20. Kapitel

 

CENTERPOINT-STATION, FEUERLEITSTELLE

 

Rauch schwängerte die Luft, sammelte sich unter der Decke und wurde von den Belüftungsströmen in verschiedene Richtungen davongetrieben. Techniker, die nicht an schnelles Handeln gewöhnt waren, hantierten mit Feuerlöschern herum. Einer sprang von seiner Station weg, als seine Tastatur mit einem Mal rot aufglühte; Flammen schlugen daraus hervor und verschlangen die Tasten.

Admiralin Delpin ging von Station zu Station, gab Anweisungen, zwang Techniker an ihre Plätze zurück oder scheuchte sie aus Sesseln, die zu dicht bei brennenden, funkensprühenden Kontrollkonsolen standen, je nachdem, was die Situation erforderte.

Und die ganze Zeit über rührte sich Premierminister Koyan nicht vom Fleck und blaffte mit beständig zunehmender Lautstärke: »Was ist passiert? Was ist passiert? WAS IST PASSIERT?«

Denjax Teppler ergriff ihn am Arm. »Das wissen sie noch nicht, Sir. Und Sie sind ihnen augenblicklich auch keine große Hilfe.«

»Ich muss denen nicht helfen! Ich bin der verdammte FünfWelten-Premierminister! Ich will Antworten!«

»Es gibt noch keine Antworten.« Tepplers Stimme war leise, doch in seinen Worten lag eine gewisse Härte von Durastahl. »Sie bekommen Ihre Antworten schneller, wenn Sie aufhören, sich einzumischen.«

Koyan sah ihn an. als würde er mit sich ringen, ihm die Schädeldecke abzubeißen, doch dann nickte er und hielt den Mund.

Einen Moment später führte Delpin einen der Techniker zu dem Grüppchen Politiker hinüber. Der Mann - gelbhäutig, bärtig, mit langem, von einem Band zusammengehaltenem Haar und einem Rußfleck auf der linken Gesichtshälfte - bedachte Koyan mit einem unbeholfenen Salut. »Sir, die Waffe wurde abgefeuert.«

»Sind Sie sicher?«

Der Mann nickte. »Allerdings wurde das System dabei überlastet. Die alten Sicherheitssperren zu umgehen, die vor etlichen Jahren auf Anakin Solo geeicht wurden, damit er allein das Geschütz aktivieren kann, war recht problematisch. Aber wir haben das System trotzdem abgefeuert, und jetzt haben wir die Quittung dafür bekommen.«

Koyan schüttelte den Kopf. »Ich verstehe nicht, was Sie meinen.«

Der Techniker zögerte, suchte nach einer Möglichkeit, dem Politiker den Sachverhalt zu erklären. »Stellen Sie sich diese Station als Körper vor. Sie hat ein Gehirn. Wir sind so etwas wie ein zweites Hirn, das versucht, den Körper zu übernehmen, und das erste Gehirn wehrt sich dagegen. Wir übernehmen einen Bereich. und das Gehirn reagiert darauf, indem es etwas tut, um uns Knüppel zwischen die Beine zu werten. In diesem Fall haben wir die Kontrolle über den Abzugsfinger übernommen ... und als wir geschossen haben, hat uns das andere Hirn als Reaktion darauf einen Daumen ins Auge gerammt, um uns ins Handwerk zu pfuschen.«

»Oh.« Koyan nickte, eindeutig in der Annahme, einiges davon zu verstehen. »Also haben wir die Waffe abgefeuert. Was ist mit dem Ziel passiert?«

»Das können wir unmöglich sagen, bis wir Augenzeugenberichte erhalten. Wir haben einen Daumen im Auge, schon vergessen?«

Admiralin Delpin kam auf sie zu. »Wir haben jeglichen Kontakt zur Köderflotte verloren. Ihre Holokoms reagieren nicht auf unsere Anfragen, nicht einmal durch automatische Rücksignale. Das deutet daraufhin, dass sie komplett ausgelöscht wurden. Und wenn sie das wurden ...«

»Dann auch die Allianz-Schiffe.« Koyan nickte und wischte sich wieder die Stirn ab. »Gut. Ich hoffe. Sie haben recht. Wie lange dauert es. bis wir erneut feuern können?«

Der Techniker zuckte die Schultern. »Ungewiss. Sieht so aus, als hätte dieser Daumen in unserem Auge für eine Systemenergieüberladung gesorgt, und vermutlich muss die Zielerfassung neu kalibriert werden. Das bedeutet: eine Menge Sternendaten nochmals eingeben. Vielleicht in einigen Tagen? In ein paar Wochen?«

»Bleiben Sie am Ball.« Koyan wandte sich ab und marschierte zur Tür, um in die frischere Luft des Korridors dahinter zu flüchten. Sein Gefolge folgte ihm.

Alle bis auf Teppler. Er hob die Stimme, um sich über das Chaos hinweg Gehör zu verschaffen. »Meine Damen, meine Herren, das Büro des Premierministers dankt Ihnen allen für Ihre harte Arbeit. Sie haben Ihre Sache hervorragend gemacht.«

Als Zeichen der Unterstützung und Begeisterung reckte er die Faust in die Luft, ehe er sich abwandle, um Koyan zu folgen.

Admiralin Delpin stand vor ihm. Sie flüsterte, sodass nur er sie hören könnte: »Sie sind ein vollendeter Lügner. Und das sage ich mit allem gebotenen Respekt.«

Er schenkte ihr ein gequältes Lächeln. »Vielen Dank. Ähm, wenn Phennir das herausfindet... «

»... wird er uns die Hölle heißmachen.«

»Kann ich irgendetwas für Sie tun, um Ihnen den Rücken freizuhalten?«

»Machen Sie ihm einfach klar, dass ich bloß Befehle befolgt habe ... die ich von der corellianischen Regierung bekommen habe, nicht vom Oberbefehlshaber der Konföderationsarmee.« Sie warf einen Blick in die Richtung, in der Koyan verschwunden war, und es gelang ihr nicht gänzlich zu verhindern, dass ein Ausdruck der Abneigung über ihr Gesicht glitt.

»Das werde ich tun.«

»Und wenn wir Jacen Solo getötet und die Zweite Flotte vernichtet haben, war das Ganze jedes bisschen Ärger wert.«

Teppler nickte zustimmend. »Viel Glück.«

»Ihnen auch.«

 

 

AN BORD DER ANAKIN SOLO

 

Die Anakin Solo quälte sich mit ihrem infolge des Angriffs beschädigten Hyperantriebs in den coruscantischen Raum zurück. die Hangars vollgestopft mit Sternenjägern, die nicht bloß der eigenen Armada angehörten, sondern teilweise auch von Schiffen der Zweiten Flotte stammten, die die Schlacht nicht überdauert hatten.

Caedus marschierte auf der Brücke auf und ab; seit der Katastrophe hatte er kein Auge mehr zugetan. Er wollte jeden Moment seiner Zeit mit Allana verbringen, um für sie da zu sein, wenn sie aus dem tiefen Schlummer erwachte, in dem sie versunken war. doch das war ihm nicht möglich. Wenn er seine Pflichten zu lange vernachlässigte, würde das seine Mannschaft auf den Gedanken bringen, dass er andere Prioritäten hatte. Er konnte nicht riskieren, dass sie Fragen stellten - nicht einmal eine so loyale Besatzung wie die, die er befehligte.

Der Feind hatte die Primärwaffe der Centerpoint-Station einsatzfähig gemacht und sie für den Versuch benutzt, ihn zu töten - ihn persönlich.

Das war ein Eingeständnis. Sie wussten, dass er das wichtigste Individuum in der Galaxis war, die einzige Person, die die Allianz zum Sieg führen konnte. Sie waren in Panik geraten. Und es war ihnen nicht gelungen, ihn umzubringen.

Doch unwissentlich hatten sie auch versucht, Allana zu töten. Dafür würden sie bezahlen. Jeder, der Corellia bei dieser Tat unterstützt hatte, würde sterben, für den Rest seines Lebens in Gefängniswerkstätten Teile für die Rüstungen von Allianz-Trupplern ausstanzen oder an Rancoren verfüttert werden.

Captain Nevil trat näher. Der Quarren sah so adrett und Respekt einflößend aus wie immer, doch die Haut seiner Gesichts- und Mundtentakel war blasser als gewöhnlich. »Sir, wir befinden uns jetzt in der Planetenumlaufbahn. Mit Ihrer Erlaubnis würde ich gern die orbitalen Schiffswerften ansteuern, um unverzüglich mit den Reparaturen zu beginnen.«

Caedus sah ihn an. »Erteilt.«

»Admiralin Niathal hat darum ersucht, sich umgehend im Senatsgebäude mit Ihnen zu treffen.«

Nein. Dann wäre ich fort, wenn Allana erwacht. »In einer Situation wie dieser kann ich die Anakin Solo nicht verlassen. Antworten Sie, dass wir uns hier treffen oder mittels Holokom kommunizieren können.«

»Ja, Sir.«

Caedus kam in den Sinn, dass es etwas gab, das er Nevil eigentlich schon längst hätte fragen müssen, was er bislang jedoch nicht getan hatte. Was war das noch? Ach ja. »Kral, unter den Einheiten, die wir verloren haben ... waren da Familienangehörige von Ihnen?«

»Ja, Sir.« Nevil schien einen Deut in sich zusammenzusinken, ehe er sogleich wieder Haltung annahm. »Mein Sohn Turl. Ein Fähnrich. Er war Waffenoffizier an Bord der Fregatte Cheesmeer.«

»Das tut mir leid.« Caedus versuchte, Mitleid zu empfinden, versuchte, sich klarzumachen, dass Turl für Nevil das war, was Allana für ihn bedeutete, doch es blieb bei dieser mathematischen Gleichung. Turl Nevil war ein Niemand gewesen, und jetzt war er ein Niemand, der von unvorstellbaren Gravitationskräften zu einem winzigen Krümel im Weltall verzerrt und zusammengequetscht worden war. Dennoch gelang es Caedus, einen Ausdruck des Mitgefühls in die Miene zu legen.

Zumindest schien Nevil seinen Gesichtsausdruck entsprechend zu deuten. »Vielen Dank, Sir.« Er wandte sich ab und marschierte steif davon, um sich wieder seinen Pflichten zuzuwenden.

Das Treffen fand in Caedus' Privatbüro statt. Wieder einmal blieb Admiralin Niathal stehen und durchschritt den Raum, während Caedus gleichmütig Platz nahm.

»Von der Zweiten Flotte ist bloß noch ein Trümmerhaufen übrig.« Niathals Stimme klang tiefer als gewöhnlich; Emotionen senkten ihre Tonlage.

Caedus nickte.

»Das Flaggschiff, die Blue Diver, ist verloren, und mit ihm Flottenadmiralin Limpan.«

Nun, so eine grandiose Admiralin war sie ohnehin nicht, oder? »Ich weiß. Das Ganze ist eine Katastrophe. Ich sagte Ihnen doch, dass es eine Falle ist. Wir hatten bloß keine Vorstellung ihres Ausmaßes. Dass sie mich ins offene All locken, ein paar baufällige Kriegsschiffe mit Rumpfmannschaften hochschicken, um mich ein paar Minuten an Ort und Stelle festzuhalten, und dann die größte Kanone im Universum auf uns abfeuern. Das hat etwas elegant Simples an sich.«

»Wie konnten Sie überleben?«

Caedus seufzte, ehe er sich im Geiste die Geschichte zurechtlegte, die er sich überlegt hatte. »Bei meiner Unterredung mit Captain Hoclaw hatte ich eine Vorahnung durch die Macht. Die Erkenntnis, dass ein Teil ihres Plans vorsah, quasi als Sekundärziel eine Eliteeinheit zu schicken, um die hapanische Prinzessin Allana in ihre Gewalt zu bringen. Deshalb war die Jedi Solo da. Nachdem sie meinem Sicherheitsteam entkommen war, holte ich das Mädchen aus ihrem Quartier und flog mit ihr in einem Sternenjäger raus, um das Team zu mir zu locken, das sie entführen sollte. Es bestand aus Jedi in StealthX-Jägern. Zu meiner Überraschung waren sie gewillt, mich zu töten und das kleine Mädchen dabei ebenfalls sterben zu lassen, weshalb ich zugeben muss, dass ich ihre Prioritäten ein wenig unterschätzt habe. Trotzdem hatte ich keine Schwierigkeiten, sie mir vom Hals zu halten, bis die Hauptwelle der Verstärkung eintraf - eine Sternenjäger-Staffel, die sie dann vertrieben hat. Ich befahl der Anakin Solo, die Verfolgung der feindlichen Jäger aufzunehmen, was der Grund dafür ist, warum das Schiff nicht in der Nähe des Schlachtfelds war, als das Centerpoint-Geschütz abgefeuert wurde.«

»Aha.« Niathal schenkte ihm ein Das-macht-Sinn-Nicken. »Dann hatten Sie Glück.«

»Ja.«

»Hätten doch bloß all unsere Anführer so viel Glück gehabt wie Sie.«

»Ganz Ihrer Meinung.«

»Wir haben gerade eine Menge glückloserer Kommandeure und Schiffe verloren, für die wir keinen Ersatz haben. Die Corellianer haben einen fliegenden Schrottplatz aufgeboten und uns damit etliche moderne Schiffe gekostet. Womöglich übersteigt die militärische Stärke der Konföderation jetzt die unsere. Solange die Centerpoint-Station einsatzbereit ist, mit Sicherheit.«

Caedus lächelte. »Admiralin, wir haben diesen Krieg gerade gewonnen.«

Diese ruhig ausgesprochene Behauptung ließ Niathal mitten in der Bewegung innehalten. »Sagen Sie das noch mal?«

»Die Corellianer haben uns soeben den Hauptpreis auf dem Silbertablett serviert. Die Lösung all unserer Probleme. Wir haben gewonnen.«

»Wie das?«

»Wir begeben uns ins corellianische System und übernehmen die Kontrolle über die Centerpoint-Station. Dann richten wir die Kanone auf unsere eigenen Ziele aus.«

Niathals Haut verdunkelte sich - eine Farbveränderung, von der Caedus annahm, dass sie mit Erröten oder einem Wutanfall vergleichbar war. »Aha. Mir war nicht bewusst, dass es so einfach ist. Soll ich Ihnen vielleicht ein Lunchpaket schnüren?«

Caedus tat ihren Sarkasmus beifällig ab. »Nachdem Ben und ich Centerpoint außer Gefecht gesetzt hatten, wäre die Station die Verluste nicht wert gewesen, die ein Aufgebot unserer gesamten Streitkräfte hätte einstecken müssen, um Centerpoint zu kapern - und zum damaligen Zeitpunkt wären wir nicht bereit gewesen, sie unverzüglich einzusetzen.

Aber jetzt ... Wenn wir in dem Moment, in dem sie glauben, dass unsere Raumflotte am schwächsten ist, eine groß angelegte Offensive starten ... können wir Centerpoint einnehmen. Und jetzt sind wir entschlossen, die Station auch zu benutzen. Sie und ich. wir verkörpern diese Entschlossenheit.«

Die Admiralin stand eine ganze Weile da und musterte ihn von Neuem; ihr eigenes Gesicht war unergründlich. »Haben Sie einen Plan?«

»Bis morgen schon.«

Niathal nickte. Sie drehte sich um und ging.