10

»Ich frage mich, ob sie schon an der Mauer sind«, sagte Paula.

»Es ist noch zu früh«, erklärte Kyle. Er wünschte, er hätte die Mauer nicht erwähnt. Er wollte nicht daran denken.

Kaum war Darcys Gruppe losgegangen, da hatte er schon seine Entscheidung bedauert, sich nicht davongeschlichen zu haben und die Spitzhacke zu beseitigen, als er die Gelegenheit dazu hatte. Was hätte schon passieren können, wenn sie herausgefunden hätten, dass er derjenige war, der sie verschwinden ließ? Keine große Sache. Sie waren nicht verrückt, sie hätten ihn nicht gefoltert, um herauszubekommen, wo er sie deponiert hatte. Sie wären sauer gewesen, na und? Ohne die Spitzhacke hätten sie die Mauer nicht durchbrechen können.

Dafür ist es jetzt zu spät.

Aber nicht zu spät, um sie aufzuhalten.

Wenn Dad hier wäre, würde er sie aufhalten. Auf keinen Fall würde er sie dort einbrechen lassen.

Ich bin nur ein Kind.

Wenn ich versuche, sie aufzuhalten, und sie gehen trotzdem hinein, werden sie wissen, dass ich darin verwickelt bin.

Vergiss es einfach, sagte er sich. Stell dich dumm. Sie werden Dad die Schuld geben. Niemand wird glauben, dass ich etwas damit zu tun habe. Ich bin nur ein Kind.

Als Dad das Zimmer verlassen hatte, änderte sich Amys Verhalten. Sie hörte auf, an den Seilen zu zerren, mit denen sie an das Bettgestell gefesselt war. Der Schrecken in ihren Augen schien teilweise zu verblassen. Sie sah Kyle flehentlich an. Aus ihrem zugeklebten Mund kam kein verzweifeltes Stöhnen und Grunzen mehr; stattdessen stieß sie leise Geräusche aus, deren Tonhöhe am Ende anstieg, als wollte sie etwas fragen.

Kyle trat nackt ans Fußende des Betts.

Er sah, dass Amy seinen erigierten Penis anstarrte und dann den Blick zu seinen Augen hob. Sie schüttelte langsam den Kopf und brummte etwas. Er konnte keine Worte ausmachen, doch er wusste, dass sie versuchte, es ihm auszureden.

Es wäre interessant, dachte er, herauszufinden, was sie sagen wollte.

Interessant, sie betteln zu hören.

Er kroch auf das Bett. Ihre Beine waren weit gespreizt, und er hätte ihn in sie hineinstecken können – wenn er sich ein wenig herabgesenkt hätte, wäre er genau hineingeglitten. Doch dafür war später noch genug Zeit, für alles, und er wollte hören, was sie zu sagen hatte.

Kyle kletterte über ihre Schenkel und setzte sich. Er spürte, wie ihr Schamhügel gegen seinen Hintern drückte, fühlte ein feuchtes Haarbüschel auf seiner Haut. Ihr Oberkörper glänzte. Die Brüste hoben und senkten sich, während sie nach Atem rang.

Amy hob den Kopf, sah ihn an und brummte: »Mmmm. Mm? Mmmm?«

Kyle beugte sich vor. Die Spitze seines Penis drückte ihm über dem Nabel gegen den Bauch. Er griff nach Amys Brüsten, begriff, dass er wahrscheinlich die Kontrolle verlieren würde, wenn er sie anfassen würde, und legte die Hände auf die glitschige heiße Haut darüber.

In ihrem Schweiß könnte man malen wie mit Fingerfarben, dachte er.

Er sah ihr in die Augen. »Willst du was sagen?«

Ihr Kopf ruckte auf und ab.

»Ich mach das Klebeband von deinem Mund ab«, sagte er. »Aber wenn du schreist oder irgendwelche lauten Geräusche von dir gibst, wird es dir leidtun. Wirklich leidtun.«

Amy nickte erneut.

»Außerdem«, fügte er hinzu, »würde es dir nichts nützen. Das Zimmer ist schalldicht.« Er wusste nicht, ob das stimmte, doch es hätte ihn nicht gewundert. Dad hatte sich eine Menge Mühe damit gegeben, das Zimmer herzurichten. »Niemand außer mir wird dich hören, und ich werde dir sehr wehtun.«

Kyle schob den Fingernagel unter eine Ecke des Klebebands, zupfte es los, packte es mit Daumen und Zeigefinger und riss es von ihrem Gesicht. Sie zuckte zusammen. Für Kyle fühlte es sich gut an.

»Lass mich gehen, okay?«, flüsterte sie. »Du bist nur ein Kind. Du willst doch nicht …« Ihr Kinn begann zu zittern. Tränen glänzten in ihren Augen. »Der Mann hat mir sehr wehgetan. Er … er hat schlimme Dinge mit mir gemacht.«

»Er ist mein Vater.«

»Aber du bist nicht so wie er. Das kann ich sehen. Du bist ein guter Junge. Du willst doch nicht in so etwas hineingezogen werden. Binde mich los, ja? Binde mich los und hilf mir zu fliehen. Ich gebe dir alles, was du willst, und ich werde es niemals deinem Vater erzählen. Das verspreche ich. Okay?«

»Was wirst du mir geben?«

»Alles.«

»Ich will dich ficken.«

»Okay. Das ist okay. Das ist in Ordnung. Binde mich los, und ich besorge es dir richtig schön. Das wird toll, okay?«

Sie ist fantastisch, dachte Kyle. Sie besorgt es mir richtig schön. Sie würde mich nicht mit dem Arsch angucken, wenn ich sie nicht so hier hätte, wenn sie mir auf der Straße oder anderswo begegnen würde.

Im Restaurant war sie nett zu ihm gewesen.

Doch er konnte sich ihren spöttischen Blick vorstellen, wenn er es gewagt hätte, sie nach einem Date zu fragen.

Mach dich nicht lächerlich. Hau ab.

So waren sie alle – oder zumindest die Hübschen. In der Schule gab es reichlich davon. Anmutige, lachende Mädchen, die man niemals haben konnte. Sie sahen einfach durch einen hindurch. Betrachteten einen als eine Unterart, als niedrigere Lebensform, die man besser ignorierte. Nicht füttern, dann geht es vielleicht weg.

»Wenn ich dich laufen lasse«, fragte Kyle, »heiratest du mich dann?«

Das brachte Amy aus dem Konzept. Einen Augenblick wirkte sie verwirrt. »Klar. Natürlich. Ich bin verlobt, aber das löse ich auf. Du bist ein gut aussehender junger Mann. Ich … ich würde dich gern heiraten.«

»Darf ich dich küssen?«

Sie nickte.

Kyle legte die Hände auf die Matratze und beugte sich vor. Er spürte, wie ihre Nippel seine Brust berührten. Er küsste sie auf den Mund. Zuerst war er fest geschlossen. Dann, als hätte sie beschlossen, sich lieber Mühe zu geben, öffnete sie den Mund. Ihre Lippen rieben über seine. Sie saugte an seinem Mund und stöhnte, als verginge sie vor Leidenschaft.

Kyle schloss seine Zähne um ihre Unterlippe, biss hinein, richtete sich schnell auf und riss sie ab. Amys Augen traten hervor. Blut sprudelte über ihre Zähne. Kyle drückte rechtzeitig eine Hand auf ihren Mund, um den Schrei zu dämpfen.

Er spuckte die Lippe aus. Sie landete auf ihrem Gesicht, blieb unterhalb ihres linken Auges hängen und klebte dort wie eine dicke Nacktschnecke.

Während er mit der linken Hand ihren Mund zuhielt, schlug er mit der rechten gegen die Seite ihres Kopfs. Seine Faust traf ihre Wange, die Schläfe, das Auge, dann erneut die Wange. Als er die Hand von ihrem Mund nahm, versuchte sie nicht zu schreien. Sie hustete nur und verspritzte Blut.

Er packte den Kissenbezug und schüttelte ihn, sodass das Kissen herausfiel. Dann steckte er ein Ende des Stoffstücks in ihren Mund. Er stopfte weiter und weiter, bis ihr Mund voll war. Den Rest des Bezugs schlug er nach oben und bedeckte damit ihr Gesicht.

Sie hustete weiter, doch das Geräusch war leiser. Bei jedem Husten zuckte ihr Körper unter Kyle, und die Brüste hüpften und wackelten. Er rutschte nach unten und drückte das Gesicht zwischen ihre Brüste, roch ihr süßes Rosenparfüm und ihren Schweiß, spürte, wie die Brüste seine Wangen tätschelten, während sie sich wand und hustete.

Es war zu viel. Er war noch nicht einmal in ihr, und es war zu viel. Ein Knie war zwischen ihren Beinen, doch das andere war noch außerhalb, und er wollte in sie eindringen, aber ihre Brüste schlugen gegen sein Gesicht, klatschten ihm gegen die Wangen, und er packte und drückte sie, und Amy winselte in den Bezug, und er klammerte sich an ihren Oberschenkel und rieb sich daran, keuchend und pumpend.

Als er wieder zu Atem gekommen war, richtete sich Kyle auf Händen und Knien auf. Er sah auf die Uhr auf dem Nachttisch.

Er war erst seit einer Viertelstunde bei Amy.

Noch reichlich Zeit, dachte er.

Zeit für alles.

Aber sie verging so schrecklich schnell.

Schließlich hörte Kyle ein leises Pfeifen. Er blickte über die Schulter. Dad stand an der Wand. Offenbar war er auf demselben Weg hereingekommen wie zuvor, durch die Lücke, die der Spiegel hinterlassen hatte. Er schüttelte grinsend den Kopf. »Scheint tatsächlich in der Familie zu liegen.«

»Muss ich aufhören?«, fragte Kyle.

»Es kommen noch andere Nächte. Jetzt müssen wir sauber machen und uns um einige Dinge kümmern.«

Kyle kroch vom Bett. Er richtete sich auf und sah an sich herab. Der Großteil seiner Haut war mit Blut verschmiert.

»Du hast wirklich eine Nummer mit ihr abgezogen«, sagte Dad.

»Ja.« Die Bemerkung brachte ihn nicht in Verlegenheit. Er hatte das Gefühl, es sei von ihm erwartet worden, eine Nummer mit ihr abzuziehen, und er habe eine unausgesprochene Verpflichtung erfüllt.

»Ich würde dich ja fragen, ob es dir Spaß gemacht hat«, sagte Dad, »aber ich glaube, dazu bedarf es keiner Worte.«

»Wann kann ich es wieder tun?«

»Darüber reden wir später.« Er kam zum Bett und blickte auf Amys ausgestreckten Körper. »Warum hast du die Seile durchgeschnitten?«

Kyle zuckte die Achseln. »Sie war ohnmächtig.« Oder tot, dachte er. »Ich dachte, es könnte nicht schaden.«

»War sie schon bewusstlos, als du ihr das Klebeband vom Mund gezogen hast?«

»Hm, nein. Aber sie hat nicht geschrien oder …«

»Hatte sie etwas Interessantes zu sagen?«

Kyle grinste. »Sie hat gesagt, sie würde mich heiraten, wenn ich sie laufen lasse.«

Dad schnaubte. »Nicht schlecht. Erstaunlich, was sie sich alles einfallen lassen.«

»Spricht du manchmal mit ihnen?«

»Nicht besonders viel. Nach einer Weile klingen sie alle ziemlich ähnlich. Sie betteln und jammern. Sie bieten einem Geld und Sex – was widerlich ist, wenn man bedenkt, dass man ihn sowieso bekommt.« Er griff nach unten und drückte die Fingerspitzen auf ihr Handgelenk. »Sie hat noch Puls«, sagte er nach einem Moment.

»Wirklich?« Kyle war überrascht.

»Das ist in Ordnung. Es ist besser, sie nicht zu töten.« Er sah Kyle an und zog eine Braue hoch. »Du ähnelst sehr deinem Großvater. Er hat jedes Mal eine richtige Sauerei angerichtet. Ich stehe nicht so darauf, die Schlampen zu zerfleischen. Ich wende gerade genug Gewalt an, um sie zu unterwerfen, verstehst du?«

Kyle spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. »Entschuldigung. Ich …«

»Nein, schon in Ordnung. Wenn du es so magst, okay. Es ist eine Frage des persönlichen Geschmacks. Aber du musst aus eigener Tasche neue Laken und so bezahlen.«

»Okay.«

Dad nickte zum Bad. »Geh jetzt da rein und dusche, mein Junge. Beeil dich, aber wasch das ganze Blut ab. Achte drauf, dass du es auch unter den Nägeln entfernst.«

»Was machen wir mit ihr?«

»Wir pflegen sie gesund und geben ihr eine Busfahrkarte nach Omaha.«

»Was?«

»Du wirst schon sehen. Geh duschen.«

Kyle ging ins Bad. Auf einem Metallregal über dem Waschbecken lagen Amys Zahnbürste, eine kleine Tube Zahnpasta, ein Deoroller und eine Bürste mit durchsichtigem rosafarbenen Griff und einer Menge feinem Haar in den Borsten.

Was machen wir mit dem ganzen Zeug?, fragte er sich.

Was machen wir mit ihr?

Sie ist noch nicht einmal tot. Seltsam. Er war sich sicher gewesen, dass sie schon tot war, ehe er ihr den Kissenbezug aus dem Mund gezogen hatte.

Dad sagt, es ist in Ordnung. Dad weiß, was er tut. Er hat das alles schon erlebt, viele Male – so oft, dass es ihn langweilt, ihnen zuzuhören.

Kyle beugte sich vor und betrachtete sein Gesicht in dem Spiegel über dem Waschbecken. Er suchte nach einer Veränderung in seinen Augen. Sie schienen so ziemlich genauso wie vorher zu sein. Er wackelte mit den Augenbrauen. Die Stirnhaut fühlte sich wegen des teilweise getrockneten Bluts starr an. Er grinste. Sein ganzes Gesicht fühlte sich starr an. Eine einzelne kurze Haarlocke klebte in dem Blut neben seinem Mundwinkel. Er ließ sie dort und wandte sich vom Spiegel ab.

Ein Handtuch hing zum Trocknen auf einer Stange, doch ein sauberes lag noch ordentlich gefaltet in dem Drahtkorb. Der Badvorleger hing über dem Rand der Badewanne. Kyle breitete ihn auf dem Boden aus und trat darauf. Er fühlte sich feucht und kühl an.

Über dem Kaltwasserhahn hing ein Waschlappen. Eine kleine Plastikflasche mit Shampoo stand auf einer Ecke der Wanne. In der Seifenschale lag eines der winzigen Seifenstücke, die das Hotel zur Verfügung stellte.

Kyle nahm den Waschlappen.

Amy hatte ihn benutzt, hatte sich überall damit abgerieben.

Er drückte sich den dünnen feuchten Lappen ans Gesicht, atmete durch den Stoff, schnüffelte daran. Er roch schwach nach Seife, nach nichts sonst.

Doch Kyle wurde von Erinnerungen an das letzte Mal in Darcys Zimmer überflutet, daran, wie sich ihr Waschlappen angefühlt hatte, wie er gerochen hatte, welche Empfindung ihr kühles feuchtes Badetuch auf seiner nackten Haut ausgelöst hatte.

Er drehte das Wasser auf, wusch sich unter dem Hahn die Hände und drehte dann den Knopf, um die Dusche anzuschalten. Er stieg in die Wanne und zog den Vorhang zu.

Der starke heiße Strahl fühlte sich gut an. Das Blut löste sich von seiner Haut. Es floss an ihm herab, färbte das Wasser um seine Füße rosa und lief in den Abfluss.

Als er sich einseifte, stellte er sich vor, Darcy wäre in dem anderen Zimmer an das Bett gefesselt. Wenn es heute Nacht Darcy statt Amy gewesen wäre, wäre es noch unglaublicher gewesen. Auf eine gewisse Art war es Darcy gewesen. Sobald er Amys Gesicht mit dem Kissenbezug bedeckt hatte, war es ihm gelungen, nur noch das Bild der schlanken, schönen Führerin im Kopf zu haben. Dadurch war es besser geworden, doch er hatte die ganze Zeit gewusst, dass er sich etwas vormachte.

Wenn es heute Nacht Darcy gewesen wäre, dachte er, dann wäre es jetzt vorbei.

Ich will nicht nur eine Stunde mit ihr verbringen.

Tage, Wochen.

Das wird nie passieren, begriff er entmutigt. Aber eine Weile, vielleicht eine ganze Nacht … Das wäre möglich.

Ein lohnenswertes Ziel.

In den Seifenschaum gehüllt wie in einen weißen Anzug, schamponierte Kyle sein Haar. Er spülte sich ab, dann überprüfte er die Fingernägel. Sie sahen sauber aus.

Kyle stellte das Wasser ab, schob den Vorhang zur Seite und trat auf die Badematte. Er nahm das saubere weiße Handtuch aus dem Drahtkorb und trocknete sich ab. Als er fertig war, hielt er das Handtuch ausgebreitet vor sich und betrachtete es von beiden Seiten. Es war noch immer weiß.

Seine Kleider lagen in dem anderen Zimmer. Er wickelte sich das Handtuch um die Hüfte. Es war gerade groß genug. Nachdem er die Ecken ineinandergesteckt hatte, blieb die Seite eines Beins unbedeckt.

Wenn ich das Hotel einmal führe, bekommen die Gäste größere Handtücher, dachte er. Kein Wunder, dass wir so niedrig eingestuft werden.

Er verließ das Bad.

Das Bündel auf dem Bett sah aus wie ein Kokon. Amy war in die Laken eingerollt und mit Seilen verschnürt worden. Die weißen Laken waren blutgetränkt.

Dad stand am Fußende des Betts und schüttelte einen Plastikmüllsack auseinander.

»Was soll ich tun?«, fragte Kyle.

»Sieh einfach zu. Ich zeig dir alles. Nächstes Mal machst du alles, und ich beaufsichtige dich. Irgendwann wirst du es allein tun.«

Kyle trat zu seinem Kleiderhaufen. Als sich das Handtuch beim Gehen löste, hielt er es fest und fragte sich zugleich, warum ihn das überhaupt kümmerte; vorhin hatte er noch nackt vor seinem Vater gestanden. Doch jetzt schien es etwas anderes zu sein. Er befestigte das Handtuch wieder, und es hielt, bis er seine Unterhose angezogen hatte. Dann ließ er es fallen. Er sah seinem Vater zu und zog sich währenddessen weiter an.

Mit dem geöffneten Plastiksack kroch Dad auf das Bett. Er begann, ihn über Amys eingewickelte Füße zu stülpen. »Du hast nur verpasst«, sagte er, »wie ich die Laken um sie gebunden habe. Die Tagesdecke und das Oberbett habe ich schon überprüft. Sie sind sauber. Sie haben nicht auf dem Bett gelegen, als du sie bearbeitet hast.« Er hob das Bündel hoch, zog den Sack bis zu Amys Taille hinauf und holte sich einen zweiten Sack. Diesen stülpte er über Amys Kopf, zog ihn herab, sodass er den anderen überlappte, und begann dann, die Nahtstelle mit Klebeband zu umwickeln. Ehe er vom Bett stieg, klopfte er auf den Plastiküberzug der Matratze. »Der schützt die Matratze. Wir kommen später zurück, wischen ihn ab und machen eine Endreinigung.«

Er ging ins Bad. Kyle sah zu, wie er sich die Hände wusch und dann sämtliche Sachen von Amy einsammelte, auch das kleine Shampoofläschchen auf der Ecke der Badewanne. Er kam damit heraus und legte alles in ihren Koffer. »Eine Regel«, sagte er. »Außer Geld behalten wir nichts. Nichts, das uns mit ihr in Verbindung bringen könnte.«

Er schlenderte durch das Zimmer, sammelte all ihre Habseligkeiten ein und stopfte sie ebenfalls in den Koffer. Als er ihre Handtasche fand, kramte er die Brieftasche hervor und zog eine Handvoll Scheine heraus. Er steckte sie sich in die Tasche. Dann holte er ein Schlüsseletui aus der Handtasche.

»Sie ist mit dem Auto gekommen, also müssen wir uns auch darum kümmern. Morgen früh wird Ralph Dexter uns das als Erstes abnehmen. Er erledigt das seit Jahren, ohne Fragen zu stellen. Er hat eine Werkstatt, wo er die Autos umlackiert, die Nummernschilder austauscht und sich um alles Weitere kümmert, und er hat Kontakte, über die er die Wagen in einen anderen Bundesstaat verkauft. Wir hatten nie das Problem, dass eine der Kisten zu uns zurückverfolgt wurde.«

Kyle schüttelte verwundert den Kopf. »Da hast wirklich alles … arrangiert.«

»Ich habe eine Menge Übung«, sagte Dad. Er klappte den Koffer zu und schloss die Schnallen. »Es fing mit Ely an, und seitdem machen wir es ständig.«

»Und kommen damit durch«, sagte Kyle.

»Ein paarmal war es knapp. Dein Großvater wurde einmal verhaftet, aber sie haben die Anklage fallen gelassen. Keine Beweise. Das ist ein Teil der Kunst: lasse keine Beweise zurück! Aber das Wichtigste ist: errege keinen Verdacht!«

Dad machte einen letzten Kontrollgang durch das Zimmer, dann nahm er einen Aschenbecher, setzte sich auf die Bettkante und zündete sich eine Zigarette an. »Ich mache das jetzt seit zwanzig Jahren durchschnittlich einmal im Monat. Manchmal habe ich es auch schon vorher getan, aber seit dein Großvater den Schlaganfall hatte, habe ich das Ganze von ihm übernommen. Weißt du, wie viele Frauen das insgesamt sind?«

Kyle schüttelte den Kopf. Er war müde, aufgeregt, zu verwirrt von allem, um nachzurechnen.

»Ungefähr zweihundertvierzig. Ein Dutzend mehr oder weniger. Und ich wurde nie verhaftet. Weil ich vorsichtig bin, und du musst auch vorsichtig sein. Eines Tages wirst du es allein tun. Bis dahin werde ich dich anlernen, wir teilen sie uns, wechseln uns ab, so in der Art.«

Kyle nickte.

Dad blies zwei Ströme hellen Rauchs aus der Nase. »Es hängt alles davon ab«, sagte er, »wen du in dieses Zimmer steckst. Du willst, dass sie jung und hübsch sind, oder? Wo ist der Reiz bei einem Mädel, das hässlich wie die Nacht ist? Aber man muss noch eine Menge anderer Sachen bedenken.

Man steht an der Rezeption, und eine Frau kommt rein. Wenn sie nicht allein ist, kann man es offensichtlich vergessen. Das Schöne ist, dass die Höhle eine Sehenswürdigkeit ist, die alle möglichen Leute anzieht, auch allein reisende Frauen. Nicht massenhaft, aber genug, damit man eine Auswahl treffen kann.

Okay, sie ist jemand, bei dem man es sich vorstellen könnte, und sie ist allein. Ist sie verheiratet? Sieh nach, ob sie einen Ring trägt. Wenn sie verheiratet ist, vergiss es. Sie füllt die Anmeldekarte aus. Wohnt sie in der Nähe? Normalerweise ist das nicht der Fall, sonst würden sie nicht im Hotel einchecken. Aber achte drauf, wo sie wohnen. Entscheide dich für die, die aus einem anderen Bundesstaat kommen.«

Dad drückte seine Zigarette aus. »Zum Beispiel Amy. Sie ist allein angereist, sie ist ein bisschen stämmig, aber süß. Kein Ehe- oder Verlobungsring, und sie ist aus Ohio. Ich habe mich ein wenig mit ihr unterhalten, ganz höflich. Habe rausgefunden, dass sie sich mit ihrem Verlobten verkracht hat, einem Typen, der ein bisschen verrückt ist und sie gerne mal verprügelt. Sie ist auf dem Weg nach Manhattan, wo sie ohne ihn von vorn anfangen will. Sie hat im Vorbeifahren das Hotelschild gesehen und beschlossen, hier zu übernachten und sich am nächsten Tag die Höhle anzugucken. Wahrscheinlich hoffte sie, dabei einem netten jungen Mann zu begegnen.« Dad grinste. »Und das ist sie ja auch, was? Zwei netten jungen Männern.«

Kyle kicherte.

»Das Entscheidende ist, ich habe sie ein wenig kennengelernt. Genug, um rauszufinden, dass niemand von ihrer Übernachtung hier weiß. Deshalb kommt niemand hierher, um Fragen zu stellen, wenn sie vermisst wird. Sie ist perfekt. Also gebe ich ihr Zimmer 115. Siehst du das hier?« Er zog eine gefaltete Karteikarte aus der Hemdtasche. »Das ist ihre Anmeldekarte. Ich verbrenne sie, dann gibt es keine Aufzeichnung darüber, dass sie überhaupt hier war.«

Dad stand auf. Er stellte den Aschenbecher auf den Schreibtisch und wandte sich zu Kyle. »So wird das gemacht. Man muss eine Frau finden, die nicht zum Hotel zurückverfolgt werden kann. Das macht neunundneunzig Prozent der Kunst aus. Beim verbleibenden Prozent geht es darum, sich nicht bei der Sache selbst erwischen zu lassen. Das ist nicht besonders schwierig. Schnapp dir ihren Koffer.«