19. KAPITEL

 

Die Zeit blieb für einen Moment stehen. Vanda konnte nicht atmen. Konnte nicht denken. Sie stand gegen die Hüttenwand gepresst und konnte sich nicht bewegen.

Ein Werwolf. Ihr Phil war ein Werwolf.

Panik breitete sich in ihrem Bauch aus, stieg ihr in die Brust und ließ sie endlich entsetzt schreien.

Der Werwolf drehte sich zu ihr um. Wie oft hatte sie diese blutrünstigen Kiefer, diese schnappenden Zähne schon gesehen? Immer auf der Jagd nach ihr. Gnadenlos.

Völlig von Sinnen rannte Vanda in die Hütte und knallte die Tür hinter sich zu. Mit zitternden Händen schob sie den Riegel vor. Dann trat sie zurück. Auch ihre Knie zitterten. Ihr Blick wanderte zu den Fenstern. Er konnte einfach durch das Glas springen. So waren die Wölfe auch in das sichere Versteck eingedrungen, das sie mit Karl gefunden hatte. Die Wölfe hatten ihn in Stücke zerfetzt.

Schritte trampelten die Verandastufen hinauf. Vanda trat zurück. Ihr Herz raste dröhnend in ihren Ohren.

Der Türknauf drehte sich. Sie legte eine Hand auf ihren Mund, als ihr ein verängstigtes Schluchzen entkam.

»Vanda.« Die Stimme klang sanft. »Lass mich rein.«

In Vandas Kopf wirbelten die Gedanken durcheinander. Sie hatte noch nie von einem Werwolf gehört, der sprechen konnte. Oder einen Türknauf drehen. Er musste Menschengestalt haben.

Aber er hatte sich vor ihren Augen verwandelt. Genau genommen hatte er sich halb verwandelt. Der Kopf war der eines Wolfes gewesen. Und die Zähne.

Verdammt, wie konnte er ihr das antun? Die Wut, die jetzt in ihr hochstieg, war besser als die Angst, die sie geschwächt hatte.

»Geh weg!«

Die Tür bebte erneut. »Wir müssen reden.«

»Fahr zur Hölle!« Verdammt. Sie hatte mit ihm geschlafen. Sie hatte ihn in ihren Körper gelassen. In ihr Herz. Sie fühlte sich so unfassbar hintergangen. Erst ihre eigene Schwester, und jetzt Phil.

Am liebsten hätte sie etwas gegen die Wand geschmissen. Die hölzerne Leiter, die gegen das Loft gelehnt war, dieselbe Leiter, die Phil durch die Falltür in den Keller hinabgelassen hatte, kam ihr gerade recht. Sie trat ihren Stiefel voller Wucht durch einige der hölzernen Sprossen, packte die Leiter dann mit beiden Händen und brach sie in zwei Stücke.

»Vanda.«

Sie wirbelte herum. Phil hatte ein Fenster hochgeschoben und blickte zu ihr hinein. Wie konnte er es wagen, so normal auszusehen? Er hatte sie komplett hintergangen.

»Als dein Sponsor für Wutbewältigung und Anti-Aggression muss ich sagen...«

»Lass mich in Ruhe!« Sie warf ein Stück Holz nach ihm.

Gerade rechtzeitig konnte er sich ducken, dann flog das Geschoss durch das Fenster nach draußen. Er spähte wieder hinein. »Wir werden reden müssen. Es gibt keinen Ausweg.«

Keinen Ausweg? Sie öffnete die Falltür und schwebte in den Keller hinab. Ruhelos marschierte sie auf und ab. Sie konnte sich teleportieren, aber wohin? Ihre Wohnung war zu gefährlich. In den Karpaten war wahrscheinlich noch Tag. In London vielleicht auch, also konnte sie auch nicht zu Pamela und Cora Lee. Sie hatte keine Ahnung, wo Ian und Toni waren. Maggie?

Plötzlich erinnerte sie sich wieder an die Abschussliste. Vanda stand immer noch drauf. Sie konnte Maggie und ihre Familie nicht in Gefahr bringen. Aber gab es auf ihrem Grundstück nicht eine Höhle? Dort konnte sie sich verstecken. Leider war sie noch nie auf Maggies Ranch gewesen, also kannte sie den Weg nicht. Sie musste anrufen. Sie brauchte Phils Telefon.

»Vanda, komm her.«

Phil stand über die Falltür gebeugt.

Sie sah sich im Keller um und entdeckte eine Schaufel. Das würde ihn fernhalten. Seine Pfoten von ihr fernhalten. Sie legte eine Hand um den Griff.

Doch im selben Moment sprang er. Beim Landen kamen seine Cowboystiefel mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden auf, und seine Knie beugten sich, um den Aufprall abzudämpfen.

Langsam richtete Phil sich auf. Seine Jeans hingen tief auf seinen Hüften. Die Muskeln auf seinem Oberkörper waren angespannt. Oh Gott, wie hatte sie diese harte Brust und diese breiten Schultern geliebt. Nichts deutete mehr auf seine Verletzungen in der letzten Nacht hin.

Sein volles braunes Haar glänzte im Licht, das durch die geöffnete Falltür hinabfiel. Die goldenen und roten Strähnen darin leuchteten. Seine blassblauen Augen beobachteten jede ihrer Bewegungen und sprachen Bände.

Er war so schön. Wie konnte er ein Werwolf sein? Und wie konnte er jetzt ein Mensch sein? Sie hatte nur einmal erlebt, wie sich ein Wolf zurück in menschliche Gestalt verwandelte, und das war, als Karl einen von ihnen umgebracht hatte. Ein Werwolf blieb, wenn er sich erst verwandelt hatte, die ganze Nacht in seiner Gestalt, hatte sie angenommen. Außerdem war ihr völlig neu, dass einer nur seinen halben Körper verwandeln konnte.

Sie richtete die Schaufel auf ihn. »Was bist du?«

Sein Blick wanderte zur Schaufel, und er presste die Lippen zusammen. »Ich bin Phil Jones, derselbe Mann, der ich gestern war.« Er trat auf sie zu.

»Bleib zurück!« Sie hob die Schaufel ein Stück höher. »Was bist du?«

Er hob sein Kinn. »Ich bin ein Alpha-Werwolf. Ich kann mich, wann immer ich will, vollkommen oder teilweise verwandeln. Ich bin superschnell, habe ungeheure Kraft und erhöhte Sinneswahrnehmung. Wenn ich verletzt bin, kann ich mich verwandeln und so sofort heilen. Ich kann die Macht meines inneren Wolfes herbeirufen, ohne meine Gestalt zu verändern. Und eines noch...«

Er sprang so schnell auf sie zu, dass sie kaum Zeit hatte, mit der Schaufel nach ihm zu schlagen. Er packte den Griff, zog daran und zog sie so an sich. In einer Art Tauziehen stemmte sie ihre Hacken in den Boden und zog den Griff zurück zu sich. Er zog noch fester und brachte sie aus dem Gleichgewicht. Als sie vorwärtsstolperte, warf er die Schaufel zur Seite, legte einen Arm um sie und zog sie fest gegen seine Brust.

»Eines noch«, knurrte er. »Ich liebe dich.«

»Lass mich los. Du... du hast mich angelogen.«

»Ich wollte es dir heute Nacht sagen. Verdammt, ich habe schon versucht, es dir neulich Nacht in Howards Hütte zu sagen, aber als ich von Wölfen angefangen habe, hast du dich geweigert zu reden.«

Um alle Macht der Welt hatte sie ihre eigenen Geheimnisse bewahren wollen und Phil gar keine Chance gelassen, seine eigenen zu gestehen. »Aber du hättest es mir sagen sollen.« Sie boxte gegen seine Brust.

»Warum? Damit du eine Ausrede hast, dich nicht in mich zu verlieben?« Er griff nach ihren Händen und hielt sie hinter ihrem Rücken fest. »Was ist damit, dass meine Liebe genug ist?«

Tränen verwässerten ihren Blick. »Wölfe haben mir so viel Leid angetan. Und auch Formwandler.«

»Diesen hier liebst du.«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich... ich kann nicht. Ich habe Angst vor dir.«

»Habe ich dir nicht oft genug das Leben gerettet, um dein Vertrauen zu gewinnen? Ich liebe dich, Vanda. Ich werde immer für dich da sein.«

Eine Träne rollte ihr die Wange hinab. Es stimmte. Er hatte sie gerettet. Mehrmals. Er hatte Max den Megamacker in ihrem Club aufgehalten. Er hatte die Schlange umgebracht. Er hatte die Bombe gefunden. Seine übermenschlichen Sinne hatten ihm dabei geholfen. Aber einen Werwolf lieben - konnte sie das wirklich?

»Ich fürchte mich schon zu lange vor deiner Art.«

Sein Griff um ihre Hände wurde fester. »Was genau macht dir Angst? Sind es meine Zähne? Ich habe schon an dir geknabbert, ohne dir wehzutun.«

Sie schauderte.

»Sind es die Krallen?« Er ließ ihre Hände los. Mit einem Arm um ihre Schultern zeigte er ihr den anderen Arm. Er schimmerte in einem blauen Licht. Auf seiner Hand spross Fell, und sie verwandelte sich in eine Klaue. Die Krallen waren ausgefahren, scharf und tödlich.

Vanda wollte das nicht sehen. Sie wendete den Kopf ab und kniff die Augen fest zusammen. »Nicht.«

»Nicht was? Glaubst du wirklich, ich würde dir wehtun?«

Als sie spürte, wie etwas ihre Wange berührte, zuckte sie zusammen. Fell. Weich und warm. Er streichelte ihre Wange und dann ihren Hals hinab. Mit der Rückseite seiner Klaue streichelte er sie.

»Ich habe mich vollkommen unter Kontrolle«, sagte er leise. »Vertrau mir.«

Er drehte seine Klaue und fuhr mit einer Kralle unter den Reißverschluss ihres Overalls. Er zog ihn hinab und schnitt dabei durch ihren BH.

Erregt keuchte Vanda auf.

Die Klaue schimmerte und verwandelte sich wieder in eine Hand, mit der er ihren Overall und den BH zur Seite schob. Ihre Brüste waren nun unbedeckt und streckten sich ihm entgegen. Ihre Brustwarzen wurden hart. Ihr Atem ging schwer, und ihre Haut kribbelte und sehnte sich danach, von ihm berührt zu werden.

War sie noch bei Verstand? Wie konnte sie ihn jetzt noch wollen? Es war diese animalische Anziehungskraft, die alle ihre Sinne überwältigte. Er war roh und mächtig, und sie verzehrte sich nach ihm. Selbst die Angst machte das Spiel nur noch aufregender.

Als er jetzt ihre Brust berührte, sie sanft streichelte und knetete, stöhnte Vanda auf.

Er rieb seinen Daumen über ihre harte Spitze. »Ich glaube, mit der Zeit wirst du meine Natur schätzen lernen. Ich kann dich wie ein Gentleman lieben. Oder es dir wie ein wildes Tier besorgen.«

Sie bäumte sich gegen ihn und spürte, wie sie feucht wurde. Gott steh ihr bei, sie begehrte ihn.

»Was hättest du heute Nacht lieber? Den Gentleman oder das Biest?« Er lachte. »In Menschengestalt natürlich.«

»Ich hätte gern von jedem etwas«, gab Vanda beschämt zu.

»Das lässt sich einrichten.« Er beugte sich näher und flüsterte ihr ins Ohr: »Aber das Biest will dich zuerst nehmen.«

Ehe sie darauf reagieren konnte, hatte er ihr die Peitsche abgenommen, sie auf den Boden geworfen und ihren Overall und ihre Unterwäsche zu ihren Knöcheln hinabgezogen. »Du bist wirklich superschnell.«

»Und stark.« Er hob sie hoch und legte sie auf die Decke. Innerhalb von Sekunden hatte er ihre Stiefel ausgezogen und seine eigenen Cowboystiefel gleich mit.

Die Ausbeulung in seiner Jeans wurde rasch größer. »Supergroß scheinst du auch zu sein.«

Er lächelte, als er nackt vor ihr stand. »Das ist das Tier in mir.« Dann hockte er sich zu ihren Füßen. »Ich kann deine Hitze riechen.«

Sie war so feucht, dass ihre Schenkel nass wurden.

Er hob einen Fuß, leckte und knabberte an ihren Zehen. Ihr Bein zuckte.

»Bist... bist du sicher, dass du beißen solltest?« Sie dachte daran, wie ein Werwolf entstand.

Er schnappte nach ihrem Knöchel. »Hast du Angst, pelzig zu werden, Kleines?«

»Na ja, ich finde, ich habe schon genug Probleme, solange ich nur ich bin.«

»Ich liebe dich genau so, wie du bist.« Er leckte ihre Wade hinauf. »Ich müsste sehr fest zubeißen, die Haut durchbrechen, und mein Speichel müsste in deine Blutbahn eindringen.«

Er kitzelte ihre Kniekehle mit seiner Zunge. »Und ich müsste dazu in Wolfgestalt sein. Du bist also relativ sicher.«

»Relativ?«

»Mit einem Biest lässt sich nicht vernünftig reden.«

Ihr Herz stotterte, als er tief in seiner Kehle knurrte. Er ging auf Händen und Knien um ihren Körper herum, vergrub sein Gesicht in ihrem nackten Körper, rieb seine Nase an ihrer kribbelnden Haut, leckte sie, schmeckte sie. Kein Teil von ihr war verboten. Ihre Ohren, ihr Hals, ihre Achseln.

Mit einem weiteren Knurren stürzte er sich auf ihre Brüste. Er leckte sie, drückte sie, saugte an den harten Nippeln. Sie wurden rot, die Spitzen fest und empfindlich. Sie stöhnte und bäumte sich seinem Mund entgegen.

Und dann warf er sie, mit einem Schub seiner Hände und seiner Nase, auf den Bauch. Ihre Brüste, die sehr empfindlich geworden waren, rieben sich an der Rosshaardecke. Sie presste ihre Beine zusammen, dem Höhepunkt schon nah.

Er vergrub sich in ihrem Nacken, kitzelte die feinen Haare dort und brachte sie zum Zittern. Dann glitt seine Zunge gekonnt ihre Wirbelsäule hinab. Er bearbeitete ihren Po und leckte und schnappte nach ihr, bis sie sich unter ihm wand.

Vanda keuchte, als er sie auf die Seite warf und seinen Kopf zwischen ihren Beinen vergrub.

Wie elektrisiert presste sie ihre Schenkel gegen ihn. Er knurrte und ließ dann seine Zunge superschnell über ihren Kitzler tanzen. Sie schrie auf, und ihr Körper zersprang fast, als sie sich aufbäumte.

»Du gehörst mir.« Er biss sie in die Pobacken und zog sie dann auf die Knie.

»Warte.« Ihre Knie waren wie Gummi. Ihr Körper zuckte noch unter den Nachbeben. Sie musste ihre Stirn auf die Decke legen und nach Atem ringen.

»Ich halte dich«, versprach er und nutzte die Gelegenheit, packte ihre Hüften, stützte sie mit den Händen und drang von hinten tief in sie ein.

Dieser Mann war einfach unglaublich. Er füllte sie vollkommen aus. Er zog sich langsam hinaus, brachte sie fast um den Verstand, entfachte ein Feuer in ihr. »Phil!«

Er drang wieder tief in sie ein. Er stützte sie mit einem Arm und beugte sich dann vor, um sein Gesicht in ihrem Hals zu vergraben und ihre Hand zu halten. Er pumpte schneller. Die Spannung in ihr begann erneut, sich aufzubauen. Er knurrte in ihr Ohr und setzte sich dann auf die Knie und zog sie dabei mit sich.

Sie lehnte sich zurück gegen seine Brust. Seine Hände glitten über ihren Körper und liebkosten ihre Brüste.

»Du gehörst mir«, flüsterte er ihr ins Ohr.

»Ja.«

Während er seine Stoßbewegungen langsam und beharrlich vollführte, griff er mit der Hand zwischen ihre Beine, um sich ihren Kitzler vorzunehmen. Und endlich löste sich die Spannung in einem überwältigenden Orgasmus. Er stieß einen heiseren Schrei aus, der dem Heulen des Wolfes beängstigend ähnelte. Als er mit ihr auf die Decke fiel, wusste sie, dass ihre Zukunft für sie entschieden war. Das Biest hatte sie auserkoren.

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»Alles in Ordnung?«, fragte Phil, als ihr Atem sich endlich verlangsamte.

»Ja.« Sie schmiegte sich an seinen Körper.

Die beiden lagen flach auf dem Rücken. Er schlang die Arme um Vanda und drückte sie an sich. Er war erleichtert, dass sie sein Geheimnis kannte, doch ein anderes Problem würde ihnen zu schaffen machen.

Brynley hatte gesehen, wie er seine Alpha-Macht benutzte. Sie war der Anführer dieses verdammten Rudels gewesen, das Vanda solche Angst eingejagt hatte. Ohne Zweifel hatte Brynley genau das beabsichtigt - Vanda aus seinem Leben vergraulen. Wie es seiner Schwester gelungen war, die restlichen Wolfjungen zu finden, war ihm ein Rätsel.

Wahrscheinlich waren sie jetzt in den Wäldern und jagten nach Fuchs oder Hase. Als normale Werwölfe hatten sie die ganze Nacht Wolfgestalt und verwandelten sich erst kurz vor Sonnenaufgang in ihre menschliche Gestalt zurück.

Brynley hätte sein Geheimnis nie erfahren dürfen. In der Welt der Lykaner war das Erreichen des Alpha-Status ein bedeutsames Ereignis. Sie würde es ihrem Vater so bald wie möglich verraten.

Der erstgeborene Sohn war Alpha. Phil hatte damit bewiesen, dass er es wert war, Thronfolger zu sein.

»Wie bist du zum Werwolf geworden?«, flüsterte Vanda.

»Ich wurde so geboren.«

»Dann warst du als Kind ein Monster?«

Er schnaubte. »Lykanische Kinder verwandeln sich normalerweise nicht vor der Pubertät. Ich war dreizehn.«

»Es muss schrecklich gewesen sein. Und schmerzhaft.«

»Ja, ein wenig. Aber wir waren darauf vorbereitet. Wenn man sein ganzes Leben lang die Geschichten hört, wie unglaublich frei man sich fühlt, wenn man durch die Wälder rennt, wie aufregend die Jagd ist und wie siegreich man sich nach der ersten Beute fühlt, dann freut man sich richtig, wenn es endlich passiert.«

Sie kämmte mit den Fingern durch sein Brusthaar. »Wie haben die Werwölfe angefangen? Gab es einen seltsamen, tollwütigen Wolf, der einen Menschen gebissen hat?«

»Das ist eine sehr alte Geschichte. Ich weiß noch, wie wir vor dem Feuer gesessen haben und unseren Eltern zuhörten, als sie sie uns erzählten.« Er rieb ihren Rücken. »Möchtest du sie hören?«

»Ja.« Sie legte ihren Kopf auf seiner Brust ab. »Erzähl es mir.«

»Meine Familie stammt von einer alten Linie walisischer Könige ab.«

Sie hob ihren Kopf. »Dann bist du wirklich ein Prinz?«

»So weit würde ich nicht gehen. Diese Vorfahren waren eher Magier als Könige. Sie besaßen viele geheimnisvolle Gaben, und eine von ihnen war, sich in jede Art von Tier verwandeln zu können. Mit der Zeit entwickelten sie persönliche Vorlieben, welches Tier sie bevorzugten. Ihre Favoriten waren Wolf, Bär, Wildkatze und Falke.«

»Die Jagdtiere«, murmelte Vanda.

»Genau. Warum sich in eine Maus verwandeln, wenn man ein Löwe sein kann? Meine direkten Vorfahren bevorzugten den Wolf. Alles war gut, bis die Römer das Land überfielen. Die keltischen Stämme fielen und ergaben sich. Meinen Vorfahren wurde klar, dass sie sich der Herrschaft der Römer nur noch entziehen konnten, indem sie als Wölfe lebten.«

»Lebten die anderen als Bären, Wildkatzen und Falken?«, fragte sie.

»Ja.« Phil nahm an, dass so Howards Familie der Werbären begonnen hatte. »Während meine Vorfahren in Wolfgestalt waren, haben sie sich gepaart. Sie stellten fest, dass diese Kinder für immer an den Wolf gebunden waren. Sie konnten sich nicht mehr aussuchen, in welches Tier sie sich verwandeln wollten.«

»Und so wurden Werwölfe geboren«, flüsterte Vanda.

»Ja. Manchmal ist es einem Römer gelungen, einen Werwolf umzubringen, und er hat sich zurück in menschliche Gestalt verwandelt. Sie waren abergläubisch und hatten Angst vor übernatürlichen Konsequenzen, wenn sie unser Geheimnis nicht bewahrten. Sie haben unser Volk die Philupus genannt, jene, die Wölfe lieben. Dieser Name wird seit Jahrhunderten in meiner Familie weitergegeben. Ich heiße übrigens auch so.«

Sie sah ihn ungläubig an. »Philupus?«

»Jetzt weißt du, warum ich Phil bevorzuge. Nachdem die Römer abgezogen waren, glaubten meine Vorfahren, es wäre sicher, wieder menschliche Gestalt anzunehmen. Aber es waren einige Generationen vergangen, und sie stellten fest, dass sie nicht immer Menschen bleiben konnten. Sie verwandelten sich in jeder ersten Vollmondnacht.«

»Also waren sie verdammt, sich auf ewig jeden Monat in Wölfe zu verwandeln«, flüsterte sie.

Er lächelte. »Ich würde es nicht ›verdammt‹ nennen. Ich bin noch nie einem Werwolf begegnet, der es nicht geliebt hat, diesen Rausch der Freiheit zu verspüren, wenn man einmal im Monat alle menschlichen Regeln und Bräuche abstreift und einfach wie... ein Tier sein kann.«

»Du findest es befreiend.«

»Ja.« Phil seufzte. »Das sollte es jedenfalls sein. Es gibt in der Welt der Lykaner auch solche, die meinen, wir sollen uns an unsere eigenen Traditionen halten. Oberste Rudelführer können sehr mächtig sein, und sie versuchen ihre Macht anderen gegenüber auszuspielen.«

Vanda setzte sich auf. »Hast du Probleme mit so einem?«

Er nickte. »Mit meinem Vater.«

»Das tut mir leid.«

»Ist schon gut.« Er streichelte ihren Arm.

»Er wäre nicht mit mir einverstanden. Deine Schwester ist es auch nicht.« Vanda sah zur Falltür hinauf. »Wann kommt sie zurück? Sie geht ziemlich lange spazieren - oh.« Sie schlug sich gegen die Stirn. »Deine Schwester ist auch ein Werwolf.«

»Sie war einer der Wölfe, die dir Angst gemacht haben.«

»Sie mag mich wirklich nicht«, stellte Vanda bedauernd fest.

»Sie kennt dich noch nicht. Und mach dir keine Sorgen wegen ihr. Ich werde mich ausgiebig mit ihr unterhalten.«

»Waren die anderen Wölfe auch alle Werwölfe?«

»Ja, aber sie werden dich nicht wieder belästigen. Sie wissen jetzt, dass du unter meinem Schutz stehst.« Phil setzte sich auf. »Also, wieso hast du solche Angst vor Werwölfen?«

Sie zuckte zusammen. »Ich... ich habe es dir schon gesagt. Sie haben Jagd auf mich gemacht.«

»Du hast nie gesagt, warum.«

Sie schlüpfte in ihre Unterwäsche. »Weißt du, den BH hast du schön ruiniert. Ich hoffe, ich kann einen von deiner Schwester leihen.«

»Sie hat Kleidung für uns mitgebracht. Komm schon, Vanda. Ich habe dir meine Geheimnisse verraten. Es wird Zeit, dass du mir von deinen erzählst.«

»Du wirst mich hassen.« Sie stand auf und ging davon.