5
Und wieder ein Morgen. Der sechste seit Frauchens Abfahrt, überlege ich, mich wohlig räkelnd.
Nebenan schlägt die Mama mit Getöse die Läden auf, kommt dann ins Zimmer, gestiefelt und gespornt: »Halb neun, jetzt aber auf!«
Ich gähne: »Wo willst du denn hin?«
»‘rüber zu den Mädels. Stubenmädchen spielen. Bis du endlich soweit bist, habe ich diesen Zigeunerwagen da drüben dreimal aufgeräumt.« Und damit ist sie weg. Ich gähne erneut, lange nach dem Rasierapparat und stöpsele ihn ein. Cocki zieht die lila Schlafhaut vom Auge, sieht mich empört an, ist auf und hinunter. Er hat keine Bedenken, sich mit einer Tigerdogge zu prügeln, aber vor dem Summen des Rasierapparates rückt er aus. Offenbar glaubt er, es sei eine Hornisse. Sein Rückzugsweg führt genau über Weffi, der knurrt und wütend hinter ihm herschnappt. Nach dem Rasieren wasche ich mich, dann gehe ich nach oben, um zu frühstücken, und finde dort außer einem Brief von Frauchen sowie Cocki und Weffi, die sich schon rechts und links von meinem Stuhl postiert haben, zu meiner größten Überraschung die Mama. Sie sieht ganz verwirrt aus, während sie mir den Kaffee eingießt. Eine ganze Weile später sagt sie: »Stell dir vor! Sie hatten aufgeräumt!«
»Tata«, mache ich, den Kurszettel studierend. Dabei ziept es wie immer in meiner Galle. Ich möchte bloß wissen, wie ich darauf gekommen bin, meine paar Ersparnisse in >Zwiebelsdorfer Kunstmühle< anzulegen. Es ist zweifellos das boshafteste und hinterlistigste aller Börsenpapiere. Wenn die Kurse steigen, macht es nur ein paar müde, symbolische Bewegungen. Geht die Börse aber in einem ihrer zahllosen hysterischen Anfälle nach unten, wer galoppiert da an der Spitze nach unten? Zwiebelsdorfer Kunstmühle!
»Du hörst mir ja gar nicht zu!« sagt die Mama.
Ich lege die Zeitung zusammen. »Entschuldige. Was ist mit der Kunstmühle — ich meine, mit den Mädels?«
»Sie hatten schon selber aufgeräumt!«
»Das habe ich gehört und darauf geantwortet.«
»Tata ist keine Antwort.«
»Also schön, aha! Im übrigen ist das selbstverständlich.«
»Das ist gar nicht selbstverständlich, bei dieser Disziplinlosigkeit heutzutage!« erwidert die Mama und hält Cocki, der wegen völliger Unergiebigkeit meinerseits zu ihr hinübergewechselt ist, ein Stück Butterbrot hin.
»Willst du noch Kaffee?«
»Ja, bitte.«
»Was machst du denn nachher?«
Ich sehe seufzend auf einen dicken Brief, der vor dem Radio liegt. Es ist eine meiner Novellen, die ich auf Schallplatte sprechen soll und deren Manuskript mir die Schallplattenfirma zurückgeschickt hat. Zwei Seiten zu lang. Außerdem laufe jede Seite der Platte sieben Minuten, und ich müßte in der Mitte einen guten Ausgang finden, wo man umdrehen könnte. Vorstellungen haben diese Leute! Ich bin noch nie darauf gekommen, bei einer Novelle die Mitte zu suchen! »Ich werde mal versuchen, dieses Zeug hier auf Band zu sprechen. Sei, bitte, ‘n bißchen leise.«
»Ich verschwinde ja schon in die Küche, wo die Alte hingehört. Und die Hunde nehme ich auch mit!«
»Fein.« Ächzend mache ich den Tonbandkoffer auf, schalte das Mikrophon ein und beginne zu lesen. Ich komme in Fahrt. Klappt ja ganz famos. Vielleicht hätte ich Schauspieler werden sollen? Zwischendurch habe ich das dumpfe Gefühl von Nebengeräuschen aus der Küche, achte aber nicht darauf. Also hier — die Mitte paßt ganz gut.
Nach einer Viertelstunde lehne ich mich befriedigt zurück und zünde mir eine Zigarre an. Das hätten wir. Und die Zeit stimmt auch ungefähr. Vielleicht brauche ich gar nicht in das Studio zu fahren, sondern kann ihnen einfach das Band schicken. Wollen mal sehen.
Die Spule surrt im Rücklauf, dann stöpsele ich den Kontakt ins Radio und setze mich erwartungsvoll zurecht:
»Draußen stürmt die Dezembernacht...« (leises Tellerklirren aus der Küche). »In einer kleinen Hütte am Rande des Fabrikgeländes saßen drei Männer zusammen...« (Uuaa — weff-weff — bumm, klirr, die Stimme der Mama: »Wieder eine Tasse. Hatte schon ‘n Sprung!«) »...und spielten Karten. Plötzlich erhob sich einer der drei — Inspektor Gulbransson — und ging wortlos hinaus...« (Wasserrauschen, »Cocki, um Gottes willen, du hast ja den Wurstzippel mit der Strippe ‘runtergeschluckt!«) — »... sagte Ericson: Was kann er nur haben, er war in letzter Zeit schon so seltsam...« (Leise: »Glühwürrmchen, schimmrre, schimmrre — ach so, ich soll ja leise sein!«) »...hob Ericson den Kopf: Haben Sie nicht einen Schuß gehört?« — (»Leise, hat Herrchen gesagt, Weffi! Komm mal her, was hast du denn da?«) Ich stelle das Tonband ab.
Da würde ich also doch ins Studio fahren müssen, und davor ist mir ganz ungeheuer mies. Zur ersten Schallplattenaufnahme war ich sehr selbstbewußt erschienen und glaubte, ich setzte mich da einfach, läse mein Zeugs herunter, steckte das Geld ein und führe nach Hause. Statt dessen führte mich der Tonmeister in allen möglichen Ecken und Kabüsen herum, wo ich mich räuspern und »Aha« sagen mußte. Schließlich fand er heraus, daß die rechte obere Ecke meiner Stimmfarbe am besten bekomme. Dann mußte ich probelesen, ohne Mikrophon. Und dann mußte ich probelesen, mit Mikrophon, wobei die Zeit gestoppt wurde. Und dann mußte ich im Manuskript streichen, und dann ging’s wieder los. Und dann war die erste Hälfte zu schnell und die zweite zu langsam gesprochen, und beim fünftenmal war’s gerade umgekehrt. Und beim sechstenmal war ich schon so tatterig, daß ich mich bei jedem dritten Satz verhedderte und überhaupt nicht mehr wußte, was ich eigentlich las. Vor der siebenten Lesung bekam ich einen schwarzen Kaffee mit Cognac. Bei der neunten ging’s dann einigermaßen: »So, jetzt haben wir’s«, sagte der Tonmeister, offenbar ein Genie in seiner Art, aber nervenzerrüttend wie alle Genies. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn, stellte fest, daß ich vier Stunden geredet hatte, schüttelte ihm die Hand und wollte gehen. Er aber sah mich nur erstaunt an und meinte, jetzt ginge es ja gerade erst los! Während ich halb ohnmächtig wieder in den Sessel sank, begann er dann, alle neun Fassungen stückweise durchzuspielen, und ich sollte mein Urteil dazu abgeben, ob das Wort >Hintertreppe< in der vierten oder sechsten Fassung besser sei.
Die Mama steckt den Kopf aus der Küche: »Na, fertig?«
»Total fertig. Soll ich’s dir mal vorführen?« Ich schalte das Band ein, und sie hört fasziniert zu. Als ich zu Ende bin, strahlen ihre Augen: »Man hört genau, wie ich die Tasse hinschmeiße!«
»Na, ich gehe mal mit den Hunden«, sage ich.
Am späten Nachmittag kommen die Mädchen aus der Schule. Die Mama tritt von einem Bein aufs andere und ist so zerstreut, daß sie mir einen richtig starken Kaffee macht. Sie bringt ihn mir sogar hinunter an den Schreibtisch, wo ich über meinem Jugendartikel brüte. Während ich den Kaffee trinke, geht sie an die Terrassentür und hypnotisiert das andere Haus.
»Na, geh schon ‘rüber«, sage ich schließlich.
Sie strahlt: »Ja, nicht wahr? Ich muß doch sehen, ob sie sich was Anständiges zu essen machen oder ob das nur so huschhusch geht.«
Nach einer Stunde kommt sie wieder und bricht mitten in meine literarischen Bemühungen ein: »Also — ich muß schon sagen, sehr nett!«
»Hm.«
»jede ein Kotelett, dazu Endiviensalat und Bratkartoffeln, und zu trinken haben sie sich Mohrrübensaft mit Sellerie gemacht, im Mixer. Was sagst du dazu?«
»Tata.«
Sie würgt einen Moment an dem Tata, beschließt aber offenbar, es zu ignorieren, um weitererzählen zu können: »Und dann haben wir zusammen das Wirtschaftsgeld durchgerechnet — ich kann dir nur sagen — erstaunlich geschickt! Ganz famos. Wenn sie so weitermachen, werden sie noch was übrigbehalten!«
»Hm.«
»Und weißt du, was sie von dem Geld kaufen wollen?«
»Was denn?«
»Eine elektrische Eisenbahn für den Vater! Er erzählt doch immer, daß er sie sich in seiner Jugend immer gewünscht und nie bekommen hat und daß er sie sich als erstes kauft, wenn er mal in der Lotterie gewinnt. Wie findest du das?«
»Unheimlich.«
»Wieso unheimlich?«
»Soviel Edelmut ist unheimlich. Außerdem ist das Ganze unmöglich.«
»Wieso unmöglich?«
»Weil eine elektrische Eisenbahn mindestens hundertsiebzig Mark kostet, und so viel können sie bestimmt nicht sparen.«
»Woher weißt du denn das?«
»Wenn ich mich mal zufällig mit Teddy in der Stadt treffe, gehen wir immer zu Künzels in die Spielwarenhandlung und spielen ‘n bißchen damit.«
Sie schweigt einen Moment und sieht mich ganz merkwürdig an. Ich halte das, was ich in ihrem Blick lese, für Rührung. Dann reißt sie sich zusammen: »Du mußt immer Hintergedanken haben! Sie wissen sicher gar nicht, daß so was so teuer ist. Auf jeden Fall ist es sehr nett gemeint!«
»Natürlich, natürlich.« Jetzt tut es mir leid, daß ich ihre Illusionen zerstört habe. Sie geht zur Tür und feuert von dort ihre letzte Breitseite: »Du mußt nachher ‘rüber und dich um die Schularbeiten kümmern!«
»Na, schön.«
Nach einer Stunde gehe ich dann hinüber. Der Schnee schimmert schon blau in der Dämmerung. Cocki und Weffi drängeln sich hinter mir auf dem engen Trampelpfad. Drüben bleibt Cocki mit sehr aufmerksamen Augen unter dem Vogelhäuschen stehen und überlegt sich, ob er nicht mit einem kleinen Sprung —. Ich kriege ihn am Halsband und schleife ihn ins Haus.
Drinnen wirklich ein Genrebild: in Teddys Arbeitszimmer brennt die Stehlampe, und in ihrem Schein sitzen die beiden vor ihren Heften. Ich bekomme von jeder einen Kuß. Dann setzen sie sich wieder über ihre Arbeit. Ich betrachte sie gerührt, den blonden und den braunen Kopf. Ihre angespannten, niedlichen Gesichter. Wenn das nun mein eigenes Fleisch und Blut wäre, zwei so entzückende junge Geschöpfe? Vielleicht... Ja, ich kann so einen Vater verstehen: daß er stolz auf sie ist, daß ihm das Herz aufgeht, so ganz heimlich, wenn er sie sieht, und daß er sich trotz gelegentlichen Ärgers und so vieler versagter Wünsche für sie schlachten ließe...
»Na, Kinderchen«, frage ich, »kann ich euch was helfen?«
»Nein, danke.« (Im Chor gesagt.)
»Fein«, sage ich und lege mich auf die Couch. Sofort sind sie beide da, eine bringt mir Zigaretten, die andere Feuer, sie stecken mir sogar eine Zigarette an und rücken mir einen Aschbecher daneben. Dann setzen sie sich erneut an ihre Aufgaben.
»Sagt mal, Kinderchen«, meine ich nach einer Weile, »wie habt ihr euch denn den Verlauf des Abends gedacht?«
Die beiden wechseln einen Blick: »Wenn wir hier fertig sind, kommen noch ‘n paar Jungs.«
»Hm. Wer denn?«
Susanne grient: »Buddy, Thomas, Karl-Friedrich.«
Ich sehe sie vor mir: Buddy ist der kleine dunkle, drahtige, der Sohn des Sägewerkbesitzers. Netter Kerl. Wird trotz des vielen Geldes ziemlich streng gehalten. Sein Taschengeld vergrößert er unter anderem dadurch, daß er im Sommer auf dem Geländer der Landungsbrücke balanciert. Kostet für den, der sich diesen Artistenakt bestellt, fünfzig Pfennig. Er ist bisher nur zweimal dabei ins Wasser gefallen. — Thomas ist der Sohn der verwitweten Dorfschneiderin, ein großer, athletischer Kerl, sehr still und bescheiden und von bemerkenswert guten Manieren. — Und Karl-Friedrich ist etwas ganz Semmelblondes mit vorstehenden Karnickelzähnen, Sohn des pensionierten Direktors, der an der Kirche wohnt. Ein Bücherwurm, aber auch ein netter Kerl. Außerdem — zu fünft kann ja nichts passieren.
»Meinetwegen«, sage ich. »Aber um neun Uhr ist Schluß, Kinderchen.«
»Ja, Colonel.«
»Sagt mal, der Buddy...«
Margot hebt den Kopf: »Ja, was ist mit ihm?«
»Ich habe gehört, er soll nicht sein Abitur machen, sondern jetzt schon ins Geschäft vom Vater?«
Wieder wechseln die beiden einen Blick: »Er hat sich’s anders überlegt«, meint Margot dann betont beiläufig. »Er will doch ‘s Abi machen.«
»Aber ich denke, die Schule macht ihm keinen Spaß?«
»Wem macht schon die Schule Spaß?« sagt Susanne, und dann kichern sie beide. Irgend etwas ist dahinter, weiß der Himmel, was. Ich komme mir dumm vor und stehe auf: »Na, dann werde ich mal wieder.«
Sofort sind auch die beiden auf den Beinen. Ich bekomme wieder je einen Kuß, Margot hilft mir in den Mantel, und Susanne hält mir die Tür auf. Cocki und Weffi quetschen sich an mir vorbei ins Freie.
Ich stampfe noch hinunter zum See. Die Sonne, eine breitgedrückte Feuermelone, sinkt gerade in den blaugrauen Dunst des Horizontes. Ihr Schein reißt eine Glutfurche in den stählernen Schild des Sees. Das Rund der vereisten Berge blinkt orange. Der Eisvogel zischt wie eine kleine, bunte Rakete an mir vorbei ins Bootshaus, wo er sein Nest hat. In der eisfreien Rinne, dort, wo der Krebsbach in den See mündet, ist ein Schwarm Bleßhühner vor Anker gegangen. Ein paar Krähen marschieren auf dem Eis umher und sehen ihnen beim Tauchen zu. Ich warte, bis die Sonne herunter ist und die Berge rot zu glühen beginnen. Dann gehe ich heim.
»Na?« fragt die Mama.
»Na ja — zwei Mustermädchen.«
»Das habe ich dir doch gesagt!«
»Addi muß sie ja ganz fürchterlich zusammengestaucht haben, ehe sie weggefahren ist.«
»Es sind zwei liebe, nette Mädchen!«
»Tja — offenbar.«
Punkt sieben Uhr erscheinen die Bürstenköpfe. Sie kommen natürlich per Rad, trotz des Schnees, und wir verfolgen ihre Ankunft hinter der Gardine. Es sind aber nicht drei, sondern fünf. Zwei davon kenne ich nicht. Die Mami kennt sie auch nicht. Der eine ist ein Langer mit einer Brille, und der andere ein untersetzter Schwarzer, breit wie ein Gorilla.
»Das sind schon ältere«, sagt die Mama. »Möchtest du nicht ‘rübergehen und feststellen, wer das ist?«
»Ich denke gar nicht daran. Fünf Stück — was soll denn dabei passieren? Wahrscheinlich lauter Akquisitionen von Susanne. Außerdem ist ja Margot da, die sich nichts aus den Bengels macht und aufpaßt.«
Bald darauf ertönt der erste Mambo, und die Vorhänge werden zugezogen. Wir sehen nur noch die Schatten der tanzenden Paare.
Unser Abendbrot verläuft einsilbig, die Mama sieht immer wieder auf die Uhr. Nach dem Essen verliefe ich mich wieder in meinen Jugendartikel. Plötzlich erscheint die Mama:
»Es ist fünf vor neun, und sie tanzen immer noch!«
»Na, laß sie doch, es ist ja noch nicht neun.«
»Was machen wir aber, wenn es neun ist, und sie immer noch tanzen?«
»Dann gehe ich ‘rüber und blase den Zapfenstreich.«
Aber Schlag neun Uhr ist drüben Schluß mit der Musik, man hörte Stimmengebrabbel, dann flammen ein paar Lichtpunkte auf, offenbar Zigaretten, und gleich darauf klingeln die Fahrräder. Die Mama gähnt: »Na, so um halb zehn gehe ich noch mal hin und sehe nach, ob alles in Ordnung ist!«
»Das wirst du nicht tun. Es ist grimmig kalt draußen, und außerdem bist du müde.«
Um halb zehn gehe dann ich noch mal hinüber. Die beiden Hunde bleiben draußen im Garten. Sie heben erst die Beine, und dann fangen sie an, im Schnee zu graben. Drinnen ist schon alles dunkel. Erst mache ich die Runde durch die Zimmer. Alles ist schön aufgeräumt, es riecht auch kaum noch nach Rauch. Offenbar hat man gut gelüftet. Im Mädchenzimmer spielt das kleine Radio. Ich klopfe an.
»Herein, Colonel!« (Im Chor gesagt.)
Als ich hereinkomme, springen beide aus den Betten und fallen mir um den Hals. Mir wird momentan etwas ulkig. Schließlich bin ich erstens nicht ihr Vater und zweitens noch kein Mummelgreis.
»Marsch, ins Bett!« sage ich übermäßig streng. Aber die süße Doppellast ist nicht so schnell von meinem Hals wegzubekommen. Sie riechen so gut, diese jungen Dinger, wie frische Äpfel, und ihre Augen glitzern vor Lebensfreude:
»Ach, Colonel«, sagt Susanne, »du mußt uns was versprechen!«
Margot gibt mir noch einen Kuß: »Ja, versprechen!«
»Geht mal erst wieder ins Bett.«
Sie klettern in die Falle, ich setze mich auf Margots Bettrand: »Also, was ist los?«
Susanne seufzt: »Ach, Colonel...«
»Na los, los! Ich will wieder ‘rüber.«
Margot betrachtet mich mit einem sehr wissenden und abschätzenden Blick. Plötzlich habe ich die Empfindung, daß sie bedeutend mehr von Männern weiß, als ich bisher angenommen hatte. Sie senkt schnell die Augenlider und streicht über die Decke: »Morgen abend ist doch im >Königsbräu< der Ball vom Schützenverein, in Kostümen.«
»Ja, und?« Ich suche verzweifelt in meinem Gedächtnis nach den Instruktionen Addis für den Fall eines Kostümballes: »Eure Mutter hat gesagt...«, beginne ich.
»Die Mutti hat gesagt«, nimmt mir Susanne das Wort weg, »wenn wir artig sind, dürfen wir aufs Schützenfest! Du mußt natürlich mitkommen — als Anstandswauwau.«
Ich, auf einen Kostümball? Hm.
»Na schön«, sage ich, »wenn’s denn sein muß...«
»Ach, Colonel, du bist goldig!« schreit Susanne.
Dann stehe ich wieder draußen. Mein Kopf summt. Diese Racker, diese beiden — da haben sie mir also doch noch die Rechnung für das Bravsein präsentiert. Na ja. Wenn sie weiter schön manierlich sind — und wenn ich an meine eigene Zeit denke...
Ich denke daran und wache erst auf, als ich eine Viertelstunde weit bis zum Bootshaus gegangen bin. — Als ich heimkehre, ist die Mama schon ganz aufgeregt: »Wo bleibst du denn so lange?«
»Luft geschnappt. Was soll denn sein?«
»Du bist ja ganz rot im Gesicht!«
»Rot — ach so, es ist Wind draußen.«
»War alles in Ordnung?«
»Ja, natürlich. Übrigens...«
Sie dreht sich in der Tür um: »Ja, was denn?«
»Ich muß da morgen mit den beiden auf den Schützenball.«
»Auf den...«
»Ja, Schützenball. Übrigens ist es ein Kostümball. Was ziehe ich denn da an?«
Sie kommt nochmals ins Zimmer und läßt sich in einen Sessel fallen: »Kostümball — ja, du bist wohl nicht gescheit? Das kostet doch ‘ne Menge!«
»Das kostet gar nichts. Vielleicht ‘ne Mark oder zwei Eintritt pro Nase und ‘n halbes Fläschchen Wein, basta. Um zehn gehen wir wieder.«
Die Mama melkt nachdenklich ihr Kinn. Dann tritt ein schlauer Ausdruck in ihre Augen: »Ich hab’ was für dich! Einen persischen Palastmantel!«
»Einen persischen was bitte?«
»Einen persischen Palastmantel. Du kennst ihn nicht. Ich habe ihn oben in der Kiste, er ist noch von Onkel Rudi aus der Erbschaft. Sehr vornehm und distinguiert. Damit wirst du bestimmt Ehre einlegen. Und was ziehen die Mädels an?«
»Die Mädels — keine Ahnung.«
»Na, dann werde ich mich mal morgen sehr drum kümmern, daß sie nicht halb nackt da hingehen.« Sie melkt wieder ihr Kinn: »Vielleicht haben wir uns zu früh gefreut. Jetzt geht’s los mit den Scherereien.«