25. Kapitel

 

Zekk, der hinter Jaina nach unten glitt, spürte den Angriff im selben Moment wie sie, fühlte seine ganze Kraft und Geschwindigkeit.

Und sein Ziel. Er war auf Jaina gerichtet. Reflexartig holte Zekk mithilfe der Macht aus und stieß Jaina nach unten. Sie schoss abwärts, als wäre sie von einem uralten Artilleriegeschütz abgefeuert worden.

Etwas schoss einen Meter über seinen Kopf hinweg, etwas Silbernes, das die Schienen erwischte und eine sauberen Schnitt in den Metallstreben zurückließ. Einen Sekundenbruchteil später traf es mit einem trüben Lichtblitz und einem widerhallenden

Bumm die Rückwand der Höhle.

Zekk wandte seine Aufmerksamkeit der Quelle des Angriffs zu, die sich außerhalb der Sichtweite befand, doch er konnte spüren, dass sie jetzt in die Offensive ging, ohne länger zu lauern. Sie musste hundert oder mehr Meter entfernt sein, doch es war schwer, Entfernungen durch die Macht präzise zu bestimmen.

Es stank nach dunkler Machtenergie und Entschlossenheit, eine Machtpräsenz, die gleichzeitig leblos, aber nicht tot war. Sie verfolgte ein Ziel. Zekk konnte die Präsenz beinahe sehen.

ihr Selbstbild ausmachen: eine große Kugel, aus der von Adern durchzogene Schwingen hervorragten, während ein Waffenstachel aus der Oberseite und ein Landestachel aus der Unterseite herausragten ...

Und in dem, was dem »Geschöpf« als Herz diente, loderte Hass auf ihn. auf Jaina.

Zekk »las« seine Bewegungen und Absichten, als es zum Angriff überging. Der obere Stachel war auf Jaina gerichtet. Jetzt kippte er nach oben, zielte auf Zekk und bereitete sich darauf vor, erneut zu feuern ...

Zekk packte das Gleis mit seiner freien Hand und stieß sich ab; mit der Macht verlieh er seiner Bewegung weiteren Schwung und schoss abwärts. Einen Sekundenbruchteil später zischte etwas über seinen Kopf hinweg und durchschnitt die Schiene, ehe es in die hintere Höhlenwand krachte. Jetzt, wo das Gleis über und unter ihm durchtrennt war, löste sich ein mehrere Meter langes Schienenstück, schwebte davon und drehte sich um die eigene Achse, während es in die Tiefe glitt und schneller wurde.

Zekk verzog das Gesicht. Er kämpfte gegen einen Sternenjäger - oder zumindest so etwas Ähnliches -, und alles, was er hatte, war sein Lichtschwert. Aber zumindest konnte er als Ablenkung fungieren, um Jaina dieses Ding vom Hals zu halten.

Als er die Oberkante des verbleibenden Gleisstücks weiter unten erreichte, die Stelle, an der Jaina beinahe getroffen worden wäre, winkelte er seinen Körper so an, dass seine Füße auf einer der Querstreben landeten. Er glich die leichte Erschütterung des Aufpralls mühelos aus. »Geh weiter, Jaina. Ich kümmere mich hierum.«

»Wie?« Jainas Stimme klangflach, ungläubig. Sie wusste, dass er log.

»Verwirr mich nicht mit Fragen. Geh einfach.« Vermutlich, indem ich sterbe. Er hoffte, dass dieser verirrte Gedanke nicht bis zu Jaina drang, dass die schwachen Überbleibsel des Bandes, das sie miteinander verband, seit sie Neunister gewesen waren, vor vielen Jahren, ihn nicht an sie übermittelt hatten.

Er fühlte Jainas Wut auf ihn, auf Alema Rar. Doch er nahm auch Zustimmung wahr. Sie wusste, dass es das Richtige war: Alemas Konzentration zu stören; sie an so vielen Fronten wie möglich anzugreifen.

Das Ding da draußen in der Dunkelheit, das Sith-Schiff - denn das musste es sein - schwebte aus eigener Kraft zur Seite, vielleicht, um zu bestimmen, ob Zekk es verfolgen konnte. Zekk blickte weiter in die Richtung, in der sich das Schiff ursprünglich befunden hatte.

Dann kam ihm etwas in den Sinn, und er grinste. Er gab seine Jedi- Reserviertheit auf und ließ seine Emotionen in die Macht strömen: Verachtung für seinen Gegner, abfällige Geringschätzung für den Wert des Sith-Schiffs.

Er spürte, wie der Zorn seines Gegners zunahm, und zuckte zusammen, als das Schiff sich in der Macht nach ihm ausstreckte, um ihn zu packen.

Aber es war kein Angriff. Jetzt konnte er die Gedanken des Schiffs wahrnehmen, primitiv, aber klar, die beharrlich auf seinen Verstand einhämmerten wie eine Faust gegen eine Tür. Er konnte sie beinahe verstehen ...

Er konnte sie verstehen, wurde ihm klar, wenn er es nur wollte. Etwas an diesen Gedankenmustern, an ihrer Dunkelheit kam ihm vertraut vor. Diese Einsicht hatte er Techniken zu verdanken, die er vor vielen Jahren als Schüler der Schattenakademie gelernt hatte. Obwohl er sie verdrängt und tief in seinen Erinnerungen vergraben hatte, kannte er diese Techniken noch immer ... wenn er nur beschloss, sich ihrer zu entsinnen.

Er schwankte an der Sprosse, die ihn stützte, und auch diese Frage brachte ihn ins Schwanken. Doch er hatte keine Zeit mehr.

Falls der Sith-Sternenjäger ihn umbrachte, würde er sich als Nächstes Jaina vornehmen.

Er öffnete sich der Dunkelheit, die in ihn strömte, ihn umhüllte, ihn knebelte. Mit einem Mal sah er die Umgebung vor seinem geistigen Auge viel deutlicher vor sich. Die genaue Position, das Aussehen dieser Sith-Meditationssphäre - ja, genau das war es - war ihm jetzt vollkommen klar.

Genau wie die Gedanken der Sphäre, die in ihren Bewegungen innehielt, als sie die plötzliche Veränderung in Zekks Wahrnehmungsweise bemerkte. Du bist ein Jedi.

Bin ich das? Ich war schon viele Dinge. Vor einer Minute war ich noch ein Jedi. Was bin ich jetzt?

Nicht vertrauenswürdig.

Zekk ließ eine gewisse Belustigung in seine Gedanken kriechen. Aber ihr vertraust du. Kr stellte sich Alema Bar in Gedanken vor und färbte das Bild mit den Erinnerungen, die er als junger Jedi-Ritter an sie hatte.

Die Reaktion der Meditationssphäre war von Verachtung durchdrungen. Ich vertraue ihr nicht. Ich gehorche ihr. Muss ihr gehorchen.

Weil sie ein oder zwei Geheimnisse kennt? Gehorchst du jedem, der die dunklen Pfade beschritten hat? Dann müsstest du mir auch gehorchen.

Die Meditationssphäre erwiderte nichts.

Eine Vorahnung des Triumphs durchzuckte Zekk wie Adrenalin. So ist es, nicht wahr? Alles, was es braucht, dass du gehorchst, ist der richtige Befehl. Vom richtigen Dunkelseiter.

Es folgte keine Antwort.

Wie nennt man dich?

Ich bin Schiff.

Zekk prustete, gleichzeitig amüsiert und verächtlich. Du bist töricht und einfach gestrickt. Aber ich werde dir dennoch einen Gefallen tun. Ich befreie dich.

Er wusste, dass Schiff seine Worte »gehört« hatte, doch er nahm keinen Hinweis darauf wahr, dass es ihre Bedeutung verstand.

Natürlich nicht - das Ding war ein Raumschiff. Es war dazu geschaffen zu dienen. Es würde immer dienen. Die Frage war, welchem Zweck es diente.

Ich befreie dich von Alema Rar. Ich befehle dir, sie zu verlassen, von diesem Ort zu verschwinden. Ich befehle dir, dir einen Meister zu suchen, der deiner Natur entspricht. Ich befehle dir fortzufliegen, so schnell du kannst, und alle anderen Anweisungen, alle Hilferufe zu ignorieren. Er legte die eigene Willenskraft in seine Worte und fühlte, wie sie sich mit der Energie dieses dunklen Ortes verband, davon verstärkt wurde. Seine Kraft wuchs, dehnte sich über die Grenzen seines Körpers hinaus aus, schwoll an wie eine Explosion, bis ihre Ausläufer Schiff umschlossen.

Im Innern von Schiff war ein harter Knoten des Widerwillens, älterer Befehle, die Alema Rar der Sphäre eingepflanzt hatte. Zekk sah sie wie einen Erdwall vor sich aufragen, wie einen aufrecht stehenden Stein. Er hämmerte mit seiner eigenen Kraft auf den Stein ein und sah, wie er zu zerfallen begann, zerbröselte, sich auflöste.

Innerhalb von Sekunden war der Stein verschwunden, zu nichts vergangen. Zekk spürte, wie in Schiff eine Art dunkler Freude emporstieg, und dann schoss die Meditationssphäre nach oben, auf den Ausgang der Kammer zu. Einen Augenblick später war sie fort.

Zekk sackte erleichtert in sich zusammen. Jaina würde leben. Er würde leben.

Er würde dorthin absteigen, wo sich Schiff zufolge Alema befand. Zekk würde Alema töten, sie zerstückeln, bis keinem der Stücke, die übrig blieben, mehr Leben innewohnte.

Danach würde er Jag umbringen und sich diesen moralisierenden, störenden Abklatsch eines Mannes vom Hals schaffen. Was er selbstverständlich auf eine Art und Weise anstellen musste. dass sein Hinscheiden Jaina nicht betrübte.

Und schließlich wäre Jaina selbst an der Reihe. Er würde das Band zwischen ihnen neu schmieden, um ihr darüber seine Gedanken zu vermitteln, seine Liebe. Das würde er so lange tun, bis sie verstand, was unausweichlich war, bis sie ihn liebte und ihm gehorchte. Bis sie ihm gehörte.

Mit einem Mal nagte Sorge an ihm wie die scharfen Zähne irgendeines Unterstadt-Nagers. Das ist nicht richtig. Langsam ließ er sich nach unten sinken, um sich auf die oberste Querstrebe der Schienen zu setzen und seine Beine haltsuchend um das Metall zu schlingen.

So etwas durfte er nicht denken. Die Dunkle Seite durchströmte ihn jetzt, verpestete seine Gedanken mit ihrem Gift.

Er versuchte, das Gift aus seinem Bewusstsein zu vertreiben, um wieder zu dem zu werden, der er nur Minuten zuvor gewesen war.

Doch die Dunkle Seite war stark, so ungeheuer stark, und hatte für seine jämmerlichen Bemühungen nur Hohngelächter übrig.

 

Mit ihrem Komlink rief Jaina nach Zekk, nach Jag. Sie erhielt keine Antwort. Das war nichts gänzlich Unerwartetes. Diese Zivilkomlinks verfügten über eine Übertragungsreichweite von vielen Kilometern, aber nicht, wenn sich dazwischen Gestein oder dicke Schichten Permabeton befanden, und seit ihrer Trennung von Zekk war sie durch eine schmale Öffnung in noch eine weitere Höhlenkammer gelangt.

Ein kleiner Stoß mit der Macht brachte sie wieder neben die Schienen. Sie stemmte die Sohlen ihrer Stiefel dagegen, um sieh von der Reibung abbremsen zu lassen. Auf sich allein gestellt, lediglich auf ihr eigenes Augenpaar angewiesen, musste sie lang sanier absteigen, wachsamer sein.

Wachsamer für Präsenzen in der Macht. Sie spürte sie weiter links von sich. Dann waren sie näher, bewegten sich in Reichweite ihres Glühstabs: der Mynock-Schwarm. Die hinterste Kreatur zerrte jetzt Jag hinter sich her, der hilflos um sich schlug.

Der vorderste Mynock schoss mit peitschendem Schwanz vor und hieb im Vorbeifliegen nach ihr. Sie wich dem Angriff ohne nennenswerte Anstrengung aus. Die anderen Mynocks, die sich wie bei einer Parade hintereinander aufreihten, folgten im Windschatten der ersten Kreatur und bereiteten sich darauf vor, sie einer nach dem anderen zu attackieren.

Jaina schnaubte. »Jag, streck eine Hand aus, wenn du vorbei segelst. Ich reiße dich los.«

Jag reagierte nicht. Wahrscheinlich war sein Helmkomlink ausgeschaltet...

Das ist eine Vermutung. Wann immer ich eine solche Vermutung äußere, steht es euch beiden frei, mich gnadenlos zu verspotten. Das waren Jags Worte, die er vor einer ganzen Weile gesagt hatte, bei einer ihrer zahlreichen Planungssitzungen.

Und sie trafen zu. Sie hatte soeben die Art von Vermutung angestellt, über die Jag selbst sich regelmäßig lustig macht.

Als sie dem zweiten und dem dritten Mynock-Angriff auswich, ließ sie ihre Machtsinne schweifen, um die Gestalt abzutasten, die der letzte Mynock hinter sich her zog.

Es war Jag, alles klar.

Jaina schwang sich über die senkrechten Bahnschienen wie eine Turnerin am Barren, tauchte geschickt unter jeder Schwanzattacke weg oder brachte die Schienen zwischen sich und ihren Angreifer, bis bloß noch der letzte Mynock übrig war. Jag wehrte sich in seinem Griff und gestikulierte verzweifelt herum. Jaina streckte ihre Hand aus, um seine zu packen ...

Dann riss sie sie zurück, sodass er an ihr vorbeigezerrt wurde.

Im selben Augenblick veränderte Jag seine Gestalt und Größe, wurde schlanker, schmächtiger. Mit einem Mal hielt er ein Lichtschwert mit blauschwarzer Klinge in seiner ausgestreckten Hand, und als Jaina zurückwich, zischte die Klinge dort durch die Luft, wo eben noch ihr Oberkörper gewesen war, um einen klaffenden Schlitz in die Vorderseite ihrer Robe zu schneiden; die Haut darunter blieb jedoch unberührt .

Auf einmal war es Alema Rar, die der Mynock hinter sich herzog, die junge, unversehrte Alema, und sie starrte Jaina wütend an, als sie und ihr Mynock vorbeiflogen.

Jaina grinste sie an. »Vorhersehbar. Alema, vorhersehbar.«

Plötzlich waren die anderen Mynocks verschwunden, ver- blassten zu nichts, wie die Einzelheiten eines Traums in den Sekunden nach dem Erwachen.

Alema schwang sich auf den Rücken des letzten Mynocks und ritt darauf wie auf einem Tauntaun. Die Kreatur umkreiste sie, um einen sicheren Abstand zwischen Jaina und Alema zu wahren.

Alemas Erwiderung klang ähnlich fröhlich. »Wir möchten euch dafür danken, dass ihr hierhergekommen seid und es uns damit so bequem macht, euch zu töten.«

Jaina schüttelte den Kopf. »Deshalb sind wir nicht hier. Wir werden der Bedrohung ein Ende machen, die du darstellst. Du kannst sterben. Oder du kannst dich ergeben. Du hast die Wahl.«

»Ihr werdet diese Kammern niemals lebend verlassen.«

Jaina ließ das kalt. »Du auch nicht. Ich bin darauf vorbereitet zu sterben. Und du?«