter dem Haus, war ihr zu
geschützt; sie wünschte sich, nein, sie benötigte dringend frische Luft. Sie musste tief
durchatmen, sich abkühlen, ihren Verdruss abschütteln und ihren
Verstand beleben.
Sie war schon seit Wochen nicht mehr allein
draußen gewesen, aber der Einbrecher konnte sie doch wohl unmöglich
ununterbrochen beobachten.
Mit wehenden Röcken wirbelte sie herum, öffnete
die Haustür und trat hinaus.
Sie ließ die Tür hinter sich angelehnt und
schritt die Stufen hinunter; dann folgte sie dem Weg zum Tor. Dort
angekommen warf sie einen Blick durch die Gitterstäbe. Es war noch
hell genug; sie konnte die ruhige Straße in beide Richtungen
überblicken und keine Menschenseele entdecken. Keinerlei Gefahr in
Sicht. Sie öffnete das Tor, schlüpfte hindurch und zog es mit einem
festen Ruck zu, dann ging sie eilig den Gehweg hinunter.
Als sie am Nachbarhaus vorüberkam, blickte sie
kurz auf, konnte aber keinerlei Bewegung ausmachen. Sie hatte von
Toby erfahren, dass Gasthorpe inzwischen die volle Belegschaft
eingestellt hatte; die meisten von ihnen waren aber noch nicht
eingezogen. Biggs hingegen war nach wie vor jede Nacht anwesend,
und Gasthorpe verließ nur selten das Haus; es hatte dort keine
weiteren verbrecherischen Aktivitäten mehr gegeben.
Seit Leonora den Mann im Garten gesehen hatte,
der vor ihr geflohen war, hatte es überhaupt keine Zwischenfälle
mehr gegeben. Das Gefühl, beobachtet zu werden, hatte ebenfalls
nachgelassen; sie hatte zwar immer noch ab und zu den Eindruck,
überwacht zu werden, doch aus irgendeinem Grund war das Gefühl nun
weniger beklemmend, weniger bedrohlich.
Während sie weiterging, dachte sie über diese
Tatsache nach und fragte sich, was dies wohl zu bedeuten hatte, vor
allem hinsichtlich des Rätsels um Montgomery Mountford und des wie
auch immer gearteten Gegenstands, den er aus dem Haus ihres Onkels
zu entwenden beabsichtigte. Wenn ihre Absicht, verführt zu werden,
auch eine gewisse Ablenkung darstellte, so hatte sie Mountford doch
keineswegs vergessen; wer auch immer hinter dem Namen stecken
mochte.
Ein Gedanke führte sie zum nächsten; sie musste
an Trenthams
jüngste Nachforschungen denken - durchaus zielgerichtet, präzise
und tatkräftig -, aber sie konnte sich beim besten Willen keinen
anderen Gentleman vorstellen, der sich in solch extremer Weise
verstellen würde.
Und er hatte sich in seiner Verkleidung allem
Anschein nach nicht einmal unwohl gefühlt. Und zudem noch weitaus
gefährlicher gewirkt als sonst.
Diese Vorstellung war irgendwie aufregend; sie
hatte schon öfters von Damen gehört, die sich auf leidenschaftliche
Affären mit Männern einließen, die aus einem deutlich raueren
Milieu stammten als sie. Konnte … würde sie
selbst wohl im fortgeschrittenen Alter ähnliche Sehnsüchte
entwickeln?
Sie hatte nicht die geringste Ahnung, was
allerdings nur bewies, dass sie noch viel zu lernen hatte, und zwar
nicht über die Leidenschaft, sondern vor allem über sich
selbst.
Mit jedem weiteren Tag, der verstrich, wurde ihr
gerade Letzteres mehr und mehr bewusst.
Sie erreichte das Ende der Straße und blieb an
der Ecke stehen. Hier war der Wind stärker; ihr Mantel wehte
auseinander. Sie zog ihn fest um sich und ließ ihren Blick in
Richtung Park schweifen, doch von ihrem schlaksigen Jagdhund samt
Diener, die gemeinsam von ihrem Rundgang zurückkehrten, war nichts
zu sehen. Sie überlegte kurz, ob sie warten sollte, aber der Wind
war ihr zu kalt und zersauste ihr das Haar. Deutlich erfrischt
machte sie sich auf den Rückweg.
Ihren Blick auf den Gehweg geheftet, richtete
sie ihre Gedanken gezielt auf das Thema Leidenschaft, genauer
gesagt auf die Frage, wie sie in ihren Genuss kommen konnte.
Die Schatten wurden immer länger; die Dämmerung
brach rasch herein.
Sie hatte die Grundstücksgrenze von Nummer zwölf
erreicht, als sie hinter sich Schritte vernahm, die eilends näher
kamen.
Panik stieg in ihr auf; sie wirbelte herum und
presste ihren Rücken gegen die hohe Steinmauer, obwohl ihr Verstand
ihr zugleich
klarzumachen versuchte, dass ein neuerlicher Angriff höchst
unwahrscheinlich war.
Ein Blick in das Gesicht des Mannes, der auf sie
zugerannt kam, verriet ihr, dass ihr Verstand sich irrte.
Sie riss den Mund auf und schrie.
Mountford stürzte sich knurrend auf sie. Er
packte sie brutal an den Armen und zog sie in die Mitte des breiten
Gehwegs, um sie heftig zu schütteln.
»He!«
Der Ruf kam vom Ende der Straße; Mountford hielt
inne. Ein stämmiger Mann lief auf sie zu.
Mountford fluchte. Seine Finger gruben sich
schmerzhaft in Leonoras Oberarme, während er sie herumriss, um in
die andere Richtung schauen zu können.
Er gab erneut einen vulgären Kraftausdruck von
sich, in dem diesmal ein Hauch von Panik mitschwang. Sein Mund war
zu einem Knurren verzerrt.
Leonora blickte in dieselbe Richtung und sah,
wie Trentham rasch auf sie zukam. Hinter ihm entdeckte sie einen
weiteren Mann, doch es war der Ausdruck auf Trenthams Gesicht, der
sie über die Maßen schockierte - und Mountford für einen Moment zur
Salzsäule erstarren ließ.
Schließlich riss er sich von dem mörderischen
Blick los, wandte sich Leonora zu, zog sie an sich heran und …
stieß sie mit aller Macht von sich. Gegen die Mauer.
Sie schrie auf. Ihr Schrei riss jäh ab, als ihr
Kopf gegen die steinerne Mauer prallte. Ihr war nur vage bewusst,
wie sie an der Mauer hinabrutschte und zwischen ihren
aufgebauschten Röcken zusammensank. Wie durch einen Nebel sah sie,
dass Mountford die Straße überquerte, um seinen Verfolgern, die
sich aus beiden Richtungen näherten, zu entkommen. Trentham scherte
sich gar nicht um ihn, sondern rannte geradewegs auf sie zu.
Sie hörte sein Fluchen und war sich dunkel
bewusst, dass es ihr galt und keineswegs
Mountford; im nächsten Moment fühlte sie
seine starken Armen, die ihr langsam wieder auf die Füße halfen.
Er hielt sie fest an sich gedrückt, stützte sie; obwohl sie stand,
trug er fast ihr gesamtes Gewicht.
Sie blinzelte; allmählich klarte ihr Blick
wieder auf und fiel auf sein Gesicht, in dem ein primitiver
Gefühlsausdruck - vielleicht Wut - und Besorgnis sichtbar
miteinander rangen.
Zu ihrer Erleichterung siegte die Sorge.
»Alles in Ordnung?«
Sie nickte, schluckte. »Nur ein bisschen
benommen.« Sie legte eine Hand an ihren Hinterkopf, dann lächelte
sie, wenn auch etwas zitterig. »Nur eine kleine Beule. Nichts
Schlimmes.«
Seine Lippen wurden hart, seine Augen verengten
sich, dann blickte er in die Richtung, in die Mountford geflohen
war.
Sie runzelte die Stirn und versuchte sich aus
seinem Griff zu befreien. »Sie hätten ihm folgen sollen.«
Er ließ sie nicht los. »Die anderen sind hinter
ihm her.«
Die anderen? Eins und eins ergab … »Haben Sie
die Straße etwa beobachten lassen?«
Er sah sie flüchtig an. »Natürlich.«
Kein Wunder, dass ihr das Gefühl, beobachtet zu
werden, zuletzt nicht mehr so bedrohlich erschienen war. »Sie
hätten es mir ruhig sagen können.«
»Warum? Damit Sie noch mehr solcher Dummheiten
anstellen?«
Sie ignorierte seinen Kommentar und starrte auf
die andere Straßenseite. Mountford hatte sich in den Garten des
gegenüberliegenden Hauses geflüchtet, die beiden stämmigeren und
langsameren Männer waren ihm gefolgt.
Keiner der drei tauchte wieder auf.
Trenthams Lippen bildeten eine harte Linie.
»Gibt es auf der Rückseite dieser Häuser eine
Verbindungsgasse?«
»Ja.«
Sie bemerkte, wie er ein Geräusch unterdrückte -
vermutlich einen weiteren Fluch. Er sah sie prüfend an und lockerte
daraufhin
seinen Arm, den er bis dahin fest um sie geschlungen hatte. »Ich
hätte Ihnen etwas mehr Verstand zugetraut …«
Sie schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort
ab. »Ich hatte nicht den geringsten Grund anzunehmen, dass
Mountford sich hier draußen herumtreiben würde. Außerdem frage ich
mich, wenn Sie schon beide Enden der Straße haben überwachen
lassen, wie konnte Mountford dann überhaupt bis hierhin
vordringen?«
Er sah erneut in die Richtung, in die seine
Männer verschwunden waren. »Er muss sie bemerkt haben. Vermutlich
ist er auf demselben Weg gekommen, auf dem er auch abgehauen ist,
durch eine Gasse und einen der Gärten.«
Sein Blick kehrte zu ihrem Gesicht zurück,
prüfend. »Wie fühlen Sie sich?«
»Ganz gut.« Eigentlich besser als erwartet;
Mountfords rauer Umgang mit ihr hatte sie weit mehr erschüttert als
ihre Kollision mit der Mauer. Sie atmete tief ein und wieder aus.
»Nur ein bisschen wackelig.«
Er nickte. »Der Schock.«
Sie konzentrierte sich auf ihn. »Was tun Sie
hier?«
Tristan musste sich wohl oder übel damit
abfinden, dass seine Männer nicht so bald mit Mountford unter dem
Arm zurückkehren würden; er ließ Leonora los und nahm stattdessen
ihren Arm. »Das Mobiliar für die dritte Etage wurde gestern
geliefert. Ich habe Gasthorpe versprochen, einen Blick darauf zu
werfen und es abzusegnen. Heute ist sein freier Tag - er besucht
seine Mutter in Surrey und wird erst morgen zurückkommen. Ich
wollte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und neben den Möbeln
auch einen Blick aufs Haus werfen.«
Er musterte ihr Gesicht, das immer noch
entschieden zu blass aussah, dann drehte er sie auf dem Gehweg
herum. Ruhigen Schrittes führte er sie den Weg entlang hinüber zum
Haus der Carlings. »Ich bin später hergekommen, als ich eigentlich
wollte. Biggs müsste inzwischen eingetroffen sein, insofern besteht
wohl keinerlei Gefahr, bis Gasthorpe morgen zurückkehrt.«
Sie nickte und schritt langsam neben ihm her,
wobei sie sich auf seinen Arm stützte. Als sie auf Höhe des
Eingangstors von Nummer zwölf ankamen, hielt sie inne.
Sie atmete tief ein und sah ihm in die Augen.
»Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich gern kurz hineingehen und
mir mit Ihnen gemeinsam die Möbel ansehen.« Sie lächelte zitterig
und wandte den Blick wieder ab. Als sie weiterredete, klang ihre
Stimme ungewöhnlich dünn. »Ich würde Ihnen lieber noch ein wenig
Gesellschaft leisten, um wieder zu Atem zu kommen, ehe ich
hinübergehe und mich den Fragen der Angestellten stelle.«
Sie leitete den Haushalt ihres Onkels;
sicherlich wartete bereits jemand auf sie, um irgendwelche
Angelegenheiten mit ihr zu besprechen.
Er zögerte einen Moment, aber Gasthorpe war
schließlich nicht da und konnte somit auch keinerlei Einspruch
erheben. Und auf einer Liste möglicher Aktivitäten, die dazu
dienten, die Stimmung einer Frau zu heben, stand die Begutachtung
neuer Möbel sicherlich ganz weit oben. »Wenn Sie möchten.« Er
führte sie durchs Tor hindurch den Weg zum Haus entlang. Sie würde
sich die Möbel ansehen, und er würde darüber nachdenken, wie er sie
noch besser beschützen könnte. Leider konnte er sie schlecht dazu
auffordern, sich wie eine Gefangene nur noch im Haus
aufzuhalten.
Er zog seinen Schlüssel aus der Tasche und
schloss die Haustür auf. Während er sie hineinführte, runzelte er
nachdenklich die Stirn. »Wo ist eigentlich Ihr Hund?«
»Auf seinem täglichen Spaziergang im Park.« Sie
blickte zu ihm auf, während er die Tür hinter sich schloss. »Die
Diener müssen Henrietta ausführen - sie ist zu stark für
mich.«
Er nickte und bemerkte zum wiederholten Male,
dass ihre Gedanken die gleiche Richtung eingeschlagen hatten wie
seine. Wenn sie schon allein hinausging, sollte sie wenigstens
Henrietta bei sich haben. Doch da der Hund anscheinend stärker war
als sie, war dies außerhalb des Gartens keine sinnvolle
Option.
Sie ging weiter zur Treppe; Tristan folgte ihr.
Als sie die ersten
Treppenstufen erreichten, hörten sie von der Küchentreppe her ein
Räuspern.
Biggs stand am Treppenabsatz. Er salutierte.
»Ich halte Wache, M’lord.«
Tristan schenkte ihm sein charmantes Lächeln.
»Vielen Dank, Biggs. Miss Carling und ich wollen nur einen kurzen
Blick auf das neue Mobiliar werfen. Wir werden uns nicht lange
aufhalten. Machen Sie nur weiter.«
Biggs nickte Leonora zu, grüßte erneut und ging
dann hinunter in die Küche. Ein feiner, herzhafter Geruch stieg
ihnen in die Nase.
Leonora blickte ihn flüchtig an, ein amüsiertes
Funkeln in den Augen, dann griff sie nach dem Geländer und stieg
vor ihm die Treppe hinauf.
Er beobachtete sie aufmerksam, aber sie zeigte
keinerlei Schwäche. Als sie jedoch den Treppenabsatz der zweiten
Etage erreichten, sah sie ihn an und atmete gezwungen ein.
Er runzelte die Stirn und nahm sie am Arm.
»Kommen Sie.« Er führte sie in das größte der drei Schlafzimmer,
welches direkt über der Bibliothek lag. »Setzen Sie sich.« Beim
Fenster stand ein bequemer Ohrensessel, zu dem er sie führte.
Sie ließ sich mit einem leisen Seufzer
hineinsinken. Und lächelte ihn matt an. »Ich werde nicht so schnell
ohnmächtig.«
Er sah sie mit zusammengekniffenen Augen an; sie
war nicht mehr blass, stattdessen wirkte sie seltsam verspannt.
»Bleiben Sie hier sitzen, und begutachten Sie einfach die Möbel,
die Sie von hier aus sehen können. Ich werde rasch die anderen
Zimmer überprüfen, und danach können Sie mir Ihr Urteil
verkünden.«
Leonora nickte, schloss die Augen und ließ den
Kopf gegen die Lehne des Sessels sinken. »Ich werde hier auf Sie
warten.«
Er zögerte einen Moment und sah auf sie hinab,
dann wandte er sich um und ging hinaus.
Als er draußen war, öffnete Leonora die Augen
und studierte aufmerksam das Zimmer. Das großzügige Erkerfenster
überblickte
den hinteren Garten; tagsüber würde reichlich Licht hier
hereinfallen, doch unter der hereinbrechenden Dämmerung breiteten
sich tiefe Schatten über den Raum. In die gegenüberliegende Wand
war mittig ein Kamin eingelassen; ein Feuer war bereits
aufgeschichtet worden und wartete darauf, entzündet zu werden. Vor
dem Kamin stand eine Chaiselongue und dahinter, in der
gegenüberliegenden Ecke des Zimmers, befand sich ein riesiger
Kleiderschrank aus dunklem, poliertem Holz.
Aus dem gleichen dunklen Holz und noch weitaus
imposanter war das riesige Himmelbett. Während ihr Blick über die
große, rote Tagesdecke aus edlem Seidenstoff wanderte, musste sie
an Trentham denken; vermutlich waren seine Freunde ebenso stattlich
gebaut wie er. Dunkelrote Brokatvorhänge waren an den mit
Schnitzereien verzierten Pfosten am Kopfende des Bettes
zurückgebunden. Die letzten Lichtstrahlen des Tages spielten auf
den Wölbungen und Schnörkeln des aufwendig verzierten Kopfteils,
dessen Schnitzereien sich in den Pfosten am Fußende des Bettes
wiederfanden. Mit seiner dicken Matratze wirkte dieses Bett überaus
solide, stabil und beständig.
Es dominierte den Raum und zugleich ihren
Verstand.
Der perfekte Ort für ihre Verführungspläne, wie
sie in diesem Moment beschloss.
Viel besser noch als der Wintergarten.
Und hier würde sie garantiert niemand stören
oder unterbrechen. Gasthorpe war in Surrey, und Biggs war unten in
der Küche, also viel zu weit weg, um etwas zu hören -
vorausgesetzt, sie schlossen die Tür.
Ihr Blick wanderte hinüber zu der schweren
Eichentür.
Die Auseinandersetzung mit Mountford hatte ihre
Entschlossenheit nur noch mehr gefestigt. Sie fühlte sich weniger
zittrig als vielmehr angespannt; sie musste Trenthams starke Arme
um sich spüren, damit sie das Gefühl hatte, sich in Sicherheit zu
befinden.
Sie wollte in seinen Armen liegen, wollte ihm
nahe sein. Wollte seine körperliche Nähe spüren, sich in dem
gemeinsamen sinnlichen
Vergnügen verlieren. Sie brauchte diese Erfahrung nun mehr denn
je.
Zwei Minuten später kam Trentham in den Raum
zurückgeschlendert.
Sie deutete auf die Tür.
»Schließen Sie die Tür, damit ich die Kommode
dahinter begutachten kann.«
Er drehte sich um und tat, wie von ihm verlangt
wurde.
Pflichtbewusst musterte sie den hohen
Schubladenschrank, der nunmehr sichtbar wurde.
»Nun …« Er kam langsam zur ihr herüber. »Findet
die Einrichtung Ihre Zustimmung?«
Sie blickte zu ihm auf, lächelte. »Sie erscheint
mir geradezu perfekt.«
Die Lebemänner lagen vollkommen richtig - wenn
sich eine Gelegenheit bot, musste man sie ergreifen.
Sie streckte ihre Hand aus.
Tristan ergriff sie und zog Leonora sanft auf
die Füße. Er hatte erwartet, dass sie zur Seite treten würde,
stattdessen hatte sie ihre Füße so gesetzt, dass sie direkt vor ihm
zum Stehen kam, so nah, dass ihr Busen seinen Mantel
streifte.
Sie sah ihm ins Gesicht und kam ihm noch näher.
Ihre Hand wanderte nach oben und zog seinen Kopf zu sich herab. Ihr
Mund begegnete seinen weit geöffneten Lippen, und er konnte sich
gerade noch so weit zurückhalten, nicht gleich Hals über Kopf in
dem Kuss zu versinken.
Seine übliche Selbstkontrolle geriet gefährlich
ins Wanken. Er packte hart ihre Taille, um sich selbst
zurückzuhalten.
Sie beendete den Kuss und wich zurück, jedoch
nicht mehr als ein paar Millimeter; sie hob ihren Blick und sah ihn
an. Hinter ihren Wimpern funkelten die blauen Augen lebhaft.
Während sie seinen Blick bewusst gefangen hielt, suchten ihre Hände
nach den Verschlüssen ihres Mantels, lösten sie und ließen das
Kleidungsstück zu Boden sinken. »Ich wollte mich bei Ihnen
bedanken.«
Ihre Stimme war leise und rauchig; ihr Klang
drang bis in sein tiefstes Inneres vor. Sein Körper spannte sich
unwillkürlich an, während sein Verstand den Sinn der Worte aufnahm;
er zog sie näher an sich heran, fester, Körper an Körper, und ließ
seinen Kopf sinken, noch ehe das Echo ihrer Worte in seinem Kopf
verhallt war.
Mit einem Finger gebot sie ihm Einhalt, legte
die Fingerspitze an seine Unterlippe. Ihre Augen folgten ihrer
Geste; doch anstatt zurückzuweichen, presste sie sich nur noch
fester an ihn, ließ sich gegen ihn sinken. »Sie waren für mich da,
als ich Sie brauchte.«
Ohne nachzudenken, zog er sie fester an sich
heran; ihre Augenlider hoben sich, sie sah ihm in die Augen. Wieder
wanderte ihre Hand in seinen Nacken. Ihre Lider sanken herab, und
sie reckte sich ihm entgegen. »Danke.«
Ohne zu zögern, begegnete er den Lippen, die sie
ihm offen darbot. Er ließ sich einfach fallen und genoss den
Augenblick; er spürte nicht nur aufwallende Leidenschaft, sondern
auch tiefe Selbstbestätigung durch seine Adern strömen. Es erschien
ihm geradezu angemessen, dass sie ihm in dieser Weise dankte; er
sah keinen Grund, warum er diesen Dank ausschlagen oder irgendetwas
anderes tun sollte, als den Tribut, den sie ihm zollte, vollständig
auszukosten.
Ihre Arme glitten nach oben und schlangen sich
um seinen Hals. Ihr Körper, der sich immer fester gegen ihn
presste, verhieß ihm höchste Glückseligkeit.
Die Glut, die leise zwischen ihnen geglommen
hatte, flackerte auf, Flammen züngelten über ihre Haut. Er spürte,
wie das Feuer aufloderte, ließ es ungehindert brennen, überzeugt,
dass sie seine Leidenschaft im gleichen Maße erwiderte.
Seine Hände umfingen ihre Brüste. Als sich die
zarten Hügel fest und gespannt anfühlten, suchte er nach der
Schleife ihres Mieders. Dann wandte er sich den Bändern ihres
Unterkleids zu, die er mit geübten Handgriffen lockerte.
Ihre vollen Brüste sanken in seine Hände; sie
rang durch den Kuss hindurch nach Luft. Er massierte sie
besitzergreifend, hielt sie fest, spornte sie an, schürte ihr
Feuer.
Er unterbrach den Kuss, schob ihren Kopf in den
Nacken, setzte seine Lippen an die gespannte Sehne ihres Halses.
Dann wanderte sein Mund weiter zu der Stelle, wo ihr Puls heftig
schlug, er leckte, kostete. Saugte.
Sie seufzte - das Geräusch durchschnitt die
Stille und stachelte ihn weiter an. Mit ihr in seinen Armen drehte
er sich um und zog sie mit sich in den Sessel, um im nächsten
Moment das Oberteil ihres Kleides und die chemise bis auf die Hüfte nach unten zu
schieben.
Um in ihrer Fülle schwelgen zu können.
Sie hatte sie ihm dargeboten; er griff begierig
zu. Seine Lippen und Zunge vereinnahmten begierig, was ihnen
geboten wurde. Folgten den üppigen Kurven. Pressten heiße Küsse auf
ihre harten Knospen. Er lauschte ihrem unterbrochenen Atem. Fühlte,
wie ihre Finger seinen Kopf umkrallten, während er sie spielerisch
neckte.
Dann nahm er eine ihrer festen Brustwarzen in
den Mund, rieb leicht darüber, während sie sich zugleich anspannte.
Er saugte sanft an ihr, dann fuhr er mit seiner Zunge beruhigend
über die gereizte Brustspitze. Wartete, bis sie sich ein wenig
entspannte, nur um dann erneut daran zu ziehen und zu saugen.
Sie stöhnte auf, ihr Körper bog sich in seinen
Armen.
Er zeigte keinerlei Erbarmen, sondern saugte
beharrlich weiter, erst an der einen, dann an der anderen
Knospe.
Ihre Finger verkrampften sich, zogen ihn fester
an sich heran. Er ließ seine Hände von ihrer Taille hinabwandern,
über ihre Hüfte bis hin zu ihrem Hintern. Während er seine
Oberschenkel spreizte, zog er ihre Hüfte näher zu sich heran. Er
hielt sie so fest an sich gepresst, dass ihr Bauch gegen seine
Erregung drückte und seine brennende Lust zugleich beschwichtigte
wie anstachelte.
Er schloss seine Handflächen um ihre
Hinterbacken, massierte sie, spürte ihren Seufzer mehr, als dass er
ihn hörte. Er ließ sich nicht beirren, sondern liebkoste sie nur
noch intimer. Ausgeliefert, wie sie ihm war, reizte und neckte er
ihre geschwollenen Brüste mit
seinen heißen Lippen, während er ihren Unterleib, ihre
geschmeidige Hüfte, ihren Bauch, ihre Oberschenkel nach freiem
Belieben gegen seinen eigenen sehnenden Körper drängte.
Dann atmete sie tief ein und neigte ihren Kopf
zu ihm herab. Er ließ von ihren Brüsten ab und sah zu ihr auf,
während sie bereits seinen Mund in Beschlag nahm. Ihre Zunge drang
in ihn ein, erhitzte und liebkoste ihn; sie raubte ihm den Atem und
gab ihn wieder zurück.
Er spürte ihre Finger an seinem Hals, dann
merkte er, wie sich seine Krawatte löste. Ihre Münder verschmolzen,
nahmen und gaben, während sie ihre Finger über seine Brust wandern
ließ.
Um sein Hemd zu öffnen.
Es aus der Hose zu zupfen.
Federleicht neckend tanzten ihre Fingerspitzen
über seine nackte Brust. Es machte ihn wahnsinnig.
»Zieh den Mantel aus.«
Die Worte schlichen sich langsam in sein Gehirn.
Seine Haut brannte; ihr Vorschlag klang vernünftig.
Er ließ sie einen Augenblick los, richtete
seinen Oberkörper auf, schüttelte seine Kleidung ab.
Krawatte, Mantel und Hemd fielen hinter ihm in
den Sessel.
Schlechte Idee.
In dem Moment, als ihre bloßen Brüste sich gegen
seinen nackten Oberkörper pressten, wurde ihm dies schlagartig
bewusst.
Es kümmerte ihn nicht.
Dieses Gefühl war so erotisch-sinnlich, so
perfekt auf seine tiefsten, innersten Bedürfnisse abgestimmt, dass
er die Warnung ohne Weiteres abschüttelte, so wie er zuvor seine
Kleidung abgeschüttelt hatte. Er zog sie näher zu sich heran,
versank in ihrem einladenden Kuss und genoss in vollem Bewusstsein,
wie ihre zarten Hände - unschuldig und neugierig - über seine Haut
fuhren.
Ihre Berührung entzündete in ihm eine brennende
Leidenschaft, auf die ihr Körper mit ebenso flammender Hitze
reagierte.
Er drängte sie nicht, ließ sie vielmehr nach
Herzenslust entdecken
und lernen, während er selbst ihren leidenschaftlichen Eifer mit
fast ungläubigem Staunen genoss. Während er sie fest an sich
drückte, ertasteten seine gespreizten Hände die feinen Muskeln
rechts und links ihrer Wirbelsäule.
Zart und geschmeidig waren sie zugleich erfüllt
von einer ganz eigenen femininen Stärke - gleich einem Echo von
allem, was sie selbst war.
Noch nie hatte er eine Frau so sehr gewollt,
noch nie hatte ihm jemand so allumfassend Befriedigung versprochen.
Nicht nur in körperlicher Hinsicht, sondern auch in einer sehr viel
tieferen Art und Weise, die er in seinem momentanen Zustand weder
erfassen noch begreifen konnte. Was auch immer es war, dieses
zwanghafte Bedürfnis, das sie in ihm auslöste, war überwältigend
stark.
Stärker als jede banale Lust, jede
Leidenschaft.
Noch nie hatte seine Selbstkontrolle mit
irgendetwas Vergleichbarem ringen müssen.
Seine Beherrschung wurde rissig, zerbrach, und
es war ihm nicht einmal bewusst.
Er war nicht einmal so geistesgegenwärtig, ihre
neugierigen Finger aufzuhalten, als diese allmählich tiefer
wanderten. Als sie mit unverhohlenem Erstaunen den Höhepunkt ihrer
Entdeckungsreise erreichten, stöhnte er lediglich auf.
Erschrocken zog sie ihre Hand zurück; er hielt
sie fest. Seine Finger schlossen sich über den ihren, führten sie
zurück und ermutigten sie, ihn weiter zu erforschen, so wie er sie
zu erforschen gedachte. Er unterbrach den Kuss und beobachtete
ihren Gesichtsausdruck.
Sah zu, wie sie ihre Unschuld und das
Bewusstsein, daraus zu erwachen, genoss.
Sein Atem stockte, bis ihm fast schwindelig
wurde. Er blickte sie weiter an, konzentrierte sich auf ihr Gesicht
anstatt auf das Feuerwerk, das sie in ihm entzündete, das
unstillbare Bedürfnis, das sie in ihm weckte.
Erst als sie unter ihren schweren Lidern aufsah,
die Lippen leicht
geöffnet und vom Küssen rosig, bewegte er sich, um sie wieder an
sich zu pressen, ihren Mund in Besitz zu nehmen und sie tiefer in
Bann zu ziehen.
In seinen Bann.
Als er den Kuss schließlich unterbrach, konnte
Leonora kaum mehr denken. Ihre Haut glühte - ebenso wie seine.
Überall, wo sie sich berührten, sprangen Flammen auf, versengten
sie. Ihre Brüste waren von dem rauen Haar auf seiner Brust bis aufs
Äußerste gereizt.
Sein Oberkörper war ein fein gemeißeltes
Kunstwerk aus kräftigen Muskeln und starken Knochen. Ihre
gespreizten Finger entdeckten Narben, feine Einkerbungen hier und
da; die leichte Bräune, die sein Gesicht und seinen Nacken färbte,
überzog auch seine Brust, so als würde er manchmal ohne Hemd im
Freien arbeiten. Hier im Haus wiederum erschien er ihr ohne sein
Hemd wie ein regelrechtes Wunder, wie ein fleischgewordener Gott.
Männerkörper wie seinen kannte sie nur aus Büchern über antike
Bildhauerkunst, doch seiner war lebendig, wirklich, und durch und
durch männlich. Seine robuste Haut, die Festigkeit seiner Muskeln,
die schiere Kraft seines Körpers überwältigten sie.
Seine Lippen, seine Zunge neckten ihre, dann hob
er den Kopf und setzte einen Kuss auf ihre Schläfe.
Er raunte ihr durch das hitzige Halbdunkel zu.
»Ich will dich sehen. Dich berühren.«
Er wich gerade so weit zurück, dass er sie
ansehen konnte. Seine tiefdunklen Augen waren voll verführerischer
Entschlossenheit.
Seine männliche Stärke fesselte sie, hielt sie
gefangen; seine Hände streichelten ihre nackte Haut. Langsam
glitten sie zu ihrer Hüfte und packten zu, um ihr Kleid und ihre
chemise weiter nach unten zu
schieben.
»Lass es zu.«
Seine Worte waren Aufforderung und Rückfrage in
einem. Sie atmete langsam aus, nickte kaum merklich.
Er schob ihr Kleid nach unten. Jenseits der
Wölbung ihres Hinterteils
sank es mitsamt dem Unterkleid ohne sein weiteres Zutun zu
Boden.
Ein weiches, seidiges Rascheln erfüllte den
Raum.
Die Dunkelheit war hereingebrochen, doch das
verbleibende Licht reichte aus. Sie konnte seinen Gesichtsausdruck
studieren, während er an ihr herabsah; er hatte noch immer einen
Arm um sie gelegt, während seine freie Hand von ihrer Brust über
ihre Hüfte hinabglitt, um dann von außen über ihren Oberschenkel
langsam nach innen zu wandern.
»Du bist wunderschön.«
Die Worte tropften von seinen Lippen - er schien
sie kaum zu bemerken, so als hätte er sie gar nicht bewusst gesagt.
Sein Gesichtsausdruck war ernst, seine Wangen waren hart, seine
Lippen eine dünne Linie - nichts Weiches lag darin, nicht ein Hauch
seines üblichen Charmes.
Die allerletzten Zweifel bezüglich der
Rechtmäßigkeit ihrer Handlung zerfielen in diesem Augenblick zu
Staub. Zu Asche, ausgelöscht von der sichtbaren Intensität seiner
Emotionen.
Sie konnte sie nicht benennen, doch welche
Gefühle auch immer dahintersteckten, es war genau das, wonach sie
suchte, was sie brauchte. Ihr Leben lang hatte sie nur darauf
gewartet, von einem Mann so angesehen zu werden, als wäre sie
begehrenswerter, kostbarer als seine eigene Seele.
Als wäre er bereit, selbige dem Teufel zu
verkaufen für das, was nun unweigerlich kommen würde.
Im selben Moment, in dem sie ihn umfasste,
umfasste er sie.
Ihre Lippen trafen sich, Flammen schossen
empor.
Sie hätte sicherlich Angst gehabt, wenn sein
Körper, so stark, so real, ihr nicht den nötigen Halt gegeben hätte
- ein Anker im Strudel der Gefühle, der sie beide erfasste und mit
sich riss.
Seine Hände schweiften nach unten, umfassten ihr
nacktes Gesäß; er knetete sanft, und Hitze überströmte ihre Haut.
Ein Fieber ergriff sie, eine heiße, dringende Sehnsucht, die
kontinuierlich wuchs, während er ihren Mund andeutungsvoll
plünderte und sie
fest an sich drückte; er hob ihre Hüfte leicht an, drückte ihr
weiches Fleisch gegen seine starre, harte Erregung.
Sie stöhnte, fühlte sich heiß und hungrig und
begierig.
Begierde. Lust. Entschlossenheit.
Er hob sie höher; instinktiv schlang sie ihre
Arme um seinen Hals, ihre langen Beine um seine Hüfte.
Ihr Kuss wurde brennend.
Er unterbrach ihn und forderte: »Ich will, dass
du bei mir liegst.«
Ihre Antwort war ein glühend heißer Kuss.
Tristan trug sie zum Bett und ließ sich mit ihr
gemeinsam hineinfallen. Sie landeten weich, und er stützte sich
über sie, während sein Bein zwischen ihre Schenkel drängte. Ihre
Lippen vereinten sich erneut. Er ließ sich tief in den Kuss
hineinsinken, genoss mit aller Inbrunst das himmlische Vergnügen,
sie nackt und begierig unter sich zu spüren. Der primitive, durch
und durch männliche Teil seiner Seele jubilierte.
Und verlangte nach mehr.
Er ließ seine Hände schweifen, strich über ihre
Brüste, glitt tiefer, über ihre Hüfte, griff unter sie, um ihren
Hintern zu umfassen und zu drücken. Er schob ihre Schenkel weiter
auseinander, legte eine Hand auf ihren Bauch.
Er fühlte, wie ihre zarten weiblichen Muskeln
sich unter seiner Berührung zusammenzogen und anspannten.
Seine Finger wanderten tiefer und erreichten das
dunkle Haar zwischen ihren Beinen. Sie schoben sich hinein und
streichelten die zarte, weiche Haut, die darunter verborgen lag. Er
fühlte, wie sie ein Schauder erfasste.
Er drängte ihre Beine weiter auseinander und
schob seine Handfläche dazwischen; spürte, wie sie ruckartig
einatmete. Seine Zunge drang wieder in ihren Mund; er küsste sie
noch intensiver, dann wich er zurück, ließ seine Lippen nur noch
leicht gegen die ihren schweifen, damit ihre Sinne sich wieder
aufklarten, wahrnahmen, verstanden.
Ihrer beider Atem, heiß und begierig, vermischte
sich; ihre Blicke
begegneten sich unter schweren Augenlidern und verweilten
beieinander.
Hielten sich aneinander fest, während seine Hand
sich sanft bewegte, sie berührte. Sie streichelte, liebkoste,
massierte. Ihre Brust hob und senkte sich; er sah, wie sie sich auf
die Unterlippe biss, während seine Finger sie behutsam öffneten;
sie vorsichtig erregten, während er die feuchte Hitze ihres Körpers
genoss. Dann schob er langsam, aber beharrlich einen Finger in sie
hinein.
Ihr Atem stockte, ihre Augen schlossen sich, ihr
Körper bog sich ihm entgegen.
»Entspann dich.« Er streichelte sie behutsam -
hinein und hinaus -, bis sie sich an die Bewegung gewöhnte.
Sie atmete stoßweise, zwang sich, die Augen zu
öffnen; nach und nach entspannte sich ihr Körper ein wenig.
Langsam, allmählich blühte sie auf.
Er beobachtete sie dabei, sah zu, wie der
sinnliche Genuss sie aufwühlte und mit sich davonriss, sah, wie
ihre Augen sich lustvoll verdunkelten, fühlte, wie ihre Finger sich
verkrampften, ihre Nägel sich in seine Haut gruben.
Dann riss ihr Atem erneut ab. Ihr Rücken krümmte
sich, ihr Kopf fiel nach hinten; sie schloss die Augen. »Küss
mich.« Ein verzweifeltes Flehen. »Bitte … küss mich.« Ihre Stimme
brach, als wildes Begehren in ihr aufstieg, sie umschlang und sie
fest in seinen Griff nahm.
»Nein.« Sein Blick war fest auf ihr Gesicht
geheftet, während er sie vorantrieb. »Ich will dich ansehen.«
Sie rang nach Atem und um ihren Verstand.
»Lehn dich zurück und lass es geschehen. Lass
dich fallen.«
Er sah ein blaues Funkeln hinter ihren Lidern.
Dann schob er einen weiteren Finger in sie hinein, stieß tiefer,
schneller in sie.
Dann überkam es sie.
Er sah zu, wie der Höhepunkt ihren gesamten
Körper erfasste, hörte den sanften Aufschrei, der sich ihren
geschwollenen Lippen entrang, fühlte, wie sie sich heftig und
kraftvoll um seine Finger
zusammenzog und dann ein wenig entspannte, während sanftere
Schauer ihre samtige Hitze erschüttern ließen.
Während seine Finger noch immer in ihr ruhten,
beugte er sich zu ihr herab und küsste sie.
Tiefe, intensive Küsse, die ihr alles gaben, was
er ihr bieten konnten, die seinen Hunger, seine Leidenschaft
vollständig preisgaben. Dann ließ er die Intensität nach und nach
verebben.
Als er seine Finger herauszog, sie durch ihre
feuchten, feinen Löckchen gleiten ließ und seinen Kopf hob, fuhren
ihre Hände tief in das dunkle Haar seines Hinterkopfes, griffen
hinein, packten zu. Sie öffnete die Augen, studierte seinen Blick,
sein Gesicht, las seinen Entschluss.
Er versuchte sich zurückzulehnen, ihr Freiheit
zum Atmen zu geben; doch zu seiner Überraschung verstärkte sie
ihren Griff und hielt ihn zurück.
Sie erwiderte seinen Blick, fuhr sich über die
Lippen. »Du bist mir einen Gefallen schuldig.« Ihre Stimme war nur
ein heiseres Flüstern; ihre nächsten Worte klangen fester.
»Alles, hast du gesagt. Versprich mir, dass
du jetzt nicht aufhörst.«
Er blinzelte. »Leonora …«
»Nein. Ich will dich. Hör jetzt nicht auf. Zieh
dich nicht vor mir zurück.«
Er biss die Zähne aufeinander. Sie hatte ihn
ausgetrickst. Nackt und gefügig, ihr Körper unter den Nachwirkungen
der Lust vollständig gelöst … forderte sie ihn auf, sie zu nehmen.
»Es ist nicht so, dass ich es nicht will …«
Sie bewegte geschmeidig ihre Oberschenkel.
Er atmete ruckartig ein.
Stöhnte leise. Schloss die Augen. Doch seine
anderen Sinne ließen sich nicht so leicht ausschalten. Mit aller
Entschlossenheit stützte er sich auf und entfernte sich von ihr und
ihrer hitzigen Wärme.
Er öffnete die Augen.
Und hielt abrupt inne.
Ihre waren verschwommen.
Tränen?
Sie blinzelte heftig, doch ihr Blick blieb bei
ihm. »Bitte. Verlass mich nicht.«
Die Stimme versagte ihr bei den Worten.
Ihm versagte etwas ganz anderes.
All seine Entschlossenheit, seine Überzeugung
waren mit einem Mal dahin.
Er begehrte sie so sehr, dass er kaum mehr klar
denken konnte, und dennoch war es das Dümmste, was er tun konnte,
sich hier und jetzt in ihr zartes Fleisch sinken zu lassen und sie
einfach zu nehmen. Aber gegen dieses Flehen in ihrem Blick war er
machtlos - ein Flehen, das er nicht richtig einordnen konnte, das
er aber dennoch erhören musste.
Das Haus um sie herum lag in tiefer Stille.
Draußen war die Nacht herabgesunken und tauchte sie beide - nackt
auf diesem üppigen Bett - in tiefe Schatten.
Und sie wollte ihn in sich spüren.
Er atmete tief ein, neigte den Kopf, dann wich
er abrupt zurück und setzte sich auf.
»In Ordnung.«
Ein Teil seines Verstands brüllte geradezu:
»Tu’s nicht!« Sein donnernder Puls und,
mehr noch, seine tiefe emotionale Überzeugung übertönten die
Warnung.
Er öffnete seine Hose und stand auf, um sie
abzustreifen. Während er sich aufrichtete, wandte er sich zu ihr um
und suchte ihren Blick. »Vergiss aber nicht, dass es deine Idee
war.«
Sie lächelte ein sanftes Madonnenlächeln, aber
ihre Augen waren weit geöffnet, aufmerksam. Erwartungsvoll.
Er sah sie einen Moment lang an, dann ließ er
seinen Blick schweifen. Er ging hinüber zu der Stelle, wo ihre
Kleidung zu Boden gesunken war, und griff nach ihrem Kleid. Er
schüttelte es aus und kehrte den untersten Rock nach außen. Er ließ
sich neben sie aufs Bett fallen, hob mit einem Arm ihre Hüfte an
und breitete mit dem anderen den Rock unter ihr aus.
Als sein Blick zu ihrem Gesicht zurückkehrte,
bemerkte er gerade noch ihre hochgezogene Augenbraue, doch sie gab
keinen Kommentar von sich, sondern ließ sich gefügig in ihre alte
Position zurücksinken.
Sie erwiderte seinen Blick. Noch immer
erwartungsvoll.
Wie schon häufiger schien sie seine Gedanken zu
lesen. »Ich werde meine Meinung nicht ändern.«
Er spürte, wie seine Züge sich anspannten.
Spürte, wie Verlangen in ihm aufstieg. »Dann soll es so
sein.«