2. Kapitel

 

BESPRECHUNGSZIMMER DES STAATSCHEFS, CORUSCANT

 

Die Stimme der Ratgeberin ähnelte dem Brummen von Insekten, und Darth Caedus wusste, was man mit Insekten machte - man ignorierte oder zertrat sie.

In diesem Fall konnte er es sich allerdings nicht erlauben, das Gebrumme zu ignorieren; ungeachtet ihrer Unzulänglichkeiten als Rednerin versorgte sie ihn mit wichtigen Informationen. Auch konnte er nicht den Stiefel heben und die Quelle des Brummens zerquetschen - nicht, während Admiralin Cha Niathal, seine Partnerin in der Regierungskoalition, die gegenwärtig Coruscant und die Galaktische Allianz führte, auf der anderen Seite des Tisches saß; nicht in Gegenwart all der Berater und der laufenden Holocam- Rekorder.

Um das Ganze noch schlimmer zu machen, würde die Ratgeberin in Kürze zum Ende kommen und ihn dann unvermeidlicherweise mit dem Namen ansprechen, den er so verachtete, dem Namen, mit dem er geboren worden war, dem Namen, den er bald für immer ablegen würde. Und dann überkäme ihn von Neuem das Verlangen, sie zu zertreten, ohne dass er dem nachgeben durfte.

Sie tat. womit er gerechnet hatte. Die blauhäutige Omwati - das federartige Haar mattschwarz gefärbt, ihre Flottenuniform frisch gestärkt - sah von ihrem Datapad auf. »Unterm Strich. Colonel Solo... «

Caedus winkte mit der Hand, um sie zu unterbrechen. »Unterm Strich raubt uns der Abzug der gesamten hapanischen Flotte aus den Reihen der Allianz-Streitkräfte mindestens zwanzig Prozent unserer Flottenstärke und zwingt uns in ein Spiel aus Rückzug und Verschanzen, wenn wir die Konföderation daran hindern wollen, uns zu überrennen. Und der Verrat der Jedi, die uns bei Kuat im Stich gelassen haben, sorgt darüber hinaus zu einem Vertrauensverlust in den Teilen der Bevölkerung, die glauben, dass ihre Unterstützung etwas zählt.«

»Ja, Sir.«

»Vielen Dank. Das wäre dann alles.«

Sie erhob sich, salutierte und ging gleichermaßen schweigend wie steif hinaus. Caedus wusste, dass sie ihn fürchtete, dass sie die ganze Besprechung über Mühe gehabt hatte, die Haltung zu wahren, und das war ihm nur recht. Wenn Untergebene Angst hatten, bedeutete das, dass sie Befehle unverzüglich befolgten und sich mehr anstrengten.

Normalerweise. Manchmal führte es jedoch auch zu Verrat.

Niathal wandte sich an die anderen anwesenden Ratgeber. »Wir sind hier fertig. Vielen Dank.«

Als sich die Bürotür mit einem Wusssch hinter dem Letzten von ihnen schloss, drehte sich Caedus zu Niathal um. Die Mon Calamari in ihrer weißen Admiralsuniform, die fast zu glänzen schien, saß schweigend da und musterte ihn. Der Blick ihrer weit vorstehenden Augen war nicht unfreundlicher als gewöhnlich, doch Caedus kannte die Botschaft, die in ihnen lag: Sie könnten diesen Schlamassel in Ordnung bringen, indem Sie zurücktreten.

Ihre Worte indes waren andere. »Sie sehen nicht gut aus.« Sie besaß diese raue Stimme, die für ihre Spezies so charakteristisch war. und darin lag nichts von dem Mitgefühl, das Admiral Ackbar zum Ausdruck zu bringen vermochte. Niathal äußerte keine Besorgnis über seinen Gesundheitszustand. Sie wollte damit andeuten, dass er nicht in der Verfassung war, Dienst zu tun.

Und damit hatte sie beinahe recht. Caedus tat alles weh. Erst vor wenigen Tagen hatte er das härteste, grausamste Lichtschwertduell seines Lebens bestritten. In einer Geheimkammer an Bord seines Sternenzerstörers, der Anakin Solo, hatte er Ben Skywalker gefoltert, um die Seele des jungen Mannes abzuhärten, um Ben besser auf ein Leben als Sith vorzubereiten. Dabei jedoch war er von Bens Vater. Luke Skywalker, überrascht worden.

Dieser Kampf ... Caedus wünschte, er hätte eine Holoaufzeichnung davon gehabt. Das Gefecht schien eine Ewigkeit zu dauern. Es war brutal gewesen, und zuerst hatte sich die Waagschale zu Lukes Gunsten geneigt, und dann zu denen von Caedus, während sie beide eine überragende Demonstration von Lichtschwerttechniken, von roher Machtstärke, von subtilen Jedi- und Sith-Fertigkeiten geliefert hatten. Ungeachtet all seiner Schmerzen empfand Caedus einen gewissen Stolz - nicht bloß, weil er dieses Duell überlebt, sondern weil er sich so gut dabei behauptet hatte.

Am Ende hatte Caedus seinen Vorteil eingebüßt: Als Ben unversehens eine Vibroklinge tief in Caedus' Rücken rammte, die das Schulterblatt glatt durchdrang und beinahe das Herz traf, war es Luke gelungen, sich von den Gift injizierenden Folterranken zu befreien, mit denen Caedus ihn würgte.

Das hatte den Kampf beendet. Sie hätten ihn auf der Stelle töten können. Doch aus Gründen, die er nicht verstand, hatten Luke und Ben sein Leben verschont und waren geflohen. Das war ein Fehler, der Luke teuer zu stehen käme.

Caedus hatte Dutzende kleinerer und größerer Verletzungen davongetragen, einschließlich eines Vibroklingenstichs, einer vom Lichtschwert angesengten Niere und einer üblen Kopfwunde. Nachdem er behandelt worden war. hatte er das Kommando über die Anakin Solo unverzüglich wieder übernommen, bloß, um weiteren Schmerz zu erfahren - diesmal allerdings emotionaler Art. Im Weltraum über Kashyyyk war seine Fünfte Flotte von Konföderationseinheiten umzingelt worden. Die mit Verspätung eintreffenden hapanischen Streitkräfte hätten ihn retten können ... stattdessen jedoch hatte die hapanische Königinmutter Tenel Ka, seine Gefährtin und Geliebte, ihn verraten. Unter dem Einfluss der heimtückischen Überredungskünste von Caedus' eigenen Eltern. Han und Leia Solo, hatte sie für ihre weitere militärische Unterstützung der Allianz eine Gegenleistung gefordert, und diese Gegenleistung bestand in seiner Aufgabe.

Natürlich hatte er sich geweigert. Und natürlich hatte er sich den Weg aus der Einkesselung freigekämpft, um die Überreste der Fünften Flotte zurück in die Sicherheit von Coruscant zu führen.

Wenn Niathal also sagte, dass er nicht gut aussah, hatte sie damit recht. Seine schlimmste Verletzung bereitete ihm sengende Pein. Nicht die Vibroklingenwunde, nicht der Riss in seiner Kopfhaut, nicht die versengte Niere - all das heilte. All das war die Art von Schmerz, die ihn stärkte.

Es war die Wunde in seinem Herzen, die ihn quälte. Tenel Ka hatte sich gegen ihn gewandt. Tenel Ka, die Liebe seines Lebens, die Mutter seiner Tochter Allana, hatte ihn im Stich gelassen.

Niathals ernste Miene war unerschütterlich. Sie könnten diesen Schlamassel in Ordnung bringen, indem Sie zurücktreten.

Er schenkte ihr ein müdes Lächeln. »Vielen Dank für Ihre Anteilnahme. aber ich erhole mich zusehends. Und ich habe einen Plan. In den nächsten paar lägen müssen wir dem empfohlenen Vorgehen eines Truppenrückzugs folgen ... bis sich die Hapaner wieder auf unserer Seite am Krieg beteiligen. Unsere heutige Aufgabe besteht darin, uns zu überlegen, wie wir sie am besten einsetzen, sobald sie wieder auf das Schlachtfeld zurückkehren. Da die Konföderation davon ausgebt, dass sie weiterhin neutral bleiben, können wir uns die Hapaner für einen verheerenden Überraschungsangriff zunutze machen. Wir müssen lediglich entscheiden, wo dieser Angriff stattfinden soll.«

»Sie sind sehr zuversichtlich, dass sich die Hapaner uns wieder anschließen werden.«

»Das garantiere ich. Ich habe eine Operation initiiert, die dafür Sorge tragen wird.«

»Welche Ressourcen benötigen Sie, um das Ganze durchzuführen?«

»Bloß die, über die ich bereits verfüge.«

»Wurde ich über die Einzelheiten Ihrer Operation unterrichtet?«

Caedus schüttelte den Kopf. »Wenn ich keine Unterlagen einreiche, kann auch niemand dazwischenfunken. Und wenn ich keine Details verlauten lasse, kann niemand etwas davon aufschnappen, ob nun zufällig oder vorsätzlich. Für mich hängt zu viel davon ab, die Hapaner wieder an Bord zu holen, als dass ich riskieren würde, die Sache zu ruinieren, indem ich allzu freigiebig Einzelheiten ausplaudere.«

Niathal schwieg. Eine aufbrausendere Persönlichkeit als sie hätte Anstoß an Caedus angedeuteten Zweifeln an ihrer Fähigkeit genommen, angemessen mit vertraulichen Angelegenheiten umzugehen. Niathal indes beschloss, es nicht als Beleidigung zu werten. Sie wandte sich einfach dem nächsten Thema ihrer Tagesordnung zu. »Wo wir gerade von Geheimnissen sprechen ... Belindi Kalenda vom Geheimdienst meldet, dass Dr. Seyah vom Centerpoint-Station-Projekt abgezogen wurde. Seyah berichtet, dass er unter Verdacht geriet, ein GA-Spion zu sein.«

»Was er natürlich auch ist. Was für eine Position hat er jetzt inne, und kann er uns fortan noch irgendwelche nützlichen Informationen beschaffen?«

Niathal schüttelte auf die gemächliche, ernste Art der Mon Cals den Kopf. »Kalenda hat ihn angewiesen zurückzukommen. Er befindet sich bereits wieder auf Coruscant.«

Caedus widerstand dem Drang, irgendetwas zu zerstören. »Sie ist eine Närrin. Und Seyah ist auch ein Narr. Er hätte bleiben sollen, um den Ermittlungen gegen sich die Stirn zu bieten und uns - zumindest fürs Erste - weiterhin mit Informationen zu versorgen.«

»Kalenda war überzeugt, dass sie ihn verhaften, verhören und exekutieren würden.«

»Dann hätte er bis zu seiner Verhaftung vor Ort bleiben sollen! Wer weiß, was seine Feigheit uns gekostet hat? Selbst Berichte über Schiffs- und Truppenbewegungen können uns in einer Schlacht den entscheidenden Vorteil verschaffen.« Caedus seufzte und zog sein Datapad hervor. Er ließ es aufschnappen und tippte eine kurze Notiz.

Niathal erhob sich und beugte sich vor, sodass ihre Kugelaugen umgedreht auf seinen Bildschirm schielen konnten. »Was ist das?«

»Eine Erinnerung an mich selbst, Seyah verhaften zu lassen. Er hat Kalenda mit Fehlinformationen gefüttert, die sie dazu veranlasst haben, ihn aus einer Gefahrenzone abzuziehen, was gleichbedeutend mit Fahnenflucht unter Beschuss ist. Er wird gestehen. Man wird ihn hinrichten.«

»Aha.« Niathal nahm wieder Platz, erhob jedoch keinen Einspruch.

Caedus wusste das zu schätzen. Zweifelsohne wurde Niathal zusehends bewusster, dass Caedus' Herangehensweise die beste war - auf diese Weise blieben ihre Untergebenen motiviert, und Totholz wurde aus ihren Reihen entfernt.

»Bimmisaari und einige seiner verbündeten Planeten im Halla-Sektor haben gerade verkündet, dass sie zur Konföderation überlaufen.«

Caedus schüttelte herablassend den Kopf. »Kein großer Verlust.«

»Nein, aber wenn man es als mögliches erstes Anzeichen eines allgemeinen Trends wertet, wird es um einiges beunruhigender. Der Geheimdienst hat vermehrten Kommunikationsverkehr zwischen Corellia und den imperialen Restwelten registriert, wie auch zwischen Corellia und den Planeten des Korporationssektors, bei dem es sich möglicherweise um nichts anderes als um verstärkte Rekrutierungsbemühungen der Konföderation handelt. Oder vielleicht stecken die anderen Fraktionen dahinter, zur Anbahnung von Verhandlungen und weiterer Treuebrüche.«

»Auch das ist irrelevant.« Caedus überkam ein Aufflackern von Verärgerung. Ja, es gab Angelegenheiten, derer sich die vereinten Staatschefs annehmen mussten, doch all das würde sich ganz von selbst klären, sobald das Hapes-Konsortium wieder in ihre Gemeinschaft zurückkehrte. »Sonst noch etwas?«

»Nein.«

»Ausgezeichnet.«

Als das Treffen vorüber und Niathal gegangen war, blieb Caedus im Büro zurück. Er starrte die leeren Wände an. Das beruhigte ihn. Er brauchte Beruhigung.

In seinem Innern loderten Zorn, Verbitterung, ein Gefühl von Verrat - all die Emotionen, die einen Sith antrieben.

In den Tagen seit seinem Kampf mit Luke war er zu der Erkenntnis gelangt, dass er vollkommen allein im Universum war. Es war wie das wehleidige Jammern eines Fünfjährigen: Keiner hat mich lieb. Der Gedanke daran, wie selbstmitleidig das klang, rang ihm beinahe ein Lächeln ab.

Doch es stimmte. Jeder, der ihn einst geliebt hatte, hasste ihn jetzt. Sein Vater und seine Mutter, seine Zwillingsschwester Jaina, Tenel Ka, Luke, Ben ... Rein verstandesmäßig hatte er gewusst, dass das passieren würde, als er den Pfad der Sith einschlug. Einer nach dem anderen wurden diejenigen, denen er am Herzen lag, fortgepellt wie die äußeren Schichten seiner Haut, bis von ihm bloß noch eine Masse blutiger, gequälter Nerven übrig blieb.

Das war ihm bewusst gewesen ... doch es tatsächlich durchzumachen, war eine andere Sache. Sein Leib mochte vielleicht heilen, doch seine Seelenqualen nahmen von Tag zu Tag weiter zu.

Jeder, den er geliebt hatte, hasste ihn jetzt ... abgesehen von Allana. Und er würde nicht zulassen, dass Tenel Ka seine Tochter dazu brachte, sich gegen ihn zu wenden. Er würde jeden niedermähen, der zwischen ihm und seinem Kind stand.

Jeden.

 

 

WALDMOND ENDOR, AUFGEGEBENER IMPERIALER AUSSENPOSTEN

 

Vor vielen Jahren, bevor Jacen Solo geboren wurde - tatsächlich sogar, bevor Luke und Leia erfahren hatten, dass sie Geschwister waren, und bevor Leia auch nur sich selbst eingestanden hatte, dass sie in Han verliebt war -, hatte Yoda Luke erzählt, dass Elektroschocks, die mit unterschiedlicher Intensität und in unregelmäßigen, aber dauerhaften Intervallen verabreicht wurden, einen Jedi daran hinderten, sich zu konzentrieren und auf die Macht zurückzugreifen. Dass sie einen Jedi hilflos machen konnten.

Allerdings hatte Yoda Luke nie gesagt, dass emotionale Schocks dasselbe vermochten.

Dem war wirklich so. Und genau so, wie kein noch so hoher Grad an Selbstbeherrschung einen Jedi dazu befähigte, die Auswirkungen von Stromschlägen auf seinen Körper zu ignorieren, konnte seine Selbstbeherrschung Luke ebenso wenig vor seinen Erinnerungen bewahren. Alle paar Sekunden riss ihn eine Erinnerung, die sich wie ein spannungsführender Draht um seinen Hals legte, aus dem Hier und Jetzt und katapultierte ihn in die jüngste Vergangenheit,

Er entsann sich, wie er an Bord der Anakin Solo gelangt war. Daran, wie er Jacen dabei ertappt hatte, dass er Lukes einziges Kind, seinen Sohn Ben, folterte - folterte! An den folgenden Zweikampf, Luke gegen den Neffen, den er einst geliebt hatte ... gegen den Neffen, der jetzt über eines Meisters würdige Machtfähigkeiten verfügte, auch wenn er nie in den Bang eines Jedi- Meisters erhoben worden war und es niemals werden würde.

Und kein Schmerz, den Luke in diesem Kampf erlitten hatte, quälte ihn so sehr wie Bens Beharren auf sein vermeintliches Recht, Jacen töten zu dürfen. Diese Forderung seines Sohnes war es. die Luke dorthin gebracht hatte, wo er sich nun befand, im Schneidersitz auf dem Boden eines Raums im Obergeschoss eines aufgegebenen imperialen Außenpostens, wo er durch ein breites Transparistahlfenster auf die saftigen Wälder von Endor hinausblickte, ohne sie richtig wahrzunehmen. Sein Körper heilte, doch selbst nach all diesen Tagen war seine Seele immer noch krank und verletzt.

Über alle Maßen entsetzt von Bens Blutdurst, hatte Luke seinen Sohn daran gehindert, Jacen den Todesstoß zu versetzen. Ebenso wenig hatte Luke sich dazu entschlossen, Jacen persönlich den Rest zu geben. Stattdessen hatte er Ben auf ihrer übereilten Flucht von der Anakin Solo weggebracht - eine Flucht, die auch und vor allem dazu diente zu vermeiden, dass Ben den nächsten, möglicherweise unvermeidlichen Schritt in Richtung Dunkler Seite tat, wie Jacen es für den Jungen geplant hatte.

Aber war das die richtige Entscheidung gewesen? In jenem Moment schien es die einzig mögliche Wahl zu sein. Das Gleichgewicht zwischen Bens Zukunft und seinem Anstand war ins Wanken geraten. Hätte einer der Skywalkers Jacen umgebracht, wäre Ben weiter dem Dunkel anheimgefallen.

Einige kehrten aus der Dunkelheit zurück. Wie Luke. Andere nicht. Und dass Ben dadurch für den Rest seines Lebens zu einem Handlanger des Bösen wurde, war keine Gewissheit gewesen.

Dass Jacen noch lebte, war hingegen gewiss. Und jetzt, während Jacen seine Pläne zur Eroberung der Galaxis weiterverfolgte, würden noch mehr sterben. Zumindest Tausende würden nun umkommen, aller Wahrscheinlichkeit nach Zehn- oder Hunderttausende, vielleicht sogar Millionen.

Und Luke war dafür verantwortlich.

Also, war es die richtige Entscheidung gewesen? Das von Ben gegen Tausende andere Leben einzutauschen?

Die Vernunft sagte nein - nein, es sei denn. Ben wurde dadurch. dass er der Dunklen Seite anheimfiel, zu einer ebenso gewaltigen Kraft des Bösen, wie Jacen Solo sie war. oder wie ihrer beider Großvater. Anakin Skywalker. der berüchtigte Darth Vader.

Sein Gefühl sagte ja - ja, es sei denn. Ben interpretierte Lukes Weigerung zu töten als Zeichen von Schwäche, sodass diese Entscheidung Verachtung in ihm schürte, Verachtung für Luke und die helle Seite der Macht. Das konnte ihn Lukes Absicht zum Trotz weiter Jacens Pfad hinabtreiben.

Und Tausende würden so oder so sterben.

Jenseits des Sichtfensters vor Luke tauchte ein durchscheinendes weißes Rechteck auf, hoch und sehr schmal. Es wurde rasch breiter, um sich als Spiegelung der Türöffnung in der Wand hinter ihm zu erweisen. Jedi-Meister Kyp Durron stand auf der Schwelle. Sein braunes Gewand war zerknittert, sein langes, ergrauendes braunes Haar klamm von Schweiß und zerzaust. Seine Miene, die für gewöhnlich gelinde Belustigung zur Schau stellte, die etwas überlagerte, was gemeinhin als Anflug von Übermut gedeutet wurde, war jetzt ernster - Neutralität, die Besorgnis verbarg. »Großmeister?«

»Komm rein.« Luke drehte sich nicht um, um Kyp anzusehen. Der Anblick von Endors Wildnis wirkte beruhigend.

Kyp trat ein und schloss die Tür hinter sich, was das erhellte Rechteck in Lukes Blickfeld verschwinden ließ. »Die Türsummer auf diesem Gang scheinen nicht zu funktionieren, und du bist nicht an dein Komlink gegangen ... «

Luke runzelte die Stirn. »Ich hab es nicht gehört.« Er zog das Komlink aus dem Hemd seines weißen Arbeitsanzugs im Tatooine-Stil. Die Energieleuchte an dem kleinen zylindrischen Gerät leuchtete nach wie vor. Eine rasche Überprüfung indes ergab, dass das Komlink abgeschaltet worden war. Verwirrt schaltete Luke es wieder ein und steckte es weg.

»Bloß ein Routinebericht. Die StealthX sind in Paaren unter Tarnnetzen über ein großes Gebiet verteilt. Viele der Piloten haben zweckdienliche Landestellen gefunden, vornehmlich in Bereichen, in denen Trümmer des zweiten Todessterns runtergekommen und Brandflächen verursacht haben. Wir haben die Jünglinge in zwei großen Räumen in diesem Außenposten untergebracht. die als Schlafsäle dienen, doch ein Aufklärungsteam aus Jedi Rittern hat ganz in der Nähe ein Höhlensystem entdeckt, das hinreichend Platz für eine Trainingsanlage bietet ... und einen gewissen Schutz gegen Orbitalsensoren. Die Jedi-Ritter sind derzeit dabei, ein Nest riesiger Höhlenspinnen umzusiedeln. Sobald sie sicher sind, dass die Spinnen und ihre Eier weg sind, werden wir anfangen, die Jünglinge dort hinzuschaffen.«

»Gut. Aber gebt euch nicht zu viel Mühe damit, diese Höhlen wohnlich zu gestalten. Wir werden Endor in wenigen Wochen wieder den Rücken kehren.«

Kyp nickte. »Andererseits scheinen wir gut mit den einheimischen Ewoks auszukommen.«»Irgendwelche dabei, die wir kennen?«

»Nein ... Das Territorium von Wickets Familienverband ist nach wie vor auf die Gebiete südlich von hier beschränkt. Deine Idee, Ce-Dreipeo als Übersetzer einzusetzen, zahlt sich allerdings aus. Offenbar mag der hiesige Clan ihn.«

»Gut.«

Kyp erwiderte nicht sofort etwas, also wandte Luke sich um und warf ihm einen Blick zu. Der jüngere Meister schien über seine nächsten Worte nachzugrübeln. Luke sah ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an. »Sonst noch etwas?«

»Einige fragen sich, wie unser nächster Schritt gegen Jacen aussieht.«

»Ah ja.« Luke drehte sich um und schaute wieder aus dem Fenster. »Ich weiß es nicht. Warum kümmerst du dich nicht darum?«

Es folgte ein langes Schweigen, dann: »Ja. Großmeister.«

Von Neuem tauchte das Rechteck aus Licht auf. Kyps Spiegelbild trat hinein, und dann schloss sich die Tür wieder, um Luke allein in Stille und Frieden zurückzulassen.

Und heimgesucht von der Erinnerung an Jacen, fast bis zur Unkenntlichkeit blutend und zerschlagen, der vor ihm fortkroch, Bens Vibroklinge in seinem Rücken vergraben. Bens Gesicht erschien vor ihm und formte mit den Lippen die Worte: Der gehört mir.

Luke erschauerte.