9. KAPITEL

 

»Wie genau riecht eine Bombe?«, fragte Phineas.

»Nach Ärger.« Phil schritt über den Parkplatz vor Romatech und schnüffelte an jedem Wagen, um sicherzugehen, dass die Malcontents keine Überraschung für die Vampire geplant hatten.

»Wie hast du das gelernt?« Phineas folgte ihm. »Hast du mit der Hundestaffel der NYPD trainiert?«

»Sehr lustig.« Phil gab dem jungen schwarzen Vampir einen Stoß. »Der Parkplatz ist in Ordnung. Gehen wir wieder rein.«

Wegen der Party stand die Tür offen, und jeder konnte einfach hineingehen. Doch die Gäste waren ausreichend instruiert worden. Sie sollten zu Romatech fahren, damit der Wachmann am Eingang sie untersuchen konnte. Dann überprüfte Connor noch einmal jeden einzeln im Foyer. Howard Barr war im Sicherheitsbüro und beobachtete die Monitore, um sicherzugehen, dass niemand sich auf das Gelände teleportierte.

Abwechselnd kontrollierten Phil und Phineas die Außenanlage. Bisher war alles glattgelaufen.

In der Nähe des Ballsaals hatte Phil ein Konferenzzimmer reserviert. Dem Priester hatte er bereits seine Theorie über Vandas Vergangenheit unterbreitet und ihm die DVD von Vandas Fernsehinterview zukommen lassen. Er war gerade im Konferenzzimmer und sah sie sich an.

»Alles in Ordnung.« Phil gab Connor seinen kurzen Bericht, als er ins Foyer trat.

»Gut. Ihr könntet jetzt Pause machen.« Er sah Phineas streng an. »Trink nicht zu viel, Lad.«

»Aye, aye, Captain Connor.« Phineas salutierte ihm und stürmte dann in den Ballsaal.

Phil schlenderte in den lauten Saal und schaute sich nach Vanda um. Bei dem Gedanken daran, wie schön sie in ihrem silbernen Kleid ausgesehen hatte, und wie süß mit dem Baby in ihren Armen, musste er lächeln. Sie hatte so viel Liebe zu geben, wenn sie nur den Schmerz aus ihrer Vergangenheit überwinden könnte.

»Hi, Phil«, begrüßte ihn eine glückliche Stimme.

»Lara.« Er umarmte Jacks Verlobte. »Wie geht es dir?«

»Ausgelaugt.« Sie strich sich das rotgoldene Haar hinter eine Schulter. »Es muss eine Stunde gedauert haben, bis ich allen vorgestellt war. Mein Kiefer tut von dem ganzen Lächeln weh, und ich weiß, dass ich mich nicht einmal an die Hälfte aller Namen erinnern kann.«

Phil nickte. »Mit der Zeit schaffst du es.«

»Jack hat gesagt, irgendwo hier gibt es etwas Richtiges zu essen.«

»Da drüben.« Phil zeigte in die Ecke.

»Gut. Ich hole mir schnell einen Bissen, während Jack mit LaToya tanzt. Hast du meine Mitbewohnerin schon kennengelernt?«

»Noch nicht. Ich hatte Wachdienst.«

Lara warf einen nervösen Blick auf die Tanzfläche. »LaToya hat sich geweigert, meine Trauzeugin zu werden, wenn wir ihr nicht die Wahrheit über Jack erzählen, also haben wir es ihr letzte Nacht gesagt. Jack wollte dabei sein, falls sie vollkommen durchdreht und ihre Erinnerung gelöscht werden muss.«

Phil entdeckte Jack auf der Tanzfläche, mit einer jungen schwarzen Frau in einem roten Kleid. »Geht es ihr gut?«

»Sie ist... ein bisschen durchgedreht. Sie hat immer gewusst, dass irgendetwas an Jack anders ist. Aber sie hat gedacht, er wäre ein Superheld, also ist sie jetzt enttäuscht. Ich denke natürlich, er ist trotzdem ein Superheld.«

»Natürlich.«

Lara beugte sich zu ihm. »Von deinem Geheimnis habe ich ihr nichts verraten.«

»Danke.«

»Na gut, ich hole mir lieber etwas zu essen.« Sie eilte davon und winkte Phineas zu, der gerade mit einem bis zum Rand mit Blissky gefüllten Glas wiederkam.

Die Mixtur aus synthetischem Blut und Whiskey floss seine Kehle hinab. Dann atmete er tief durch. »Verdammt, ist das gut.«

Kopfschüttelnd beobachtete Phil seinen Partner. »Connor wird es merken.«

»Nicht, wenn ich hinterher eins von diesen nehme.« Phineas zeigte ihm eine Rolle Vampos und steckte die Pfefferminzbonbons dann zurück in die Tasche seiner schwarzen Hose.

Diese Pfefferminzbonbons vertrieben Blut-Atem, ob sie auch gegen den Geruch von Whiskey wirksam waren, wusste Phil nicht. In jedem Fall war das nicht sein Problem. Er sah in die Ecke, wo er in fünf Minuten Vanda treffen sollte. »Irgendwas Neues von Max, dem Minimacker?«

»Du hast dem Bastard einen neuen Namen gegeben. Gefällt mir. Aber noch hat ihn niemand gefunden.« Er trank mehr Blissky. »Ich gehe gerne weiter ins Horny Devils um sicherzugehen, dass die Ladies nicht in Gefahr sind.«

»Wie die zwei Frauen letzte Nacht?«

»Was soll ich dir sagen? Die Ladies lieben es, bei Dr. Phang zu sein.« Phineas rückte seine Fliege zurecht. »Ich sehe in diesem Frack wie James Bond aus, findest du nicht? Für mein Date mit Lisa heute Nacht muss ich besonders gut aussehen. Sie denkt, ich bin ein Superspion.«

»Welche war Lisa? Die Blonde?«

Phineas legte die Stirn in Falten und dachte nach. »Ich glaube schon. Oder war es die Brünette?« Er zuckte mit den Schultern. »Ist auch egal. Der Love Doctor ist ein Frauenmagnet, und ein heißes Babe ist genauso gut wie ein anderes.«

Phil schnaufte. »Eines Tages wirst du diese Worte bereuen.« In seinen Gedanken tauchte Vanda auf. »Eines Tages triffst du jemand Besonderen, die eine, die dich mit einem einfachen Lächeln zu Fall bringt. Jemanden, der deine Seele mit nur einem Blick aus ihren schönen Augen gefangen nimmt. Und in einem einzigen Augenblick wird deine ganze Welt sich neigen und nur noch auf sie gerichtet sein. Und du wirst wissen, dass du deinem Schicksal begegnet bist.«

Krach. Phil zuckte zurück, als Phineas' Glas auf dem Boden in lauter glitzernde Scherben zersprang, die in einer Lache Blissky lagen. Die Hand des jungen Vampirs war in der Luft erstarrt. Er wirkte apathisch.

»Phineas?« Phil berührte seine Schulter. »Alles in Ordnung?«

Immer noch wie erstarrt und mit weit aufgerissenen Augen stand Phineas neben ihm.

»Phineas.« Phil schüttelte ihn, aber ohne Wirkung. Der junge Vampir schien vollkommen gelähmt zu sein.

Nachtschatten? Für eine Sekunde überlegte Phil, ob jemand die lähmende Droge in Phineas' Drink gegeben hatte. Lauerte ein Malcontent in ihrer Mitte? Aber nein, es konnte nicht Nachtschatten sein. Phineas wäre zusammengebrochen, ehe die Lähmung einsetzte.

»Wer?«, flüsterte Phineas so leise, dass Phil sich nicht sicher war, es gehört zu haben. Das war allerdings ein gutes Zeichen. Wäre Phineas mit Nachtschatten vergiftet worden, wäre er nicht mehr in der Lage zu sprechen.

»Wer... wer ist sie?«, flüsterte Phineas.

Phil folgte dem Blick des Vampirs. Die Tanzfläche.

Auf ihr waren mehrere Paare. Shanna tanzte mit ihrem Mann. Jean-Luc tanzte mit Heather. Gregori tanzte mit dem Model Inga. Und Jack tanzte mit... »LaToya? Das Mädchen im roten Kleid?«

»La... LaToya?« Phineas starrte sie an.

»Sie ist Laras Mitbewohnerin.«

»Sie ist eine Göttin.«

»Sie ist die Trauzeugin.«

»Sie ist ein Engel«, hauchte Phineas.

»Sie ist Polizistin.«

Phineas blinzelte. Ein sichtbarer Schauer durchfuhr ihn, und dann drehte er sich mit angewiderter Miene Phil zu. »Ich... ich kann nicht gut mit den Bullen. Auf mich steht noch ein Haftbefehl aus.«

»Das könnte ein Problem werden.«

Trotzdem wanderte Phineas' Blick zurück zu LaToya, und seine braunen Augen weiteten sich voll Bewunderung. Dann drückte er seine Schultern durch. »Nichts kann mich aufhalten.« Er marschierte voran.

Als er in die Glasscherben trat, zog Phil ihn zurück. »Warte einen Augenblick.« Er machte einem Kellner ein Zeichen, der die Scherben beseitigen sollte.

Phineas versteifte sich plötzlich wieder und packte Phils Arm. »Hast du das mitgekriegt? Sie hat mich angesehen!«

Tatsächlich, LaToya musterte Phineas.

»Ich bin verliebt«, flüsterte Phineas.

Das ging jetzt aber schnell. Phil verkniff sich ein Grinsen. »Was ist mit deinem Date mit Lisa?«

»Wer?«

»Lisa. Die Blonde... oder Brünette. Sie sind beide Vampire wie du. LaToya ist sterblich.« Selbst wenn viele der Vampirmänner sich in sterbliche Frauen verliebten, wusste Phil, dass sie meistens mit ihrem Gewissen haderten, denn eines Tages mussten sie ihre Frauen wandeln oder sie an die zerstörerische Kraft der Zeit verlieren.

Phineas seufzte. »LaToya ist La-Eine. La-Engel.«

»In Ordnung, Pepe das Stinktier, aber du hast sie noch nicht einmal angesprochen.«

Phineas trat zurück, als zwei Kellner mit Handbesen, Schaufel und Wischlappen auftauchten. »Dann spreche ich jetzt mit ihr.«

Er steckte sich ein Vampos in den Mund und stopfte die Rolle Bonbons zurück in seine Hosentasche. »Ich muss cool sein, Alter. Den Mojo voll aufdrehen. Sie mit meiner Weltgewandtheit und meiner Gelassenheit beeindrucken.«

Er knöpfte seine Jacke auf und legte darunter einen leuchtend roten Kummerbund frei. »Der Love Doctor ist da. Komm mit, Alter. Du kannst mein Helfer sein. Unterstütz mich.«

»Ich tue mein Bestes.« Phil begleitete den jungen schwarzen Vampir über die Tanzfläche.

Phineas hatte eine Hand an seinen Kummerbund gelegt und ging plötzlich wie John Wayne.

»Was machst du da?«, flüsterte Phil.

»Das ist mein Macker-Gang. Die Ladies können ihm nicht widerstehen.«

»Bist du dir sicher, so solltest du dich einer Polizistin nähern?«

»Aber ja.« Phineas grinste verschmitzt. »Es funktioniert schon, Alter. Sie kann die Augen nicht von mir lassen.«

»Ich bin mir nicht sicher, ob das gut ist«, murmelte Phil.

Die Musik verstummte, und Jack entdeckte sie. »Phil, Phineas, wie geht es euch? Habt ihr schon Laras Freundin, LaToya, kennengelernt?«

Phil schüttelte ihre Hand. »Freut mich. Und darf ich Phineas McKinney vorstellen, ein wertvolles Mitglied des Teams von MacKay Security and Investigation.«

»Und Leiter der Spezialeinheit Malcontent-Terrorismus, aber darüber darf ich nicht sprechen.« Phineas winkte ab. »Topsecret, wenn du verstehst.«

Phil sah ihn zynisch an. »Das ist wirklich ein gut gehütetes Geheimnis.«

LaToya runzelte die Stirn. »Meint ihr das ernst?«

»Natürlich.« Phineas nahm LaToyas Hand. »Keine Sorge, meine Schönheit. Ich mache dir keine Angst mit den schrecklichen Details meiner Missionen als Superspion, Codename Dr. Phang.«

»Fangzahn?« LaToya riss ihre Hand los und drehte sich zu Jack. »Er ist ein Vampir?«

»Er ist ein guter Vampir«, flüsterte Jack. »So wie ich.«

»Darüber hat die Jury noch keine Entscheidung getroffen«, murmelte LaToya.

Jack seufzte. »Und er kann ausgezeichnet hören.«

LaToya drehte sich zu Phineas um und schnaubte, als sie seinen Blick bemerkte. »Guck meinen Hals nicht so an, Nuckler.«

»Er trinkt synthetisches Blut, genau wie der Rest von uns«, erklärte Jack.

Phineas vollführte eine elegante Verbeugung. »Ich könnte mich auf ewig an deiner majestätischen Schönheit betrinken.«

»Von mir trinkst du überhaupt nichts.« LaToya wendete sich wieder an Jack. »Ich habe die Löcher an Laras Hals gesehen, als sie von ihrer Undercover-Mission zurückgekommen ist. Damals war mir nicht klar, was das bedeutet, aber wenn du so etwas jemals wieder...«

»Es ging nicht anders«, unterbrach Jack sie. »Ich habe mich als Malcontent ausgegeben, also musste ich mich wie einer verhalten.«

»Ich warne dich bloß.« Sie wackelte mit einem Finger. »Wenn ich noch mehr Bissspuren an meiner Freundin finde, stürze ich mich schneller auf dich als ein Alligator auf ein totes Huhn. Und du...« Sie drehte sich zu Phineas um. »Glaub bloß nicht, dass du dein Super-Mojo bei mir benutzen kannst. Für mich bist du bloß noch eine Leiche, die sie in einen schicken Frack gesteckt haben.«

»Ich bin der Love Doctor, Schönheit. Ich habe die Medizin.«

»Du bist ein toter Doktor. Ist mir egal, wie gut du aussiehst. Ich bin nicht interessiert!« LaToya marschierte davon.

Peinlich berührt wandte Jack sich Phineas zu. »Tut mir leid, alter Junge. Sie ist im Augenblick etwas empfindlich, was Vampire angeht.«

Phil klopfte Phineas auf den Rücken. »Vielleicht sieht sie die Sache mit der Zeit anders.«

Die Worte schienen Phineas nicht zu erreichen. »Sie hat gesagt, ich sehe gut aus. Habt ihr das gehört?« Er strich sein kurzes Haar glatt. »Dr. Phang schlägt wieder zu. Die Jagd ist eröffnet.«

»Du solltest es langsam angehen«, warnte Phil ihn, aber der Love Doctor machte sich bereits auf die Suche nach LaToya.

Phil seufzte. Er gab gute Ratschläge, die er selbst nicht befolgte. Jetzt, da er wusste, dass Vanda sich wirklich zu ihm hingezogen fühlte, wollte er so schnell wie möglich bei ihr sein. Er gratulierte Jack und eilte dann ins Konferenzzimmer, um sicherzustellen, dass Father Andrew bereit war.

Und dann musste er es irgendwie schaffen, Vanda zu ihrem Treffen dorthin zu locken.

****

Zu ihrem Glück musste Vanda sich nicht in die Reihe der Gratulanten stellen, um Jacks Verlobte kennenzulernen. Nachdem sie und Maggie sich noch zwei Gläser Bubbly Blood geholt hatten, kehrten sie in die Ecke hinter dem Buffet zurück und fanden Lara dort.

Lara erzählte ihnen von ihren Hochzeitsplänen, und dann zeigte Maggie ihre Fotos von ihrer Familie und beschrieb ihre Ranch in Texas. Vanda saß daneben, nippte an ihrem Bubbly Blood und wartete darauf, dass Phil zurückkam. Nicht, dass sie es eilig hatte, ihn wiederzusehen. Sie war immer noch sauer, weil er in ihrer Vergangenheit herumgeschnüffelt hatte.

Constantine kam zurück und wollte noch mehr Kekse, doch Maggie schaffte es, ihn mit Fotos von der Ranch abzulenken.

»Kann ich euch besuchen?«, fragte Tino. »Ich will auf einem Pferd reiten.«

»Ich würde dich gerne zu uns einladen.« Maggie umarmte ihn. »Ich werde mit deiner Mom darüber sprechen.«

Lara füllte sich einen Teller mit gekochten Shrimps und träufelte etwas scharfe Sauce darüber. »Und du, Vanda, was arbeitest du?«

»Ich führe einen...« Sie warf einen Blick auf den kleinen Jungen. »Einen Tanzclub.«

»Kann ich dich besuchen?«, fragte Tino.

»Nein«, antworteten Vanda und Maggie gleichzeitig.

»Aber ich tanze so gern.« Tino hüpfte ans Buffet und nahm sich einen Keks.

»Er ist nur für Erwachsene«, erklärte Maggie ihm, und dann riss sie die Augen weit auf. »Lara, das wäre der perfekte Ort für deinen Junggesellinnen-Abschied.«

Lara hob ihre Augenbrauen. »Ach, so ein Club ist das?«

»Genau«, antwortete Vanda. »Aber bei uns... tanzen die männlichen Vampire.«

»Ich will auch tanzen«, sagte Tino.

»Das klingt interessant, aber ich weiß nicht, ob meine Trauzeugin damit einverstanden sein wird. Sie ist ein wenig...«

»Ich habe gesagt, du sollst mir vom Leib bleiben!«, unterbrach eine laute Stimme Lara. »Wenn du mir noch einmal zu nahe kommst, versetze ich dir einen Kinnhaken, der sich gewaschen hat. Verstanden?« Eine junge schwarze Frau in einem roten Kleid kam zu ihnen in die Ecke. »Lara, dieser Graf Schwarz da hinten stellt mir nach.«

»Wer, Phineas?« Lara winkte dem jungen Vampir und bedeutete ihm zurückzubleiben. Sie senkte ihre Stimme.

»LaToya, er ist ein netter Kerl. Ich finde, er sieht aus wie Denzel.«

Schnaubend verschränkte LaToya die Arme. »Ein toter Denzel.«

»Er war einer der Vampire, die mich aus Apollos Ferienanlage gerettet haben«, fuhr Lara fort. »Er hat geholfen, die ganzen Mädchen zu retten. Er ist mutig und loyal...«

»Ist mir egal«, knurrte LaToya. »Er ist immer noch einer von denen. Ich weiß nicht, wie du es erträgst, in ihrer Nähe zu sein.«

Die Worte ihrer Freundin kränkten Lara. »LaToya, das hier ist Constantine, und das sind Maggie und Vanda.«

LaToya lächelte sie an. »Hallo.« Sie tätschelte Tino den Kopf. »Du bist ja niedlich. Bist du mit deiner Mommy hier?« Sie sah wieder zu Maggie und Vanda, als versuchte sie herauszufinden, welche von beiden die Mutter war.

»Ja«, sagte Tino. »Willst du einen Keks?«

»Warum nicht.« LaToya nahm sich einen Teller und ging um das Buffet herum, um sich zu bedienen. »Gott sei Dank habe ich endlich normale Menschen gefunden.«

Vanda stellte ihr leeres Glas auf den Boden unter ihren Stuhl. »Was hast du gegen Vampire?«

»Oh, das Übliche.« LaToya steckte sich eine Traube in den Mund. »Sie sind tot und schleimig, stinken wahrscheinlich tagsüber...«

»Das ist nicht nett.« Constantine legte die Stirn in Falten, als er sich den letzten Keks nahm, der eigentlich für LaToya gedacht war.

»LaToya, reiß dich zusammen«, flüsterte Lara. »Ich liebe einen Vampir.«

»Ich weiß.« Während LaToya sich Shrimps auf den Teller legte, machte sie ein böses Gesicht. »Und jetzt willst du bei der Polizei aufhören und für diese blöde Vampirfirma arbeiten.«

»MacKay Security and Investigation«, sagte Lara. »Ich könnte mit Jack zusammenarbeiten.«

»Ich mag Jack.« Tino stand nahe am Tisch und beobachtete die diskutierenden Frauen.

»Was auch immer.« LaToya tröpfelte sich scharfe Sauce auf die Shrimps. »Alles, was ich weiß, ist, dass ich nach New York gekommen bin, um mit dir zusammen Polizist zu sein, und jetzt hörst du auf. Ich kann genauso gut nach Hause gehen. Da hätte ich es wenigstens nicht mit einem Haufen gruseliger Vampire zu tun.«

»Wo bist du zu Hause?«, fragte Maggie.

»New Orleans.« LaToya stopfte sich einen Shrimp in den Mund.

Maggie bedeckte ihren Mund, um ihr Grinsen zu verbergen, aber Vanda war nicht so höflich. »Keine Vampire in New Orleans?«

»Verdammt.« LaToya stellte ihren Teller hin. »Vor diesen Monstern gibt es kein Entkommen.«

»Das sind keine Monster«, schmollte Tino.

»Du hast recht, Schatz.« Lara fuhr dem kleinen Jungen durch die Locken. »Sie sind echte Menschen. Und sie haben echte Gefühle.« Sie sah LaToya streng an. »Du verletzt Phineas' Gefühle. Das hat er nicht verdient.«

»In Ordnung. Ich lasse Graf Schwarz wissen, wie leid es mir tut.« Grollend marschierte sie davon.

Irgendetwas stimmt hier nicht, dachte Lara und wendete sich verwirrt Vanda und Maggie zu. »Das war zu einfach. Normalerweise ist sie viel sturer.«

»Vielleicht hat sie ihre Meinung geändert.« Maggie stand auf und sah sich in der Menge um. »Wo ist sie?«

»Da.« Lara deutete auf eine der Bars. »Sie hat gerade einen Vampir-Drink geholt.«

»Vielleicht bringt sie ihn Phineas«, überlegte Maggie. »Das wäre eine nette Geste.«

Vanda trat an das Buffet, um es sich genauer anzusehen. »Ich glaube nicht, dass sie ihm eine Friedensgabe bringen will. Die scharfe Sauce ist verschwunden.«

»Das rote Zeug?«, fragte Tino. »Ich habe gesehen, wie sie es genommen hat.«

»Ich muss sie aufhalten.« Lara rannte ihrer Mitbewohnerin hinterher.

»Wir sollten Phineas warnen.« Maggie suchte in der Menge nach ihm. »Kannst du ihn sehen?«

Auch Vanda sah sich im Ballsaal um und blickte dann nach unten, als etwas an ihrem Rock zog.

Constantine hatte ihren Rock in der Faust geballt und sah sie mit großen, sorgenvollen Augen an. »Passiert gleich etwas Schlimmes? Warum mag diese Lady Phineas nicht?«

»Sie kennt ihn nur nicht«, erklärte Vanda ihm. »Wenn sie ihn erst kennenlernt, bin ich mir sicher, wird sie ihn mögen.«

»Ich sehe ihn.« Maggie zeigte auf die Tanzfläche. »Er ist da drüben bei der Band.«

Schnell schenkte Vanda einen Becher Punsch ein und drückte ihn dem kleinen Jungen in die Hand. »Kannst du den deiner Mom bringen? Sie muss viel trinken.«

»Okay.« Tino ging auf die Tanzfläche zurück und trug dabei vorsichtig den Becher.

Maggie sah Vanda anerkennend an. »Du kannst tatsächlich gut mit Kindern umgehen.«

»Komm, wir müssen zu Phineas, ehe LaToya ihn findet.« Auf das Kompliment ging Vanda nicht ein.

Gerade als die beiden Frauen sich auf den Weg machen wollten, hatte Corky Courrant ihren großen Auftritt. Ihr Kameramann folgte ihr, die Kamera auf einer Schulter abgelegt, und filmte die ganze Szene.

»Oh, super«, murmelte Vanda. »Wer hat die eingeladen?«

»Sie berichtet von allen großen Partys.« Maggie zog Vanda hinter eine Topfpflanze. »Wenn sie dich sieht, kreischt sie gleich wieder rum.«

»Und? Ich habe keine Angst.« Vanda trat nach vorne.

Doch Maggie zog sie wieder zurück. »Sie wird versuchen, dich zu einem Kampf zu provozieren. Sie will, dass alle denken, du bist gewalttätig.«

»Ich bin gewalttätig.«

»Du willst doch hier keine Szene machen.« Maggie zerrte an ihrem Arm. »Damit ruinierst du Lara die Verlobungsfeier.«

Im selben Moment entdeckte Vanda LaToya auf der Tanzfläche, wo sie Phineas gerade einen Drink reichte. »Sieht aus, als würde jemand anders sie zuerst ruinieren.«

Wenigstens musste sie sich jetzt keine Sorgen machen, dass Corky sie entdeckte. Eine Gruppe gut angezogener Vampire hatte sich um die Reporterin geschart. Zweifellos hofften sie, in der nächsten Sendung zu erscheinen.

»Bedrängt mich nicht«, zischte Corky ihnen zu. Sie trug ein glitzerndes schwarzes Kleid mit einem tiefen Ausschnitt, der ihre enorme Oberweite präsentierte. Der funkelnde schwarze Rock reichte bis knapp unter ihre Knie.

War nicht einer der BHs, die sie manipuliert hatte, schwarz gewesen? Und schwarze Unterwäsche war auch dabei gewesen. Sie grinste Maggie verstohlen zu. »Corky zeigt heute Abend vielleicht mehr, als sie möchte.«

Maggie legte die Stirn in Falten. »Was meinst du damit?«

Hochnäsig wie immer posierte Corky vor der Kamera, während sie in ihr Mikrofon sprach. Ihre Stimme übertönte das leise Dröhnen der anderen. »Hier spricht Corky Courrant, Reporterin für ›Live with the Undead‹. Heute Abend nehme ich an der edlen Verlobungsfeier von Giacomo di Venezia teil, für seine engen Freunde, wie moi, Jack. In letzter Zeit hat es einige Gerüchte gegeben. Ich kenne natürlich die Wahrheit, also kann ich Ihnen bestätigen, dass Jack wirklich der Sohn des berühmten Verführers Giacomo Casanova ist.«

Corky setzte eine tragische Miene auf. »Ich fürchte allerdings, auch die anderen Gerüchte stimmen. Es bedrückt mich, Ihnen das sagen zu müssen, aber Jack ist wirklich unehelich geboren. Und er ist nicht nur ein Bastard, er hat sich auch für eine gemeine Sterbliche entschieden. Wieder einmal hat ein reicher Junggeselle der Vampirwelt Schande gemacht, indem er weit unter seiner Würde heiratet.«

»Das reicht.« Jack schob sich durch die Menge, um sich der Nachrichtensprecherin zu stellen. »Ich lasse nicht zu, dass meine zukünftige Frau beleidigt wird.«

»Jack!« Corky lächelte bösartig. »Wie nett von dir, mir ein Inter...«

»Aarrg!«, rief eine heisere Stimme. Glas zersprang auf der Tanzfläche.

Alle Gäste wirbelten herum, um zu sehen, was passiert war. Phineas war auf der Tanzfläche zusammengebrochen, seine Hände krallten sich an seinen Hals, und er wand sich vor Schmerzen. Lara kniete neben ihm, und LaToya eilte zum Ausgang.

»Er ist vergiftet worden!«, rief ein Schaulustiger.

Jack bahnte sich den Weg durch die Menge zu Phineas; Jean-Luc und Roman kamen ebenfalls angerannt. Flüsternd informierte Lara über den Vorfall, während das Gerücht von Gift sich schnell verbreitete.

»Wir werden angegriffen!«, rief ein männlicher Vampir. »Löst den Alarm aus!«

»Es sind die Malcontents!«, rief ein anderer. »Sie werden uns alle vergiften!«

Überall im Saal fielen Gläser zu Boden, und das Geräusch von zersplitterndem Glas wurde von Angstschreien untermalt. Wild gewordene Vampire trampelten auf den Eingang zu.

Connor blockierte die Tür mit gezogenem Breitschwert. »Niemand verlässt das Gelände, bis wir den Verantwortlichen gefunden haben.«

Die aufgebrachten Vampire schrien ihn an, andere scharten sich in Gruppen zusammen, kreischten und sahen sich wild um.

Vanda schüttelte den Kopf. Was für ein Haufen Feiglinge. Sie wollte gerade zu Connor gehen, um ihm zu sagen, was passiert war, aber da sah sie, wie Jack auf ihn zuging.

Corky stellte sich zu einer Gruppe kreischender Vampire und lächelte überglücklich in die Kamera. »Hier ist die Hölle ausgebrochen! Ich habe noch nie im Leben eine so desaströse Party erlebt!« Sie wedelte mit den Armen auf die Szene hinter sich.

»Heilige Maria und Joseph«, flüsterte Maggie. »Corky wird noch wochenlang davon berichten.«

Die Nachrichtensprecherin zeigte auf Phineas, der sich vor Schmerzen auf dem Boden wand. »Wird dieser arme Vampir sterben? Nach einem kurzen Einspieler meines Sponsors, Vampos, finden wir es heraus!«

»Kann ich mich hier bei euch verstecken?«, flüsterte plötzlich jemand hinter Vanda.

Sie drehte sich um und bemerkte LaToya, die hinter einer Topfpflanze kauerte.

»Schäm dich!« Maggie hätte schreien können vor Zorn. »Phineas hat echte Schmerzen.«

»Solche Schmerzen wollte ich ihm wirklich nicht zufügen. Ich wusste das nicht. Ich wollte nur, dass er mich in Ruhe lässt. Und jetzt, wo dieser schottische Typ den Eingang blockiert, kann ich nicht weg.«

»Du musst Connor sagen, was du angestellt hast. Alle glauben, die Malcontents greifen uns an.« Maggie konnte es immer noch nicht fassen.

»Ich glaube, Connor weiß es.« Vanda zeigte auf Jack und Connor, die miteinander flüsterten.

»Verdammt.« LaToya beobachtete Phineas, der immer noch auf dem Boden lag. »Ich hätte nicht gedacht, dass es ihm so wehtut. Ich meine, er ist tot. Wie viel schlimmer kann es werden?«

»Wir können verwundbarer sein, als die meisten sich vorstellen«, erklärte Maggie. »Die arme Vanda hier ist neulich fast gestorben, als eine Schlange sie angegriffen hat.«

Erschrocken sperrte LaToya den Mund auf. »Du meinst, ihr beide seid...?«

Ein breites Lächeln offenbarte Vandas Fangzähne.

»Oh, Mist.« LaToya rieb sich die Stirn. »Jetzt habe ich es wirklich geschafft.«

»Und wir sind wieder da!« Corkys Stimme erfüllte den Raum, als sie in ihr Mikrofon sprach. »Wie Sie sehen, ist der vergiftete Vampir nicht gestorben... noch nicht. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.«

»Miss Courrant.« Jack trat auf sie zu, und der Kameramann schwenkte, um ihn aufzunehmen. »Lassen Sie mich für die Akten feststellen, dass dies hier kein Angriff der Malcontents ist. Einer unserer Gäste hat aus Versehen ein wenig scharfe Sauce zu sich genommen. Das ist alles. Wir erwarten eine schnelle und vollkommene Heilung.«

Corky sah Jack zweifelnd an. »Und wenn es ein Angriff der Malcontents wäre, würdest du es zugeben? Sag die Wahrheit. Bedeutet eine so desaströse Verlobungsfeier nicht eine genauso desaströse Ehe?«

Jack erstarrte. »Natürlich nicht!«

»Die Beweise sind eindeutig. Deine Ehe ist verdammt!«

Schnapp!

Als einer der BH-Träger aus ihrem Oberteil sprang, zuckte Corky zusammen. Sie sah gerade hinab, als der zweite Träger sich löste und ihr mitten ins Gesicht schlug. Ihre schweren Brüste sackten hinab. »Ack!«

Die Menge, die noch Augenblicke vorher vor Angst gewimmert hatte, brach in Gelächter aus.

»Hört auf! Ich kann euch alle ruinieren!« Verzweifelt versuchte Corky, ihre Brüste zu bedecken, und starrte den Kameramann wütend an. »Cut!«

Maggie keuchte und drehte sich zu Vanda um. »Was hast du gemacht?«

»Ich habe sie zu Fall gebracht.« Sie trat vor, um einen besseren Blick zu bekommen. »Und wenn wir Glück haben...«

»Aaagh!« Corkys schwarze Unterhose rutschte ihr auf die Knöchel. Ihr Gesicht wurde rot vor Wut, als sie in die kichernde Menge sah. »Irgendjemand hat mir das angetan! Ich finde dich, und du wirst dafür bezahlen!«

Ein starker Arm griff rasch nach Vanda und zog sie rückwärts.

Sie stolperte. »Phil! Was machst du hier?«

»Was machst du, Vanda?« Mittlerweile schleuderte Corky einzelnen Schaulustigen Beleidigungen entgegen. »Lass dich nicht von ihr sehen. Sie wird wissen, dass du es warst.« Er zog sie mit sich.

»Ich habe keine Angst vor ihr. Und wohin bringst du mich?«

»Hinter der Bühne ist ein Notausgang.«

Erfolglos versuchte Vanda, ihre Hacken in den Boden zu graben, aber ihre Stilettos wackelten bloß. »Ich gehe nirgends mit dir hin.«

Er warf ihr einen amüsierten Blick zu. »Hast du Angst vor mir?«

»Bestimmt nicht.« Oh doch. Immer, wenn sie allein mit ihm war, verlor sie alle Selbstbeherrschung.

Sie stahlen sich durch schwingende Doppeltüren in einen leeren Korridor. »Hier entlang.«

»Versuch bloß nicht noch einmal, mich zu küssen. Das ist verboten. Wenn ich petze, bekommst du jede Menge Ärger.«

»Ich könnte dich auch so hingebungsvoll nehmen, dass du nach mehr bettelst.«

»Ha! Ich bettele nie um irgendwas.« Ganz unerwartet blieb er stehen und zog sie so schnell in seine Arme, dass sie gegen seine harte Brust prallte. Sie schnappte nach Luft, und ihr Herz schlug auf Hochtouren. Phil beugte sich vor. Sein Atem brannte heiß auf ihrer Stirn. »Sag niemals nie, Süße. Es gefällt dir, mich zu küssen.«

»Gar nicht.« Oh Gott, er fühlte sich so gut an. Seine Lippen glitten an ihrem Wangenknochen entlang. »Vor Jahren warst du verboten, und ich habe mich an die Regeln gehalten. Ich war jung und dumm. Jetzt nicht mehr.« Er vergrub seine Nase an ihrem Hals.

»Phil«, flüsterte sie und presste sich an ihn. Er war so stark und warm.

»Wir brauchen die Regeln nicht. Wir sind Rebellen.« Er saugte an ihrem Ohrläppchen.

»Ja.« Sie schlang ihre Arme um seinen Hals. »Küss mich. Jetzt.«

Es war unmöglich für Phil, seine Freude zu verbergen. »Bettelst du?«

»Nein.« Wie konnte er es wagen, so zu denken? »Ich werde dich zum Betteln bringen.«

»Ich dachte, das tue ich schon. Aber erst haben wir noch etwas zu erledigen.« Er nahm Vanda an die Hand und führte sie weiter den Korridor hinab. »Was zu erledigen?«

Als sie am Konferenzzimmer angekommen waren, öffnete er die Tür und zog sie hinein. »Deine erste Lektion in Wutbewältigung.«

»Meine was?« Ihr eigenes Bild prangte ihr auf einem Monitor entgegen. Vanda erstarrte.

»Guten Abend, mein Kind.« Father Andrew stand neben einem Konferenztisch.

Phil hatte ihr Interview dem Priester gezeigt? Wie konnte er ihr das antun? Ungeheure Wut machte sich in ihr breit.

Ohne weiter nachzudenken, ergriff sie einen Stuhl. »Ihr wollt Wut? Ich gebe euch Wut! Bewältigt das!«