JOSEPHA SHERMAN

 

Josepha Sherman hat in dieser Reihe schon zwei Storys publiziert, deren jede höchst subtil erzählt war. Geschichten von »Gewalt und Rache, Vergewaltigern and Rächern« interessieren mich eigentlich kaum; daß die hier auch zu dieser Kategorie zählt, wurde mir aber erst klar, als ich sie zu Ende gelesen hatte — und da hatte sie mich bereits so überzeugt, wie sie wohl auch Sie überzeugen wird.

Josepha hat zwei Romane abgeschlossen, die inzwischen schon veröffentlicht sein dürften: The Horse of Flame (Das Feuerpferd) und Chiled of Faerie, Chiled of Earth (Elfenkind, Erdenkind). 1980 erhielt sie den Crompton Crook Award für The Shilling Falcon (Der gleißende Falke), einen Fantasy-Roman nach Motiven der slawischen Folklore. Und sie hat außer den erwähnten beinahe fünfzig Storys veröffentlicht — eine stolze Leistung, wenn man bedenkt, wie eng der Belletristik-Markt heutzutage ist. Ich wette, daß sie genauso faszinierend sind wie dieses kleine Kunstwerk, das ich Ihnen hier vorstellen möchte. - MZB

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

JOSEPHA SHERMAN

 

Der Preis der Macht

 

Ich hatte schon die Grenze von der Verzweiflung zur Erschöpfung überschritten und war wie benommen, als ich an die schäbige Tür der windumtosten Berghütte hämmerte. Hütte, sage ich? Eher eine Bruchbude und ein Hohn auf jede Hütte - ein Verschlag aus rohen Brettern, die ein paar Nägel notdürftig zusammenhielten. Welch elende Zuflucht, dachte ich dumpf. Aber doch gut genug, um Atem zu schöpfen und mir zu überlegen, wo sonst ich mich verstecken könnte. Denn daß sie mir noch immer dicht auf den Fersen waren, stand für mich außer Frage.

Da gab die schadhafte Tür so jäh nach, daß ich den Halt verlor und der Länge nach über die Schwelle fiel. Und eine Hand schloß sich um meine Schulter, daß ich vor Schreck beinahe aufgeschrien hätte. Entsetzt blickte ich auf. Ierans Männer?! Nein, nein, das war ja eine Frau - ein altes, graues und zerlumptes Weiblein. Der kalte Wind peitschte mir ihr wirres, langes Haar ins Gesicht, als sie sich jetzt über mich beugte und mich mit dem starren Blick eines alten Raubvogels musterte. Ihre Augen waren fahl wie der Wind -seltsam fahl für dieses Land, dessen Bewohner ja meist dunkeläugig sind. Ich erwiderte ihren Blick so gebannt, verwirrt wie ein kleiner Vogel den einer Schlange, und mir war, als ob die Zeit stillstünde.

Da ließ die Alte mich los und murmelte: »Ja, ja« und fügte dann fast höflich hinzu: »Armer Junge. Komm herein, hier geht so ein rauher Wind.«

»Gute Frau … Mütterchen … Ich sollte nicht … Sie werden …«

»Sie werden nicht so bald hier sein.« »Woher …«

»Ich weiß es eben«, sagte sie, und ihre fahlen Augen funkelten.  

»Komm, ich tu dir ja nichts. Herein also!«

Eine Hexe? Eine Wahnsinnige? Aber mir war längst nicht mehr warm vom Laufen, und ich schlotterte schon so vor Kälte und Müdigkeit, daß mir die Vorstellung, vor dem durchdringenden Wind Schutz zu finden, und sei es nur für kurze Zeit… Außerdem: Was hatte ich schon von dem gebrechlichen Weiblein zu befürchten, das gut einen Kopf kleiner war als ich?!

Kurz entschlossen sprang ich auf und betrat ihre Bleibe. Sie war, wie erwartet, alles andere als behaglich … ein paar ramponierte Möbel und mottenzerfressene Felle bildeten die ganze Einrichtung. Die alte Frau sah mir mein Unbehagen wohl im Gesicht an, denn sie lächelte mit einemmal ironisch und sagte: »Ich spüre die Kälte nicht mehr.« »Entschuldige, ich wollte dir nicht zu nahe treten.« »Hier ist Brot. Und hier«, erwiderte sie nur und hielt mir einen irdenen Krug hin, »ist Wein. Er wird dich wärmen.« Gift? Oder irgendein obskures Gebräu? Aber ich war über den Punkt hinaus, wo man sich Sorgen macht, und nahm den Krug und trank. Es war tatsächlich Wein, und er wärmte mich, ein bißchen wenigstens.

»Setz dich, junger Mann. Sag, wer bist du? Der Sohn eines reichen Adligen?«

»O kaum! Gute Frau, ich bin nur ein armer Student der Universität Berin-Lar. Das ist… war jetzt… meine Reisezeit.« »Ja und? Was ist schiefgelaufen?«

Ich wich ihrem durchdringenden Blick aus und starrte in den Krug in meiner Hand. Aber die Gesetze der Gastfreundschaft verlangten, daß ich ihr die Wahrheit sagte. »Ich … ich habe einen Menschen erschlagen.«

»Wirklich?« fragte sie. Aber das klang gar nicht sehr überrascht.  

»Und wie kam das?«

Ja, wie eigentlich?! Ich hatte versucht, die Ländereien von Lord Ieran zu umgehen, da ich mir dachte, wenn auch nur die Hälfte der Geschichten, die man sich über diesen grausamen Fürsten erzählte, wahr sei, täte ich wohl besser daran, weder ihm noch einem seiner Männer über den Weg zu laufen. Aber … »Da war eine Jagdgesellschaft, die neben der Landstraße lagerte«, begann ich widerstrebend, »so mit prächtigen Zelten und Bannern. Aber unweit davon, im Dunkel des Waldrands, war einer von denen dabei, irgendein armes, kleines Bauermädchen … Und er lachte so! Ich … ich komme aus Tailan, wo man die Große Mutter verehrt und wo kein Mann jemals, jemals … Ich habe mich wie ein Narr auf ihn gestürzt. Er war ein geübter Soldat, und ich war unbewaffnet. Er schlug mich einfach zu Boden, ließ mich halb betäubt dort liegen, und fiel wieder über sie her … Ich hörte ihre Schreie, und dann … ich weiß nicht, was darauf geschah.« »Häh?«

»Es … war, als ob plötzlich der Wind überall um mich und in mir sei, der kalte, beißende, wütende Wind, und mir übermenschliche Kraft und Unverwundbarkeit gebe …« Ich verstummte jäh, denn der Gedanke daran ließ mich schaudern. Aber die alte Frau sah mich so unverwandt und drängend an, daß ich seufzend fortfuhr: »Als ich wieder zu mir kam, war diese Kraft von mir gewichen. Der Kerl lag tot zu meinen Füßen, und die Spitze meines Scholarenstabs war rot von Blut. Vor mir aber stand der Mann, dem ich aus dem Weg hatte gehen wollen: Eindeutig Lord Ieran, nach dem Wappen zu urteilen, das er trug! Ieran persönlich, mit vor Zorn funkelndem Blick. Ich hatte einen seiner Männer erschlagen, den Hauptmann seiner Garde. Und zur Strafe dafür sollte ich eines langsamen, langsamen Todes sterben.«

»Da bist du gerannt, armer Junge, gerannt und gerannt. Und diese Bluthunde immer hinter dir her … Sie lassen nicht von einem ab, diese Hunde, nicht, solange ihre Herren sie auf einen hetzen!« 

»Woher kannst du das wissen …«

»Pscht! Ich weiß es eben. Aber nun ist für eine Weile Schluß mit dem Rennen.« »Nein! Sie werden …«

»Nicht so bald, nicht so bald. Ruh dich aus, junger Mann. Schlaf ein bißchen.«

Sie fuhr mir mit kühler, sanfter Hand übers Haar und sprach mit weicher Stimme besänftigend auf mich ein … der Wein wärmte mich und machte mich so schläfrig. Und ich? Ach, kein Mensch hält der Angst und Anspannung ewig stand! Wahnsinn, sagte ich mir, das ist doch heller Wahnsinn … Aber sosehr ich mich auch sträubte - die Müdigkeit überwältigte mich, und ich schlief ein.

Und im Schlafe sah ich … einen Mann, eine Frau, jung und schön, die mit derselben panischen Angst, die mich erfüllt hatte, um ihr Leben liefen. Und der Mann trug ihren kleinen Sohn im Arm … Da!  

Da! Die Reiter holten auf, waren ihnen nun dicht auf den Fersen, trieben sie gegen eine Felswand, so daß ihnen kein Ausweg blieb, und lachten, trieben mit ihrem Entsetzen Spott, ihr Anführer … Ieran. Lord Ieran!

Da geschah das Schreckliche. Ich sah, wie jener gleich einem Wild gestellte Mann sich schützend vor Frau und Kind warf -aber, ach, vergeblich … Ich sah ihn sterben, einen grausigen, blutigen Tod, sah, wie sie der Mutter das schreiende Kind aus den Armen rissen, wie Lord Ieran seinem Schreien und Weinen mit einem Speerstoß ein Ende setzte. Ich sah die Frau … Nein, Ieran legte nicht Hand an sie, o nein! Aber grausamer als jeder Tod war, daß ihr nunmehr beschieden wurde, unversehrt bei ihren erschlagenen Lieben zurückzubleiben. Als die Schlächter mit rohem Gelächter über diesen Mordsspaß davonritten, da kniete sie sich gramgebeugt neben die Toten und breitete ihr langes Haar im Staub … und ich dachte voller Angst und Mitleid: Laß mich aufwachen! Oh, laß mich doch aufwachen! Da hob die Frau den Kopf, und ich sah ihr bleiches und vom Kummer gezeichnetes Gesicht. In ihren Augen, diesen schrecklichen Augen, sah ich jede Liebe, Hoffnung und Barmherzigkeit sterben. Und sie erhob sich und stieg den Berg hinan, bis sie endlich den höchsten Gipfel erreichte. Aber die eisigen Winde, die sie dort umtosten, waren nicht kälter als der Blick in ihren Augen. Und sie trat an den Abgrund und rief mit einer Stimme so rein und scharf und hart wie Eis: »Ai-Chan! Ai-Chan! Ai-Chan!«

So beschwor sie den Herrn der Winde, den Großen Einen … und Ai-Chan kam. Da war ein blendend heller Lichtwirbel und ein Flüstern wie aus dem Mund des Windes selbst. »Was ist dein Begehr?«

Kein Mitleid lag in dieser Stimme, keine menschliche Milde. Keine Milde aber auch in ihrer Antwort:

»Rache … Verleihe mir die Macht des Windes, Ai-Chan. Gewähre mir die Kraft zur Rache.«

»Alles hat seinen Preis«, säuselte der Herr der Winde. »Und diese Macht hat einen hohen Preis. Bist du bereit, ihn zu zahlen?« »Ja!« rief sie laut. »Ja!« »Dann wisse, was …«

Aber da riß mich eine Kälte aus meinem Traum - die kalte Hand der Alten, die mich am Arm rüttelte.

»Schnell, junger Mann! Diese Bluthunde werden gleich da sein.«

Ich sprang keuchend auf, sah verstört um mich und versuchte, mir den Schlaf aus dem Kopf zu schütteln. Da spürte ich, wie sie ihre kalte Hand um die meine schloß.

»Dort entlang, Junge! Dort hinauf! Komm, ich führe dich zu einem Versteck …«

Sie stürzte mit unheimlicher Behendigkeit in diese Bergwelt hinaus, die grau in grau vor Nebel war… Und ich stolperte hinter ihr drein, sah weder Weg noch Steg und wußte nur, daß wir immer höher und höher stiegen. »Das kann doch kein Fluchtweg sein…«  

»Doch, doch! Beeil dich!«

Der Nebel wurde immer dichter, kälter, feuchter und beklemmender. Als ich, hustend und um Atem ringend, meinen Schritt verlangsamen mußte, spürte ich, wie mir die Hand der alten Frau entglitt.

»Warte!« rief ich. Ich sah sie nicht mehr - der graue Nebel hatte die graue Alte verschluckt. Aber ich hörte ihr rauhes Lachen und hörte sie rufen: »Komm, Junge! Komm doch!« Aber ich horchte, starr vor Angst, auf die schon so nahen, harten Schritte hinter mir. Ierans Männer? Nein, den Geräuschen nach war das nur einer - Ieran? 

Natürlich, natürlich! Auch wenn sich seine ganze Truppe in dieser grauen Suppe verirrte, er würde mir an den Fersen bleiben, um sich seine Beute nur nicht entgehen zu lassen. Von seiner Unerbittlichkeit erneut in Panik versetzt, machte ich kehrt und floh … und ich hörte ihn hinter mir keuchen, als ich, ohne jede Orientierung in den grauen Schwaden, wie im schlimmsten Alptraum über nebelfeuchte Felsen stolperte und schlidderte.

»Du Narr!« keuchte er, und er keuchte mir nun schon fast ins Ohr. 

»Gleich habe ich dich!«

Aber trotz alledem: Er konnte mich ja nicht deutlich sehen - und ich sah mit einemmal keinen Boden mehr vor mir! Unter meinen Füßen war nur graue Leere, und ich fiel…

Nicht tief. Denn eine kalte, starke Hand ergriff mich am Arm und riß mich grob zur Seite - eben als der keuchende Ieran, blind auf sein Gespür vertrauend, mit einem gewaltigen Satz dorthin sprang, wo ich kurz zuvor gewesen war. Ich hörte ihn entsetzt aufschreien und dachte noch: Was …

… als plötzlich ein Fallwind den Nebel auseinanderjagte. Große Mutter! Wir kauerten ja am Rand eines Abgrunds, und die sicheren Gefilde lagen tief unter uns …

Ieran aber war mit seinem wilden und unbedachten Sprung über die Kante geraten. Dort hing er nun und klammerte sich mit zitternden Händen an den bröckligen Felsen. Da mußte ich ihm einfach, obwohl er ein Monster war, die Hand hinstrecken. Aber die Alte stieß sie barsch zur Seite und sah mich mit einem flammenden Blick an, der nun wahrlich der eines Raubvogels war … Halb betäubt sah ich zu, wie sie sich geschmeidig erhob und, klein, aber schrecklich, zur Kante trat, auf diesen Mann hinabblickte und seinen verzweifelten Kampf verfolgte - ohne Lust und Freude, aber auch ohne eine Spur von Mitleid, »Ieran!«

»Hilf mir, Frau!«

»Denk einmal nach, Ieran.«

»Bist du verrückt ? So hilf mir …«

»Erinnere dich, Ieran. Erinnere dich an Tierel. Den jungen Tie-rel … dessen einziges Verbrechen es war, nicht so kaltherzig wie du sein zu können. Er war nicht imstande, die zu ermorden, über die du insgeheim und ruchlos das Todesurteil verhängtest. Tierel und Sarai-ye, seine Frau. Tierel, Sarai-ye und ihr Sohn, ihr kleiner Junge.  

Mann und Frau und Kind, eins in ihrer Liebe, eins in ihrer Freude.  

Erinnerst du dich jetzt, Ieran?« »Du Wahnsinnige!«

»Ah ja, du erinnerst dich! Du hättest sie verschonen können. Sie waren keine Gefahr für dich, Tierel hatte dir sein Wort gegeben, deine Geheimnisse zu bewahren. Ja, du hättest es gut sein lassen können und ihr Glück achten. Aber Ieran hat ja kein Herz. Ieran kehrt nicht unverrichteterdinge von einer Hetzjagd zurück. Oh, du erinnerst dich an diese Hatz, an dieses scheußliche, schreckliche Schlachten. Du erinnerst dich gut.« »Verdammt sollst du sein, Frau, wer bist du?« »Der Tod, Lord Ieran. Dein Tod.«

Da hob sie den dünnen Arm, und der Wind kam. Sie wies auf Ieran, und der Wind fuhr herab und riß ihn von dem bröckligen Halt, und da sah ich für einen Moment seine ungläubig aufgerissenen Augen. Dann fiel er, und ich beobachtete aus den Augenwinkeln, wie die Frau seinen langen, tiefen Sturz mit ruhigem Blick verfolgte. Und in ihren Augen zeigte sich auch jetzt weder Gram noch Freude, nur … Erleichterung. »Rache«, keuchte sie nach einer Weile. »Oh, wie süß!« Sie wurde sich meiner Gegenwart bewußt und sah mich an. Aber der Ausdruck ihrer geweiteten Augen ließ mich zusammenzucken, und ich stammelte: »Der Wind … der Nebel … Die waren dein Werk!« »Ja.«

»Dann … oh, Große Mutter! Und dieser Wind, der mich erfaßte und mich den Kerl töten ließ? War der auch dein Werk? Ja?« »Ja.«

»Du … du … hast mich benutzt! Aber weshalb? Was habe ich dir denn getan?«

»Nichts, mein Junge.« Nun endlich lag eine Spur von Mitgefühl in ihrer Stimme. »Mir sind Grenzen gesetzt … Wenn ich meinen Berg verlasse, verliere ich meine Macht über den Wind. Ierans Männer konnte ich von hier nicht anrühren, weil sie ein Herz so kalt und hart wie Eis haben. Aber dich … Du bist jungen und offenen Sinns und empörst dich über jedes Unrecht. Verstehst du?

Ich benötigte jemanden, der meinen Feind aus seiner sicheren, warmen Ebene auf diesen Berg locken konnte, wo der Wind ihn zu erfassen vermochte. Hierher, wo ich seinen Fall mit eigenen Augen beobachten konnte.« »Wer bist du? Und was?«

»Dieser Traum … denk an den Traum, den ich dir sandte.« »Ich verstehe das nicht. Du bist… Tierels Mutter?« »Nein, Junge, ich bin Tierels Frau.«

»Sarai-ye! Aber das ist unmöglich … Sie hatte dunkle Augen …«

»Der Wind hat sie mir ausgebleicht.« »Und sie war jung, so jung, und du bist doch so …« Mir versagte die Stimme. Denn wie ich sie so anstarrte, vermeinte ich, in ihrem steinalten Gesicht einen Hauch von Jugend zu sehen, denselben Augenschnitt, denselben Wangenschwung … »So alt?« schloß die Frau sanft an meiner Statt.  

»Oh, Junge, die Macht hat ihren Preis. Und so gab ich Ai-Chan meine Jugend, gab ihm all die Jahre des Hätteseinkönnens… und sah zu, wie sie in Stücke gerissen und vom Wind verweht wurden.«  

Da muß ich vor Entsetzen oder Mitleid leise gestöhnt haben, denn die alte Frau rief unwirsch aus: »Genug davon! Ierans Bluthunde werden nicht hier herauf finden. Du umgehst sie, wenn du auf dem Weg dort, an der Nordseite des Bergs, ins Tal hinabsteigst.« Dann fuhr sie mit milderer Stimme fort: »Hör mir gut zu! Du warst mein Werkzeug und bist daher genausowenig zu tadeln wie eine Axt oder ein Schwert. Denk daran, auf dir lastet keine Blutschuld. Gehe zu einem Priester oder einer Priesterin, so du es mußt, und entblöße deine Seele. Lebe dann aber in Frieden.« »Aber … deine Jugend hinzugeben…«, stammelte ich. »Warum nicht? Ich brauchte sie nicht mehr, da ja meine Lieben tot waren. Verstehst du das nicht? 

Und jetzt liegt mir gar nichts mehr am Leben«, schloß sie und sah mich ruhig und gelöst an. Dann trat diese alte Frau, die einmal die junge Sarai-ye gewesen war, vor meinen Augen leichtfüßig ins Leere hinaus und ließ mich ratlos auf dem kalten Gipfel zurück.