14. 

 

blumeIhr war heiß. Ihr war kalt. Dann spürte sie, wie es warm und feucht ihre Schenkel herunterrann. Warm wie Blut. Moira blickte unter sich und sah eine blutige Lache. Entsetzt keuchte sie auf, als sie auch schon der nächste Krampf zusammenfahren ließ. 

»Was ist los? Was fehlt dir denn?«, stieß Duncan erschrocken hervor. 

»Das Kind«, stöhnte sie. »Ich glaube, ich verliere das Kind!« 

»Welches Kind?« Dann glomm Verstehen in seinen Zügen auf, und für einen winzigen Augenblick glaubte sie, einen Anflug freudiger Überraschung über sein Gesicht huschen zu sehen. Gleich darauf wurde er von Sorge überlagert. »Unseres?« 

Moira nickte unter Schmerzen. »Es … es tut mir leid. Ich … ich wollte es dir sagen, aber –« 

»Es ist gut«, sagte er leise und kniete sich neben sie. »Was soll ich tun?« So hilflos hatte sie ihn noch nie erlebt. 

»Ich weiß es nicht! Ich bin doch kein Arzt!« 

Sie fürchtete sich. Aber sie verbot sich, es auszusprechen. Wenn sie es nicht aussprach, würde alles gut werden. Und für einen kurzen, aberwitzigen Moment wünschte sie sich tatsächlich zurück nach Toongabbie, zurück zu McIntyre, der sicher am besten wusste, was in einer solchen Situation zu tun war. 

»Es hört bestimmt gleich wieder auf«, murmelte sie, um sich Mut zuzusprechen. Sie fasste nach Duncans Hand. »Bleib bei mir!« 

Er half ihr, McIntyres Mantel auszuziehen, und legte den schweren Stoff schützend um sie. Ein weiterer Krampf durchschoss sie. Stöhnend wand sie sich, dann spürte sie, wie etwas Winziges von innen, nach unten gegen sie drängte. Sie presste die Beine zusammen, wollte es zurückhalten, es hindern, ihren warmen, schützenden Körper zu verlassen. Mit aller Macht versuchte sie, sich dagegen zu stellen. Sie wollte dieses Kind nicht verlieren! Schluchzend legte sie die Arme um den Leib und krümmte sich zusammen, als könnte sie es damit festhalten. Doch mit jeder neuen krampfartigen Welle wurde der Drang stärker, warf sie herum, schüttelte sie, bis sie erschöpft nachgab, ihre Beine öffnete und wimmernd einen kleinen Klumpen Fleisch gebar. 

Sie wagte nicht, Duncan anzusehen. »Es ist vorbei«, flüsterte sie mit trockenen Lippen. 

Sie zitterte. Langsam ließ sie sich zur Seite sinken. Ihr war kalt, und sie war dankbar, als Duncan noch etwas Warmes über sie breitete. Es dauerte, bis sie erkannte, dass es sein Rock war. Wo war sie hier? Ach ja, in den Bergen. 

»Ruh dich aus«, hörte sie seine Stimme wie aus weiter Ferne. 

Ihr war ein wenig schwindelig, aber sie war froh, dass die Schmerzen bis auf ein leichtes Ziehen aufgehört hatten. Warm floss es aus ihr heraus. Sie schloss die Augen. Nur einen kleinen Augenblick. Sie wollte nur einen kleinen Augenblick ausruhen, dann würde sie wieder aufstehen. Sie war so müde, so müde … 

* 

So schwach hatte er Moira noch nie gesehen. Wenigstens hatten die Krämpfe nachgelassen. Still lag sie unter seinem Rock und McIntyres Mantel. Ihr Gesicht unter dem schwarzen Haarschopf war bleich und wirkte ein wenig spitz. Sie hatte die Augen geschlossen und schlief. Gut so. Sie musste wieder zu Kräften kommen. Sanft strich er über ihre Stirn und wischte die feinen Schweißtröpfchen ab. 

In der rötlichen Lache lag ein kleiner Klumpen aus geronnenem Blut. Duncan konnte etwas wie eine Art Haut erkennen, einen Sack, der etwas umschloss. Er nahm einen Zweig vom Boden und tippte das Säckchen vorsichtig an. Das hautähnliche Gespinst zerriss und gab den Blick auf den Inhalt frei. 

Duncan wurde die Kehle eng. Das kleinste Kind, das er je gesehen hatte, war ein wenige Tage alter Säugling gewesen, den Vater Mahoney getauft hatte. Damals war er fasziniert gewesen von den kleinen Händen und Füßen, dem verknitterten Gesicht. Doch das war nichts gegen das, was er jetzt sah. Ein winziger, unfertiger Körper lag da vor ihm, gerade so lang wie sein kleiner Finger, mit einem im Verhältnis zu seiner Größe riesigen Kopf und kümmerlichen Gliedmaßen, die aussahen, als hätten sie sich bis eben noch bewegt. Sein Kind. Ein Teil von ihm, der nicht leben durfte. Es tat weh, und doch konnte er den Blick nicht abwenden von der winzigen Gestalt mit den gekrümmten Beinchen. Dieses Kind hatte in Moira gelebt. 

Ob er es berühren konnte? Er streckte die Hand aus, strich unendlich behutsam über die durchscheinende Haut des toten Wesens. Für einen Moment glaubte er, das leblose Körperchen hätte sich bewegt. Aber es war nur sein eigener Atem gewesen. 

Hatte ein so kleines Kind bereits eine unsterbliche Seele? Duncan glaubte sich zu erinnern, dass die Seele mit dem vierzigsten Tag in ein Ungeborenes fuhr. Wie alt war dieses Kind? Wohl höchstens drei Monate. Alt genug, um eine Seele zu haben. Die Seelen ungetaufter Kinder kamen in den Limbus, eine Art Vorhölle, wo sie Gott nie sehen würden. Hatte Vater Mahoney ihm nicht einmal erzählt, in einer Notlage dürfe ein jeder Christ die Taufe vornehmen? Nun, dies war eine Notlage. Er warf einen Blick auf die schlafende Moira. Sie hatte sicher nichts dagegen. 

In der Ferne grollte Donner, dann fielen die ersten Tropfen. Wasser. Gut, das würde für seine Zwecke reichen müssen. Behutsam legte er den winzigen Klumpen Mensch auf seine linke Handfläche und hielt ihn in den Regen. Dann schlug er feierlich das Kreuzzeichen darüber. 

»Ich taufe dich im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes«, murmelte er. Ob er dem Kind auch einen Namen geben sollte? Nein. Gott würde es sicher auch ohne aufnehmen. 

Er grub mit bloßen Händen ein Loch in die weiche Erde. Dann packte er ein paar von den dunklen Blättern eines Busches hinein, legte den kleinen Körper darauf und bedeckte ihn wieder mit Blattwerk und Erde. 

Der Regen nahm zu, prasselte nieder wie Sandkörner. Duncans Blick ging wieder zu Moira. Er würde sie unter die Bäume bringen. Hier war sie dem Regen zu sehr ausgesetzt. 

Bewegungslos wie eine Puppe lag sie da. Der Regen mischte sich mit der blutigen Lache neben ihr, bildete Rinnsale. Der kupfrige Geruch des Blutes verursachte ihm Übelkeit. 

»Moira?« Sie rührte sich nicht, zeigte mit keiner Regung, dass sie ihn gehört hatte. Er rüttelte sie sanft. »Moira?« 

Sie lag so schrecklich still da. Und der Geruch nach Kupfer war stärker geworden. Er schlug Rock und Mantel über ihr zurück. 

Sie schwamm in Blut. 

»O nein, nein!« Entsetzt schüttelte er sie. »Moira, bitte! Bleib bei mir!« 

Lähmende Angst kroch in seine Eingeweide. Bitte, Gott … Sie atmete, wenn auch nur schwach und leicht wie ein Vögelchen. Er kniete sich neben sie, richtete ihren Oberkörper auf, umarmte sie. Sie rührte sich nicht. 

Dann nahm er im Augenwinkel eine Bewegung wahr. Aus dem Schatten der Bäume löste sich eine Gestalt. 

* 

Nachdem die Ahnen die Welt geschaffen hatten, verwandelten sie sich in Berge, in Wasserlöcher und in Sterne. Jetzt lebten sie in den Bäumen, den Felsen, sogar in dem Regen, der gerade vom Himmel fiel. 

Seit Tagen folgte Ningali den beiden, Mo-Ra und dem Mann, der sich Dan-Kin nannte. Die Großmutter hatte Ningali Geduld gelehrt. »Deine Zeit wird kommen«, hatte sie gesagt. Die Großmutter war weise. Aber jetzt war etwas passiert, was sie nicht vorhergesehen hatte. Das Geistkind, das sich in Mo-Ras Körper eingenistet hatte, war zurückgekehrt in den Teich der Seelen und hatte nur seine tote Hülle zurückgelassen. 

Versteckt von dem dichten Blattwerk hatte Ningali zugesehen, wie Dan-Kin ein kurzes Ritual über dem toten Körper ausgeführt und ihn anschließend im heiligen Boden begraben hatte. War auch er ein Schamane, wie die Großmutter? Doch jetzt stand Mo-Ras Geist nah an der Grenze zur Welt der Toten. 

Ningali wusste, was sie tun musste. Sie legte dem Dingo, der sie stets wie ein Schatten begleitete, die Hand auf den Rücken zum Zeichen, sich nicht von der Stelle zu bewegen. Er gehorchte ihr trotz des Blutgeruchs. Es war an der Zeit, sich zu zeigen. 

Als sie aus den Büschen hervortrat, schreckte Dan-Kin auf, die Augen weit vor Überraschung. 

»July?« So nannte Mo-Ra sie. Es war ein guter Name, auch wenn es nicht ihr eigener war. 

Als sie Worte formte, reagierte er mit weniger Verblüffung, als sie erwartet hatte. Sie sprach nur selten. Sprechen war lästig. Aber diesmal war es notwendig. 

»Komm mit«, sagte sie in der Sprache der Eora und winkte auffordernd. Mit Gesten und Worten versuchte sie ihm zu erklären, dass sie ihn zu den Ihren bringen wollte. Dort würden sie Mo-Ra helfen. Die Großmutter. Der Vater. Die anderen Mütter und Väter. 

Er schien begriffen zu haben, denn er erhob sich, so langsam, als drücke ihn eine schwere Last nieder. Ningali blickte ihm nach. Er ging zu dem großen braunen Tier mit den dünnen Beinen, dem Pferd, und blieb dort stehen, den Kopf mit geschlossenen Augen gegen den Hals des Tieres gelehnt, mit einem Ausdruck, den Ningali nur schwer deuten konnte. In seinen fremdartigen Zügen konnte sie nicht so gut lesen wie in denen ihres Volkes. Regen lief ihm über das Gesicht. Dann straffte er sich, band das Tier los und führte es zu Mo-Ra. 

So nah war Ningali einem Pferd noch nie gewesen. Das Tier war groß, aber es schien friedlich zu sein. Ningali streckte ihm vorsichtig die Hand hin und ließ es daran schnüffeln. Es hatte dunkle Augen wie ein Känguru, lange Wimpern und weiche Lippen. Kurz stampfte es mit einem Bein, dann hielt es still, als Dan-Kin versuchte, Mo-Ra so auf den Rücken des Tieres zu legen, dass sie nicht herunterrutschte. Es gelang ihm erst, als Ningali ihm dabei half. Mit Schnüren aus Gras und Fasern, von denen Ningali stets ein paar bei sich trug, banden sie Mo-Ra auf dem Tier fest. Als sie fertig waren, nickte sie und bedeutete Dan-Kin, ihr mit dem Pferd und Mo-Ra zu folgen, dann wandte sie sich dem Wald zu. 

Sie blickte sich erst um, als sie seine Schritte nicht hinter sich hörte – und sah fassungslos, dass er in die entgegengesetzte Richtung ging, dem Fluss zu. Nein! Was tat er da? 

Zum ersten Mal durchströmte sie Verzweiflung. Hatte er sie denn nicht verstanden? Sie lief ihm hinterher, zog an seinem Hemd, um ihn zum Anhalten aufzufordern, und deutete in Richtung Wald. 

»Nein!«, stieß sie eines der wenigen Worte aus, die sie von der Sprache der Weißen kannte. Es schmeckte fremd in ihrem Mund. Und es hatte nicht die geringste Wirkung. Er machte sich von ihr los und schüttelte den Kopf. Dann sagte er etwas, von dessen Inhalt Ningali kaum etwas begriff. Nur so viel verstand sie: Er würde nicht mit ihr kommen. 

* 

Moira war nicht bei Bewusstsein, ihr schmales Gesicht weiß wie ein Bettlaken. War das, was hier passierte, die Strafe für ihrer beider Sünden? Immer wieder hielt Duncan an, vergewisserte sich, dass sie noch atmete. Schlaff hing sie über dem Pferderücken, und nur die Pflanzenschnüre verhinderten, dass sie herunterrutschte. Er hatte ihre Beine fest zusammengebunden, doch noch immer verlor sie tröpfchenweise Blut. Sicher war diese Position sehr unbequem für sie. Aber es gab keine andere Möglichkeit, schließlich konnte er sie in ihrem Zustand nicht rittlings auf das Pferd setzen. 

Er hatte keine Wahl. Er musste sie so schnell wie möglich zurück nach Toongabbie bringen. Zu McIntyre. Der Doktor würde ihr helfen können. Was immer ihn, Duncan, anschließend erwartete, er würde es willig auf sich nehmen. Wenn nur Moira gerettet würde. 

Als er an einem der vielen kleinen Bachläufe kurz Rast machte, um das Pferd trinken zu lassen, bewegte sich Moira schwach, stöhnte und versuchte, den Kopf zu heben. Sofort war er bei ihr. Er wagte nicht, sie vom Pferd zu nehmen. Mit beiden Händen schöpfte er Wasser und benetzte ihre Lippen, bis er merkte, dass sie zu schlucken begann. 

»Hast du Schmerzen?«, fragte er leise, ohne auf Antwort zu hoffen. »Wir sind bald da.« 

»Wo …?«, murmelte sie mit schwerer Zunge. 

Duncan strich ihr das Haar, das ihr schwarz und verfilzt in die Augen hing, aus dem Gesicht. »Alles wird gut. Ich bringe dich zurück nach Toongabbie.« 

»Nein«, stöhnte sie. »Nein!« Im nächsten Moment sank sie zurück in die Bewusstlosigkeit. 

Er musste sich beeilen. Kurz überlegte er, ob er sich hinter sie auf das Pferd schwingen sollte, und genauso schnell verwarf er diese Überlegung wieder. Das Pferd war ein Kutschtier und einen Reiter nicht gewohnt; das zusätzliche Gewicht würde es nur schneller ermüden. Besser, wenn er es führte. 

So allein und mutlos hatte er sich seit langer Zeit nicht mehr gefühlt. Nicht mehr, seit sie ihn in Irland in den Kerker gesteckt hatten. Ob das Mädchen, July, ihnen noch folgte? Sie war wohl im Busch zurückgeblieben, nachdem er nicht mit ihr gegangen war. Wohin hatte sie ihn bringen wollen? Zu ihrem Stamm? Aber dort gab es sicher nichts und niemanden, der Moira hätte helfen können. Hatte July überhaupt den Ernst der Lage begriffen? 

Am Abend kamen sie an den Fluss. Duncan folgte dem Wasser, bis er eine Stelle fand, die schmal genug war. Das dunkle, schäumende Wasser stand hier höher als dort, wo sie den Fluss vor wenigen Tagen überquert hatten, aber es half nichts. Wenn er jetzt wartete, konnte es für Moira zu spät sein. Er vergewisserte sich erneut, dass sie gut auf dem Pferderücken festgebunden war, dann führte er das Tier in den Fluss. Das Wasser reichte dem Pferd bis über den Bauch, Moiras Hände und Füße wurden nass und auch die Spitzen ihrer schwarzen Mähne. Sie regte sich nicht, dabei war es kalt, viel kälter, als es ihm damals vorgekommen war. 

Die Dunkelheit brach schnell herein. Die dicken Wolken hatten sich verzogen und mit ihnen auch der Regen, ein fast voller Mond leuchtete ihnen. Wie lange lief er schon? Er zitterte vor Kälte, und einige Male stolperte er über seine eigenen Füße – immer mehr machte sich bemerkbar, dass er seit Tagen nichts gegessen hatte. 

»Und ob ich schon wanderte …« Wie ging der Psalm weiter? Sein Kopf war wie leergefegt, er erinnerte sich nicht mehr. Stattdessen hielt er sich an ein paar anderen Worten fest. Sie wird nicht sterben. Sie wird wieder gesund. Immer wieder wiederholte er diese Worte, schob sie in seinem Kopf hin und her, bis sie ein Muster mit seinen Schritten ergaben, das ihn aufrecht hielt. Sie wird nicht sterben. 

* 

Er ging wie in Trance, setzte einen Fuß vor den anderen, stetig, unbeirrbar. Auch das Pferd schien wie im Schlaf vor sich hin zu stapfen, Moira hin und her wiegend. Am Morgen, mit den ersten Strahlen der Sonne, begann der Regen erneut, ein leichter Schauer, der ihn aus seiner Betäubung riss. Duncan blinzelte in das fahle Morgenlicht, aus dem sich die Umrisse der ersten Sträflingshütten schälten. War er tatsächlich angekommen? Rauch stieg auf – es war kurz nach dem Morgenmahl. In einer Seitengasse konnte er eine Gruppe Sträflinge erkennen, die einen Schuppen errichteten. Auf der lehmgestampften Straße, die durch Toongabbie verlief, waren einzelne Leute unterwegs. 

Er stolperte einfach geradeaus, seine kostbare Fracht hinter sich führend, bis eine vertraute Stimme an sein Ohr drang: »Duncan?« 

Aufgeschreckt blieb er stehen und schaute auf. Im nächsten Moment wäre er fast gefallen, weil das Pferd ihm den Kopf in den Rücken stieß. Vor ihm stand Ann, die Augen vor Erstaunen – oder war es Entsetzen? – weit aufgerissen. Sie hielt einen Korb mit Brot in der Hand. 

»Wieso … wieso bist du zurückgekommen?« Dann erst sah sie, was er mit sich führte. Ein leiser Schrei entfuhr ihr. »O mein Gott – Mrs McIntyre! Ist sie … tot?« Sie wich vor ihm zurück, als er auf sie zutrat, und sah sich erschrocken um. »Hilfe!« 

»Nein! Hör mir zu!« Seine Stimme schien kaum mehr zu ihm zu gehören. »Bring sie … bring sie zum Doktor. Sag ihm, sie … sie hat ein Kind verloren. Bitte!« 

Mit letzter Kraft drückte er ihr den Strick des Pferdes in die Hand. Ann wollte sich erst weigern, doch dann nickte sie zögernd und entfernte sich mit hastigen kleinen Schritten, das Pferd mit Moira hinter sich herführend. 

Duncan sah ihnen nach, bis sie um eine Hausecke verschwanden. Er hatte es geschafft. Er hatte Moira zurückgebracht. Es war Zeit zu verschwinden. Jetzt. Sofort. Aber er hatte keine Kraft mehr. Ihm war schwindelig vor Hunger und Erschöpfung, und er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. 

Leute kamen. Aufseher. Er würde sich nicht wehren. Wenn er sich nicht wehrte, wären sie vielleicht etwas gnädiger. 

Der erste Schlag traf ihn mitten in den Magen. Er beugte sich vor, japste nach Atem, als auch schon die nächsten Schläge auf ihn niederprasselten – eine Kaskade von Schlagstöcken und Fausthieben, wieder und wieder, bis er eingehüllt war in einen Nebel von Schmerzen. Er krümmte sich zusammen, schützte seinen Kopf mit den Armen und ließ es geschehen, nahm den Schmerz an als seine Buße. 

Danach brachte man ihn in eine Hütte und kettete ihn fest. Als sich die Tür hinter ihm schloss, wurde Duncan klar, dass er zum letzten Mal für lange Zeit die Freiheit geschmeckt hatte.