13

Am nächsten Vormittag gibt es so viel angesammelten Kleinkram für mich zu erledigen, daß ich kaum an die Mädels denken kann. Ich bringe mit unerhörter Anstrengung zwei Postkarten — eine an das Frauchen und eine an die Bentlers — zustande. Dann nehme ich mir die Hunde vor. Wir verziehen uns zu dritt ins Bad, wo Ohren gesäubert, Augen ausgewischt und Flöhe gesucht werden. Beide sind erst ziemlich zurückhaltend, als wollten sie sagen: >Ach, fallen wir dir endlich auch mal wieder ein?< Dann aber, als ich durch lange Ansprachen und intensive Flohjagd tätige Reue zeige, schmelzen ihre liebenden Herzen nur allzu willig. Weffi richtet sich, während ich den kleinen Löwen striegele, an mir hoch und leckt mich hinterm Ohr. Der Löwe kaut derweil, auf dem Rücken liegend, meinen Fuß. Sobald ich mit dem Striegeln aufhöre, tatzt er nach meinem Gesicht: Es soll weitergehen.

Ich lasse sie in den Garten, wasche mich, ziehe mich richtig an und mache dann einen Rundgang durch das Haus. An allen Fensterscheiben dicke Eisblumen. Einen scheuen Blick werfe ich zum Schreibtisch, wo der angefangene Artikel immer noch liegt, und muß dann zur Tür, weil Weffi draußen kratzt.

»Schon wieder ‘rein?« frage ich.

Er zittert nur mit den Fellhosen. Es ist ja auch barbarisch kalt. Sonst, wenn man aus dem warmen Haus ins Freie tritt, hat man noch ein paar Augenblicke eine Art Wärmemantel um sich. Der aber ist jetzt im Moment zerstoben, und die Kälte bohrt mir ihre Lanzen bis in die Knochen. Gerade als ich Weffi hineingelassen, sehe ich den Mühlner-Schorsch, unseren Ortspolizisten. Er ist wieder in Zivil und steuert in den Gartenweg.

»Wollen Sie zu mir?« frage ich ihn.

»Nur einen Augenblick.«

»Dann kommen Sie schleunigst ‘rein, Menschenskind. Es ist ja saumäßig kalt.«

Drinnen gibt er zu, daß es tatsächlich noch kälter sei als gestern. Oben an der Kirche habe man um drei Uhr früh dreißig Grad gemessen. Mit seinem runden Pickelgesicht, aus dem allmählich die Frostkälte weicht, sieht er überwältigend unbedeutend aus, aber die hellen Augen sind wach und wandern in der Bibliothek umher: »ja mei«, seufzt er, »so viele Bücher! Da sind Sie ja direkt berühmt!«

Ich gebe geschmeichelt eine gewisse Bekanntheit zu!

»Kann ich etwas für Sie tun?« (Man muß sich mit der örtlichen Polizei immer gut stellen, schon wegen falschem Parken und so.)

Er wehrt hastig ab, läßt wieder seine Blicke wandern. Ich biete ihm eine Zigarre an und hole den Steinhäger. Dann frage ich ihn, ob er mit der Faschingssache schon weitergekommen sei. Er erklärt, für ihn stehe fest, daß es sich erstens um Berufsverbrecher handele und daß sie sich — zweitens — noch hier in der Nähe aufhielten. Er hat sich vorgeneigt und zählt an den Fingern die Argumente dafür auf. Plötzlich sieht er gar nicht mehr unbedeutend aus. Es fällt mir ein, daß er eine sehr nette kleine Frau und zwei Jungen hat, die jedesmal die Mütze abnehmen, wenn sie mir begegnen, und anständig »guten Tag« sagen. Meine noch aus Journalistentagen stammende Sympathie für die Arbeit der Polizei wird wach. Ich stehe auf und greife in die Bibliothek: »Ich hab’ da letzthin einen Kriminalroman geschrieben — wenn er Sie interessiert...«

Er wird verlegen und nimmt das Buch, als sei es eine abgezogene Handgranate: »Sehr freundlich von Ihnen.« Er spricht heute hochdeutsch, und das wirkt verdächtig bei ihm.

Jetzt steht er auf und tritt ans Fenster: »Die Bentlers da drüben sind verreist, gelt?«

»Ja, endlich mal.«

»Und die Madeln?«

»Wir passen auf sie auf.«

Er sieht noch immer aus dem Fenster: »Ziemlich einsam hier heraußen.«

»Ja, aber dafür ist auch unsere Straßenlaterne alle drei Tage kaputt. Sagen Sie’s mal dem Bürgermeister, wenn Sie ihn sehen.«

»Und es treibt sich so allerhand Gelichter hier ‘rum. Das Zuchthaus Waldweiler — wenn da einer auskneift, der taucht erst mal bei uns unter, weil wir so abseits liegen.«

»Interessant. Daran habe ich noch gar nicht gedacht.«

»Na, Sie haben ja ‘ne Pistole.«

»Aha, die Polizei weiß alles! Ich habe aber auch einen Waffenschein!«

Er dreht sich um und zeigt die Zähne. Es soll wohl ein Lächeln sein: »Das weiß ich auch. Wenn ich mich nicht irre, ist er aber abgelaufen.«

»Abgelaufen — Donnerwetter, da muß ich doch gleich mal...« Ich krame den Schein aus der Brieftasche: »Hier — nein, gilt bis ersten April, bitte!« Ich reiche ihm den Schein. Er studiert ihn: »Das wäre in zwei Wochen — wenn Sie wünschen, besorge ich Ihnen schon immer das neue Formular und fülle alles aus. Sie brauchen nur zu unterschreiben, ich geb’s dann an den Bürgermeister weiter. Es läuft übers Landratsamt.«

»Na, das wäre aber wirklich reizend von Ihnen, Herr Mühlner! Papierkrieg liegt mir gar nicht.«

Er studiert immer noch den Schein: »Ich darf ihn gleich mitnehmen. Eine Mauser haben Sie? Wird gar nicht mehr hergestellt. Dürfte ich die mal anschauen, ich interessiere mich für Pistolen.«

Komischer Kauz! Laut sage ich: »Gern — das heißt, ich muß erst mal sehen, wo ich sie habe.«

Er zeigt sich erstaunt: »Das wissen Sie nicht? Wenn nun hier nachts einer auf taucht, dann haben Sie keine Zeit zum Suchen!«

Ich ziehe mehrere Schubladen auf: »Hier ist sie auch nicht — wo steckt denn nur das Luder —, was sagten Sie? Keine Zeit? Ach, die habe ich nur damals angeschafft für meine Vortragsreisen, wenn ich nachts unterwegs war. Und da waren doch diese Autobahnräuber...«

Plötzlich ist er neben mir. Sein Ton wird ausgesprochen väterlich: »Ich würde sie mir aber doch unbedingt an einen festen, schnell zugänglichen Platz legen!«

»Ja, müßte man, müßte man — man müßte so vieles, mein Lieber! Außerdem würde ich aber mit der sowieso nicht schießen.«

»Nicht?«

»Nein. Als ich sie zuletzt ölen ließ, zeigte mir dieser Fritze da im Waffengeschäft in Biederstein — der... der...«

»Der Waldhuber?«

»Richtig. Also, der zeigte mir, daß im Lauf so ‘n paar Roststellen sind. Er kriegte sie nicht weg. Es wäre zwar ungefährlich, meinte er, aber ich hab’ Angst, das Ding fliegt mir um die Ohren. Da drüben in der Kommode habe ich doch auch schon nachgesehen... Moment! Mamachen... Ma-ma-chen!«

Ich stehe in der Diele. Der Mühlner wieder neben mir, offenbar sehr erheitert. Die Mama erscheint oben am Geländer und erklärt nach Schilderung der Sachlage, sie habe das >scheußliche Ding< weggepackt, wegen der Kinder.

»Wegen der Mädels?«

Ja. Die nähmen schnell mal so was in die Hand. Im übrigen stände die Schachtel ganz hinten auf ihrem — der Mama — Kleiderschrank und sei infolgedessen nicht zugänglich.

»Wissen denn die Mädchen, daß eine Waffe im Haus ist?« fragt der Mühlner sie.

»Natürlich. Mein Sohn hat sie ihnen ja neulich noch gezeigt.« Damit zieht sie sich — in der alten Küchenschürze — zurück. Mühlner kneift ein Auge zu und sieht direkt verwegen aus: »Bleibt die alte Dame jetzt in der Küche?«

»Ja.«

»Könnten Sie nicht doch mal versuchen, ob Sie die Waffe finden? Ich möchte mir gern mal die Roststellen im Lauf ansehen.«

»Das ist aber wirklich zu liebenswürdig! Würden Sie mir mal den Stuhl dabei halten?«

»Gern.«

Wir schleichen uns wie zwei apfelstehlende Buben in das Zimmer der Mama und finden schließlich die Pistole. Irre ich mich, oder sieht der Mühlner etwas enttäuscht aus, als er damit zum Fenster tritt? Er untersucht den Lauf, indem er ihn gegen das Licht hält: »Das ist wirklich nicht schlimm. Feuern Sie die Waffe ein paarmal ab, dann geht’s von selbst weg.« Er schaut auf seine Uhr und hat es plötzlich sehr eilig. »Da habe ich mich aber schön verspätet! Also — das mit dem Waffenschein mache ich. Und vielen Dank auch für das Buch!«

Weg ist er! Ich sehe ihm unten aus dem Fenster nach. Was hat er nun eigentlich gewollt? Sich vielleicht bei mir Rat holen — immerhin habe ich ein paar hundert Artikel und zwei Bücher über sein Fach geschrieben. Verschämte Form kollegialer Konsultation also? Ich sollte mich vielleicht wirklich mal um die Faschingssache kümmern, unter Umständen kann ich ihm helfen — netter, tüchtiger Mensch übrigens. Meine Phantasie springt sofort wieder an. Ich sehe mich, wie ich die Diebe durch Vorhaltung meiner angerosteten Pistole zur Übergabe zwinge, den Triumph aber dem Mühlner überlasse. Überdies — um meinen Edelmut voll zu machen — nehme ich ihn mit zum Minister. Otto, hier bringe ich dir den Hauptwachtmeister Mühlner. Er hat da draußen bei uns einen Fall sehr geschickt... Mühlner wird befördert und ist ewig dankbar. Das Geflüster der Dorfleute hinter mir her: Ein mächtiger Mann. Sieht man ihm gar nicht an, wenn er so selber seinen Wagen wäscht und die Kohleneimer trägt...

»In zwanzig Minuten Mittagessen!« verkündet hinter mir die Mama.

»Hm. Aber das ist ja dann erst Schlag zwölf Uhr!«

»Zu früh? Wie der Herr belieben. Ich esse jedenfalls um zwölf, schließlich bin ich seit Morgengrauen auf!«

»Ja, natürlich, ich wollte doch auch nur...«

»Es paßt dir ja neuerdings gar nichts mehr. Die Essenszeit und die schöne Geschichte mit den Haarnadeln...«

Ich stelle schnell das Radio an, ganz laut.

Gleich nach dem Essen gehe ich zum See hinunter. Der Himmel hat sich verdüstert, und unter seiner Bleikuppel liegt die Welt erstarrt in unbarmherziger Kälte. Ich habe Gemüseabfälle, das Weiche der Frühstücksbrötchen und alte Brotreste bei mir, um die Bläßhühner zu füttern. Als ich, die Nase tief im Pelzkragen vergraben, ans Ufer komme, bleibe ich überrascht stehen. Der See hat über Nacht meterhohe Eisblöcke an Land geschoben. Ist etwa die letzte Lebensrinne der armen Kerlchen, der Bachausfluß, blockiert?

Nein, da ist er ja noch offen. Aber, mein Himmel, wie klein ist er geworden, der Lebensraum aus schwarzem, offenem Wasser; vielleicht noch vierzig Meter lang und zwei Meter breit. Und alles voller Vögel! Bläßhühner, Haubentaucher, Zwergtaucher und verschiedene Arten, die ich nicht kenne. Auf den Eisklippen entlang der Rinne sitzen wieder die Krähen, und in der großen Eiche am Ufer ist ein Schwarm von Dompfaffen eingefallen. Ihre roten Brüste leuchten im knackend-dürren Wintergeäst wie Granatäpfel. Jetzt drüben vom Wald her ein einzelner Krähenschrei, und mit einem Ruck schwingt sich das ganze Krähenvolk am See in die Luft, die voll ist von ihren schwarzen Flügelschlägen und ihrem Gekrächz. Vielleicht ist irgendwo ein Hase verendet, oder ein Reh hat den Kampf gegen die Eisriesen aufgegeben...

Ich schütte das Futter teils aufs Eis, teils ins Wasser, damit es auch zu den Furchtsameren weiter draußen getragen wird, die sich immer noch nicht herantrauen. Es sind ihrer nur noch wenige. Die meisten haben alle Scheu verloren und kommen in erschütternder Zutraulichkeit bis an meine Füße. Zwei Zwergtaucher möchten das auch, aber die anderen beißen sie weg. Ich werfe den Kleinen ein paar Extrabrocken zu, aber ehe sie zuschnappen können, hat sich schon ein halbes Dutzend Bläßhühner darüber gestürzt. Die beiden Kleinen drängen sich aneinander, als suche eines beim anderen Rat. Dann tauchen sie, verschwinden unter dem Eis. Sie werden kein Glück haben, denn sicher haben sich längst alle Fische vor dieser Massierung hungriger Schnäbel geflüchtet. Ich werde mir Fleischabfälle besorgen und versuchen, daß ich vielleicht doch an die beiden Kleinen herankomme. Schade, daß sie so verängstigt sind. So jämmerlich sehen sie aus — so verloren.

Hinter mir ein Geräusch, ein Ausruf, dann ein Lachen. Ich drehe mich um und sehe Buddy und Fred, beide mit ihren Schulmappen, die Kragen ihrer kurzen Mäntel hochgeklappt. Buddy ist ausgerutscht und hingefallen, und Fred lacht sich schief darüber, ein fieberhaftes, hysterisches Gelächter. Buddy wirft ihm einen kurzen, verächtlichen Blick zu und stellt sich neben mich:

»Mahlzeit, Colonel!«

»Mahlzeit, Buddy.«

Er sieht auf die Vögel zu unseren Füßen: »Was für hohe Ständer die Bläßhühner haben! Sieht man gar nicht, wenn sie im Wasser sind.«

Fred tritt an meine andere Seite, zeigt auf den See hinaus, wo man an drei, vier Stellen dunkle Klumpen sieht, zu Haufen zusammengedrängt, unbeweglich: »Die haben’s schon überstanden.«

Ich erschrecke: »Sie meinen, die sind schon tot?«

»Natürlich, tot. Unten bei uns, am Internatsstrand, von da kann man schon seit drei Tagen zur Insel ‘rüberlaufen. Die Leute, die das gestern machten, fanden Bläßhühner, Hunderte, festgefroren. Sie haben sie totschlagen müssen. Von manchen, die sich losrissen, blieben die angefrorenen Füße auf dem Eis kleben.«

»Mensch, hör doch auf!« sagt Buddy.

Der andere aber schiebt den bleichen, bebrillten Kopf dicht vor mein Gesicht: »Sind Sie eigentlich fromm?«

Unwillkürlich weiche ich einen Schritt vor ihm zurück: »Was hat das mit den Bläßhühnern zu tun?«

»Mir scheint — sehr viel. Und Sie wissen es auch!« Er zeigt mit einer emphatischen Gebärde auf die düstere Riesenbühne des Sees hinaus: »Was haben die getan? Welche Schuld haben die? Aber Ihre Generation — die kümmert das ja wenig, Colonel! Wie viele Tote hat sie auf dem Gewissen? Vierzig, fünfzig Millionen, vielleicht noch etwas mehr. Und als Belohnung dafür kam das Wirtschaftswunder, und alles ist in Butter. Alles sitzt bis zum Kragen im Fett!« Jetzt knirscht er tatsächlich mit den Zähnen, fängt sich wieder: »Verzeihung. War natürlich nicht persönlich gemeint. Aber Sie haben meine Frage nicht beantwortet, sind Sie fromm, glauben Sie an Gott?«

»Ich möchte darauf nicht antworten.«

Er scheint verdutzt: »Aber — wieso nicht?«

»Vielleicht möchte ich nicht gefragt werden — in dieser Form.«

Er wird steif: »Dann bitte ich um Entschuldigung. Sind die Mädchen schon zu Hause?«

»Keine Ahnung.«

»Dann darf ich... dann werde ich mal selbst...« Er macht eine komische kleine Verbeugung, wendet sich ab, dreht sich aber noch einmal um, holt aus seiner Tasche eine Schnitte, hält sie mir hin: »Habe ich ganz vergessen. Wenn Sie das den Vögeln auch geben würden?«

»Ich danke Ihnen im Namen der Vögel.«

Er hält das wohl für Ironie, wird rot, während in seinen Augen die Wut funkelt, wendet sich wieder um. Natürlich rutscht er in seinem krampfhaften Abgang auch noch aus und fällt auf Hände und Knie. Sein Gesicht ist ganz verzerrt, als er die Mappe aufhebt. Er hinkt, während er in Richtung unserer Häuser geht.

Buddy sieht ihm mit gerunzelter Stirn nach: »Kommt sich wer weiß wie vor. Es wird immer schlimmer mit dem in letzter Zeit. Dabei ist er im Grunde dumm, glauben Sie’s?«

»Und leider unsympathisch.«

Buddy streift mich mit einem Seitenblick: »Deshalb wollten Sie’s ihm nicht sagen. Verstehe ich.«

»Er hat über meine Generation geschimpft. Denkt ihr alle so?«

»Nee! Das ist wirklich altmodisch, was er da sagt. So haben wir mal gedacht. Ich selber zwar auch nicht — aber doch ‘ne ganze Menge von uns. Sie waren mächtig mißtrauisch gegen alles, was von euch kam.«

»Das waren wir unseren Eltern gegenüber auch. Sie hatten damals gerade den Ersten Weltkrieg hingelegt, und alles war zum Teufel. Weißt du, mir kommt’s fast so vor, als ob unser Mißtrauen länger anhielt als eures. Oder täusche ich mich?«

Er lächelt zum erstenmal wieder: »Nein, Sie täuschen sich nicht. Die ärgsten Schreier von früher protzen jetzt manchmal direkt mit ihren alten Herrschaften!«

»Also haben sie inzwischen auch so ein bißchen Ahnung bekommen, wie schwer es für uns war, uns in all dem schlimmen Durcheinander damals zurechtzufinden?«

Er ist offensichtlich verblüfft: »Nein — das ist doch, weil die Eltern wieder Erfolg haben! >Der Alte schafft doll an<, sagen sie, >wir müssen aufpassen, wie er’s macht. Man kann wirklich was von ihm lernen.<«

»Ach, so ist das.«

Er grinst: »Tut mir leid! Im übrigen — ich danke Ihnen schön, Colonel — und wenn’s Ihnen nichts ausmacht, könnten Sie doch weiter du zu mir sagen!«

»Na gut, Buddy.«

Plötzlich wird sein Gesicht belebt, als falle ein Schein darauf: »Ei — wer kommt denn da?«

Ich drehe mich um, es ist Margot.

»Du brauchst gar nicht so ironisch zu sein«, sagt sie zu ihm. Ihre Aussprache ist etwas undeutlich, denn sie hat, wie sich herausstellt, ein Konfekt im Mund und bietet mir welches an. Buddy bekommt auch ein Stück, und nun kauen wir alle. Margot holt eine Tüte vor und füttert die Bläßhühner. Aus dem dunklen Horizont kommend, erscheint eine Kette von Wildenten, kreist über der Schar hungrig schlingender Hühner und läßt sich dann draußen auf dem Eis nieder.

»Die kommen nie näher«, meint Buddy, »die bleiben immer scheu. Die werden auch noch anfrieren.«

»Quatsch!« erklärt Margot. »Sie gehen nachts auf den Krebsbach, der friert nicht zu, und da haben sie auch was zu fressen.« Zu mir gewandt fügt sie hinzu: »Wenn du noch ein paar Cognackirschen haben willst, Colonel, mußt du dich gut mit Susanne stellen, sie hat sie von Fred. Ein ganzes Kilo!«

»Man sollte Freds Eltern übers Knie legen«, erwidere ich, »daß sie dem Jungen so viel Geld in die Hand geben.«

Margot wirft einen beziehungsvollen Blick auf Buddy: »Wenigstens gibt er sein Geld für seine Freundin aus und kauft sich nicht ‘n Kasten Bier dafür, an dem er sich dummsäuft, wie gewisse Herren im Internat.«

Buddy grinst: »Können Sie mir zwölf Mark und Ihren Wagen pumpen, Colonel? Dann hole ich schnell einen Kasten Konfekt für Margot aus der Stadt!«

Sie will offenbar etwas Schnippisches antworten, preßt aber plötzlich die Lippen zusammen und blickt über seine Schulter hinweg gegen den Wald: »Bemüh dich nicht, es lohnt sich nicht. Da kommt Luzie. Bei der hast du so was nicht nötig.« Sie geht, dreht sich noch einmal um: »Tschüs, Colonel!«