15. 

 

blumeNach der Erschöpfung war das Fieber gekommen, heftig wie ein Gewittersturm. Moiras Haut glühte, ihre Lippen waren trocken und aufgesprungen. Kleine Schweißtropfen glitzerten auf Stirn und Oberlippe, ihre Brust hob und senkte sich hastig. Alistair saß neben dem Ehebett und betrachtete die Frau, mit der er nun seit über einem Jahr verheiratet war. Unter der Decke zeichneten sich die Konturen ihres Körpers ab – die schmalen Hüften, die kleinen Brüste. In den vergangenen Stunden war er kaum von ihrer Seite gewichen, allerdings weniger aus Sorge oder Liebe, sondern weil er nicht wusste, wohin mit seiner Wut. Und weil ihr Zustand so kritisch war, dass sie jederzeit ärztliche Hilfe benötigen konnte. 

Sie hatte ein Kind verloren. Wessen Kind? Wohl kaum seines, so lange, wie sie schon nicht mehr unter ihm gelegen hatte. Er hatte bereits vor Monaten die Hoffnung auf einen Nachkommen aufgegeben – und damit auch die wenig befriedigende Tätigkeit des körperlichen Aktes. Wie lange war sie schon in anderen Umständen gewesen? Er hatte keine Anzeichen einer Schwangerschaft bei ihr bemerkt, aber das hatte nicht viel zu bedeuten. Frauen sah man mitunter lange nichts an, und es war eine ganze Weile her, seit er seine Frau unbekleidet gesehen hatte. Eigentlich noch nie, wenn er es recht bedachte. 

Konnte es an ihm liegen? Konnte er derjenige sein, dessen Same zu schwach war, um ein Kind zu zeugen? Dieser Gedanke gesellte sich zu den anderen, die ihn seit Tagen quälten. Die Platzwunde an seinem Hinterkopf begann wieder zu pochen und rief ihm erneut jenen unsäglichen Moment ins Gedächtnis, als seine Welt zusammengebrochen war. Was er auf dem Heuboden gesehen hatte, bevor er von der Leiter fiel, war so unglaublich, so unfassbar gewesen, dass er einige Augenblicke gebraucht hatte, um die ganze Tragweite zu begreifen. Aber es war tatsächlich Moira, die dort oben im Heu gelegen hatte, den Rock bis über die Hüften hinaufgeschoben, O’Sullivans Kopf zwischen ihren entblößten Schenkeln. 

Wie lange ging das schon mit den beiden? Wie lange betrogen sie ihn schon? Und wieso hatte er nie etwas davon bemerkt? Weil er blind gewesen war, gab er sich selbst die harte Antwort. Und weil er in seiner Vernarrtheit in O’Sullivan die Wahrheit nicht hatte sehen wollen. 

Der junge Sträfling hatte ihn bitter enttäuscht, und das, nachdem er so große Stücke auf ihn gehalten hatte. Sobald Moira vernehmungsfähig wäre, würde man O’Sullivan verurteilen und dann angemessen bestrafen. Doch selbst jetzt, nach all dem, was sein Gehilfe ihm angetan hatte, regte sich Verlangen in Alistairs Lenden. Angewidert von sich selbst ballte er die Fäuste. 

Seit jeher hatte er seine Schwäche für junge hübsche Männer verdammt. Aber nie hatte er sich erlaubt, dieser schändlichen Neigung nachzugeben. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, hätte man ihn bei sodomitischen Umtrieben erwischt: Gefängnis, hohe Geldstrafen, Pranger oder sogar die Hinrichtung. Ganz zu schweigen davon, dass sein Ruf als angesehener Arzt, den er sich nach dem Studium aufgebaut hatte, vollkommen ruiniert gewesen wäre. Und so hatte er ein unauffälliges Leben geführt, hatte tagsüber Patienten in seiner Praxis empfangen und war abends manchmal in den Club gegangen. Aber meist war er zu Hause geblieben und hatte sich der Korrespondenz und seinen medizinischen Zeitschriften gewidmet. 

Lange hatte er nicht die Notwendigkeit einer Vermählung gesehen. Erst als sein kinderloser Onkel überraschend starb und nichts von ihm blieb als ein Name auf einem Grabstein, kam Alistair ins Grübeln über sein eigenes Leben. Er wollte einen Erben. Einen Sohn, der sein Lebenswerk weiterführen würde. Schnell fand sich sogar eine heiratswillige Kandidatin: Victoria, die Schwester eines Bekannten aus dem Club, eine ehemalige Gouvernante von freundlicher, zurückhaltender Erscheinung. 

Zu seiner großen Erleichterung gefiel Alistair das Leben als Ehemann. Frauen erregten ihn zwar nicht, aber er war durchaus in der Lage, geschlechtlich mit ihnen zu verkehren. Und so vollzog er die ehelichen Pflichten zwar ohne Leidenschaft, doch mit Ausdauer. So lange, bis er feststellen musste, dass seine Bemühungen keinen Erfolg hatten. Nach Victorias erster großer Enttäuschung, dass sie offenbar zu alt für die Mutterschaft war, fügte sie sich in die Umstände und in ihre Rolle als Ehefrau eines Arztes. Sie widersprach ihrem Mann selten und schien ihn trotz seines Hangs zur Eigenbrötelei zu schätzen, ja gar zu lieben. So hätte es weitergehen können, wenn Alistair nicht eines Tages jenen verhängnisvollen Fehler begangen hätte. 

Wäre er doch nie auf diesen Maskenball gegangen! Er war ohnehin kein Freund leichter Unterhaltung, und die frivole Freizügigkeit solcher Veranstaltungen reizte ihn normalerweise nicht. Aber an diesem Abend hatte er sich der Einladung eines einflussreichen Clubmitglieds nicht entziehen können. Victoria, die sich genauso wenig aus diesen Feiern machte, hatte sich ihm zuliebe ein Kostüm nach Art eines weißen Schwans besorgt. Am Abend des Balls war sie jedoch unpässlich, so dass sich Alistair, angetan mit einer dunklen Pfauenmaske, allein auf den Weg zum Ball machte. 

Dort, unter maskengeschmückten Gesichtern und verkleideten Gestalten, hatte er ihn kennengelernt. Bis heute wusste Alistair nicht, wie der andere hieß oder wer er war. Es war Verstehen auf den ersten Blick aus jenen stahlblauen Augen hinter der Maske gewesen. Noch nie hatte er bei einer Frau Ähnliches empfunden. Sie hatten kaum miteinander gesprochen, so sehr war Alistair von diesen Augen, diesem sinnlichen Mund angezogen. Er trank sich satt am Anblick des anderen, wagte einen wortlosen Flirt, genoss das Spiel mit dem Feuer, bis sie sich schließlich in einen der oberen Räume zurückzogen, die für Vergnügungen jeglicher Art vorgesehen waren. 

Er hatte getrunken. Zu viel. Nur so konnte Alistair es sich später erklären, dass er zum ersten und einzigen Mal in seinem Leben seinen Neigungen nachgegeben hatte. Und welche Wonnen es ihm bereitete, den herben Moschusduft zu riechen, männliches Fleisch unter sich zu spüren, den anderen stöhnen zu lassen! Dann wechselten sie, atemlos, erhitzt vom verbotenen Spiel, und diesmal war es Alistair, der seine Lust ins Kissen schrie, als sein Gespiele ihn eroberte. Während der andere sich in ihm bewegte, glaubte Alistair, etwas aus dem Augenwinkel zu sehen, einen weißen Schatten in der Türöffnung. Aber in diesem Moment legten sich die Finger seines Partners um sein Geschlecht, und vergessen war alles andere. 

Als sie sich danach wieder ankleideten, bemerkte Alistair, dass die Tür nicht verschlossen war. Auf der Schwelle lag eine weiße Schwanenfeder. 

Der Abend schmeckte plötzlich schal. Er wollte nur noch nach Hause. Lange musste er auf eine Kutsche warten, und als sie endlich kam, trieb er den Fuhrmann an, sich zu beeilen. Noch im Wagen riss er sich die Maske vom Gesicht, stolperte, kaum dass sie angekommen waren, ins Freie, zahlte dem Fuhrmann einen unerhörten Lohn und öffnete die Haustür mit zitternden Fingern. Victorias Rosenduft schwebte in der Luft, die weiße Schwanenmaske mit den vielen Federn lag im Hausflur. Die Tür zu seinem Sprechzimmer war offen. Angstvoll trat er ein, sah die aufgeklappte Medikamentenkiste, das leere Fach, in dem er sonst die Flaschen mit dem Laudanum verwahrte. 

Sie lag im Schlafzimmer auf dem Ehebett, noch im Schwanenkostüm, eine Hand auf der Brust, die andere war herabgeglitten. Die Droge hatte schnell gewirkt. Victorias Haut wies bereits jene Blässe auf, die nur der Tod verursachte. Auf dem Nachttisch lag ein Brief, an ihn adressiert. Alistair hatte ihn mittlerweile so oft gelesen, dass er die wenigen, hastig hingekritzelten Zeilen voller Anklagen und Vorwürfe auswendig aufsagen konnte. Den Rest reimte er sich selbst zusammen. 

Offenbar war sie ihrem Mann, dem diese gesellschaftliche Verpflichtung so wichtig gewesen war, gefolgt. Als sie ihn bei den Feiernden nicht gefunden hatte, war sie wohl nach oben gegangen. Und dort musste sie ihn bei seiner widernatürlichen Unzucht gesehen haben, musste ihn an dem großen Muttermal an seinem Knöchel erkannt haben. 

Wieso war sie doch noch auf den Ball gegangen? Wieso hatte sie ihn gesucht? Aber diese Fragen führten zu nichts, auch wenn Alistair sie sich immer wieder gestellt hatte. Es zählte einzig und allein, was sie gesehen hatte. Und dass sie lieber den Tod gewählt hatte, als mit der Schande leben zu müssen, jemanden zum Ehemann zu haben, der jener schrecklichen Sünde der Sodomie frönte. 

Wenigstens war es ihm gelungen, Victorias Selbstmord als ein Versehen hinzustellen. Sie habe etwas gegen ihre Kopfschmerzen nehmen wollen und sich in der Dosierung vertan, behauptete er. Die Zeitungen zweifelten nicht an seiner Version der Geschichte. Dafür haftete ihm jetzt der Makel an, seine Medikamente zu nachlässig zu verwahren und damit ein furchtbares Unglück heraufbeschworen zu haben. Sein guter Ruf war dahin. 

Und nun spielte das Schicksal erneut sein Spiel mit ihm. Hatte er nicht etwas ganz Ähnliches ansehen müssen wie Victoria damals? Aber er war nicht Victoria. Und so einfach ließ sich ein Dr. Alistair McIntyre keine Hörner aufsetzen. Er würde sich nicht zum Gespött der Leute machen lassen, indem es hieß, seine Frau sei mit einem Sträfling durchgebrannt. Zum Glück wussten nur vier Menschen davon: er selbst, Moira, O’Sullivan und Ann. Und die gute Ann war ihm treu ergeben. Sie war es gewesen, die ins Kutschenhaus gekommen war und ihn befreit hatte, keine fünf Minuten, nachdem die beiden Ehebrecher ihn dort gefesselt und geknebelt zurückgelassen hatten. 

Und dafür würden sie büßen. Alle beide. 

* 

Die Welt war eine Flasche, angefüllt mit Qual. Moira schwebte haltlos darin umher, Wogen von Schmerz flossen über sie, durch sie hindurch wie die Gezeiten eines fremden Meeres. Dahinter Stimmen, undeutlich, wie durch Glas. 

Schlaf. 

»Nicht aufgeben, Moira. Wir sind bald da!« Diese eine Stimme war anders. Klarer. Oder existierte sie nur in ihrer Erinnerung? 

Duncan …? 

Der Geruch des Pferdeleibs, auf dem sie lag. Ein sanftes Schaukeln, weiches Fell unter ihrer Wange. Wasser auf ihrer Haut. 

Kälte. Hunger. Duncan. »Ich bringe dich zurück.« 

Das entsetzliche Gefühl von Verlust. Sie hatte etwas verloren. Aber was? Wann immer sie den Gedanken zu erhaschen versuchte, entglitt er ihr. 

Schlaf. 

Hitze, die sie von innen heraus zu verbrennen schien. Durst. Schmerzen. 

»Geht es ihr besser?« 

Eine lange Pause. Oder war sie wieder eingeschlafen? 

»Etwas.« 

Schlaf. 

Gemurmelte Stimmen. Eine weibliche. Ängstlich, fast panisch. Eine männliche, erst beruhigend, dann zunehmend ungehalten. Ein Schrei, erst leise, wie weit entfernt, dann anschwellend, bis er sich zu einem schrillen Kreischen steigerte, um plötzlich wimmernd abzubrechen. Der Schrei einer Frau. Ann? 

Schlaf. 

Hände, die sie anfassten, die sie wuschen, die sie abtrockneten. 

Wieder Schlaf. 

* 

»Sir! Sir, sie wacht auf!« 

Ein Becherrand berührte ihre Lippen. »Ma’am, trinkt das, das wird Euch guttun.« Sie schluckte, erst mühsam, dann immer leichter. Es war warm und schmeckte nach Brühe. 

»Ich habe geträumt …« Schwerfällig kamen ihr die Worte über die Lippen. Mit geschlossenen Augen versuchte sie dem Traum nachzuspüren. »Ich träumte, ich hätte ein Kind … verloren. Und ich wäre zurück in … Toongabbie.« 

»Das war kein Traum, Ma’am.« Sie kannte die leise Stimme neben ihr, auch wenn sie sich leicht verwaschen anhörte. 

Als sie langsam die Augen öffnete, blendete sie helles Licht. Sie blinzelte, bis sich ihre Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten. Neben ihr stand Ann, eine Suppentasse in der Hand. Ihre rechte Gesichtshälfte war geschwollen. Vage erinnerte Moira sich an einen Schrei. Vom Zahnziehen? 

»Kein Traum?«, murmelte sie benommen. Ihr Blick fiel auf eine weiß getünchte Wand, eine Tür. Sie war in ihrer Schlafkammer, in ihrem Ehebett. 

Ein Schatten betrat den Raum. »Geh! Lass uns allein!« 

McIntyre. Moira fröstelte. Noch begriff sie nur schemenhaft, was geschehen war. Doch dann, plötzlich, war alles wieder da. Die Flucht. Die Entbehrungen. Die Fehlgeburt. Eine kalte Hand griff nach ihrem Herz. 

McIntyre blieb neben dem Bett stehen. Mit zwei Fingern rieb er sich die Augen, die tief in den Höhlen lagen, dann setzte er seine Brille auf. 

»Schmerzen?« Er schlug die Decke zurück. 

»Ein wenig«, flüsterte Moira. Ihr war kalt, jetzt, da die warme Decke fort war. Ihre Brustwarzen zogen sich zusammen, Gänsehaut lief über ihren Körper, als McIntyre begann, ihren Unterleib durch das Nachthemd hindurch abzutasten. 

»Du hattest einen abortus incompletus. Es sind Teile der placenta im uterus zurückgeblieben, die die Blutung verursacht haben. Ich habe eine abrasio durchgeführt. Damit ist die Gefahr einer weiteren Blutung gebannt. Allerdings ist unsicher, ob du weitere Kinder bekommen kannst.« 

Moira schluckte. Sein sachlich-kalter Tonfall mit den vielen unverständlichen Ausdrücken verunsicherte sie mehr, als wenn er sie angeschrien hätte. Und was hatte er da von Kindern gesagt? 

Endlich deckte er sie wieder zu. Er nahm einen Becher mit Wasser vom Nachttisch, gab ein paar Tropfen hinein und reichte ihn ihr. »Trink das. Für die nächsten zwei Tage ist absolute Bettruhe angesagt.« 

Sie wollte etwas sagen, wollte ihn auffordern, auszusprechen, was er dachte, aber sie fühlte sich unglaublich schwach und klein. Und so nahm sie nur den Becher und trank die bittere Medizin. 

Sie würde alles ertragen können. Jeden Vorwurf, jede Strafpredigt. Am Ende würde McIntyre wahrscheinlich die Scheidung verlangen oder sie zumindest verstoßen. Damit würde sie irgendwie leben können. Wenn sie ihn nur nicht länger ertragen musste. 

Wieso sagte er nichts? Wieso schrie er sie nicht an oder machte ihr zumindest Vorwürfe? Und wieso sagte er kein Wort über Duncan? 

»Wo ist er?«, brachte sie stockend hervor. 

»Wer?« 

»Duncan.« Ihre Stimme drohte zu brechen. »O’Sullivan. Was ist mit ihm?« Angst kroch kalt in ihrem Magen hoch. 

McIntyre nahm den einzigen Stuhl im Raum und setzte sich. »Man hat ihn nach Parramatta gebracht. Ins Gefängnis.« Ihm war keine Regung anzusehen. »Nächste Woche findet die Verhandlung statt.« 

Ein Schauer überlief sie. Sie wollte etwas sagen, wollte mehr wissen, aber noch bevor sie auch nur eine Silbe herausbrachte, war sie schon wieder weggedämmert. 

Als sie erneut zu sich kam, saß Ann auf dem Stuhl und nähte an einem Hemdsaum. Moira blinzelte kurz und schloss dann wieder die Augen. Mit einem scharfen Stich der Angst kehrte die Erinnerung an McIntyres Worte zurück. 

Duncan war im Gefängnis. Nächste Woche sollte die Verhandlung stattfinden. Wenn es eine Verhandlung gab, würden sie es nicht bei ein paar Peitschenhieben belassen. Größere Delikte durften nicht willkürlich bestraft, sondern mussten vor Gericht verhandelt werden. Was würde Duncan für den Fluchtversuch erwarten? Fitzgerald, den rothaarigen Hünen, hatten sie ausgepeitscht und um ein Haar nach Norfolk Island geschickt. Aber Fitzgerald war ein Unruhestifter und Lebenslänglicher. Bei Duncan lag der Fall ganz anders, und hier zählten doch sicher auch mildernde Umstände. Schließlich hatte er sie zurückgebracht und ihr damit das Leben gerettet. 

»Ann«, flüsterte sie. »Hol den Doktor.« 

Sofort ließ Ann das Nähzeug sinken und sprang auf. 

»Ich werde aussagen«, erklärte Moira, als McIntyre die Schlafkammer betrat. 

McIntyre nickte. »Sicher, das wirst du. Aber so, wie ich es will.« Kurz verzerrte sich sein Gesicht, als hätte er Schmerzen, dann glätteten sich seine Züge wieder. »Du wirst aussagen, dass er dich gegen deinen Willen entführt hat. Dass er dich in die Wildnis geschleppt hat, um –« 

»Aber das ist nicht wahr!« Moira richtete sich im Bett auf. Sofort schoss ein scharfer Schmerz durch ihren Unterleib. 

»Lass mich gefälligst ausreden! Dass er dich in die Wildnis geschleppt hat, um Lösegeld zu erpressen. Es war einzig und allein seine Schuld.« 

»Aber … so war es nicht! Er hat mich sogar gerettet. Er hat –« 

»Dich entführt!«, fiel McIntyre ihr ins Wort. »Das und nichts anderes wirst du aussagen.« 

Allmählich verstand Moira seinen perfiden Plan. Er wollte alle Verantwortung auf Duncan abladen. Dann gäbe es keinen Skandal, niemand würde etwas von dem Ehebruch erfahren, und McIntyres Ruf bliebe unbefleckt, genau wie der ihre. Aber Duncan würde sich nicht nur wegen Flucht, sondern auch wegen Entführung verantworten müssen. Ein Eisklumpen ballte sich in ihrem Bauch zusammen. 

Sie schüttelte den Kopf. »Das werde ich nicht. Dazu könnt Ihr mich nicht zwingen!« 

McIntyre lächelte grimmig. »Doch, Weib, das kann ich. Solltest du nicht in meinem Sinne aussagen, werde ich dem Gericht erzählen müssen, dass O’Sullivan nicht nur ein flüchtiger Sträfling und Entführer ist, sondern auch ein Dieb. Er hat schließlich den Karren, meine Arzttasche und das Pferd gestohlen. Und ich bin sicher, du weißt, was das für ihn bedeuten würde.« 

Ja, das wusste sie. Im englischen Recht zählte das Eigentum mehr als das Leben. Es konnte geschehen, dass ein Totschläger mit einer Gefängnisstrafe davonkam, während der Diebstahl von Gütern, die mehr als fünf Shilling wert waren, mit dem Tode bestraft wurde. 

Ihr ganzer Körper gefror zu Eis. Wenn McIntyre seine Drohung wahrmachte, würden sie Duncan hängen.