Kapitel 21

Unter Wölfen

Juli 1153 – Askalon

 

Jack Tanner schnalzte mit der Zunge und gab seinem Hengst einen Schenkeldruck, um ihn näher an Geros Araber heranzuführen.

»Bin neugierig, ob dein Großmeister und sein Marschall nicht glauben, dass wir die Brüder erledigt haben.« In seiner Stimme lag eine gehörige Portion Ironie, während er einen prüfenden Blick auf die drei toten Templer warf.

»Tramelay ist nicht mein Großmeister«, erwiderte Gero entschlossen, »und Hugo Salomonis de Quily ist auch nicht mein Marschall.«

Er blickte zurück auf Johan und Stephano, die in einigem Abstand die Pferde mit den Leichen führten. Leiber und Gesichter der Toten hatten sie mit deren Chlamys bedeckt, damit die Fliegen kein leichtes Spiel hatten.

Als Letzter folgte Bruder Florentin, dem Gero mit purer Berechnung die Weisung erteilt hatte, die Nachhut zu bilden, damit er ihre Gespräche nicht mithören konnte.

»Jacques de Molay war mein Großmeister«, fügte Gero hinzu, »und er wird es auf ewig bleiben.« Sein vorwurfsvoller Blick streifte den Agenten aus dem 21. Jahrhundert, der so gar keine Ahnung hatte, was in einem echten Templer vor sich ging. Jacques de Molay hatte stets die Auffassung vertreten, dass man Glauben und Kampf zu einem |597|sinnvollen Ganzen vereinte und bei allem, was man tat, die friedliche Verhandlung oberste Priorität haben sollte. Genau das war ihm letztendlich zum Verhängnis geworden. »Molay würde sich im Grabe herumdrehen, wenn er gewusst hätte, was Tramelay und seine Verbündeten tatsächlich treiben.«

»Er muss es gewusst haben«, bemerkte Jack mit einem lakonischen Grinsen. »Oder glaubst du ernsthaft, dein Orden hat seine Historie so schlecht dokumentiert, dass man über die einzelnen Vorgänger nicht bis ins letzte Detail informiert war?«

»Natürlich wurde alles aufgezeichnet und verwahrt.« Gero schenkte ihm einen schrägen Blick. »Aber wahrscheinlich ist es überall gleich. Wer dokumentiert schon gern die Fehler seiner Vorgänger, es sei denn, sie waren so grässlich und es gibt so viele Zeugen, dass man nicht umhinkann, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Wobei …« Er sprach den Satz nicht zu Ende, weil er noch einmal darüber nachdachte, was er selbst soeben erlebt hatte. Der grausame Tod des Dorfbewohners war so grässlich gewesen, dass der Anblick sogar Gero eine Gänsehaut über den Rücken getrieben hatte. »Ganz gleich, wie sehr man sich auch damit beschäftigt«, sagte er leise, »es bedeutet nicht, dass man es jemals entschuldigen, geschweige denn wiedergutmachen könnte.«

»Denkst du, Montbard weiß nicht, was Tramelay und seine Leute für Spielchen mit den Sarazenen treiben?« Jack hob eine Braue, wobei er abwechselnd Gero ansah und dann wieder nach vorne in die steinige Ebene blickte, wo man in der Ferne schon das Meer erahnen konnte.

»Natürlich weiß er das«, gab Gero mit abgeklärter Miene zu verstehen. »Ansonsten hätte er sich nicht so bereitwillig auf unsere Seite gestellt. Obwohl es mir manchmal merkwürdig vorkommt, wie wenig Bedeutung er dem an sich ungeheuerlichen Umstand beimisst, dass wir aus der Zukunft stammen, und wie selbstverständlich er sich mit all diesen Wundern beschäftigt, die jeden normalen Christenmenschen in den Wahnsinn treiben würden, wenn er unvorbereitet damit konfrontiert würde.«

»Vielleicht weiß er weit mehr, als wir vermuten.« Jack zügelte seinen Hengst und schaute Gero fragend an.

»Das ist es, was ich von Beginn an befürchtet habe.« Gero entledigte sich seines Normannenhelms und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Manchmal mache ich mir Sorgen, dass dieser gerissene Hund |598|nicht nur Tramelay sehenden Auges in den Tod schickt, sondern auch uns …«

»Denkst du, er hat uns absichtlich auf eine falsche Fährte geschickt?«

»So gern ich auch wollte, ich kann es nicht beschwören.« Gero setzte – wenn auch widerwillig – den Helm wieder auf. »Aber der Kelch und die Lade sind, was mich betrifft, ohnehin in den Hintergrund gerückt, seit ich weiß, dass Hannah und die anderen Frauen auf der Festung gefangen gehalten werden. Allein deshalb empfinde ich es als göttliche Fügung, dass ich – so Gott will – bei der Eroberung der Festung dabei sein darf.«

 

Gero hätte lügen müssen, wenn er behauptet hätte, dass ihn kein mulmiges Gefühl beschlich, als er sich mit seiner verbliebenen Truppe in leichtem Trab der Festung von Gaza näherte. Jeder Reiter und jeder Fußsoldat, jedes Waschweib und jeder Hurensohn blieb stehen und gaffte auf die Pferde mit den toten Templern darauf. Irgendjemand schlug Alarm, indem er in ein Signalhorn blies, das von den oberen Zinnen ertönte, als sie den Brückenkopf zum Eingang der Festung erreichten. Die Wachen salutierten hilflos, und auch sie verfolgten die Leichen auf dem Rücken der drei Araberhengste mit verwirrten Blicken.

Im Burghof wurden sie von allen Seiten mit aufgeregten Fragen bedrängt. Gero sprang von seinem Hengst ab und salutierte vor dem Festungskommandanten. Ranulf von Bergamo, ein rotbärtiger Lombarde, der ihn an Roland von Briey, den Vogt seines Vaters, erinnerte, schlug ein Kreuzzeichen und wollte von Gero wissen, was geschehen war.

Hektisch rief er seinem herbeieilenden Adjutanten zu, dass er sofort den Großmeister benachrichtigen müsse, der sich in einer Besprechung mit den Heerführen des Königs befand. In der Zwischenzeit wurde der Pulk von entsetzten Ritterbrüdern, die sich um die Leichen scharten, immer größer. Auch Anselm kam hinzu. Zum einen froh, dass Gero und die anderen unversehrt zurückgekehrt waren, zum anderen sichtlich schockiert, dass es offenbar Tote gegeben hatte.

Ranulf drängte auf alle Einzelheiten, die zu dieser Katastrophe geführt hatten. Gero blieb weitestgehend bei der Wahrheit, alleine schon, weil er damit rechnen musste, dass man vor allem Bruder Florentin in |599|die Mangel nehmen würde, weil er der Einzige war, der bezeugen konnte, dass es nicht Gero selbst gewesen war, der de la Trenta und seine Vertrauten auf dem Gewissen hatte.

»Wir waren auf dem Weg in dieses Dorf«, berichtete Gero so ruhig wie möglich. »Kurz bevor wir den Versammlungsplatz erreichten, wurden wir von Sarazenen angegriffen. Den Uniformen nach zu urteilen, waren es Fatimiden. Der erste Pfeil, den sie abgeschossen haben, hat Bruder Xavier direkt ins Herz getroffen. Bevor auch nur irgendwer von uns etwas dagegen unternehmen konnte, hatte es auch schon den Turkopolen und den Spanier erwischt. Sie sind so schnell gestorben, wir konnten nichts mehr für sie tun.«

»Habt ihr wenigstens die Verfolgung aufgenommen?«, brüllte Tramelay hasserfüllt über den Hof. Zusammen mit ein paar gräflichen Verbündeten des Königs bahnte er sich seinen Weg durch die Masse. Sein verächtlicher Blick traf auf de la Trentas Leiche, die man inzwischen von seiner Chlamys befreit hatte. Tramelays fleischige Hand krallte sich in den Bart des Portugiesen und hob dessen leblosen Kopf an, als ob er sich persönlich von dessen Tod überzeugen wollte.

»Mit Verlaub, Beau Seigneur«, antwortete Gero mit fester Stimme und richtete dabei, wie vorgeschrieben, seinen Blick geradeaus, anstatt in Tramelays gerötetes Gesicht zu schauen. »Eine Verfolgung war nicht möglich, weil sich hinter dem Hügel noch Hunderte Fatimiden befanden, die uns im Handumdrehen getötet hätten«, log er, ohne mit der Wimper zu zucken. »Es war mir möglich, mit zweien von ihnen zu verhandeln und einen freien Abzug zu bewirken, mit der Auflage, dass wir uns unverzüglich aus dem Gebiet zurückziehen.«

Obwohl Tramelay die nackte Wut ins Gesicht geschrieben stand, konnte er gegen eine solche Vorgehensweise nichts ausrichten. Aus den bisher festgelegten Regeln ging hervor, dass Menschen und Material nicht leichtsinnig aufs Spiel gesetzt werden durften. Somit hatte Gero vollkommen richtig gehandelt.

Inzwischen war König Balduin hinzugekommen und betrachtete nachdenklich die Leiche des durchaus geschätzten portugiesischen Templerkommandeurs.

»Wenn wir nicht bald etwas unternehmen«, krächzte Tramelay, »tanzen uns die Heiden vollends auf der Nase herum. Wir müssen gegen sie vorrücken, und zwar sofort.«

|600|»Wenn die Festung so leicht einzunehmen wäre«, erwiderte der junge König scharf, »hätten wir es schon längst getan.«

»Wie wäre es denn«, führte Tanner, der hinter Gero stand, völlig überraschend ins Feld, »wenn man eine Bombe herstellt und sie gegen die Mauern schleudert?«

»Wer hat Euch denn erlaubt, das Wort zu ergreifen, mein vorlauter Bruder?«

Tramelays Laune hatte den Gefrierpunkt erreicht, und Gero blieb nur zu beten, damit Jack die Suppe nicht auslöffeln musste, die er sich soeben eingebrockt hatte.

»Ich werde euch …«

Weiter kam Tramelay nicht, weil der junge König die Hand erhoben hatte. »Lasst ihn sprechen«, befahl er dem verblüfften Templermeister. »Tretet vor!«, forderte er Jack mit einer eindeutigen Geste auf.

Tanner lockerte sich verlegen in den Schultern, als ob er sich auf seinen Auftritt erst vorbereiten müsse.

»Schmiedet hohlförmige Eisenkugeln und füllt sie mit Schwarzpulver. Dann schleudert Ihr sie mit großer Kraft gegen das Mauerwerk. Dort werden sie explodieren und Löcher in die Wälle reißen – dann braucht Ihr nur noch anzugreifen.«

»Schwarzpulver?« Balduin kratzte sich verwundert den blonden Bart.

»Donnerkraut«, kam Gero Tanner zu Hilfe. »Ein Gemisch aus gemahlener Kohle, Schwefel und Salpeter. Ich habe gehört, bei den Sarazenen ist dieses Wundermittel schon länger gebräuchlich.«

Balduin war hellhörig geworden. »Wisst Ihr, wie man es genau mischen muss, damit es möglichst stark in der Wirkung ist?«

Tanner nickte, und Gero ahnte, dass der Soldat aus der Zukunft noch viel gefährlichere Waffen herstellen konnte, falls er genügend Zeit dafür gehabt hätte.

»Warum«, befand Tramelay schnaubend, »müssen wir dann noch Eisenkugeln bemühen? Nehmt einen Belagerungsturm und schiebt ihn direkt an die Stadtmauer. Füllt ihn bis zum Rand mit Fässern, in denen sich das besagte Donnerkraut befindet, und bringt es zur Explosion. Sobald wir eine Bresche in die Mauer geschlagen haben, werden wir mit unserem Templercorps in die Stadt eindringen und den Weg zur Eroberung für die übrigen Truppen bereiten.«

|601|Einen Moment lang herrschte gespenstisches Schweigen. Tanner warf Gero einen bedeutungsschwangeren Blick zu.

»Und wer soll die Truppen anführen?« Balduins Frage hatte einen rein rhetorischen Charakter.

»Der Großmeister«, erwiderte Tramelay beinahe beleidigt. »Wer sonst?«

Mit einem Nicken widmete er sich Gero, der stumm aufatmete, dass Tramelay die Sache tatsächlich selbst in die Hand nahm. Alles fügte sich bestens. Tramelay und seine Leute würden sich in die bereits bekannte Katastrophe stürzen, und Gero und seinen Brüdern blieb genug Zeit, sich – auf welche Weise auch immer – während des Kampfes Einlass in die Festung zu verschaffen.

»Und Ihr«, bestimmte Tramelay unerwartet, wobei er seinen Blick immer noch fest und unbeirrt auf Gero richtete, »werdet de la Trenta ersetzen, indem Ihr mit Euren Leuten bei dem Angriff als Kommandeur Eurer Rotte in vorderster Linie reitet.«

Gero spürte den Rammbock, den Tramelay ihm mit dieser Äußerung in den Magen gefahren hatte, nur allzu heftig, doch er ließ sich nichts anmerken.

»Zu Befehl, Beau Seigneur«, stieß er schneidig hervor.

Für einen Moment fing er das entsetzte Funkeln in Johans Augen auf.

Diese Entscheidung konnte ihr Todesurteil bedeuten. Somit würden sie keine Möglichkeit haben, hinter Tramelays Vorhut zurückzubleiben.

Tanner begriff anscheinend nicht, was Tramelays Befehl bedeutete. Ansonsten hätte er panischer dreinschauen müssen. Er war ja noch nicht mal in der Lage, eine Lanze gerade zu halten, geschweige denn Mann gegen Mann vom Pferd aus mit einem Schwert zu kämpfen. Tramelay beabsichtigte, sie während des Angriffs unter seiner Kontrolle zu halten. Wenn man bedachte, dass er noch vor Balduin und irgendjemand sonst an den Kelch gelangen wollte, kein Wunder.

 

Khaled führte seine Truppe bis kurz vor Nàlia, einen kleinen Ort vor Askalon, der noch nicht von den Vorposten der Kreuzritter besetzt war, vielleicht weil die Bewohner zu arm und zu unbedeutend waren, als dass man deren Loyalität gegenüber den Fatimiden für gefährlich hielt. Im Schutz eines Pinienwaldes, der im Licht des Mondes und von |602|Myriaden von Sternen gespenstische Schatten warf, warteten sie den Einbruch der Nacht ab.

Dabei fürchtete Khaled weniger die Fatimiden als irgendwelche Räuberbanden, die sich hier in der Gegend herumtrieben und das aufsammelten, was die beiden kriegerischen Parteien übrig gelassen hatten.

Deshalb hatten sie kein Feuer gemacht, als sie ihr provisorisches Lager aufgeschlagen hatten, sondern saßen im Halbdunkel und nahmen eine letzte Mahlzeit ein, bevor sie sich in die Höhle des Löwen wagen wollten.

Khaled nutzte die Zeit, um seinen Begleitern noch einmal zu erklären, dass sie über einen geheimen Zugang versuchen mussten, in die Festung zu gelangen. Aus seiner Zeit im Kerker wusste er, dass Schmuggler und Sklavenhändler dieses Schlupfloch von der Landseite her nutzten, um Menschen und Material unerkannt von den Christen in die Festung hineinzubringen.

»Was machen wir, wenn uns die Wachen von Askalon abweisen?«, fragte Struan, der eine Dattel nach der anderen aß, um seine Ungeduld zu bekämpfen.

»Ich habe mir eine Strategie überlegt«, antwortete Khaled und nahm noch einen Schluck Wein, den sie in Schläuchen auf den Kamelen transportierten. Normalerweise verabscheute er die Wirkung von Alkohol, doch nun half sie ihm, seine Nervosität zu überwinden.

»Al-Russak wartet seit Monaten vergeblich auf die Unterstützung Nur ad-Dins«, führte er mit dunkler Stimme aus.

»Nur ad-Din?« Arnaud, der dicht neben Rona saß und einen Arm um ihre Taille gelegt hatte, schaute überrascht auf. »Meinst du den Nur ad-Din, der Vorgänger von Saladin war?«

Khaled schnaubte verdrossen. »Nimm’s mir nicht übel, Arnaud, aber manchmal habe ich meine Schwierigkeiten damit, dass ihr über Dinge sprecht, die für euch längst Vergangenheit sind, hier aber noch gar nicht geschehen sind.«

»Tut mir leid«, sagte Arnaud, »Ich vergesse gelegentlich, dass du einhundertfünfzig Jahre vor mir geboren wurdest.«

»Also«, fuhr Khaled fort. »Unser Nur ad-Din ist zurzeit der rechtmäßige Herrscher über große Teile von Syrien und als Sohn einer einflussreichen türkischen Seldschuken-Dynastie der stärkste Gegner der |603|Christenheit. Bisher wartet Askalon leider vergebens auf seine Unterstützung, weil Ägypten aufgrund unterschiedlicher politischer Auffassungen von Syrien isoliert ist. Deshalb habe ich mir gedacht, dass wir Lyn und Rona als diplomatische Geste ankündigen; ein besonderes Geschenk von Nur ad-Din sozusagen, als Beginn einer neuen Allianz gegen die Christen.« Er lächelte. »Immerhin waren die beiden dem Emir von Damaskus eine Million Goldbezant wert.« Er gab Lyn, die sich ganz dicht an ihn geschmiegt hatte und aufmerksam zuhörte, einen Kuss, als ob er sich für seinen Plan bei ihr entschuldigen wollte.

»Das ist gefährlich«, entgegnete Arnaud. »Es ist hohe Politik, und falls herauskommt, dass es nicht stimmt, wird die Rache umso hässlicher ausfallen.«

»Es ist sehr wirkungsvoll«, widersprach ihm Khaled. »Und wir werden nicht lange genug bleiben, als dass es Konsequenzen für uns haben könnte.«

 

Khaled atmete auf, als sie sich um Mitternacht endlich in Marsch setzten, um wie Schmuggler und Waffenhändler für ihr Vorhaben den Schutz der Dunkelheit zu nutzen.

Nach kurzer Zeit erreichten sie den Mesh-hed Sidna el Husein, einen Hügel vor Askalon, der direkt hinunter nach el-Jurah führte, einem verlassenen Dorf in der umkämpften Zone. Die Nacht war mild, und die leichte Seeluft strich wie ein Seidenschleier über die Haut. Pferde und Kamele standen in einträchtiger Ruhe nebeneinander, und ein jeder starrte auf das Lichtermeer von brennenden Fackeln, das sich rund um die Festung verteilte. Überall hatten die christlichen Söldner ihre Zelte aufgeschlagen, um die Belagerungstürme zu bewachen und um Stellung gegen die stoßweise aus der Festung hervorbrechenden, fatimidischen Truppen zu beziehen.

Auch auf der Festung herrschte offenbar kein Mangel an Holz, weil überall Feuerkörbe brannten.

»Noch könnt ihr es euch überlegen«, gab Khaled mit rauer Stimme den anderen zu verstehen.

Sein Blick fiel auf Lyn, die aufrecht in ihrem Kamelsattel saß und nicht den Eindruck erweckte, als ob sie Zweifel hatte, dort hineingehen zu wollen.

|604|»Da gibt es nichts zu überlegen«, sagte sie. »Wir vertrauen dir, auf dass du uns zum Erfolg führst.«

Khaled wollte nicht widersprechen. Er hatte mit Struan, Arnaud und den Frauen alles Notwendige beraten. Der Rest war pures Risiko.

»Jallah!«, rief er dumpf und gab seinem Hengst die Sporen. Die anderen folgten ihm. Er wusste, dass sie das letzte Drittel der Distanz galoppierend zurücklegen mussten, damit sie nicht von Kreuzrittern entdeckt und aufgebracht werden konnten. Auf einem Schleichweg zwischen den Felsen erreichten sie einen unscheinbaren Seiteneingang, der ins Innere der Festung führte.

Als Khaled mit den Knauf des Schwertes sechs Mal in einem bestimmten Rhythmus gegen das kleine Portal donnerte, befürchtete er zuerst, dass niemand öffnen würde. Doch dann quietschte die Tür, und ein Lichtstrahl fiel durch den Spalt nach draußen.

»As-salāmu ’alaikum«, grüßte Khaled den Fackelträger, der ihm prüfend ins Gesicht schaute.

»Wa-l-hamdu lil-la – Lob sei Allah«, antwortete der andere, nachdem er Khaled augenscheinlich für einen vertrauenswürdigen Bruder befunden hatte.

»Wa-l- lahu’akbar – Allah ist größer«, entgegnete Khaled.

Zögernd wurde das Portal geöffnet, und ein zweiter, argwöhnisch dreinblickender Wachsoldat mit einer Lanze in der Rechten und einem Krummschwert in der Linken trat hervor.

Khaled erklärte, dass sie ein besonderes Geschenk für den Wesir bereithielten, und natürlich wollte der hässliche, vernarbte Kerl die beiden Sklavinnen unbedingt sehen, bevor er ihnen Einlass gewährte. Khaled zwang sich zur Ruhe, als er die Kamele niederknien ließ und mit einer Hand den Gesichtsschleier von Lyn ein wenig zu Seite hielt, so dass ihre Augen zu erkennen waren.

Der Mann leuchtete in ihr Gesicht und schrak zurück, als er das typische Glimmen darin entdeckte, das normalerweise nur bei einer Katze in der Dunkelheit zu sehen war.

»Sie sind wahrlich außergewöhnlich«, schmeichelte Khaled dem verunsicherten Wachmann. »Ich denke nicht, dass Malik al-Russak es schätzen wird, wenn Ihr ihm die beiden Damen noch länger vorenthaltet.«

»Habt Ihr Papiere, die Eure Herkunft beweisen?«, murrte der andere, der das Zögern seines Kameraden bemerkt hatte.

|605|»Wo denkt Ihr hin!«, widersprach ihm Khaled. »Dies ist eine geheime Mission. Glaubst du, Nur ad-Din will, dass die Christen Verdacht schöpfen und sie wissen lassen, dass er den Fatimiden Geschenke macht? Hier gilt einzig das persönliche Wort. Aber an der Erlesenheit dieser beiden wunderbaren Stuten wird Euer Gebieter jeden Zweifel vergessen, dass dies ein unehrenhaftes Angebot der Ergebenheit Nur ad-Dins ihm gegenüber sein könnte.«

Selbst wenn deren Herrscher im Angesicht dieser Frauen jeden Zweifel vergaß, diese beiden hier waren anscheinend nicht so leicht zu überzeugen. Immer noch misstrauisch beäugten sie Struan und Arnaud, die beide eine möglichst neutrale Miene aufsetzten.

»Gut«, befand der ältere der beiden Wachen. Mit einem raschen Blick nach draußen, ob ihnen auch niemand gefolgt war, öffnete er das Portal.

Ein weiterer Wachhabender mit Pluderhose und Lederwams führte sie durch eine schmale Gasse zwischen schwindelerregend hohen Häusern zu einem riesigen Freiplatz, auf dem – obwohl es schon nach Mitternacht war – immer noch das Leben brodelte. Musiker spielten auf, und halbnackte Bauchtänzerinnen sorgten für die nötige Stimmung unter den Kriegern, die mit glasigen Augen auf die sich windenden Leiber starrten. Die meisten von ihnen waren berauscht. Anstatt Wein wurde vergorene Kamelmilch ausgeschenkt. Nicht gerade das, was Khaled bevorzugte, für den Fall, dass er sich einen antrinken wollte. Manche Männer kauten mit vollen Wangen Qat, um ihre Laune noch weiter zu heben, wobei Khaled sich fragte, ob es auf der Festung eine eigene Plantage gab, weil die optimale Wirkung nur bei frisch geernteten Blättern einsetzte.

Der Wachhabende zog sie durch die Menge hin zu einem Mietstall, der zehn Silberdirham forderte, wenn sie dort ihre Tiere unterstellen wollten.

Khaled bezahlte, ohne zu murren, und Arnaud tat wenigstens so, als müsse er den beiden Frauen aus den breiten Kamelsätteln helfen.

Die Augen des Wachhabenden huschten an ihren schlanken Körpern entlang, und ein Grinsen lockerte seine ansonsten strengen Lippen.

Rona und Lyn machten ihm nicht die Freude, den Schleier noch einmal zu lüften, und bedeckten züchtig ihre Gesichter.

»Ich kann die beiden zum Harem bringen«, sagte der Wachhabende. |606|Seine stolzgeschwellte Haltung ließ darauf schließen, dass ihm dies eine Ehre sein würde.

»Nicht nötig«, erwiderte Arnaud. »Wir möchten sie selbst zum Wesir führen, schließlich sind sie ein Geschenk unseres Herrschers, und wir möchten ihm seine Grüße überbringen.«

»Wie Ihr wünscht«, erwiderte der Soldat und nickte enttäuscht.

Wieder ging es zurück. Quer über den Hof. Khaled warf einen Blick zum Osttor, dorthin, wo die Christen schon morgen einfallen würden, wenn alles nach Plan lief. Rechts davon war der Abgang zum Hafen zu sehen, der in Khaled unschöne Erinnerungen weckte. Dort war er vor fünf Jahren zusammen mit Mahmud aus Damaskus eingeschifft worden. Danach hatte eine Zeit des Leidens begonnen, die ihn jeden Tag, den er in diesem Hades verbracht hatte, ein kleines Stück mehr hatte sterben lassen. Im Gemenge hatte Lyn seine Hand ergriffen, und er drückte sie sanft. Er war tatsächlich zurückgekommen und hatte das Wichtigste in diese Hölle mitgebracht, was es je in seinem Leben gegeben hatte. Vielleicht war er im Kerker doch wahnsinnig geworden und hatte es nicht einmal bemerkt.

Der Wachhabende brachte ihn und die anderen zur Kommandantur, weil er zunächst seinen Vorgesetzten fragen wollte, ob er Khaled und seinen Herrn, wie er Arnaud vorgestellt hatte, ohne weiteres in den Palast einlassen durfte. Das von Fackeln illuminierte Gebäude lag von der prunkvollen Behausung des Wesirs einen Steinwurf entfernt. Der Zugang führte durch ein vergittertes, hohes Spitzbogentor, das so schmal war, dass nur einzeln eintretende Personen hindurchpassten.

Khaled verdrängte seine Unruhe, als sie die langen Gänge zum Zimmer des Kommandeurs entlangliefen. Struan war der Einzige, der ihm ein wenig Sicherheit vermittelte. Mit seinen fast sieben Fuß und dem Blick eines Schlächters hatte er sogar den Wachmann beeindruckt. Blieb zu hoffen, dass er die Nerven behielt, wenn es ihnen tatsächlich gelang, zum Wesir vorzudringen. Mit Arnaud hatte er die wahnwitzige Idee geschmiedet, dass sie versuchen wollten, den Mann als Geisel zu nehmen, um ihn zur Herausgabe des Kelches zu zwingen. In der Zwischenzeit sollten Rona und Lyn nach den Frauen suchen und mit ihnen zum geheimen Tor fliehen. Von dort aus wollten sie mit dem Kelch in Richtung Gaza reiten, um Gero davon abzuhalten, dass er sich zusammen mit Tramelay und seinen Leuten ins Verderben stürzte.

|607|Als Khaled eine Stimme hörte, die aus dem Kommandeurszimmer erscholl, glaubte er, zu Eis zu erstarren, obwohl ihm Schweißtropfen von der Stirn in die Ränder seines schwarzen Turbans sickerten. Kein Zweifel, die Stimme gehörte Abu Aziz Maula, dem Mann, der den Tod seiner Kameraden verschuldet hatte, und auch sein eigenes Leid war viel zu eng mit diesem Dämon verknüpft, als dass er ihn je hätte vergessen können. Dabei hatte er gehofft, der Mann sei längst tot. Im Kerker hatte man gemunkelt, er hätte als Sympathisant des getöteten Kalifen al-Hafiz das gleiche grausame Schicksal erlitten wie sein Gebieter. Lange konnte er noch nicht in den Diensten al-Russaks stehen, sonst wäre er im Kerker aufgetaucht, als Khaled dort noch einsaß, und hätte ihn aufs Neue gequält. Warum man ihn nun auf die Festung zurückbeordert hatte, blieb Khaled ein Rätsel.

Instinktiv zog er das schwarze Tuch ins Gesicht und ließ Arnaud den Vortritt. »Da ist jemand, den ich nur allzu gut kenne«, zischte er dem provenzalischen Templer gerade noch rechtzeitig zu, bevor er eine gebeugte Haltung einnahm, die dem obersten Befehlshaber der Festungstruppe statt des strahlenden Helden einen alternden, buckligen Mann präsentierte. Kommandeur Abu Aziz Maula, wie er von den Wachhabenden mit salbungsvoller Stimme vorgestellt wurde, war ganz in Weiß gekleidet, mit einer goldenen Schärpe und einem roten Turban. Die Arme in die Hüften gestemmt, stand er im Türrahmen, breit und feist wie eh und je.

Struan ahnte, dass Khaled gute Gründe haben musste, wie eine Schabe in einem Loch zu verschwinden, deshalb stellte er sich demonstrativ vor ihn, um ihn zu schützen, als der Kommandeur mit gemessenen Schritten näher kam.

»Wir kommen im Auftrag Nur ad-Dins«, verkündete Arnaud selbstbewusst. »Und bringen ein Geschenk für den edlen, weisen und erhabenen Wesir von Askalon.« Er verbeugte sich so tief, dass er beinahe Abu Aziz Stiefelspitzen hätte küssen können, und erhob sich erst wieder, nachdem der Kommandeur mit den Fingern geschnippt hatte.

»Was habt ihr denn da Schönes?«, fragte Abu Aziz höchst interessiert.

Als dessen Hand den Schleier von Lyn entfernte, umfasste Khaled den Dolch, den er unter seinem Gewand trug. Er würde Abu Aziz töten, wenn nicht jetzt, so doch bald, dachte er grimmig.

|608|Abu Aziz stieß einen leisen Pfiff aus, als er Lyn ins Gesicht sah. »Bei Allah«, murmelte er. »Das ist wirklich etwas Besonderes.«

Arnaud verengte seine Lider, als der Kommandant sich über die Lippen leckte und den Schleier von Ronas Gesicht entfernte. Sie blickte ihm starr in die Augen, wie eine Schlange, die ihr Opfer fixiert. Arnaud ahnte, was in ihr vorging, und er wusste spätestens seit der Flucht aus Sankt Lazarus, über welche Kräfte sie verfügte. Mit einer einzigen raschen Bewegung hätte sie Abu Aziz das Genick brechen können, doch sie tat es nicht. Auch sie wusste, dass zu viel auf dem Spiel stand, um dem ersten Impuls zu folgen.

Abu Aziz’ Blick strich fasziniert über ihre makellose Haut, die großen glänzenden Augen und die leicht feuchten, blühenden Lippen.

»Exquisit«, hauchte er, und niemandem in seiner Nähe konnte entgehen, wie sich sein Atem beschleunigte. »Nur ad-Din muss es wirklich gut mit uns meinen«, entfuhr es ihm heiser.

Plötzlich stürmte ein weiterer Soldat um die Ecke. Man sah dem Kommandanten an, wie ungelegen er ihm kam.

Irritiert blieb der Mann vor seinem Kommandeur stehen und salutierte.

»Was willst du?«, herrschte Abu Aziz ihn an.

»Die Christen«, keuchte der Mann, ohne sich um die Fremden zu kümmern.

»Was ist mit den Christen?« Abu Aziz setzte eine unverständliche Miene auf.

»Sie schieben einen neuen Belagerungsturm heran.«

»Es ist mitten in der Nacht.« Abu Aziz schüttelte ungläubig den Kopf. »Die Christen sind müde Trottel, die sich streng an ihre Gebetszeiten halten. Um diese Zeit kriechen sie allenfalls aus ihren Betten, um die Mitternachtsmesse zu halten. Warum sollte sich daran etwas geändert haben?«

»Kommt mit zur Wehrmauer!«, stieß der Soldat panisch hervor. »Ihr müsst es Euch ansehen. Sie bewegen sich in völliger Dunkelheit, es müssen Hunderte sein.«

Abu Aziz wandte sich verärgert dem Wachhabenden zu. »Tarek, sieh zu, dass du die Frauen zu Adiba bringst, damit sie sich um ihr Wohlergehen kümmert.«

Dann fiel sein Augenmerk auf Arnaud und dessen merkwürdiges |609|Gefolge, bestehend aus einem Krüppel und einem Riesen. »Und was Euch betrifft, so amüsiert Euch ein bisschen, bevor ihr den Weg nach Hause antretet.

Spätestens morgen früh könnt Ihr Euch in meiner Wachstube ein Dankesschreiben für Euren Herrn abholen, falls der Wesir nicht mit Euch persönlich sprechen will.«

Mit einem »Ma’a salama – auf Wiedersehen« machte er sich davon, um seinem Untergebenen zur Festungsmauer zu folgen.

Khaled und Arnaud warfen sich einen wissenden Blick zu. Der Wachhabende wandte sich direkt an Arnaud: »Sagt Euren Sklavinnen, dass ich sie nun in den Harem bringen werde. Und sagt ihnen, dass sie sich nicht zu ängstigen brauchen, es wird alles zu ihrem Besten sein.«

»Ist schon in Ordnung«, brummte Arnaud. Sein Blick fiel auf Rona, deren Augen im Schein der Fackel wie Diamanten glitzerten. Sie nickte unmerklich. Der Plan musste also geändert werden. Wenn sie schon Malik al-Russak nicht zu Gesicht bekamen, mussten sie wenigstens nach den Frauen Ausschau halten. Struan war die Anspannung anzusehen. Seine schwarzen Augen huschten nervös durch die Gänge, als sie den Wachmann noch eine Weile begleiteten, bis sie das Hauptportal des Palastes erreichten.

Struan hätte sich wohl am liebsten in ein Haremsgewand gehüllt und wäre den beiden Frauen und ihrem Aufpasser gefolgt.

Arnaud hielt ihn am Arm fest, als Lyn und Rona über eine Marmortreppe hinauf zu einem hängenden Garten entschwanden.

»Spätestens morgen wirst du Amelie wieder in deinen Armen halten«, erklärte er. »Du hast doch gehört, dass Tramelay und seine Truppen bereits im Anmarsch sind.«

 

Lyn versuchte, ihre Sorge um Khaled zu verdrängen, als sie über eine künstliche Brücke hin zu einem regelrechten Paradies geführt wurden.

In goldenen Käfigen zwitscherten Nachtigallen, und überall wuchsen Blumen an Sträuchern und Ranken, die sich über Brunneneinfassungen aus Marmor schlängelten.

Ein paar junge Knaben kamen herbeigeeilt, als ihr Begleiter eine unverständliche Losung rief. »Holt eure Herrin!«, befahl er barsch, und mit einem Nicken bedeutete er Rona und Lyn, dass sie auf einem der |610|roten Polster Platz nehmen sollten, die neben einem wasserspeienden Marmorbrunnen zur Rast einluden.

Die Frau, die kurz darauf in einem langen, gelben Gewand erschien, nannte sich Adiba und sah trotz ihrer prunkvollen Aufmachung verschlafen aus. Stumm nahm sie von den beiden Neuankömmlingen Notiz. Dabei schien es ihr gleichgültig zu sein, dass die beiden sie um mindestens einen Kopf überragten.

»Ich zeige Euch Eure Gemächer«, sagte sie kurzangebunden. »Morgen werde ich Euch in die hiesigen Örtlichkeiten einweisen. Wollt Ihr noch ein Bad nehmen, bevor Ihr zu Bett geht?« Sie rannte stur geradeaus, und es schien sie nicht zu interessieren, ob Rona und Lyn auf ihre Erläuterungen etwas erwiderten.

Als sie nach rund einhundert Schritten einen weiteren Aufgang erreichten, bog sie nach links durch ein Tor, vor dem zwei weitere Wachleute standen, die keinerlei Notiz von ihnen nahmen. Lyn speicherte den gesamten Weg in ihrem zusätzlichen Erinnerungschip, den Lion ihr kurz vor dem Abflug noch implantiert hatte, so konnten wenigstens keine brauchbaren Daten verschwinden. Auf diesem Chip hatte sie auch die Gesichter der Gesuchten gespeichert, die Arnaud und Struan ihr eindrücklich beschrieben hatten.

Blond, kastanienfarben und rothaarig mussten sie sein. Allesamt wahre Schönheiten wie sie selbst, hatte Arnaud ihnen mit einem Augenzwinkern erklärt.

»Ihr werdet in einem gemeinsamen Schlafgemach mit den anderen Frauen untergebracht«, flüsterte Adiba, nachdem sie ihnen erfolglos Brot und Wein zur Stärkung angeboten hatte. »Dann wird Euch wenigstens nicht langweilig sein.« Erst als sie ein weitläufiges Areal betraten, geprägt von dicken, bunt gewebten Teppichen, die überall die Marmorböden bedeckten, und purpurfarbenen Vorhängen an den hohen Fenstern, hatte Lyn eine Vorstellung davon, was ihre Begleiterin mit gemeinsamem Schlafgemach meinte. Etwa fünfzig Frauen schliefen zu mehreren zusammen in ausladenden Betten. Adiba wies den beiden Neuankömmlingen ein Lager am Ende des Raumes zu, mit dem Hinweis, dass noch nicht entschieden sei, was weiter mit ihnen geschehen werde.

»Morgen wird es leerer werden. Die meisten Frauen, die Ihr hier seht, werden nach Kairo verschifft. Über Euer Schicksal entscheidet |611|der Wesir«, gab sie gähnend zu verstehen. »Und der hat im Moment andere Sorgen.«

Als sie ging, nahm sie die Öllampe mit sich und schloss leise die Tür. Lyn und Rona schalteten auf Nachsichtmodus und machten sich auf die Suche.

Bett für Bett scannten die beiden die Gesichter der Schlafenden ab, bis sie endlich fündig wurden. Es musste Amelie sein, die Frau des imposanten Schotten. Niemand hatte so lange, so hellblonde Locken wie dieses Mädchen. Daneben erkannten sie Hannah, die im schwachen Mondlicht, das durch die Dachfenster hereinfiel, aussah, als ob sie einer dieser gemalten Heiligenscheine zierte. Sie hatte gleichmäßige Züge und halblanges, kastanienfarbenes Haar. Arnaud hatte sie als nicht ganz so zierlich wie Amelie beschrieben. Sie war tatsächlich größer als die anderen Frauen.

Rona beschloss, sie als Erste zu wecken. »Sie wird am ehesten begreifen, worum es uns geht«, flüsterte sie ihrer Schwester kaum hörbar zu. Dann kniete sie sich in einer katzenhaften Bewegung zu Boden und legte der jungen Frau eine Hand auf die Stirn. Hannah riss voller Panik die Augen auf und wollte sie im Reflex von sich stoßen. Rona hielt ihr den Mund zu und presste sie mit der anderen Hand derart stark in ihr Kissen, dass sie sich nur minimal bewegen konnte.

»Pssst«, flüsterte sie Hannah ins Ohr. »Ich soll dich von Gero grüßen, er erwartet, dass wir dich und die anderen lebend aus der Festung herausbringen.« Sie hatte fließend Hochdeutsch gesprochen.

Ein Moment grenzenloser Verblüffung zeichnete sich in den großen, hellgrünen Augen ihres Gegenübers ab. Sofort gab Hannah jede Gegenwehr auf. Rona wartete noch einen Augenblick, bis sie es wagte, ihre Hand zurückzuziehen, um ihr zu erklären, wer sie waren und warum sie nicht anders vorgehen konnten.

Am Lager der blonden Nachbarin hatte Lyn ihr Glück versucht, und auch ihr war es gelungen, das Mädchen allein durch die Erwähnung des Namens Struan zum Schweigen zu bringen.

»Wer seid ihr?«, flüsterte Amelie verstört.

»Die beiden Frauen aus der Zukunft«, gab Lyn zur Antwort. »Ich bin Lyn, und das ist meine Schwester Rona. Von uns habt ihr den Timeserver.«

»Wo sind Gero und die anderen Männer?«, fragte Hannah, die nur |612|langsam zu begreifen schien, was hier vor sich ging, und sich leise erhoben hatte. Wie Amelie trug auch sie einen hochgeschlossenen Seidenkaftan, der bis fast zu den Knien ging, und darunter eine weite Hose.»Arnaud und Struan sind hier auf der Festung, die anderen lagern in Gaza, wo sie darauf warten, dass wir zusammen mit euch von hier fliehen können.«

»Und was ist mit Anselm und dem Jungen?«, fragte Hannah atemlos.

»Keine Sorge«, entgegnete Rona. »Den beiden geht es gut. Nachdem ihnen die Flucht aus dem Kerker gelang, sind sie zum Tempelberg geflohen. Anselm haben die Templer zusammen mit Gero und den anderen nach Gaza abkommandiert … und Matthäus befindet sich in der Obhut von André de Montbard in Jerusalem.«

»Bei wem?« Hannah schien noch Zeit zu benötigen, um diese Neuigkeiten zu verarbeiten.

»Dem zukünftigen Templergroßmeister. Er gibt darauf acht, dass dem Jungen nichts geschieht.«

»Wir müssen hier weg«, sagte Rona. »Lyn und ich werden euch den Weg weisen. Schon morgen werden die Christen die Stadt angreifen.«

Hannah schaute auf das leere Bett neben ihr. Dann sah sie zu Rona auf. »Was ist mit Johan?«

»Ist das einer von den Templern, die sich in Geros Begleitung befunden haben?«

Hannah nickte nervös.

»Dann ist er wie Gero nach Gaza geritten. Es gibt also keinen Anlass zur Sorge.«

»O doch, seine Frau ist nicht hier.« Hannahs Blick fiel abermals auf das leere Bett. »Wir müssen auf Freya warten. Wir können nicht einfach verschwinden und sie ihrem Schicksal überlassen.«

»Wann wird sie zurück sein?«, fragte Rona.

»Ich weiß es nicht«, gestand Hannah. »Sie ist beim Wesir, er will immer, dass sie bis zum Morgen bleibt.«

»Sie schläft mit ihm?« Rona zog überrascht eine Braue hoch, als Hannah nickte.

»Aber kein Wort zu Johan, wenn er uns irgendwann über den Weg laufen sollte.«

»Tut sie das freiwillig?«

»Natürlich nicht«, erwiderte Hannah mit Nachdruck in der Stimme. |613|»Er hat sie zu seiner Geliebten erkoren. Freya wollte ihn davon überzeugen, dass er uns nicht nach Kairo verschifft.«

Rona besprach sich kurz mit ihrer Schwester, und beide waren sich einig, dass sie trotz allem keine Zeit verlieren durften und sie sich im Zweifel auf die Suche nach der dritten Frau begaben.

»Ich kann es kaum fassen«, flüsterte Hannah. »Manchmal habe ich befürchtet, dass ihr gar nicht existiert.«

Rona ließ sich von ihrer Verwunderung nicht beirren. »Kannst du uns sagen, wo deine Freundin und der Wesir zu finden sind?«

»Im ersten Stock des Gebäudes«, erwiderte Hannah. »Aber dort können wir nicht hingehen. Die Treppenaufgänge, die Gemächer, alles wird von Eunuchen und Soldaten bewacht.«

»Lass das unsere Sorge sein.« Rona warf einen Blick auf die übrigen Mädchen, die anscheinend den Schlaf des Gerechten schliefen. »Zieht euch was an, und dann folgt uns.«

Auf Zehenspitzen schlichen sie aus dem Schlafsaal hinaus. Hannah und Amelie hatten sich ihre Haremskleidung übergeworfen, und Rona und Lyn trugen immer noch ihre Gesichtsschleier.

Hannah stellte sich zweifelnd die Frage, wie ihre beiden Retterinnen es schaffen sollten, die Wachen zu überlisten. Schönheit und Anmut halfen da wenig. Im Harem setzte man ausschließlich auf Eunuchen, deren Interesse an Frauen man auf grausame Weise Einhalt geboten hatte. Die Wachmannschaften, die den Harem schützten, besaßen zwar noch ihre Männlichkeit, wurden aber von der Furcht in Schach gehalten, im wahrsten Sinne des Wortes ihren Kopf zu verlieren, wenn sie auch nur einen Blick auf al-Russaks Frauen warfen.

Doch es war kein Mann, sondern Adiba, die von Rona als Erste in einer beängstigenden Geschwindigkeit überwältigt wurde, als sie unvermittelt vor ihnen stand. Bevor die Wächterin Alarm schlagen konnte, lag sie auf dem Bauch, einen Seidenknebel im Mund und Hände und Füße mit einem Schal fest verzurrt. Rücklings landete sie unsanft in einem Gesinderaum, zwischen Putzeimern, Leinenfeudeln und gestapelten Handtüchern. Rona verriegelte die Tür von außen und schob einen imposanten Tontopf mit einer Fächerpalme davor. Eilig zogen sie weiter, die breite Marmortreppe hinauf, wo aller Wahrscheinlichkeit nach weitere Wachen auf sie warteten.

Rona und Lyn nutzten die Überraschung der Männer, unvermittelt |614|mit einer Gruppe harmlose aussehender Haremsdamen konfrontiert zu werden.

Ehe sich die Männer versehen hatten, lagen sie bewusstlos und entwaffnet am Boden. Alles ging so rasch, dass Hannah und ihre Freundin es kaum nachvollziehen konnten. Mit gemeinsamen Kräften wurden die Männer, gefesselt und geknebelt, in einem kleinen Aufenthaltsraum abgelegt, der sich in unmittelbarer Nähe zu den Gemächern des Wesirs befand.

Lyn verspürte eine leichte Nervosität, als sie sich den Räumlichkeiten al-Russaks näherten, weil sie noch die emotionalen Schwingungen spürte, die kurz zuvor dieses Zimmer erfüllt hatten. Eine merkwürdige Mischung aus bedingungsloser Zuneigung und Hass.

Rona öffnete die Tür zunächst nur einen Spalt, und Lyn schaute vorsichtig hinein. Mit einem knappen Wink gab sie ihrer Schwester zu verstehen, dass sie gefahrlos nachrücken konnten. Lautlos stürmten sie das Schlafzimmer – und fanden lediglich zwei entgeisterte, dunkelhäutige Knaben in bunten Gewändern vor, von denen einer vor Schreck seinen Palmwedel fallen ließ. Lyn nutzte die Verblüffung der beiden Jungs und fragte nach dem Verbleib des Wesirs.

»Er wollte mit seiner Dame zur Schatzkammer gehen«, stammelte der Kleinere von beiden, »weil er ihr ein Geschenk machen wollte.«

Der andere hielt ihm sogleich den Mund zu. »Bist du verrückt?«, zischte er seinen Gefährten an. »Du weißt doch, dass man uns die Zunge herausschneidet, wenn wir einem Fremden verraten, was hier geschieht!«

»Wir verraten euch nicht«, beruhigte ihn Lyn. »Wenn ihr uns versprecht, ebenfalls den Mund zu halten, und vergesst, dass wir hier waren. Habe ich euer Wort?«

Der Ängstlichere von beiden nickte und ließ erleichtert die Schultern sinken.

Lyn dachte einen Moment nach. »Nur noch eins. Wie viele Schatzkammern gibt es denn hier?«

»Eine einzige, im Ostflügel der Festungsanlage, gleich neben dem Kerker«, erwiderte der verdatterte Junge. »Wenn ihr ihnen dorthin folgt, wird jeder wissen, dass wir geredet haben!« Seine Stimme überschlug sich fast

»Keine Sorge! Wir tun nichts, was euch verraten könnte. Und Allah |615|wird dir vergeben, er ist barmherzig«, beruhigte Lyn den Jungen. Dann entfernte sie sich zusammen mit Rona genauso lautlos, wie sie gekommen waren.

»Die beiden sind angeblich in der Schatzkammer«, flüsterte Rona den Frauen zu, die draußen voller Anspannung auf sie gewartet hatten.

»In der Schatzkammer?«, wiederholte Hannah mit ungläubiger Miene. »Und was tun sie da?«

»Wahrscheinlich will sich der Wesir für die Dienste eurer Freundin erkenntlich zeigen, so was ist in dieser Kultur und in dieser Zeit nicht unüblich«, erklärte Lyn.

»Dumm ist nur«, fügte Rona hinzu, »dass Arnaud, Struan und Khaled auch dort hinwollten und sie sich durchaus begegnet sein könnten.«

»Was hat Struan in der Schatzkammer verloren?«, rief Amelie mit einer leichten Verwirrung im Blick. »Ich denke, er ist hierhergekommen, um mich zu retten?«

»Das ist eine längere Geschichte«, beschwichtigte Rona die aufgebrachte Französin. »Nun sollten wir sehen, dass wir so schnell wie möglich von hier wegkommen. Könnt ihr klettern?«

»Nicht unbedingt«, entgegnete Hannah, die nicht schwindelfrei war. »Was habt ihr vor?«

»Wir müssen versuchen, über die Balkone außen am Palast und die darunterliegenden Dächer zum Ostflügel zu gelangen, damit wir rechtzeitig eurer Freundin habhaft werden, um dieses gemütliche Nest schnellstens gemeinsam verlassen zu können.«

 

Khaled hatte drei Dinge im Sinn, als er die beiden dunkelhaarigen Templer antrieb, ihm hinunter zum Osttor zu folgen: die Unversehrtheit von Lyn und ihrer Schwester, den Kelch und den Tod seines Widersachers.

Die Stadt hatte sich geleert, weil nun doch viele Menschen in hohen Häusern verschwunden waren, die sich bis hinauf zu fünf Etagen erstreckten. Zudem war auf den Stadtmauern ein Tumult ausgebrochen, der anscheinend durch die Aktivitäten der Christen ausgelöst worden war und nach einer Verstärkung durch weitere Soldaten verlangte.

»Scheint doch was vor dem Tor los zu sein«, bemerkte Arnaud, während sie einer Meute von Bewaffneten folgten.

|616|»Allah ist uns gnädig«, rief Khaled und meinte damit, dass die Kerkerwachen, die auch für die Schatzkammer zuständig waren, wenig Aussicht auf Verstärkung haben würden, solange deren Kameraden anderweitig beschäftigt waren.

Immer wieder spähte er in die Umgebung, um sicherzugehen, dass niemand ihre Absichten erahnte. Als sie den Zugang zu den unterirdischen Katakomben erreichten, in denen der Schatz von Askalon verborgen wurde, kam ihnen eine Truppe von debattierenden Männern entgegen. Khaled und seinen Begleitern gelang es gerade noch, im Schatten von ein paar Säulen zu verschwinden. Augenscheinlich handelte es sich um Malik al-Russak, den Khaled nicht nur an seiner noblen Kleidung erkannte. Gefolgt von mindestens zehn Soldaten, die erpicht darauf schienen, ihn einerseits mit den neusten Informationen zur Lage vor den Festungsmauern zu versorgen, andererseits um seinen Schutz bemüht waren, rannte er nach draußen.

Khaled konnte sein Glück kaum fassen, als er seinen beiden Begleitern das Zeichen gab, die engen, mit Fackeln beleuchteten Treppen nach unten zu laufen, wo sie auf keinerlei Widerstand stießen.

Erst ganz am Ende der Stufen, bevor sie in eine mit Marmor verkleidete Vorhalle gerieten, zog er sich jäh zurück, weil dort plötzlich zwei Menschen standen: ein bewaffneter Mann und eine wunderschöne, halb verschleierte Frau in einem hochgeschlossenen, grünlich schillernden Kaftan, die ihn ein wenig an Melisende in jungen Jahren erinnerte. Das offene, rote Haar unter einem durchscheinenden Perlentuch versteckt, stand sie abwartend dort, offenbar nicht wissend, was sie mit dem Mann an ihrer Seite anfangen sollte. Keiner von beiden ergriff das Wort. Arnaud und Struan, die Khaled beinahe umgerannt hätten, hielten den Atem an.

»Das ist Freya«, keuchte Arnaud leise.

»Bist du sicher?«, raunte Struan.

»Aber ja, ich erkenne sie trotz ihrer ungewohnten Aufmachung.«

»Ist sie eine von den gesuchten Frauen?«, fragte Khaled leise.

»Ja«, bestätigt Arnaud, »nur was tut sie hier und wo sind die anderen?«

»Das werden wir gleich herausfinden.« Khaled zog seinen Dolch und machte einen gewaltigen Sprung, wie ein Löwe, der sich auf seine Beute stürzt. Bevor Freya reagieren konnte, hatte er dem Fatimiden |617|neben ihr die Kehle durchschnitten. Arnaud war ihm gefolgt und hatte Freya geistesgegenwärtig gepackt und ihr Augen und Mund zugehalten.

Struan sicherte derweil den Aufgang nach oben, bis Khaled die Leiche des Mannes in einen dunklen Seitengang gezogen und dort abgelegt hatte.

Das Mädchen wehrte sich immer noch wie wild, hatte aber gegen Arnaud keine Chance.

»Freya, ich bin’s«, keuchte Arnaud der völlig aufgelösten Begine ins Ohr, als er spürte, wie sie sich in ihrer Panik ihm zu entwinden versuchte. »Du brauchst keine Angst zu haben. Wir sind gekommen, um dich und die anderen aus den Klauen dieser Heiden zu befreien.«

Als er bemerkte, wie ihre Angst der Verblüffung wich, ließ er sie frei.

»Und was tut ihr dann hier?« Freya schnellte herum.

»Was ist mit Amelie und Hannah?« Struan schaute Freya aufgebracht an. »Sind sie noch hier? Geht es ihnen gut?«

»Ja, es geht ihnen gut, sie schlafen oben im Harem.«

»Ich hoffe allein?«

»In Gottes Namen, Struan!« Sie schnaubte verärgert. »Typisch Kerl! Ja – nein, niemand hat sie berührt. Sag bloß, das ist deine einzige Sorge?«

Ihr Blick fiel wieder auf Arnaud.

»Wo ist Johan?«

»Nicht hier, aber es geht ihm gut, und er weiß, dass wir dich und die anderen hier rausholen wollen.«

»Und wie seid ihr hier hereingekommen?« Nun erst registrierte sie ihre Aufmachung. »Sagt bloß, als Sarazenen verkleidet? Das muss man euch lassen, ihr habt wirklich Mut! Aber was habt ihr in der Schatzkammer zu suchen? Ihr konntet doch gar nicht wissen, dass ich hier bin.«

»Das Gleiche könnte ich dich fragen?«

»Ich … äh …« Freya schien verlegen und zuckte mit den Schultern. »Ob du es glaubst oder nicht, der Kerl, dem das alles gehört, wollte mir was aus Gold und Edelsteinen schenken und …«

»Bei Allah und all seinen Propheten!«, fiel Khaled ihr ins Wort. »Was für eine Fügung!« Plötzlich strahlte er über das ganze Gesicht. »Du |618|musst verdammt gut sein, Mädchen. Und?«, fuhr er fort. »Hast du schon eine Morgengabe erwählt.«

Freya schaute Arnaud begriffsstutzig an. »Sag nur, der Kerl gehört zu euch? Ist er etwa ein Sarazene?«

»Um es genau zu sagen«, erwiderte Arnaud mit einem ironischen Grinsen. »Er ist sogar ein Assassine. Und jetzt sag, warst du schon in der Schatzkammer?«

»Nein«, entgegnete sie. »Der Wesir wurde plötzlich gerufen und meinte, ich solle mit dem Kerl, dem euer Assassine soeben den Garaus gemacht hat, abwarten, bis er zurückkehrt. Es könne nicht lange dauern.«

»Los, was stehen wir hier noch herum!«, rief Khaled und machte sich auf, tiefer in das Gewölbe vorzustoßen. Arnaud packte Freya am Arm und zog sie hinunter in einen weiteren Gang. Struan folgte ihnen, das gezogene Schwert in der Hand.

»Warum wollte er ausgerechnet dir etwas schenken?«

»Ich glaube, das möchtest du nicht wissen«, antwortete Freya und verdrehte die Augen. »Wo gehen wir hin?«

Von weitem war die eiserne Tür der Schatzkammer zu sehen und daneben ein bulliger Schlüsselmeister, der wohl mit so ziemlich allem gerechnet hatte, aber nicht mit drei fremden Kriegern und einer durchaus ansehnlichen Konkubine.

»Bleibt, wo ihr seid!«, forderte er die Ankömmlinge mit erhobenem Krummsäbel auf.

»Das hättest du wohl gerne!« Arnaud zog sein Schwert und stieß Freya zur Seite, damit sie aus der Kampfzone geriet. »Dem Mädchen wurden von deinem Gebieter Juwelen versprochen, und genau die möchte sie sich nun holen.«

Der Kampf war kurz und blutig. Gegen zwei bestens ausgebildete Templer und einen Krieger der Nizâri hatte der Mann keine Chance.

Khaled zog den Toten in eine Ecke und nahm ihm den Schlüssel vom Bund.

Dabei spürte er Freyas zweifelnden Blick auf sich.

»Was tut ihr hier eigentlich?«, fragte sie mit angewidertem Blick auf den Toten.

»Wir suchen einen Kelch, der sich hier unten befinden soll.«

»Einen Kelch?«

|619|»Ja – einen Kelch«, wiederholte Khaled und runzelte die Stirn, während er den schweren Schlüssel im Schloss umdrehte. Mit einiger Kraftanstrengung öffnete er das große Portal.

»Gib mir eine Fackel!«, forderte er Arnaud auf.

Der Templer nahm gleich drei brennende Fackeln von der Wand, und gemeinsam folgten sie Khaled in eine imposante Halle. Doch wenn sie geglaubt hatten, dass Gold und Edelsteine zum Greifen nah auf dem Boden herumlagen, so hatten sie sich gründlich getäuscht. Alles war fein säuberlich in Zedernholzkisten verpackt, und in den daraufgenagelten Pergamentlisten war der Inhalt einer jeden Kiste verzeichnet.

»Los, schaut nach, was darauf geschrieben steht!«, forderte Khaled sie auf.

»Ich kann kein Arabisch«, erwiderte Freya.

Khaled holte seinen Dolch hervor und schnitzte stellvertretend für »Kelch« das Wort für Becher ins weiche Holz –???. »Halte einfach nach diesem arabischen Schriftzeichen Ausschau.«

»Ach, du liebe Güte!«, stöhnte Freya. »Wie soll man sich das denn merken können?«

Ihr Blick strich über mindestens fünfzig Regale mit aufgestapelten Kisten, bis er an einem Regal mit kostbaren Tüchern und Kissen hängen blieb. Während die Männer hektisch damit begannen, Kisten aufzubrechen, und ausschließlich auf Münzen und Goldbarren stießen, schenkte die Begine ihre Aufmerksamkeit einem Behältnis, aus dessen Ritzen ein wenig Stroh hervorlugte.

Nachdem sie den Deckel gehoben hatte, entdeckte sie kostbares chinesisches Porzellan. »Wunderbar«, sagte sie leise. Wider Erwarten war sie beim Hausrat gelandet und ehrlich entzückt. »Kommt mal hierher!«, rief sie den Männern begeistert zu.

»Warum?«, Khaled schaute hoffnungsvoll auf. »Hast du den Kelch entdeckt?«

»Noch nicht«, sagte sie bedauernd, »aber ich habe da eine Idee.«

Die Vorstellung, dass der Kelch unter dem Geschirr und den Gläsern zu finden war, schien gar nicht so abwegig, zumal es hieß, der Wesir wisse nicht, welche Bedeutung er habe.

Kiste für Kiste wurde durchsucht, und bald standen überall Töpfe, Teller und kostbare syrische Gläser am Boden. Es sah aus wie in einem |620|orientalischen Hochzeitsbazar. Aber die Zeit drängte. Ewig würden al-Russak und seine Leute nicht auf den Festungsmauern gebunden sein.

»Ich glaub, ich habe da was.« Freya war auf eine Reihe von goldenen Kelchen gestoßen. »Aber welcher könnte es sein?«

»Lass mich mal sehen«, sagte Arnaud, der von Geros Beschreibungen ziemlich genau wusste, wonach er suchen musste. Auch Khaled hatte eine vage Ahnung, wie der Kelch aussehen konnte.

»Ich glaube, das könnte er sein«, sagte Arnaud. Wie gebannt hielt er den Blick auf einen mit Ornamenten verzierten Goldbecher gerichtet, wobei er plötzlich völlig abwesend wirkte.

»Hey, Arnaud, was ist mit dir?« Freya bemerkte als Erste, dass mit ihm etwas nicht stimmte.

Khaled riss ihm den Kelch aus der Hand, und Arnaud schüttelte sich wie ein nasser Hund, nachdem er aus einer regelrechten Trance erwacht war.

»Das Ding ist kein Spielzeug«, herrschte Khaled den provenzalischen Templer an.

Khaled warf einen kurzen Blick hinein und erkannte den Stein am Boden, dessen mächtige Kraft sogleich seinen Geist erfasste.

Dass sie das Objekt der Begierde endlich gefunden hatten, daran bestand nicht der geringste Zweifel.

Khaled ließ den Becher in der Seitentasche seines Gewandes verschwinden.

»Und jetzt?«, fragte Arnaud. »Sag nur, du willst den Kelch für dich behalten?« Seine Stimme klang aggressiv.

»Ich werde ihn hüten wie meinen Augapfel«, versprach Khaled, doch das reichte Arnaud offenbar nicht.

»Wenn du mit dem Ding verschwindest, bevor wir die Lade gefunden haben, bring ich dich eigenhändig um, das schwöre ich dir.«

»Könnten die Herren mir vielleicht sagen, um was es hier eigentlich geht?«

Freya hatte die Hände in die Hüften gestemmt und warf ihren Mitstreitern einen unfreundlichen Blick zu.

»Es geht um das Auffinden der Bundeslade«, erklärte Arnaud, ohne Khaled aus den Augen zu lassen.

»Die Bundeslade?«, krächzte Freya erstaunt. »Ja, wenn es sonst |621|nichts ist, vielleicht schauen wir uns noch mal rasch in der Möbelabteilung um und finden sie dort.« Sie schaute sich noch einmal theatralisch um, weil sie die Aussage der Männer offensichtlich nicht ernst nahm.

»Ob du es nun glaubst oder nicht«, bekräftigte Arnaud seine Behauptung. »Die Bundeslade – nichts Geringeres. Nur dass sie nicht hier ist. Der Kelch ist der Schlüssel zu ihrem Aufbewahrungsort.«

Freya schnappte nach Luft. »Warum hat mir das niemand gesagt?«

»Was hätte es geändert?«, erwiderte Khaled und machte sich auf den Weg nach draußen.

»Und was ist nun mit den anderen?«, rief ihm Freya hinterher.

»Das regeln wir noch«, sagte Arnaud. »Du musst uns vertrauen.«

Vor der Schatzkammer erwartete sie die nächste Überraschung. Malik al-Russak kam mit zwei Soldaten die Treppe hinabgelaufen. Man sah ihm nicht an, ob er beunruhigt war. Sein erwartungsfroher Blick traf auf Freya, die inmitten des Vorraums stand, wo er sie mit dem Wachmann zurückgelassen hatte.

In einem Versteck warteten Arnaud und seine Begleiter. Freya biss sich vor Angst auf die Lippen. Der Wesir bemerkte zu spät, dass etwas nicht stimmte. Im Nu waren er und seine zwei Begleiter umkreist. Blitzschnell zogen Khaled, Struan und Arnaud ihre Schwerter. Al-Russak stellte sich schützend vor Freya, weil er nicht annehmen konnte, dass es Franken waren, die sein Leben bedrohten.

Freya blieb ganz starr vor Verwirrung, während um sie herum die Säbel durch die Luft sirrten. Ohnmächtig musste sie zusehen, wie die Männer sich gegenseitig bis aufs Blut bekämpften. Struan hatte einen der Wächter mit einem gewaltigen Schlag ins Jenseits geschickt, während der andere mit Arnaud um sein Leben stritt. Al-Russak war ein exzellenter Kämpfer, und Khaled war weit davon entfernt, ihn einfach töten zu können. Doch er hatte Glück. Al-Russak rutschte auf dem Blut seines Getreuen aus und verlor dabei seinen Säbel. Die goldglänzende Waffe schlitterte Freya bis vor die Füße. Al-Russaks hilfloser Blick forderte sie auf, ihm den Säbel mit dem Fuß zurückzuschieben, doch das tat sie nicht. »Bitte«, formten die Lippen des Wesirs, und ihr blieb nichts weiter, als den Kopf zu schütteln.

Khaled war schneller und versetzte dem verblüfften Wesir einen tödlichen Streich. Dessen sterbender Blick war auf Freya gerichtet.

|622|»Verdammte Hure«, röchelte er, »sei verflucht!«

Noch in seinen gebrochenen Augen glaubte Freya die Anklage zu sehen.

»Was habe ich getan?«, flüsterte sie und hielt sich vor Entsetzen die Hand vor den Mund.

»Er war kein guter Mensch«, rechtfertigte Khaled seine Tat. »Vielleicht sollte ich dich in den Kerker führen, damit du weißt, wie er seine Feinde gequält hat.«

»Schnell!«, rief Arnaud, der seinen Gegner ebenfalls ins Jenseits geschickt hatte. »Wir müssen verschwinden.«

Gemeinsam hasteten sie die Treppen hinauf und erreichten den kleinen Vorraum, von wo es nach draußen auf den Festungsplatz ging. Plötzlich verdeckte ein Schatten das Licht, das von den Feuerkörben hereinleuchtete.

Khaled schaute nach oben, und ihm fiel ein, dass er vergessen hatte, das Blut vom Säbel zu wischen. Hastig versteckte er die Waffe unter seinem Kaftan und nahm eine gebückte Haltung ein. Keinen Moment zu früh.

Abu Aziz Maulā war seinem Befehlshaber gefolgt und schickte sich an, die Treppe hinunterzugehen. Abrupt blieb er stehen und musterte die seltsame Truppe.

»Euch kenne ich!«, rief er überrascht. »Habe ich euch nicht gesagt, ihr solltet euch ein wenig amüsieren? Hier seid ihr vollkommen falsch. Das ist gesperrtes Terrain.«

»Wir haben uns wohl verlaufen«, antwortete Arnaud und zog sich mit einer unterwürfigen Verbeugung zum Ausgang zurück. Die anderen folgten ihm, bis auf Khaled, dessen Herz raste und der seine Chance gekommen sah, endlich mit einem seiner ärgsten Feinde abzurechnen.

Sein Zögern blieb auch Abu Aziz nicht verborgen. »Hast du ein Problem?«

Khaled, der immer noch gebeugt vor ihm stand, das Gesicht halb verdeckt vom herabfallenden Ende seines Turbans, schüttelte den Kopf. »Nein«, krächzte er.

Als Abu Aziz sich mit einem knurrenden Laut von ihnen abwandte und die Treppe hinunterlief, war Khaled versucht, ihm zu folgen.

»Bleib hier!«, fuhr Arnaud ihn an. »Denk an den Kelch und an die Frauen!«

|623|»Ich muss ihn töten!« Khaled war hin und her gerissen. Wenn er Abu Aziz folgte, war es die beste Gelegenheit, ihn alleine zu stellen.

»Verdammt!«, fluchte Arnaud. »Was wird sein, wenn ihm noch andere Krieger folgen? Du wirst deine Rache schon noch bekommen, wenn wir die Lade gefunden haben!«

Khaled richtete sich schweren Herzens auf. Arnaud hatte recht. Wenn sie es nicht schafften, so rasch wie möglich die Festung zu verlassen, würde auch der Kelch nichts mehr nützen. Schweigend folgte er den Templern und dem Mädchen auf den Vorplatz.

 

Rona und Lyn trieben Hannah und Amelie über den Balkon des Wesirs nach draußen in die milde Nachtluft und nahmen dabei wenig Rücksicht darauf, ob die beiden schwindelfrei waren.

Hannah raffte ihr Übergewand, trat die Schuhe von den Füßen und steckte sie unter ihren Gürtel, als Rona sie aufforderte, ein Bein über die Brüstung zu schwingen. Gott sei Dank trug sie diese praktischen Pluderhosen. In einem langen Kleid wäre es weitaus schwieriger gewesen, über einen schmalen Steg zu einem weiteren Dachvorsprung zu balancieren. Unter ihr ging es mindestens zwanzig Meter in die Tiefe, und sie war froh, dass das Mondlicht nur die Dächer beleuchtete und nicht die Abgründe, die sich darunter auftaten. Amelie machte indessen eine erstaunlich gute Figur, als es darum ging, in schwindelnder Höhe über einen schmalen Kamm zu laufen, der die Verbindung zum nächsten Dach herstellte. Als Lyn nach einem Weg suchte, hielt Hannah inne. Draußen in der Wüste sah man Lichter, die im warmen Wüstenwind flackerten. Es waren Hunderte, und wenn man genau hinschaute, bewegten sie sich wie ein Lindwurm in Richtung Festung. Instinktiv dachte sie an Gero. Hoffentlich ließ er sich zu keinem Risiko hinreißen, nur um sie wiederzusehen. Sie machte sich jeden Tag Vorwürfe, dass sie nach ihrem Transfer nicht besonnener vorgegangen waren.

Rona schob sie zu einem weiteren Überstand. »Dort unten müssen wir hin«, sagte sie und zeigte über einen Vorplatz, auf dem einige Menschen an Lagerfeuern saßen, zu einer dunklen Gasse, die zwischen zwei hohen Häusern verschwand.

»Da! Das ist doch Struan!«, rief Amelie und zeigte nach unten, wo in gut fünfzig Meter Entfernung zwei Menschen im Schutz einer Mauer voranliefen. Sie führten drei Pferde mit sich.

|624|Amelie hatte den Templer trotz Turban erkannt, weil es in diesem Land wohl kaum einen anderen Mann gab, der so groß und so breitschultrig war wie der Schotte. Als er einen Moment in ein flackerndes Feuer blickte, konnte auch Hannah seine markanten Gesichtszüge erkennen. Auf einmal tauchte Arnaud hinter den beiden auf, er führte zwei Kamele am Zügel.

»Ja, zusammen mit Arnaud«, bestätigte Rona, die beide nun auch entdeckt hatte. »Aber wer ist die Frau neben ihnen?«

»Das muss Freya sein.« Hannah verengte für einen Moment ihre Lider, um die rothaarige Begine in der Dunkelheit besser erkennen zu können.

»Aber wo ist Khaled?« Lyn schaute besorgt.

»Hier!«, sagte eine dunkle Stimme, die Hannah zu Tode erschreckte.

Als sie sich umdrehte, sah sie einen hochgewachsenen, gut aussehenden jungen Mann, der einen hellen Kaftan und einen schwarzen Turban trug. »Ich habe euch im Harem gesucht und eure Spur bis hierher verfolgen können.«

Ohne Zögern nahm er Lyn in den Arm und küsste sie leidenschaftlich.

Hannahs Blick fiel auf das breite Schwert, das neben einem mörderisch aussehenden Dolch an seinem Gürtel steckte.

Als er sich von Lyn gelöst hatte, lächelte Khaled in die Runde. »Ich glaube, wir sollten uns beeilen, von hier fortzukommen.

Khaled half Hannah, eine Kuppel hinunterzurutschen, indem er sie am Ende auffing, weil es hinter ihm fünf Meter in die Tiefe ging, dabei sicherte er sie mit seinem ausgerollten Turban. In abenteuerlicher Weise arbeiteten sie sich Dach für Dach und Überstand für Überstand nach unten.

Inzwischen hatte auf der Festung jemand Alarm geschlagen. Hörner schallten von den Türmen, und die Umgebung unter ihnen schien regelrecht zu brodeln. Soldaten liefen mit gezogenen Waffen aus ihren Unterkünften. Die letzten drei Meter zum Boden hangelten sich Khaled und seine Begleiterinnen an einem Bleirohr in die Tiefe, das Regenwasser von den Dächern in eine Zisterne beförderte. Hannah wurde von Arnaud aufgefangen, der sie stürmisch begrüßte, indem er sie an sich drückte und ihr einen Kuss auf die Wange gab.

»Habt ihr den Kelch?«, fragte Rona, die hinter Hannah gelandet war, |625|in einem barschen Ton. Khaled bejahte die Frage mit einem triumphierenden Lächeln.

»Was für einen Kelch?« Hannah schaute Arnaud fragend an.

»Das erkläre ich dir später«, sagte er nur. »Im Moment haben wir andere Sorgen.«

Amelie flog Struan regelrecht in die Arme. Die Freude des Mädchens, ihren Liebsten wiederzusehen, war nahezu unbeschreiblich, und auch dem Schotten standen Tränen in den Augen, als er sie innig küsste. Aber die Zeit drängte.

Freya begrüßte ihre Freundinnen und die beiden Frauen, die ihr als die beiden Gesuchten aus der Zukunft vorgestellt wurden, mit einem erleichterten Lächeln. Doch bevor sie weitere Fragen stellen konnte, ertönte noch mal das Horn. »Bestimmt haben sie den toten Wesir schon entdeckt und suchen nach uns«, vermutete sie und schaute ängstlich zurück durch die enge Gasse, die zum Hauptplatz führte.

»Wieso?«, fragte Hannah. »Was ist denn geschehen?«

Während sie hinter den Männern und den Tieren zum Ausgang eilten, berichtete ihr Freya, was vorgefallen war. Fassungslos erfuhr Hannah von al-Russaks Tod und dem großen Geheimnis, das Gero zwar angedeutet, dessen Hintergründe er ihr aber stets verschwiegen hatte.

Hannah versuchte diese Informationen immer noch zu verdauen, als hinter einer Biegung plötzlich das geheime Tor auftauchte, durch das sie vor mehr als einer Woche auf die Festung gelangt waren.

»Ihr könnt hier nicht durch«, bestimmte der Ältere der beiden Wachleute, als sie gemeinsam das verborgene Schlupfloch erreichten. Misstrauisch hielt er die Fackel empor, um zu sehen, wer zu so später Stunde Ausgang begehrte. »Die Stadt ist auf Befehl unseres Festungskommandanten hermetisch abgeriegelt. Niemand kommt rein, und niemand kommt raus. Bis der Alarm aufgehoben wird. So einfach ist das.«

Während Khaled und Struan ihre Schwerter zogen, um die beiden Wachmänner vom Gegenteil zu überzeugen, waren Lyn und Rona bereits einen Schritt weiter. Blitzartig waren sie hervorgeschnellt und hatten den Männern mit der bloßen Hand gegen die Schläfen geschlagen, so dass sie zu Boden gingen und bewusstlos auf das Pflaster schlugen. Struan raunte ein Kompliment für diese beeindruckende Vorstellung und schob mit Leichtigkeit den schweren Balken aus der Verankerung, der ungebetene Gäste am Einlass hinderte.

|626|Vor den Stadtmauern stiegen sie auf Pferde und Kamele, um sich erst einmal in Sicherheit zu bringen.

»Wir werden uns in den Pinienwäldern verkriechen müssen, bis wir beraten haben, wie es weitergehen soll«, erklärte Khaled mit düsterer Miene. »Sobald der Verdacht auf uns fällt, wird Abu Aziz Fährtenleser entsenden, um den Tod al-Russaks zu rächen.«