36. Kapitel

 

AN BORD DER ANAKIN SOLO

 

Leia schnitt ein Loch in die Metallfläche über ihrem Kopf und stieß die kreisrunde Platte mit einem kleinen Machtschubs aus dem Weg, sodass die glühenden Ränder nicht mit ihrer Haut in Berührung kamen. Kühle Luft, strömte über sie hinweg.

Kein Alarm ertönte, keine Blastersalven regneten auf sie herab - so weit, so gut. Sie stand auf, fand sich in einer kleinen Werkstatt wieder und sprang hoch auf den Boden, um sich umzusehen.

Tische, Elektronikbauteile, Computerausrüstung, eine Tür, die nach draußen führte, niemand da. Sie warf einen raschen Blick auf die Gegenstände auf dem Tisch. Komplexe, aber robuste Schaltkreise und Verkabelungen, widerstandsfähige Durastahlzylinder, eine hoch entwickelte, leistungsstarke Batterie, vertraut wirkende Knöpfe und Klammern - hier baute jemand ein Lichtschwert. Es war beinahe fertig; es fehlte bloß noch das Gehäuse, und der Kristall musste noch eingesetzt werden.

Das musste Jacens Werk sein. Vielleicht baute er eine Waffe für Ben. in der Annahme, dass es ihm gelang, Ben wieder unter seine Fittiche zu bekommen.

Iella kam neben Leia hoch. »Wie weit noch?«

Leia deutete gedankenverloren auf die Seitenwand. »Gleich auf der anderen Seite. Wir sind da.«

»Ich aktiviere den Kom-Frequenzstörer.« Iella setzte ihren Rucksack auf dem Tisch mit den Lichtschwertteilen ab und öffnete ihn.

Han kletterte aus dem Loch im Fußboden. »Bevor du das Ding einschaltest ...« Er holte sein Komlink hervor und sprach hinein. »Erzwo, mach dich vom Acker.«

Iella zuckte zusammen und legte an der Seite des Kastens in ihrem Rucksack einen Schalter um. »Das haben die Sensoren in diesem Bereich möglicherweise aufgefangen.«

Han ignorierte das. »Wir können Erzwo nicht dort zurücklassen, damit er von der Allianz aufgegriffen und geröstet wird.«

Die Wand, auf die Leia gedeutet hatte, krachte unversehens nach innen. Ein YVH-Kampfdroide hämmerte sich seinen Weg in die Werkstatt, richtete seinen Arm auf Han und feuerte.

 

Luke und Saba flankierten Ben mit erhobenen Lichtschwertern und fingen das Blaster-Sperrfeuer ab, das in ihre Richtung zuckte. Caedus wartete geduldig. Diesem massiven Beschuss konnten sie nicht sonderlich lange standhalten. Entweder würden sie sterben, oder sie ließen sich etwas einfallen, um die Kampfdroiden rasch außer Gefecht zu setzen. Als Blastersalven unkontrolliert als Querschläger über die ganze Brücke zischten, gingen die Offiziere der Anakin Solo hinter ihren Stationen hastig in Deckung. Caedus schaltete bloß sein Lichtschwert ein. bereit, irgendwelche Querschläger abzuwehren, die auf ihn zukamen.

Seltsamerweise hakte Ben sein Lichtschwert wieder an den Gürtel. Der Junge streckte die Hände zu beiden Seiten aus. Etwas flog aus jeder seiner Hände runter zu den YVH-Droiden in den Offiziersgräben, um sich an ihre Brust zu heften.

Caedus seufzte. Natürlich. Die Jedi hatten von den Droiden, die sie besiegt hatten, Granaten erbeutet.

Noch während ihm dieser Gedanke durch den Kopf ging, explodierten die Sprengsätze. Die Kampfdroiden verschwanden - nicht, weil sie verdampft waren, sondern weil die Wucht der Detonation sie gegen die Schottwand hinter ihnen schleuderte. Die Schockwelle traf jeden im hinteren Bereich der Brücke, zerfetzte Computerstationen, steckte Männer und Frauen in Brand. Schreie und Alarmsirenen erfüllten die Luft.

Ben wiederholte die Aktion und platzierte Granaten auf der Brust der beiden YVH-Droiden, die die Jedi flankierten. Caedus blinzelte. Das wirkte wie ein Selbstmordmanöver. Die Explosionen würden die Jedi ebenso verschlingen wie die Droiden. Dann jedoch sprangen Luke und Saba vor, jeder in eine andere Richtung, und die beiden noch immer feuernden Droiden kippten rücklings in die Gräben, in denen ihre Kameraden gewesen waren.

In der Sekunde, die ihm blieb, bevor diese Detonatoren hochgingen, griff Caedus ins Kampfgeschehen ein, um die Zahl seiner Widersacher genauso zu reduzieren, wie sie es bei seinen Kampfdroiden getan hatten. Er streckte die Hand aus, setzte Telekinese ein und ließ Saba Sebatyne seitlich in den Steuerbordgraben rutschen, wo sie beinahe auf den zum Untergang verdammten Droiden stürzte, der hier lag.

Sie sprang fast augenblicklich in Sicherheit, aber fast war nicht schnell genug. Die Sprengsätze explodierten. Die Detonation traf Sebatyne, als sie erst einen oder zwei Meter in der Luft war, und katapultierte sie wie ein altmodisches Geschoss gegen die Backbordwand; sie krachte fünf Meter über dem Boden gegen das Metall und rutschte brennend wieder in den Graben hinunter.

Luke und Ben sahen in Caedus' Richtung. Er lächelte sie an und hatte für sie nur ein Schulterzucken übrig. »Eine erledigt.«

Die vier Droiden in seiner Nähe feuerten weiter.

 

Als die Wand einstürzte, sprang Han nach hinten, auf die Tür zu, in der Hoffnung, dass sie automatisiert war und sich für ihn öffnen würde. Leia zog und aktivierte ihr Lichtschwert. Iella hastete zum Loch im Fußboden.

Alles schien wie in Zeitlupe abzulaufen. Hans Schultern stießen nicht gegen die Tür - er taumelte in den Korridor zurück. Leias Klinge glitt in die Höhe und wehrte die ersten vier- oder fünftausend Laserschüsse ab. die aus dem rechten Arm des Droiden drangen.

Jemand schoss dem Droiden drei, vier, fünf Mal in die Brust - Han war überrascht, den Blaster in seiner eigenen Hand zu sehen. Er feuerte so schnell, wie sein Finger den Abzug durchziehen konnte, ohne auch nur zu überlegen, was er da tat. Dann krachten seine Schulterblätter gegen die Korridorwand hinter ihm, und er verlor sein Ziel aus dem Visier.

Kein Ziel. Er konnte diesem Ding nichts anhaben, indem er auf die Stellen schoss, die einen Menschen verletzen würden. Aber auf eine Entfernung von drei Metern war er imstande, alles zu treffen, das er sah. einschließlich jedes beliebigen Symbols auf einer Sabacc-Spielkarte.

Er schwenkte den Blaster und ließ Muskelgedächtnis und Reflexe die Arbeit erledigen. Seine Blasterschüsse zogen eine perforierte Linie über die Brust des Droiden. wanderten den Arm hinunter, zu dem in den Arm eingelassenen Blaster ...

Zur Mündung...

Hans Schuss drang in die Mündungsöffnung, und der untere Teil des rechten Arms explodierte. Die Laminaniumpanzerung des Unterarms fing die Wucht der Detonation größtenteils ab. Han sah, wie die Kompositverkleidung Risse bekam, die sich mit Feuer füllten, und dann fühlte er. wie seine eigene Wange aufriss, als ihn etwas streifte.

Doch der Droide war noch nicht erledigt. Er hob seinen anderen Arm ...

Leia, die nicht mehr länger gezwungen war. Blastersalven abzuwehren. trat vor und ließ ihre Lichtschwertklinge auf den Arm herniedersausen, direkt oberhalb des Ellbogens, wo die Panzerung am dünnsten war. Ihr Hieb trennte den Arm nicht ab, nicht sofort, doch die Wucht des Schlags reichte aus, um ihn zur Seite zu stoßen, und der elektrische Funkenschlag, der daraus hervorschoss, verfehlte sie um Zentimeter und pflügte über Hans Kopf durch die Korridorwand.

Dann löste sich der linke Arm am Ellbogen ab.

Han feuerte weiter und deckte die Fotorezeptoren des Droiden mit Schüssen ein. Der Droide schwang die Überreste seines rechten Arms zu Leia herum, eine potentziell tödliche Attacke, die stark genug war. um ihr den Schädel einzuschlagen, ihr das Genick zu brechen. Doch sie reckte sich zur Seite, ließ den Hieb harmlos über sich hinwegwischen und richtete sich wieder auf, um ihre Klinge unter die rippenartige Brustpanzerung des Droiden zu rammen.

Der Angriff ließ Systeme durchschmoren, und an der Ober- und Unterseite der Rippen stoben Funken hervor. Dann drang ihre Klingenspitze von unten in den Schädel ein. Der Droide erzitterte einen Moment, hob seinen Arm für einen zweiten Hieb - und brach zusammen. Anstatt ihr Lichtschwert von dem Gewicht nach unten reißen zu lassen, deaktivierte Leia die Waffe und schaltete sie wieder ein, als der Droide am Boden lag.

Iella tauchte bleich aus dem Zugangsloch auf. »Also, das war interessant.«

Hau nickte. »Willst du es noch mal machen?«

»Neiiiiin.«

 

Sie fanden Allana zwei Abteile weiter, ein verängstigtes kleines Mädchen in einem Kleidchen, das sich im Schrank einer Waffenkammer versteckte. Als Leia die Schranktür öffnete, sprang sie ihnen entgegen, einen Injektorstift in der Hand, doch Leia packte sie am Handgelenk, fing den Angriff ab und ließ das Mädchen sofort wieder los.

So ein hübsches Mädchen. Und sie wirkte so vertraut.

Leia hob ihre Hand mit der Handfläche nach außen, eine Geste des Friedens, um einer weiteren Attacke zuvorzukommen. »Ich bringe dir eine Nachricht von deiner Mutter.«

Argwöhnisch, mit gerunzelter Stirn, wich Allana vor ihr zurück. »Sagen Sie sie mir.«

»Ich zeige sie dir lieber.« Sie griff in eine Tasche ihrer Robe und holte ein Gerät daraus hervor, einen handgroßen Holoprojektor. Sie stellte ihn auf den Tisch und schaltete ihn ein.

Ein Hologramm von Tenel Ka - in Puppengröße - erschien in der Luft. Tenel Ka lächelte mit hoffnungsvoller Miene und sprach. »Allana, die Zeit drängt. Zunächst: Bantha frisst Glühstab.«

Allana ließ ihren Injektorstift sinken und lächelte. Ihr Blick war auf das Abbild ihrer Mutter fixiert, und ihre Gedanken waren so offensichtlich, dass Leia sie durch die Macht so deutlich hören konnte wie gesprochene Sprache: Die Worte. Die richtigen Worte.

»Diese Leute werden dich zu mir bringen. Geh mit ihnen und vertrau ihnen so, wie du mir vertraust. Und wisse, dass ich dich liebe und dich mehr vermisst habe, als ich zu sagen vermag.« Tenel Ka hob einen Finger an ihre Lippen und hauchte einen Kuss, ehe sie verschwamm.

Allana blickte zu ihren Rettern auf. »Können wir jetzt gehen?«

Leia nickte. »Wir werden sofort von hier verschwinden.«

»Kann ich für Jacen eine Nachricht hinterlassen?«

»Ich fürchte nicht. Liebes. Du kannst dich bei ihm melden, sobald wir auf Hapes sind. Du hast keine Zeit zu packen.«

»Das ist schon in Ordnung. Alles, was mir gehört, ist sowieso noch zu Hause.«

 

Unfassbarerweise stand Saba wieder auf, hob sogar ihr Lichtschwert, um die nächste Welle Blastersalven abzuwehren, die auf sie zuschossen. Rauch stieg von ihrem Rücken und ihren Beinen auf, und Teile ihrer Haut waren versengt, bluteten ... aber sie hielt sich aufrecht, wenn auch auf zittrigen Beinen.

Luke drehte sich nicht zu Ben um, hob jedoch die Stimme, damit der Junge ihn besser verstehen konnte. »Schaff sie hier weg.«

»Vergiss nicht, warum ich hier bin, Großmeister.«

Verärgert knirschte Luke mit den Zähnen und nickte. Er sprach noch lauter. »Meisterin Sebatyne: Rückzug.«

»Diese hier ist noch immer ... «

»... dabei zu verschwinden.« Lukes Tonfall war unnachgiebig. »Denk daran, weshalb wir hier sind!«

Hinter Jacen senkten sich die Metalljalousien der Sichtfenster. Das war nicht überraschend; die Detonationen mussten die Scheiben in Mitleidenschaft gezogen haben, und die Diagnoseprogramme des Schiffs versiegelten alles, bevor die Atmosphäre explosionsartig entweichen konnte. Abgesehen davon waren draußen mit einem Mal viel mehr Schiffe zu sehen als zuvor, und einige davon hielten mit feuernden Laserbatterien auf die Anakin Solo zu.

Luke streckte Jacen die Hand entgegen. Jacen hob sein Lichtschwert und die linke Hand, bereit, den Angriff abzuschmettern, doch Lukes Geste war bloß ein Ablenkungsmanöver. Stattdessen packte er mit seinen Machtkräften einen der YVH-Droiden und schleuderte ihn nach hinten, gegen das ramponierte Sichtfenster.

Der Transparistahl gab nach, und der Droide segelte ins All davon. Luft strömte an den Jedi vorbei, zerrte sie nach vorne, und Jacen taumelte rückwärts auf die Fenster zu, aber dann schlossen sich die Jalousien zur Gänze und versiegelten die Brücke.

Unterdessen fühlte Luke ein schmerzerfülltes Aufwallen in der Macht, als Saba auf den Laufsteg emporsprang und humpelnd die Brücke verließ.

Drei YVH-Droiden waren noch übrig. Und Jacen. Gegen Luke und Ben. Luke würde sich um Jacen kümmern, was bedeutete, dass Ben drei Kampfdroiden die Stirn bieten musste. Ihre Chancen standen nicht gut.

Dann wendete sich das Blatt.

Während er Blasterfeuer mit seinem Lichtschwert beiseiteschlug, spürte Luke eine Flut von Gefühlen in der Macht: unschuldiges Vergnügen; die Freude eines kleinen Mädchens, das wieder nach Hause durfte.

Jacen erbleichte sichtlich. »Allana ... « Mit einem Mal stürmte er vor, durchquerte den Blasterfeuerhagel seiner eigenen Kampfdroiden und zwang sie, das Feuer für einen kurzen Moment einzustellen.

Er kam auf Luke zu, sprang jedoch zur Seite und flog durch die Luft zu einer der Türen, die nach achtern führten, ohne dem Jedi die geringste Beachtung zu schenken.

Luke rief seinem Sohn einen Befehl zu: »Rückzug! Warn Leia, dass Jacen unterwegs ist!« Er riss sein Lichtschwert hoch und wehrte neue Ströme von Blasterfeuer ab, ehe er langsam in Richtung der Brückenpanzertüren zurückwich, auf seinen Sohn zu.

 

Ben segelte mit einem Rückwärtssalto durch die Panzertür, wobei er seinen Vater und den beinahe undurchdringlichen Blasterschild, den Luke darstellte, zwischen sich und den YVH-Kampfdroiden hielt. Dann schoss er nach rechts, um hinter dem Türrahmen in Deckung zu gehen. Er schlug mit der Handfläche auf den SCHLIESSEN-Knopf und aktivierte sein Komlink. »Tante Leia, Rückzug! Jacen kommt!«

Ihre Stimme antwortete klar und ruhig: »Sind bereits dabei.«

»Beeilt euch.« Ben warf einen Blick über seine Schulter und stellte fest, dass der Korridor menschenleer war - das einzige Lebewesen, das er sah, war Saba, die in der Ferne dahinhumpelte. Blastersalven von den Kampfdroiden - Schüsse, bei denen Luke sich nicht einmal die Mühe machte, sie abzuwehren - drangen wie vom Wind zur Seite geblasener Nieselregen in den Gang hinaus, aber keiner davon wurde Saba gefährlich.

Luke wich rückwärts durch die Panzertür zurück, als der Spalt gerade noch breit genug war, um ihn durchzulassen. Dann krachte die Tür zu, und das Lasergestöber wurde abgeschnitten.

Ben rammte sein Lichtschwert in die Kontrolltafel und stieß die Klinge immer tiefer hinein, um ein sauberes Loch durch die entsprechende Tafel auf der anderen Seite zu brennen. Luke sah zu ihm herüber. »Zeit zu verschwinden.«