27. Kapitel

 

AN BORD DES MILLENNIUM FALKEN

 

»Sie fliehen.«

Leia, die wieder in ihrem Sitz saß und das Gesicht zum Cockpitzugang gewandt hatte, drehte sich um und schaute durch die vorderen Sichtfenster. »Wie bitte?«

»Sie fliehen.« Han lehnte sich zurück und reckte sich lässig. »Ich habe sie verjagt.«

»Aber sicher doch.« Auf der Sensortafel war die Fregatte allerdings tatsächlich auf Abflugkurs. »Ich frage mich, was die ursprünglich hier wollten?«

»Mich natürlich. Uns. meine ich. Du weißt doch, wie ich's meine.«

Leia funkelte ihn an. »Oh, ich weiß, was du meinst, keine Sorge.«

»Übrigens, danke, dass du nicht zugelassen hast, dass unsere Passagierin dem Kapitän einen Besuch abstattet.«

»So ist's schon besser.«

Auf dem Asteroiden flammte ein Licht auf, weit vom Habitat entfernt, ein gleißendes, durchdringendes weißes Glühen. Als es verblasste, konnten Han und Leia die Schäden sehen, die an der Stelle zurückblieben, wo das Licht gewesen war - ein schwarzrotes Loch, das aus dieser Entfernung winzig wirkte, durch das jedoch die Atmosphäre des Habitats in einer Säule entwich, die rasch zu einer Größe von mehreren Kilometern anwuchs.

 

Selbst aus der Entfernung von einem halben Kilometer sah Jaina. wie der Minenwagen den Hügel hinab auf sie zuschoss; die Positionslichter sorgten dafür, dass der Wagen in der Dunkelheit leicht zu entdecken war. Eine rasche Berührung mit der Macht bestätigte, dass weder Jag noch Zekk das Gefährt steuerten.

Mit ihrem Lichtschwert durchtrennte sie beide Schienenstränge, ehe sie einige Meter in die Höhe schwebte und ein Weiteres Mal zuschlug, um ein breites Schienenstück abzusäbeln. Dann zog sie sich noch weiter nach oben, ehe sie zwanzig Meter über der Lücke, die sie geschaffen hatte, innehielt.

Der Minenwagen traf auf den Spalt. Eigentlich hätte er von den Schienen springen und in die Leere der Höhle segeln müssen, doch stattdessen veränderte der Wagen die Richtung seines Flugs, und die Front des Triebwagens krachte geradewegs gegen den hinteren Abschnitt der Schienen. Das Gefährt kam abrupt zum Stehen, die Waggons dahinter schoben sich wie ein Akkordeon ineinander und verkeilten sich wie bei einem Frachtschlepperunglück.

Eine kleine Gestalt wurde aus dem Triebwagen geschleudert Alema erhob sich, eilte an der Lücke vorbei und hielt sich an einer Querstrebe fest, um eine Handvoll Meter unter Jaina unvermittelt zum Stillstand zu kommen.

Jaina lächelte auf sie herab. »Hallo da unten.«

Alemas Mund zuckte. »Das hier ist kein Spiel mehr. Geh uns aus dem Weg.«

»Für mich war das Ganze noch nie ein Spiel. Sag mal, wie willst du mit bloß einem funktionstüchtigen Arm eigentlich die Schienen hochklettern und dabei dein Lichtschwert schwingen?«

»Wir finden schon eine Möglichkeit.« Alema stieg einige weitere Quersprossen hoch. Jetzt befand sie sich bloß noch drei Meter unter Jainas Füßen.

»Du könntest dich ergeben. Dein Lichtschwert wegwerfen. Und dein Glasrohr und die Pfeile und all deine anderen Spielsachen. So ziemlich alles, das du bei dir trägst. Und ich nehme dich in Gewahrsam, und du bleibst am Leben.«

Alema schüttelte den Kopf. Ihr halblanger Kopftentakel glitt unter der Kapuze hervor. »Solange das Universum noch immer aus dem Gleichgewicht ist? Solange die Übel nicht gesühnt wurden? Wir denken nicht.«

Dann ertönte es, ein tiefes, grollendes Brüllen, in einiger Entfernung irgendwo links von Jaina. Sie spähte in die Dunkelheit, während sie Alemas Position mit ihren Machtsinnen sorgsam »im Auge« behielt. »Irgendeine neue Falle?«

»Wir wollten dich gerade dasselbe fragen.«

Au Bord des ramponierten Triebwagens begann ein Lautsprecher zu plärren, und eine Stimme mit einem leichten, trällernden Akzent, den Jaina noch nie zuvor gehört hatte, sagte auf Basic: »Achtung, an alle Arbeiter von Jonex-Mine Acht Elf B. Unsere Sensoren registrieren einen Zwischenfall von katastrophalen Ausmaßen. Suchen Sie unverzüglich den nächstgelegenen Schutzraum mit Omega-Kennung auf. Aktivieren Sie sofort sämtliche Notfallpeilsender. Achtung, an alle Arbeiter von Jonex-Mine Acht Elf B ...« Sie konnte hören, wie dieselbe Meldung schwach von den fernen Steinwänden widerhallte.

Sie blickte wieder zu Alema hinunter. »Klingt nach Ärger. Schätze, wir sollten lieber hierbleiben, bis wir herausfinden, was da schiefläuft.«

Alema löste ihren Griff um die Querstrebe, trieb jedoch nicht von den Schienen weg. Sie kletterte eine Stufe auf Jaina zu, während die geschickte Manipulation der Macht sie sicher an den Querstreben hielt, und zog ihr Lichtschwert, um es mit einem Zsssschh einzuschalten. »Geh uns aus dem Weg.«

Ein weiteres fernes Rumpeln ertönte, diesmal von rechts. Jainas Ohren ploppten von einer plötzlichen Druckveränderung. Sie kaute ein paarmal, glich den Druck aus, und ihr Gehör normalisierte sich wieder. »Tut mir leid. Wie war das noch mal?« Sie aktivierte ihr eigenes Lichtschwert.

»Närrin.« Alema vollführte eine Handbewegung, eine fegende Geste, als würde sie seitlich etwas mit einer Vibroklinge zerteilen.

Energie - unsichtbar, vom Gestank der Dunklen Seite erfüllt - donnerte gegen Jaina, zwang sie zurück. Die Schiene, an der sie sich festhielt, verbog sich mehrere Meter über ihrem Kopf, um sie aus dem Weg zu befördern. Der Hieb trieb alle Luft aus ihren Lungen und sandte eine Woge des Schmerzes durch ihre Brust.

In diesem Moment der Ablenkung sprang Alema mit einem Satz an ihr vorbei. Sie landete auf einer Querstrebe zwanzig Meter über Jaina. Sie begann, nach oben zu klettern, als wären die senkrechten Schienen eine Leiter, und das allein mithilfe ihrer Füße und der Macht.

Ein Blasterschuss von weiter oben erwischte sie beinahe unvorbereitet. Alema riss ihre Klinge gerade rechtzeitig hoch, um etwas von der Salve zu absorbieren, doch die Wucht des Treffers schleuderte sie nach hinten und fort von den Schienen. Sie fiel fünfzig oder mehr Meter und wurde beinahe von der Dunkelheit verschlungen, ehe sie sich wieder hinreichend gefasst hatte, um wieder auf den unteren Abschnitt der Bahnschienen zuzuhalten.

Jaina verzog vor Schmerz das Gesicht und sah nach oben. Jag kam zu ihr hinunter, in freiem Fall, der von unregelmäßigen Schüben mit seinem Düsenrucksack abgebremst wurde.

Jaina bewegte sich Hand über Hand an den Schienen entlang, erreichte die Stelle, wo Alemas Machtangriff das Metall verbogen hatte, und kletterte von hier aus höher. Falls sie schnell genug hochkam, konnte sie einen weiteren Schienenstrang abtrennen; vielleicht gelang es ihr sogar, die Lücke so groß zu machen, dass Alema sie selbst bei dieser geringen Schwerkraft nicht mit einem Sprung überwinden konnte.

Die Schienen schwankten, als etwas den verdrehten Bereich traf, den sie soeben hinter sich gelassen hatte. Sie schaute zurück.

Jag war unter ihr; er stand auf einer der Streben. Durch sein Visier konnte Jaina sehen, dass er schwitzte, vermutlich vor Schmerz. Er spähte nach unten, zu Alema. »Hast du ihr die Möglichkeit gegeben, sich zu ergeben?«

Jaina nickte. »Sie hat nein gesagt. Recht unhöflich.«

»Dann war's das.« Er stieß einen Daumen in die Höhe und signalisierte ihr so, weiterzuklettern. »Geh.«

»Ich bleibe hier. Wir müssen uns um Alema kümmern.«

»Ich werde mich um Alema kümmern. Irgendwer zündet Bomben - mindestens Stadtsprenger die bereits die Außenhülle dieses Asteroiden geknackt haben. Die Atmosphäre entweicht. Und Zekk - er ist eine Kammer weiter oben, und er ist ziemlich hinüber. Ich konnte ihn nicht dazu bringen zu verschwinden. Er wird hier umkommen, wenn du ihm nicht hilfst.«

Jaina sah zur kletternden Alema hinab, dann hoch zu dem fernen Spalt, der in die nächste Kammer führte, und schließlich wieder zu Jag. »Du wirst sterben.«

»Vielleicht. Aber mein Anzug hält im luftleeren Raum eine Stunde oder länger durch. Ihr mit euren Masken fünf Minuten. Wer von uns stirbt da wohl zuerst? Na los, geh! Und wenn du die nächste Höhle erreichst, durchtrenn die Schienen.«

Jaina blickte ihn an. Die Jaina. die sie noch vor einigen Wochen gewesen war. hätte vor Wut gekocht, hätte widersprochen Es war ihr gutes Recht, bis zum bitteren Ende hierzubleiben ihr Recht.

Und Jags auch.

»Viel Glück.« Ihre Worte waren kaum mehr als ein Flüstern Sie sprang nach oben und begann, so schnell zu klettern, wie ihre Kraft und gezielte Machtschübe es ihr erlaubten.

 

Jag riss ein Päckchen von seinem Mehrzweckgürtel und drückte es gegen das Metall der Schiene, auf der er stand. Dann akivierte er seine Schubdüse und stieg höher. Er musste sich kein» Gedanken darüber machen, Jaina zu überholen; sie klettern schnell.

Weiter unten sprang Alema über den Spalt hinweg, der der unteren vom oberen Schienenstrang trennte. Sie landete genau da, wo Jag vor wenigen Sekunden gestanden hatte.

Jag stellte sicher, dass sein Komlink eingeschaltet war. »Eins zünden.«

Er war nicht schnell genug. Er hatte gerade das erste Wort über die Lippen gebracht, als Alema eine Geste vollführte. Das Sprengstoffpäckchen, das er an der Schiene angebracht hatte löste sich vom Metall und segelte davon, um einen Moment später zu explodieren, weit genug weg, dass die einzigen Auswirkungen der Detonation auf Alema darin bestanden, die Bahnschiene, auf der sie stand, zum Schwingen zu bringen.

Sie blickte zu ihm auf, Mordlust in den Augen, und begann wieder zu klettern, beinahe so schnell wie Jaina - schneller, als Jags leistungsschwache Niedriggravitationsschubdüsen ihn in die Höhe tragen konnten.

Während sie kletterte, bog sich der verdrehte Schienenstrang unter ihm wieder in die andere Richtung, und dann von Neuem zu ihr. bis sich schließlich ein abgebrochenes Stück von vier Metern Länge löste. Das Metallteil stieg rasch an Alema vorbei, von unsichtbaren Machtkräften getragen, und flog geradewegs auf Jag zu.

Er zog eine Grimasse. »Das wird jetzt wehtun.«

Die Schiene kam auf eine Höhe mit Jag, ein paar Meter entfernt - und schwang dann wie eine Keule auf ihn zu; ein Ende blieb an Ort und Stelle, während das andere gegen seinen Bauch hämmerte.

Die Beskar-Platte fing den Treffer ab, doch das bedeutete bloß, dass sie die Wucht des Aufpralls auf seine gesamte Brust verteilte. Jag schoss zur Seite wie ein von einem Rancor getretener Ball, weil sein Kopf und seine Glieder in die entgegengesetzte Richtung gerissen wurden. Sein linkes Bein, das am Oberschenkel wahrscheinlich bereits gebrochen war, war mit einem Mal von noch größerem Schmerz umschlungen, als wäre sein Knochenmark durch eine glühende Lichtschwertklinge ersetzt worden.

Er flog mindestens dreißig Meter weit. Dann jedoch tauchte der schwebende Schienenstrang vor ihm auf und sauste erneut auf ihn zu, um ihn wieder zurück zu Alema zu prügeln.

Doch die Brustplatte hielt. Er konnte immer noch atmen, konnte denken - gerade so.

Sein Körper glich einer gequälten Masse feuriger Nervenenden, als er in den verbliebenen Teil der senkrechten Schiene krachte, einige Meter unter Alema. Er schaffte es, sich mit seinem linken Crushgaunt daran festzuklammern.

»Wir sind sicher, dass du mit deinem X-Flügler hergekommen bist.« .Alemas Gesicht war jetzt von einer Transparistahlmaske bedeckt - wahrscheinlich dieselbe, die sie trug, als sie vor ihrer eigenen Falle auf Gilatter VIII floh, mutmaßte Jag. Ihre Stimme drang über seine Helmlautsprecher. »Dein Schiff haben deine Begleiter gewiss nicht sabotiert. Sie wollen, dass du entkommst. Also werden wir damit verschwinden. Als kleine Wiedergutmachung für Schiff. Als Ausgleich müssen wir dich zweifellos noch mehr bestrafen.«

Es kostete ihn einige Anstrengung, die Worte so hervor zubringen, dass man sie verstand. »Alema ... Du wirst diesen Asteroiden nicht lebend verlassen. Dein Irrsinn und die letzten Überbleibsel des Dunklen Nests finden hier und jetzt ein Ende.«

Die Überraschung in Alemas Zügen wirkte, als wäre sie so eben Zeugin geworden, wie ein Insekt Poesie rezitierte. Profane Poesie.

Jag fühlte, wie sich ihm ein wenig der Magen umdrehte. Die Schiene, an der sie sich beide festhielten, gab nach und stürzte in die Tiefe.

Abgelenkt vom plötzlichen Gefühl freien Falls, schaute Alema nach oben.

Schnell wie ein zuschnappender Sandpanther zog Jag seinen überdimensionalen Blaster und richtete ihn auf Alema.

Er war nicht schnell genug. Sie sah nicht einmal zu ihm herunter. Noch während er zog. ließ Alema ihr Lichtschwert los und krümmte einen Finger in Richtung seines Blasters. der aus Jags Griff in ihre Hand flog. Das Lichtschwert schwebte neben ihr.

Alema blickte auf ihn herab und schüttelte den Kopf. »Du wirst sterben, weil du dich gegen uns stellst, weil du das Nest beleidigst. Aber vor allem anderen wirst du sterben, weil du dich weigerst, dazuzulernen.«

Oh, aber ich lerne doch dazu. Der Sensor im Innern dieses Masters übermittelt dem dazugehörigen Prozessor just in diesem Augenblick, dass er weiter von mir entfernt ist als erlaubt. Fünf...

»Droiden mit Lasern - also, das wäre geschickt von euch gewesen und uns womöglich tatsächlich gefährlich geworden.«

Vier.

»Wir können die Absicht von Droiden nämlich nicht fühlen, und Lasersalven sind schneller, als man mit bloßem Auge verfolgen kann.«

Drei.

»Ein solcher Angriff aus dem Hinterhalt hätte uns durchaus verletzen oder töten können.«

Zwei.

»Aber jetzt werden wir dich einfach in Stücke schneiden.« Alema vollführte eine Geste, und ihr Lichtschwert schwebte auf Jag zu. Ihre Miene hinter dem Visier der Maske war kühl und gleichgültig.

Eins.

Und obwohl Jag versucht hatte, sich ausschließlich auf seinen Schmerz zu konzentrieren, auf sein Gefühl von Verzweiflung und Versagen, musste in diesem allerletzten Moment etwas von seiner wachsenden Anspannung seine emotionale Barriere durchdrungen haben. Alemas Augen weiteten sich. Sie sah sich hastig nach der neuen Gefahr um, die sie gerade wahrzunehmen begann.

Der Blaster in ihrer Hand explodierte.

Die Detonation war gleißend und lautlos, ein sicherer Hinweis darauf, wie luftleer die Atmosphäre inzwischen war. Jags Visier polarisierte beinahe augenblicklich, sodass die Helligkeit ihn zwar blendete, aber nicht vollends blind machte. Er aktivier te seine Schubdüsen, schoss aufwärts ...

Alemas Gesicht war vor Entsetzen und Schmerz verzerrt. Ihr rechter Arm war ab dem Ellbogen verschwunden. Blut floss, das Blasen schlug und verdampfte, sobald es aus dem Stumpf her vorsickerte.

Als Jag sie erreichte, packte er mit der rechten Hand ihren Hals.

Sie sah ihn an. Der Ausdruck in ihrem Gesicht wandelte sich von Schmerz zu einem Flehen.

Er schüttelte den Kopf. Es ist zu spät. Du hast dich geweigert, dich zu ergeben. Du hast gerade versucht, mich zu ermorden. Ich kann dich nicht verschonen. Er sprach diese Worte nicht aus - das hätte zu lange gedauert, was ihr vielleicht Zeit verschafft hätte, sich wieder zu fangen.

Er konnte sehen, dass Angst in ihren Augen lag, aber es war keine Angst vor dem Tod. Ihre Lippen bewegten sich, um zwei Worte zu formen. »Erinnere dich.«

Jag wusste, dass er nicht unversehens machtsensitiv geworden war, dass er ihre Gedanken nicht lesen konnte. Aber sie waren da, eingeprägt in seinen Verstand. Erinnere dich an uns. Erinnere dich so an uns, wie wir einst waren, bevor sich das Universum gegen uns wandte. Jung, schön, stark, tapfer. bewundernswert. geliebt, liebevoll...

Er nickte. Das werde ich.

Der Schmerz und die Furcht in ihrer Miene vergingen.

lag drückte zu. Er fühlte das Knacken von Alema« Wirbelsäule, als er sie mit seiner Hand zertrümmerte. Ihr Körper erschlaffte. Ihre Augen wurden trüb und leer.

Statisches Rauschen drang aus seinem Komlink. Obwohl die Atmosphäre nicht dicht genug war, um die Geräusche ferner Explosionen bis zu ihm zu tragen, wusste er, dass die gewaltigen Detonationen dieser Bomben den Kom-Empfang stören mussten.

Er aktivierte seine Schubdüsen und begann, auf das Loch im Stein weiter oben zuzuschweben.

 

Jaina fand Zekk zusammengekauert oben auf einem Schienenstrang, genau da, wo sie gestanden hatte, als Alemas geheimnisvolle Waffe sie attackiert und die Schienen durchtrennt hatte. Trotz des Umstands, dass der Luftdruck rapide abfiel, hatte Zekk seine Maske nicht auf.

»Zekk, beweg dich.« Sie fummelte in seinen Gürteltaschen herum, fand seine Folienmaske und streifte sie über seinen Kopf, um den Riemen eng um seinen Kragen festzuziehen.

Er schüttelte den Kopf, ohne sie anzusehen. »Verschwinde. Du musst hier weg.«

»Wir müssen hier weg.« Sie zerrte an seiner Schulter und richtete ihn kniend auf.

»Es ist in mir. Das Böse dieses Ortes. Ich dachte, ich wäre imstande, es für immer im Zaum zu halten. Aber so funktioniert das nun mal nicht.«

Sie kniete nieder, legte ihre Arme um seine Hüfte und stand dann auf, um sie beide auf den nächsten Schienenabschnitt zu katapultieren. »Zekk, bist du mein Freund?«

»Ich bin dein Freund. Ich liebe dich.« Seine Worte drangen beinahe als Brabbeln über seine Lippen, flossen ineinander und vermischten sich.

»Du musst - du musst mir helfen. Wenn ich dich hier lebend rausbringen soll.« Sie überquerten die Lücke, und sie packte den nächsten Schienenstrang. »Jetzt klettere hoch. Ansonsten trage ich dich, und dann bin ich zu langsam und werde sterben.«

»In Ordnung.« Mechanisch drehte er sich um. legte seine Hände auf die Querstreben und kletterte los.

»Wir bringen dich zurück zu den Meistern, und die werden dir das Böse austreiben.«

»Oh. Vielleicht.« Zekk runzelte die Stirn, als er sich an etwas zu erinnern versuchte. »Wo ist Jag?«

»Er ... kommt nach.« Selbst in Jainas eigenen Ohren klang die Lüge wenig überzeugend, sogar armselig.

Doch so benommen, wie Zekk zu sein schien, bemerkte er es nicht. Er nickte zufrieden.

Die Schienen wankten unter ihren Händen. Jemand musste sie schütteln. Jaina schaute nach unten, entdeckte nichts unter sich, und sah dann nach oben.

Über ihnen rollte eine riesige Kugel die Schienen hinunter. Sie sah aus wie eine Pflanzenspore - allerdings mit zwei Metern Durchmesser, nicht mikroskopisch klein, und aus einem gräulichen Metall anstatt aus organischem Material. Die Kugel rollte nicht einfach bloß die Schienen entlang, sondern klebte daran, als wäre sie magnetisch.

Jaina nahm an, dass sie tatsächlich magnetisch war, irgendetwas, das dazu gedacht war, sich an die Außenhüllen von Raumschiffen zu heften.

Sie zog Zekk zur Unterseite des Schienenstrangs herunter und hielt sich fest, bereit abzuspringen, falls das Ding beim Vorbeirollen eins ihrer Glieder zu zerquetschen drohte. Doch die Kugel kullerte harmlos an ihnen vorüber und rollte weiter in die Dunkelheit hinab.

Zekk sah dem Ding gelinde neugierig nach. »Was ist das?«

»Eine Raummine, schätze ich. Und wir wollen nicht in der Nähe sein, wenn sie hochgeht. Komm schon, kletter weiter.«

Sie erreichten die Oberfläche und stellten fest, dass die Schienen, die hinauf ins Habitat führen, intakt waren. Allerdings zitterten die Streben unter ihren Fingern, und beide konnten sie sehen, wie der steinige Boden überall um sie herum erbebte und in seltsam schönen Gebilden Staubwolken emporschleuderte.

Jaina sah einen fernen Blitz aufleuchten - ein Hinweis auf eine weitere Explosion jenseits des Horizonts. Sie packte Zekk und stieß sich mit den Füßen ab, um auf das Loch in das Habitat über ihnen zuzuspringen. Zusammen schwebten sie hindurch. Als sie in den Einflussbereich der künstlichen Schwerkraft des Habitats gerieten, fielen sie und landeten unbeholfen am Hand des Lochs.

Jaina stieß ein erleichtertes Seufzen aus.

Dann traf die Schockwelle der letzten Explosion das Habitat. Der Boden fünfzehn Meter tiefer kräuselte sich wie über Wasser gelegter Stoff. Jaina spürte, dass ihre Beine zitterten, allerdings eher von den externen Vibrationen denn vor Erschöpfung.

Jags X-Flügler, den sie durch das Loch ausmachen konnte, stützte sich auf einen Flügel, als er zur Seite kippte, ehe er außer Sicht verschwand. Die Vibrationen nahmen zu.

Mit einem Mal neigte sich das Habitat zur Seite. Die Kammer versank abrupt in Dunkelheit - lediglich erhellt von dem Kreis der Lichter rings um das Ausstiegsloch -, und die beiden Jedi schwebten vom Boden hoch.

Plötzlich war durch das Loch mehr Boden zu sehen, dann der ferne Horizont, dann Sterne ...

Die wiederholten Explosionen hatten das Habitat freigerissen, sodass es sich vom Asteroiden gelöst hatte und nun in der Schwerelosigkeit trudelte.

 

Als die beiden Jedi gewaltsam die Tür zum Hangar öffneten, herrschte dahinter ein vollkommenes Durcheinander. Die matte

Notfallbeleuchtung enthüllte zwei StealthX-Jäger. Dutzende Durastahllagerfässer, zwei Betankungspumpen und Hunderte von Handwerkzeugen, die durch die große, offene Kammer trieben, langsam und - im Falle der Sternenjäger - würdevoll von den Wänden abprallten und mit anderen frei schwebenden Trümmern zusammenstießen. Während Jaina hinsah, kollidierte ein zylindrisches Metallfass mit einem der S-Flügel von Zekks StealthX und wurde teilweise eingedrückt; der Deckel sprang auf. und die grünliche Hydraulikflüssigkeit darin ergoss sich langsam in die Atmosphäre und breitete sich aus. Zusätzlich zu dem Geklirre, Geschepper und den anderen Kollisionsgeräuschen steuerten die R9-Astromechs in den beiden Jägern auch noch Gekreische und melodische Töne der Bestürzung zu dem Krawall bei.

Die Kontrolltafel für das Hangartor und den Atmosphärenschild war tot.

Jaina warf Zekk einen Blick zu und deutete auf den Metallsturm, dem sie sich gegenübersahen. »Unmöglich, so einen sicheren Start hinzukriegen. Steig in dein Cockpit. Ich werde die Hangartüren öffnen.«

Zekk schüttelte den Kopf. »Wenn du das tust, wirst du geradewegs nach draußen in die Leere gesaugt.« Seine Stimme klang jetzt ein bisschen kräftiger, als würde der Abstand zur Quelle der dunklen Machtenergie seine Lebensgeister beflügeln.

»Ich werde eine Schattenbombe einsetzen.«

Zekk zuckte zusammen. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Schattenbombe, die so dicht bei den StealthX-Jägern explodierte, die Schiffe beschädigte, war enorm. Aber Jaina wusste, dass sie keine andere Wahl hatten - das Hangartor mit einem Lichtschwert und telekinetischen Machtschüben aufzubrechen, bedeutete für den, der das Tor öffnete, den sicheren Tod. Zekk warf ihr einen gequälten Blick zu und stieß sich von der Wand ab, um

auf Abfangkurs zu seinem StealthX zu schweben.

 

 

AN BORD DES MILLENNIUM FALKEN

 

Die Kom-Konsole des Falken gab ein kurzes, knisterndes Geräusch von sich, ehe Leia Jainas Stimme aus dem Lautsprecher dringen hörte. »Keine Checkliste, keine Zeit. Waffen scharf machen.« Zekk war der Nächste. »Schilde hoch.«

»Schilde hoch, verstanden. Repulsorlifts auf Maximum, halt dich fest.«

Leia spürte, wie ihr ein mindestens zehn Tonnen schweres Gewicht von den Schultern fiel. Sie aktivierte ihre Kom-Konsole. »Jaina?« »Feuer frei.«

Eine Wand des fernen, trudelnden Habitats explodierte und pustete Atmosphäre und eine Wolke partikelförmiger Materie ins Weltall. Einen Moment später tauchte ein StealthX auf, dann noch einer, gefolgt von weiteren Trümmern.

Einer nach dem anderen drehten die Jäger bei und nahmen Kurs auf den Falken. Jainas nächste Worte waren deutlicher zu verstehen. »Ja, Mom?«

»Bist du in Ordnung?«

»Den Umständen entsprechend.« Jainas Tonfall war freudlos.

»Was ist mit Alema? Und mit Jag?«

Es folgte eine lange Pause, bevor Jaina antwortete. »Beide tot, denke ich.«