21

Boxi schlingert durch den tauenden Schnee. In meiner Tasche brennt das Armband wie glühende Kohle. Soweit ist alles gutgegangen. Bestimmt geht dafür das letzte schief. Nimm dich gefälligst zusammen! Ich muß diesen Familienpessimismus bekämpfen. Er strahlt aus.

Eine halbe Stunde später parke idi vor dem Juweliergeschäft Josef Schimmelpfennig & Co., Juwelier und Uhrmacher. Ich habe früher mal eine Armbanduhr und neulich ein Paar Manschettenknöpfe bei ihm gekauft, der Empfang ist daraufhin von würdiger Freundlichkeit.

Herr Schimmelpfennig hat eine Glatze mit Haaren rundherum. Es ist ihm, wie man sagt, das Knie durchs Gehirn gewachsen, man kann’s auch Bubikopf mit Spielwiese nennen. Das Gesicht darunter ist unangenehm tüchtig. Die Backen bläulich rasiert, harte braune Augen, die jetzt mit einer Tünche von Geschäftsfreundlichkeit lackiert sind. Diesem Mann kann man nichts vormachen, man muß versuchen, ihn irgendwie zu überrennen.

»Ich möchte Sie mal ‘n Moment unter vier Augen sprechen, Herr Schimmelpfennig.«

Die Politur ist plötzlich weg. Darunter sieht es sehr argwöhnisch aus. Er führt mich in ein kleines Büro, placiert mich in einen Ledersessel und bietet mir Zigarren an. »Nun«, fragt er, »womit kann ich Ihnen dienen?«

»Vermissen Sie nichts?« frage ich.

Er zieht die Augenbrauen hoch: »Vermissen? Nein — wieso? Was denn?«

Ich nehme das Armband aus der Tasche, werfe es auf seine Schreibtischhälfte hinüber: »Das auch nicht?«

Er schaut es an und wird dann ganz blaß: »Ja — das ist doch… Augenblick mal...« Er langt nach dem Klingelknopf, aber ich halte seine Hand fest: »Bitte, nicht. Später, wenn Sie wollen.«

Er läßt sich wieder in den Sessel zurückfallen: »Ja, aber ich verstehe das gar nicht... Das ist zweifellos mein Armband, das heißt, es ist mir in Kommission gegeben worden. Woher haben Sie das, um Gottes willen? Ich bin Ihnen natürlich außerordentlich dankbar...«

Ich schlage die Beine übereinander und posiere völlig nonchalant: »Es freut mich, daß Sie dankbar sind, und ich möchte Ihre Dankbarkeit ganz schamlos ausnutzen. Und zwar möchte ich, daß wir diesen Fall auf kavaliersmäßige Weise erledigen.«

In die braunen Augen kriecht wieder der Argwohn: »Selbstverständlich — aber ich verstehe wirklich nicht...«

Ich lange hinüber und nehme das Armband in die Hand: »Ein wertvolles Stück, nicht wahr?«

»Sehr wertvoll, alte rumänische Arbeit, ein Unikum, möchte ich sagen.«

»Hm. — Dieses Armband, Herr Schimmelpfennig, ist mir von einem jungen Mädchen übergeben worden, das es wiederum von einem jungen Mann geschenkt bekam. Dieser junge Mann seinerseits hat es gutgläubig von einem Verbrecher übernommen, mit dem er sich törichterweise eingelassen hat und der es offenbar von Ihnen gestohlen hat. Der Verbrecher sitzt hinter Schloß und Riegel, der junge Mann rauft sich die Haare, er ist seelisch von mir zu Kleinholz verarbeitet worden. Das junge Mädchen, das Verdacht schöpfte und mir das Armband übergab, hat nur seine Pflicht getan. Es wäre eine schlechte Belohnung, wenn man nun aus dieser Sache eine große Geschichte machte und ihren Namen in die Öffentlichkeit zerrte.«

Schimmelpfennig starrt immer noch auf das Armband: »Daß wir das nicht gemerkt haben!« Dann räuspert er sich: »Diese junge — hm — Dame — steht Ihnen nahe?«

»Sehr nahe sogar, wenn auch nicht so, wie Sie meinen. Sie ist mir nämlich von ihren Eltern, die verreist sind, anvertraut worden.«

»Oh«, sagt er, sichtlich enttäuscht. »Tja, ich würde natürlich sehr gern — aber ich müßte doch zuerst nachprüfen, ob nicht noch andere Sachen verschwunden sind, in diesem Fall wäre es zwar sehr bedauerlich, aber...«

»Jetzt können Sie den Knopf drücken«, sage ich. Aber er macht keine Miene dazu, steht statt dessen auf: »Bitte, bleiben Sie ruhig sitzen, ich gehe nach hinten, es dauert nur einen Augenblick. Es kann sich ja nur um das eine Tablett handeln, das vorgelegt wurde. Ich entsinne mich nämlich jetzt — da kam so ein merkwürdiger breitschultriger Mensch — ich hatte gerade eine Kundin hier — also, ich bin gleich wieder da.«

»Nicht nötig«, sage ich, »drücken Sie nur ruhig das Knöpfchen.«

Zwei Minuten später wissen wir, daß nichts außer dem Armband fehlt. Er mustert mich nachdenklich: »Ich bewundere Ihren Altruismus! Sie haben sich doch für diese jungen Leute sehr exponiert! Bitte, entschuldigen Sie mich jetzt für einen Moment, ich bin gleich wieder zurück.«

Ich bekomme wieder Angst. Was treibt er da draußen, der Kerl? Ruft er doch die Polizei an? Ich nehme mir eine Zeitung und versuche krampfhaft, darin zu lesen. Natürlich habe ich ausgerechnet den Sportteil erwischt, der mich überhaupt nicht interessiert. Ich blättere um — der Handelsteil. Na, ist ja gleich, Hauptsache, ich habe eine Zeitung vor der Nase, wenn er wieder ‘reinkommt. Aber dann sehe ich plötzlich etwas: >Interessenkäufe in Zwiebelsdorfer Kunstmühle!< Das Papier war in den letzten Tagen um dreißig Punkte gestiegen. Dreißig Punkte! Mein Zwiebelsdörfchen! Mein Kunstmühlchen! Nie wieder in deinem Leben wirst du diese Höhe erreichen! Wenn ich dich jetzt weggebe, hätte ich mindestens zwölfhundert Mark verdient. Zwölfhundert — wo hatte ich denn zwölfhundert gelesen — zwölfhundert... halt! Auf dem Tablett lag an der Stelle, wo das Armband hingehörte, ein Zettelchen mit >1200,— DM<. Hm. Das war billig. Sehr billig sogar. Das Ding ist mindestens dreitausend wert, wenn nicht mehr. Aber wieso ist es so billig? Ach richtig, er hatte ja gesagt, es sei ihm in Kommission gegeben.

In diesem Augenblick kommt er zurück: »Ja, also, Verehrtester, ich müßte Ihnen ja eigentlich den Finderlohn...«

»Finderlohn? Sie bekommen’s ja gar nicht zurück.«

»Wie bitte?«

»Sie haben das Armband in Kommission?«

»Ja — jawohl«, antwortet Schimmelpfennig vorsichtig.

»Gut, dann will ich Ihnen was sagen. Ich habe gesehen, daß es mit zwölfhundert Mark ausgezeichnet ist...«

Er zieht die Augenbrauen hoch: »Hm — wie bitte?«

»Der Zettel liegt noch auf dem Tablett.«

Er lächelt säuerlich: »Jaja, allerdings.«

»Ich kaufe es für meine Frau.«

Er errötet: »Aber ich bitte Sie — um Himmels willen — ich habe doch nicht sagen wollen...«

»Natürlich nicht, Herr Schimmelpfennig, natürlich nicht. Ich gebe Ihnen gleich einen Scheck, und lassen Sie’s mir in ein nettes Etui verpacken.«

Er ist wieder ganz Juwelier: »Selbstverständlich! Ich kann Sie nur beglückwünschen! Ihre Frau Gemahlin wird entzückt sein!«

Ich stehe auf: »Das ist das mindeste, was sie daraufhin sein kann.«

Als ich heimkehre, steht ein roter Straßenkreuzer in der Garageneinfahrt. Düsseldorfer Nummer. Die Mama öffnet mir die Haustür, ohne Schürze, in ihrem guten schwarzen Wollpullover, mit dem antiken Halsband, der >Gänsegurgel<.

»Reizender Mann!« sagt sie. »Genau wie Dr. Taurer, der mich seinerzeit von dir entbunden hat!«

»Na, so was. Ist es wieder soweit?«

Weiß Gott, sie errötet: »Ach, du bist ein Hammel. Der kommt, glaube ich, wegen dem Fred. Er wollte nichts weiter sagen. Ich habe ihm Cognac und Zigaretten hingestellt, Zigarren auch, von den guten.«

»Wenn ich der Kohlen-Alfred wäre, fände ich es jetzt an der Zeit, eifersüchtig zu werden. Na, wollen uns den Vogel mal ansehen.«

»Was ist denn eigentlich mit dem Fred?«

»Erzähle ich dir später.«

»Sei aber nett mit dem Herrn da drin!«

»Keine Angst, ich tue deinem Goldi nichts.«

Goldi stellt sich als ein breitgebauter Mann in gutsitzendem Anzug, mit runden braunen Augen heraus, ungefähr Mitte Fünfzig. Er hat, was mir gleich auffällt, die Angewohnheit, sich stoßartig durch die Nase zu räuspern, was immer so ähnlich wie »Kch-kch«, klingt. »Dr. Nebel! Erfreut, Sie zu sehen! Kch. Bin Onkel von Fred. Kch-kch. Muß Ihnen zunächst danken für freundliche — kch — außerordentlich freundliche Unterstützung.«

Wir nehmen Platz und mustern uns. »Liebe es, klare Situationen zu schaffen. Kch. Darf ich fragen, ohne unverschämt zu sein, kch — was das Motiv — kch — Ihres immerhin — kch — ungewöhnlich hilfsbereiten Verhaltens war? Äußerst dankbar — selbstverständlich...«

»Mir sind von meinen besten Freunden, während sie verreist sind, zwei Töchter anvertraut worden. Eine davon war mit Fred befreundet.«

Sein Gesicht hellt sich auf: »Ah, verstehe jetzt. Hatten Angst, daß der Ruf der jungen Dame geschädigt wird. Vollkommen logisch. Sah übrigens die Damen heimkommen, größere Blonde offenbar Susanne? Guter Geschmack, der Bengel! Sie sprachen von der Beziehung in der Vergangenheitsform?«

»Das habe ich unwillkürlich getan, aber ehrlich gesagt, halte ich es für besser, wenn diese Beziehung aufhört.«

»Verständlich, kch, aber bedauerlich. Reizender Eindruck! Vielleicht noch mal überlegen. Einfluß der jungen Dame unter Umständen sehr gut. Lümmel nämlich außerordentlich labil. Kch.«

»Susanne ist leider noch labiler.«

»Oh — dann allerdings. Kch.« Er zerrt an seinem Kragen:

»Nun, Verehrtester, zur Sache. Lümmel wird in Düsseldorf bleiben, nicht zurückkommen. Muß zu seinen Gunsten sagen, daß diese Affäre nicht allein seine Schuld. Auch die meines verstorbenen Bruders. Mutter weich, hilflos — Typ des ewigen kleinen Mädchens, Sie verstehen — kch. Werde mich also selber kümmern müssen. Und da wäre eben diese — hm leidige Affäre. Besonders, hat mir Fred erzählt, zwei Sachen, einmal Bargeld, das offenbar aus Diebstählen von diesem Verbrecher stammt. Peinlich, kch, ganz außerordentlich peinlich...«

»Ich glaube nicht, daß daraus noch viel nachkommt, denn bisher hat keiner der Betroffenen Anzeige erstattet.« Ich schildere die Gründe. Nebels Gesicht erhellt sich für einen Augenblick in männlichem Mitgefühl, dann wird es wieder ernst: »Sehr erfreulich — kch — ganz überraschend erfreulich. Lümmel hat offenbar unverschämtes Glück gehabt. Aber — kch — trotzdem muß diese Sache aus moralischen Gründen aus der Welt geschafft werden. Muß unbedingt Schaden wiedergutmachen. Lümmel wird nichts geschenkt, muß später abarbeiten. Damit er vor sich selbst die Belastung los wird. Worum ich Sie nun bitten möchte, Verehrtester, kch — kennen Sie zufällig die Namen der Betroffenen und die Höhe der Summen? Möchte mich natürlich nicht an diesen Polizisten wenden.«

»Ich kenne die Summe nur in einem Fall, ein Bildhauer Brandt hier im Dorf hatte dreihundert Mark in der Tasche.«

»Kch — also, werde zunächst diesen Fall bereinigen. Nun noch Punkt zwei, Armband.«

Ich ziehe das Etui aus der Tasche: »Ebenfalls erledigt. Ich hab’s mir nämlich gekauft, von dem Juwelier.«

»Sie haben — was?«

»Ich hab’ mir’s gekauft und damit die Sache aus der Welt geschafft, endgültig. Hier ist es.«

Er nimmt es: »Sie sind ja — kch — kolossal ‘rangegangen — kch —. Selbst wenn man berücksichtigt, daß Ihnen die jungen Damen sehr nahestehen, respektive deren verehrte Eltern —. Alle Achtung! Wünschte — kch — mir auch so einen Freund. Persönlich leider — kch — recht traurige Erfahrungen auf diesem Gebiet.« Er greift in die Brusttasche: »Werde selbstverständlich die Sache übernehmen. Haben wahrscheinlich unter obwaltenden Umständen erheblichen Aufpreis zahlen müssen.« Er klappt das Etui auf: »Donnerwetter — Donnerwetter — kch — prachtvolles Stück! Echt oder Kopie?«

»Echt!«

Er läßt das Armband durch die Finger gleiten: »Wunderbar — kch — ganz wunderbar! Wieviel haben Sie... verstehe einiges davon...« Er korrigiert sich hastig: »Will natürlich um Gottes willen nicht sagen, daß Ihre Angaben über Preis... ich meine...«

»Selbstverständlich nicht. Außerdem habe ich ja die Rechnung. Aber schätzen Sie mal!«

Er wiegt den Kopf: »Hm — hm — kch — würde sagen: echt — aus der Zeit — zwanzigkarätiges Gold, eins-zwei-drei-vier-sieben-zehn-vierzehn Brillanten — viertel Karat...« Er hebt das Armband gegen das Licht: »Anscheinend sehr schön... müßte man natürlich mit Lupe...«

»Hier haben Sie eine Lupe.«

»Danke sehr, kch — hm — lupenrein — sehr schön, sehr schön — bei antiken Stücken allerdings immer schwierig, aber — würde sagen — drei- bis fünftausend!«

»Gezahlt habe ich zwölfhundert. Es war eine Kommissionsangelegenheit.«

»Donnerwetter!« Er blättert sein Scheckbuch auf: »Da mache ich ja noch ein gutes Geschäft!«

»Diesmal muß ich Sie leider enttäuschen. Das Geschäft mache ich.«

Er ist verblüfft, lacht dann schallend: »Haha! Würde ich auch. Da hat ja sozusagen Ihre — kch — Ihre Großzügigkeit sehr schnell ihren irdischen Lohn gefunden — kch.«

»Ich schenke es meiner Frau.«

»Kch — kch — verstehe natürlich. Verstehe auch — kch — leicht melancholischen Ausdruck auf Ihren Zügen — kch — aber so was — kch — immerhin ausgezeichnet für inneren Burgfrieden und als Wertanlage.« Er legt den Kopf schief und kneift ein Auge zu: »Weiß Ihre Frau Gemahlin schon?«

»Nein, sie ist verreist.«

»Oh — verreist. Kch. Dann — kch, Verehrtester, würde ich doch sehr vorsichtig sein, denn — kch — wie ich unsere Damen kenne, ich — wird sie nach einem so pompösen Heimkehrgeschenk auf die entsprechende Intensität- des Strohwitwertums schließen, kch —. Bitte, das um Himmels willen nicht — kch — als aufdringlichen Rat aufzufassen, nur als schwachen Versuch, kch, Dankesschuld zu geringem Teil — kch — abzutragen.«

»Sie brauchen sich keineswegs zu entschuldigen. Das Strohwitwertum war äußerst bescheiden und stand außerdem unter der Aufsicht meiner Mutter.«

»Oh — kch — dann allerdings — verstehe nicht ganz — hätten ja immerhin das Ding wieder verkaufen und dafür kleinen Geheimfonds für Hobby anlegen können. Falls ich dabei behilflich sein kann — würde ohne weiteres dreitausendfünfhundert...«

»Sehr nett von Ihnen, wirklich sehr nett, aber ich schenk’s meiner Frau. Und wenn Sie wissen wollen, warum — ich möchte ihr Gesicht sehen, wenn sie das Etui aufmacht und sagt: Du bist ja wahnsinnig, Kerl!«

Er mustert mich aufmerksam: »So! Soso. Muß sagen, bedaure, daß Fred nicht Ihr Sohn ist. Selber Kinder?«

»Nein.«

»Schade. Prädestinierter Vater.«

»Vielen Dank. Mir genügen völlig zwei Töchter auf Pump.«

Er steht auf: »Schlaumeier, ausgesprochener Schlaumeier! Freut mich sehr, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben! Informiere Sie über den weiteren Verlauf.«

Der Rest des Tages verläuft relativ ereignislos. Bei den Mädchen drüben stehen fünf Fahrräder, und als es dunkel wird und sie die Vorhänge zuziehen, sieht man dahinter die Silhouetten der Tanzenden. Als sei in der Zwischenzeit nichts geschehen. Eigentlich, überlege ich, ist es doch eine tolle Sache, daß sich dieses Jungvolk so mir nichts, dir nichts zu einer Art Gewohnheitsschwof bei den Bentlers einlädt! Andererseits — wer im ganzen Dorf gibt der Jugend auf diese Weise eine Stätte, noch dazu eine so kultivierte? Sollen sie sich auf der Straße oder in Kellern und Scheunen herumdrücken? Warum hat eigentlich Bentlers Vorbild so wenig Schule gemacht?

Ich arbeite, bis ich durch das Fenster sehe, daß drüben die Fahrräder bestiegen werden. Es ist Punkt neun. Na, gehen wir noch mal ‘rüber.

Drinnen sind die Mädchen beim Lüften und Aufräumen. Margot scheint sehr nachdenklich und sieht mich ein paarmal so an, als ob sie mir etwas sagen wolle. Susanne wirkt ausgesprochen beschwingt. Auch scheint sie einen leichten Schwips zu haben.

»Fred kommt also nicht wieder. Der Onkel war eben bei mir«, sage ich.

Sie läßt sich neben mir auf die Couch gleiten und bietet mir eine Zigarette an: »Die Jungens haben’s uns erzählt.« Sie gibt mir Feuer.

»Und das Armband habe ich für meine Frau gekauft.«

Sie starrt mich an: »Oh Colonel... das, das ist ja goldig von dir!«

»Hm. Finde mich auch ziemlich goldig. Tut es dir leid — um Fred?«

Sie scheint durch meine Frage verwirrt: »Wie? Ja, natürlich — aber was kann man machen?«

»Man kann ihm vielleicht schreiben?«

Sie macht Kulleraugen wie ein Baby: »Was soll ich ihm denn schreiben?«

»Na, zum Beispiel, daß es dir leid tut!«

»So leid tut’s ihr ja gar nicht«, sagt Margot, »daß die einen Brief schreibt. Außerdem hat sie einen Neuen auf der Pfanne.«

Sie wirft sich uns gegenüber in einen Sessel und streckt die Beine von sich. Dann zu ihrer Schwester: »Ich möchte nur wissen, was du an dir hast, daß sich Männer von dir wie Idioten in die Ecke stellen und wieder vorholen lassen, wenn du sie brauchst!«

Susanne betrachtet sie unter halbgeschlossenen Lidern:

»Wahrscheinlich bin ich hübscher als du.«

»Das glaube ich nicht«, meint Margot ruhig, »ich glaube, man hat sich inzwischen daran gewöhnt, daß du keinen Charakter hast.« Sie sieht mich an: »Mädchen mit Charakter wie ich haben’s eben viel schwerer.«

Einen Augenblick scheint Susanne zu erwägen, ob sie sich den Schuh ausziehen und ihrer Schwester einen Scheitel ziehen soll. Dann aber lehnt sie sich nur zurück und wirft mir einen Circenblick zu: »Laß dir nichts erzählen, Colonel. Es ist der blasse Neid. Im übrigen ist es ein junger Architekt, das heißt, er ist eben nicht mehr so jung, fünfundzwanzig. Dunkles Haar, auf der linken Seite eine Welle. Natur. Toll, sage ich dir.« Sie drückt ihre halbgerauchte Zigarette aus: »Und außerdem bin ich jetzt durch mit diesen Jungs. Was soll bei dem grünen Gemüse ‘rauskommen? Von jetzt an werde ich mich auf richtige Männer umstellen. Schließlich bin ich schon achtzehn. Was hältst du davon?«

»Davon, daß du achtzehn Jahre bist?«

»Nein, von der Umstellung auf ältere!«

»Das ist vielleicht nicht dumm«, sage ich vorsichtig. »Dann war das wohl heute so eine Art Abschiedsfest?«

Margot explodiert vor Lachen: »Abschiedsfest ist gut! Du hättest sie sehen sollen, mit dem Uli in der Küche! Na, prost! Wenn das der Architekt wüßte!«

»Das war nur so ‘n Spaß«, erklärt Susanne sehr flüchtig errötend. »Aber die beiden hättest du erleben sollen, Margot und Buddy! Schwitzhändchen in Schwitzhändchen, die ganze Zeit auf der Couch. Und dauernd das Licht ausgemacht! Karl-Friedrich wußte schon gar nicht mehr, wo er hingucken sollte. Er hat ständig mit Sophie getanzt, damit die bloß nicht allzuviel mitkriegte.«

Ich stehe auf: »Also, Kinderchen, dann scheint ja wieder alles in Ordnung zu sein. Normale Kriegslage hergestellt, sozusagen. Ich geh’ schlafen, bin müde.«

Margot gähnt etwas künstlich: »Ich auch. Ich bring’ dich ‘raus, Colonel.« Draußen gibt sie mir einen Kuß, ihr Gesicht ist plötzlich ganz blaß und ernst: »Kann ich dich mal sprechen, Colonel, morgen nachmittag? Es ist... wegen Buddy.«

»Wegen Buddy? Was ist denn wieder los?«

»Wir wollen dich mal um Rat fragen. Dürfen wir?«

»Na schön. Hol mich um vier Uhr ab, wir können ja ‘n bißchen spazierengehen dabei.«