32. Kapitel

 

AN BORD DER ANAKIN SOLO

 

So weit, so gut. Für's Erste war Caedus zufrieden. Die Ankunft seines Kampfverbands im corellianischen System hatte die Verteidiger von Centerpoint nicht vollends unvorbereitet getroffen - die Corellianer verfügten über einen Abwehrschirm von Schlachtschiffen, die bereit waren, die Station zu beschützen -, doch auf die Geschwindigkeit und Brutalität des Angriffs waren sie offensichtlich nicht vorbereitet und leisteten weniger erbitterten Widerstand als erwartet. Die erste Analyserunde wies darauf hin, dass sie bloß über wenige Protonentorpedos, Erschütterungsraketen und andere physische Abwehrmaßnahmen verfügten.

Er bediente sich der Macht und vermittelte dem Kommandanten der Pantherstern ein Gefühl von Dringlichkeit, um den Sullustaner behutsam zu größerem Tempo zu drängen, ihm mehr Zuversicht zu vermitteln. Ein zu vorsichtiges Vorgehen würde seinen Einsatztrupps nicht von Nutzen sein.

Schlachtschiffe verließen die Umlaufbahnen rings um Talus und Tralus und steuerten auf das Gefecht zu, das auf halber Strecke zwischen den beiden Planeten tobte. Selbst ihre Ankunft würde nichts daran ändern, dass die corellianischen Streitkräfte schwächer waren als seine. Unterdessen näherten sich die Truppenshuttles der Station selbst: bislang waren erst zwei dem Abwehrfeuer zum Opfer gefallen ...

Er konnte fühlen, dass mehr Einheiten im Spiel waren, als eigentlich vor Ort sein sollten, und er nahm sie bloß wahr, weil die Möglichkeitsströme, die ihre Taten vorhersagten, weder mit den Absichten der Allianz noch mit denen der Corellianer übereinstimmten. Er unterzog die entsprechenden Präsenzen einer näheren Überprüfung. Eine Jägerstaffel, die sich auf einer Störanstatt auf einer Verteidigungs- oder Vernichtungsmission befand? Er schüttelte den Kopf. Der Staffelkommandant musste ein Feigling sein, entschlossen, sich und seine Untergebenen aus der Schusslinie herauszuhalten. Caedus würde sich um sie kümmern und an ihnen ein Exempel für die anderen statuieren, sobald die Zeit es erlaubte.

 

 

CORELLIA, CORONET, KOMMANDOBUNKER

 

»Wovon Sie da reden, ist Hochverrat.« Admiralin Delpins Worte waren unmissverständlich.

Seine politischen Fähigkeiten, die ihm sein gesamtes Berufsleben über gute Dienste geleistet hatten - Charakterschwächen zu erkennen und Pläne Von einem Moment auf den anderen zu ändern, um den veränderten Umständen gerecht zu werden -, veranlassten Denjax Teppler dazu, den Verlauf dieser Unterhaltung in etwas andere Bahnen zu lenken.

Was bedeutete, dass er lügen musste - ein weiteres seiner politischen Talente. »Ich spreche nicht davon, Koyan gewaltsam seines Amtes zu entheben. Aber ich denke, Sie haben so deutlich erkannt wie ich, dass er die Art Duellant ist, der sich den eigenen Fuß wegschießt, bevor er auch nur den Blaster aus dem Halfter gezogen hat. Und was sollte man Ihrer Meinung nach in ebendiesem Augenblick tun? Gehorsam dasitzen, während die Kriegshunde aufeinander losgehen, um einen neuen Koyan zu bestimmen, oder die Verantwortung übernehmen und die Dinge besser machen?«

Ihr Gesichtsausdruck änderte sich nicht, doch zum ersten Mal im Lauf des Gesprächs antwortete sie nicht sofort oder so, wie es vorherzusehen war.

Teppler ließ sich seine eigene Euphorie nicht anmerken. Sie denkt darüber nach. Nimmt man das gewaltsame Abdanken von Koyan aus der Gleichung, hat sie mit dem Gedanken an sich kein Problem.

Sie lehnte sich vor. »Rein hypothetisch gesprochen ... Wahrscheinlich könnte ich mich allein dank der Rückendeckung des Militärs als neue Staatschefin etablieren. Wozu brauchte, ich dann Sie?«

»Aus zwei Gründen. Erstens: Weil Sie das corellianische System genauso wenig regieren wollen wie ich, was bedeutet, dass wir die Entscheidungen des anderen als Partner jeweils sachlich betrachten können. Zweitens: Die Hälfte der Bürde wiegt dann bloß noch wie ein Zehntel davon. Ich werde mich um die Dinge kümmern, derer Sie sich nicht annehmen wollen oder zu denen Sie sich nicht vollkommen qualifiziert fühlen, und Sie tun dasselbe für mich.«

Sie atmete ein, um zu antworten, und dann piepste ihr Komlink.

Genau wie Tepplers, ein schrilles Dringlichkeitssignal.

Sie sahen einander mit der Besorgnis von Anführern an, die wussten, dass Gefahr im Verzug war, wenn Komlinks gleichzeitig losgingen.

Teppler holte sein Komlink hervor, um den Anruf entgegenzunehmen, während die Admiralin es ihm gleichtat. »Hier Teppler.«

Sekunden später waren sie draußen im Korridor und eilten auf das Hauptlagezentrum des Bunkers zu. Teppler hatte Mühe, mit Delpins ausladenden militärischen Schritten mitzuhalten.

Die Admiralin verstaute ihr Komlink wieder in der Uniform. »Wo ist der Premierminister?«

»Oben auf der Station. Unter Feindbeschuss.« Teppler dachte nach. Es musste doch eine Möglichkeit geben, diese Situation dazu zu nutzen, genau die Regierungsänderung herbeizuführen, die er der Admiralin soeben vorgeschlagen hatte.

»Und die Station? Ist sie wieder einsatzbereit?«

Teppler kam beinahe eine von Koyans Lieblingsphrasen zum Beenden eines Gesprächs über die Lippen: Das brauchen Sie nicht zu wissen. Doch er biss sich auf die Zunge. Als »Dank« für Delpins Bemühungen. Koyan davon zu überzeugen, umfassender mit dem militärischen Oberbefehlshaber der Konföderation zu kooperieren, hatte Koyan sie im Informationsfluss in letzter Zeit zunehmend häufiger übergangen. Teppler jedoch war der Ansicht, dass sie das wissen musste. Dies war eine Gefechtssituation, und die Centerpoint-Station war ein militärischer Aktivposten. »Seit vier Stunden wieder voll einsatzbereit. Außerdem glauben die Techniker, dass sie die Programmierung umgangen haben, die die Reichweite des letzten Strahls begrenzt hat. Falls sie damit Recht haben, könnte man mit der Station beim nächsten Einsatz einen ganzen Planeten oder Stern vernichten. Deshalb ist Koyan da oben. Er legt sich gerade seine Ergebt-euch-oder-sterbt-Botschaft an Admiralin Niathal zurecht.«

Delpin nickte mit starrem Kiefer. »Falls die Allianz die Kontrolle über die Station erlangt, ist Corellia das System, das mit dem Rücken zur Wand steht. Wir brauchen mehr Streitkräfte da oben, und zwar sofort. Mehr, als wir haben. Ich muss mit General Phennir sprechen.«

»Nein, lassen Sie mich das machen. Ob Sie's glauben oder nicht, wir sprechen eine Sprache.«

Sie sah ihn zweifelnd an, doch seine plötzliche Zuversicht schien sie zu überzeugen. Sie nickte.

An der nächsten Wegkreuzung wandte sie sich nach links, um weiter in Richtung des Lagezentrums zu eilen. Teppler ging allein geradeaus weiter, zum Kommunikationsraum des Premierministers.

 

Die Reveille düste auf die Anakin Solo zu und flog einen Bogen, um gesunden Abstand zu einem Gefecht zwischen einer corellianischen Fregatte und einer Jägerstaffel der Allianz zu halten. Syal stand unter Anspannung. Die Reveille übermittelte ihre wahre Registrierung und ihr korrektes Passwort, die beide Tycho gehörten; Syals Mutter, die jetzt an Bord der Raumfähre war, hatte diese Informationen persönlich aus den Computern des Shuttles extrahiert.

»Raubein Eins. Feuer frei.«

Überall um Syal herum eröffneten die anderen Raubein-Piloten das Feuer auf die Raumfähre - oder vielmehr, sie feuerten grob in die Nähe des Shuttles. Die Salven ihrer Laser zischten aus allen Richtungen knapp an der Fähre vorbei, und eine - von ihrem Väter so gezielt platziert wie bei einem sauberen Abschuss - prallte an den oberen Schilden ab, ohne das Shuttle im Geringsten in Gefahr zu bringen.

Eine Turbolasersalve - gleißende, parallele Lichtsäulen - blitzte vom Schlachtschiff aus auf sie zu. Aus dieser Entfernung war es nicht sehr wahrscheinlich, dass die Schützen der Anakin Solo sie versehentlich erwischten, aber andererseits passierten solche Unfälle. Mit einem Mal gingen alle Raubeine in die Defensive und flogen so unberechenbar wie ein Schwärm Piranhakäfer in der Paarungszeit.

»Raubein Eins an Staffel. In Flügelpaaren wegbrechen, wann immer euch danach ist - oder wenn ich sage: Wegbrechen. Wir formieren uns vorm Bug der Anakin Solo, außerhalb der Reichweite ihrer Primärgeschütze.«

Syal hörte die Bestätigungen der anderen Piloten und stimmte mit ein.

Dann erwachte ihr Komlink zum Leben - ihr Privatkomlink, das unter ihrem Fliegeroverall an die Uniform geklammert war. »Captain Antilles.« Das war Tychos Stimme.

»Ja, General.«

»Brechen Sie zusammen mit den anderen weg. Bleiben Sie nicht, ich wiederhole, bleiben Sie nicht bei mir. Ich werde von hier aus alleine weitermachen.«

»Aber, Sir... «

»Das war ein Befehl. Bestätigen Sie ihn.«

»Bestätige, Sir.« Als sie eine Ahnung befiel, was Tycho vorhatte, machte sich in Syals Magen ein Frösteln breit.

 

 

AN BORD DER ANAKIN SOLO

 

An Leutnant Tebuts Computerterminal ertönte ein Piepen, das auf eine dringende Anfrage hindeutete. Sie schaltete von den über den Bildschirm rollenden Sicherheitsdaten zu der Nachricht um. Das

Gesicht eines Rodianers, einem der Kommunikationsoffiziere der Anakin Solo, erschien auf dem Monitor. »Leutnant ...«

»Ja. Fähnrich.«

»Wir haben eine Notfallübertragung der Raumfähre Reveille erhalten, im Anflug, mit General Celchu an Bord. Sie werden von feindlichen Jägern verfolgt und erbitten unverzüglichen Zugang zu unserem Hangar.«

»Haben sie sieh identifiziert?«

»Alle Codes und Passwörter sind korrekt.«

»Genehmigt.«

»Vielen Dank, Leutnant.« Der Bildschirm klärte sich, und Tebut schaltete wieder zu ihren Daten um.

 

Der Feindbeschuss durch die Anakin Solo nahm zu, als sich die Raubeine dem Flaggschiff näherten. Die Schützen der Anakin Solo waren gut - Laser- und Ionensalven verfehlten die Reveille bloß um Hunderte von Metern, um den X-Flüglern, die das Shuttle verfolgten, dafür zunehmend gefährlicher zu werden.

Ein Paar nach dem anderen drehten die Raubeine bei, um sich in vergleichsweise sichere Entfernung zurückzuziehen. Jetzt waren bloß noch zwei Flügelpaare übrig: Wedge und Sanola, Tycho und Syal.

Ein weiterer Beinahetreffer schüttelte Tychos Cockpit durch. Er ignorierte es und konzentrierte sich ganz auf die Raumfähre vor ihm, wie auch auf die Anakin Solo, die zusehends größer wurde.

Der Plan, den Luke, Wedge und ihr Beratergremium ersonnen hatten, war trügerisch simpel und drehte sich im Wesentlichen um den Satz: Lass den Feind die Drecksarbeit erledigen.

Würde es schwierig sein, ein Team von Eindringlingen auf die Anakin Solo zu schmuggeln, besonders im Hinblick darauf, dass die Sicherheitsmaßnahmen nach der letzten Mission der Liebeskommandant zweifellos verschärft worden waren? Natürlich. Also stahlen die Jedi einfach Tychos Shuttle und seine gültigen Autorisierungen und »jagten« es an Bord der Anakin Solo, in Sicherheit. Und wie sollten sie Saboteure auf die Centerpoint-Station schaffen? Ganz einfach: Indem sie sich wie Einsatzkräfte der Garde der Galaktischen Allianz anzogen und im Fahrwasser der richtigen Kaperaktion der Allianz mit an Bord gingen.

Und die Zerstörung der Station selbst - Tycho schüttelte den Kopf. Als halber Botschafter der Allianz und halber Gefangener der Jedi hatte man ihn nicht eingeweiht, welche Methode sie einsetzen wollten, um Centerpoint außer Gefecht zu setzen, doch er nahm an, dass sie demselben Grundsatz folgte: Lass den Feind die Drecksarbeit erledigen. Setz die Stärken des Gegners gegen ihn ein. Sehr jedimäßig.

Wedges Stimme ertönte in seinem Ohr: »Wegbrechen.« Wedge und Sanola drehten abrupt nach Steuerbord bei, um zwar aus Tychos Blickfeld, aber nicht von seiner Sensortafel zu verschwinden.

Syal blieb hinter Tycho.

Er aktivierte sein Privatkomlink, jenes, das nicht von den Raubeinen blockiert oder abgehört wurde. »Jetzt, Antilles.«

»Ja, Sir.« In Syals Stimme lag Kummer. Dann drehte auch ihr X- Flügler bei, und sie folgte dem Ausweichkurs ihres Vaters ...

um Tycho allein zurückzulassen, der sich den unzähligen Turbolaserbatterien und Ionenkanonen der Anakin Solo gegenüber sah.

Er schloss zum Heck der Reveille auf, um die Schützen der Anakin Solo zu entmutigen, auf ihn zu feuern. Allerdings zeigte das bloß bei den Sensiblen Wirkung, oder bei denen, die es tatsächlich kümmerte, ob die Reveille es schaffte. Die Hitzköpfe hingegen schossen weiter, und ihre Salven kamen immer näher, bis Tycho wegen der gleißenden Blitze unmittelbar außerhalb seiner Kanzel kaum noch etwas sehen konnte. Sein Cockpit erbebte in einem fort vor Energie, die die Ränder seiner Schutzschilde streifte.

Doch voraus befand sich die Unterseite der Anakin Solo. Die Bauchschotten, die in den Hangar führten, waren gerade weit genug offen, dass ein Shuttle passieren konnte.

Mit einem Mal erstarb der Feindbeschuss. Er war jetzt zu dicht dran, als dass die Schützen ihn anvisieren konnten.

Weiter vorn stieg die Reveille höher und glitt auf den Hangareingang zu, während die Raumfähre langsamer wurde. Tycho bremste ebenfalls ab, aber nicht so viel, und schoss über das Shuttle hinweg; die Unterseite seines X-Flüglers verfehlte die obere Außenhülle der Fähre um drei Meter oder weniger.

Tycho traf mit genügend Geschwindigkeit auf den Atmosphäreneindämmungsschild der Anakin Solo, dass das plötzliche Wiedereinsetzen der Reibung den Hitzealarm losschrillen ließ. Er spürte, wie der Aufprall ihn noch weiter abbremste, und die Luft, die sich unter seinen S-Flügeln fing, ließ ihn beinahe die Kontrolle verlieren. Er kämpfte mit seinem Steuerknüppel und segelte im Rogen über Hunderte Meter nackten Hangarbodens.

Am Ende des ballistischen Bogens aktivierte er die Repulsoren und legte eine holprige Landung hin. die unter anderen

Umständen demütigend gewesen wäre. Er ließ seine Kanzel hochschnellen und stand auf, während er sich umdrehte, um zu sehen, wie die Reveille in den Hangar stieg, bevor das Shuttle dann tiefer sank, um selbst aufzusetzen.

Tycho schaltete sein Privatkomlink ein. »Hier spricht General Celchu. Stellen Sie mich zur Brücke durch.«

Eine hohe, melodische Rodianerstimme erwiderte: »Willkommen an Bord, General... «

»Nehmen Sie zur Kenntnis, dass ich mich nicht an Bord der Reveille befinde.« Ein halber Allianz-Sicherheitstrupp stürmte auf seinen X-Flügler zu. Er hob die Hände und sprach weiter. »Die Besatzung der Reveille besteht aus einem Infiltrationsteam aus Jedi und Saboteuren. Ich bin in dem Sternenjäger, Transponderkennung Raubein Drei.«

»Ähm ... Ich stelle Sie zu Leutnant Tebut durch.«

Tycho knirschte angesichts der Verzögerung und der unangenehmen Pflicht, die er zu erfüllen hatte, mit den Zähnen. Aber darum ging es nun einmal - um die Pflicht, und die verlangte, dass er seine Vorgesetzten davor warnte, dass Rebellen an Bord waren, darunter die Frau seines besten Freundes. Die Pflicht verlangte, dass er sein Bestes tat, um die Zerstörung von Centerpoint zu verhindern, auch wenn er sie persönlich begrüßte, weil damit eine der verheerendsten und Furcht einflößendsten Waffen der Galaxis vom Spielfeld entfernt wurde.

Unversehens drang Rauch aus den Schubdüsen der Reveille, viel zu dicht und viel zu viel, um die Folge eines Triebwerksbrands zu sein. Der Rauch breitete sich rasch in sämtliche Richtungen aus. um das Sicherheitsteam und die Mechaniker zu verschlingen. die sich der Raumfähre näherten.

Der Rauch erreichte die Nachhut des Sicherheitsteams, das Tychos Jäger schützte, bevor es auch nur irgendeiner von ihnen bemerkte. Dann winkte einer und rief etwas. Alle Männer drehten sich um, um hinzusehen.

Alle bis auf einen. Aufgeschreckt von dem Ruf und übermäßig angespannt, feuerte die Wache. Der Schuss traf Tycho mitten in die Brust und röstete sein Komlink.

Tycho sackte zusammen und fiel in den Pilotensessel zurück.