8. Kapitel

 

CORUSCANT, HAUPTQUARTIER DER GARDE DER GALAKTISCHEN ALLIANZ

 

Allana öffnete die Augen. Direkt vor sich sah sie die Ecke des Betts, in dem sie lag - ein schlichtes Bett mit einer sehr weichen und bequemen, aber altmodischen Matratze, die ihre Form nicht veränderte, als sie sich darauf bewegte. Dahinter befand sich eine nackte braune Wand, deren künstliche Holzmaserung im schwachen Schein der halb abgeschatteten Glühstäbe nur schwer auszumachen war.

Sie wusste nicht, wo sie war.

Sie rollte sich herum, um den ganzen Raum zu betrachten, und da war er - er saß in einem Stuhl neben dem Bett, groß und attraktiv. Er trug seine schwarze Uniform, und seine Augen waren so strahlend und durchdringend, dass es ihr beinahe Angst einjagte.

Dabei sollte sie keine Angst vor ihm haben. Er war ein Freund ihrer Mutter.

Sic streckte die Arme aus. »Jacen.«

Sein Gesicht zuckte ein wenig, als sie seinen Namen rief, doch er kam zu ihr und umarmte sie. »Allana. Du hast lange geschlafen.«

»Wo bin ich?« Ihre Stimme an seiner Schulter klang gedämpft.

Er wich zurück, um sie wieder anzusehen, und jetzt waren seine Augen ganz normal. »Du bist auf Coruscant.«

»Und wo ist Mami?«

»Sie ist auf Hapes.«

Allana zappelte herum, und mit Widerwillen ließ Jacen sie los. »Warum ist sie denn da und nicht hier?«

»Erinnerst du dich nicht mehr?«

Sie schüttelte den Kopf.

»Böse Leute sind in euren Palast gekommen, die dir und deiner Mutter wehtun wollten.«

»Wie damals.«

Jacen nickte. »Sie haben Komagas eingesetzt, das einen einschlafen lässt. Da du noch klein bist, hat es dich eine ganze Weile schlafen lassen. Ich war gerade angekommen, um euch zu besuchen. Deine Mutter dachte, es wäre sicherer für dich, wenn du mit mir nach Hause kommst. Damit die bösen Leute nicht wissen, wo du bist.«

»Oh.« Das ergab Sinn. Allerdings hatte ihre Mutter ihr erklärt, dass jeder, mit dem Allana aus ebendiesen Gründen fortgeschickt wurde, die speziellen Zauberworte kannte, selbst wenn keine Zeit für ein Lebewohl geblieben war. Und Jacen hatte die Zauberworte noch nicht gesagt. »Kann ich über Holokom mit Mami reden?«

Jacen schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Die bösen Leute könnten die Übertragung zurückverfolgen. Weißt du, was das bedeutet?«

Allana nickte. »So wie einer Spur aus Brotkrumen.« »Ganz genau. Und das würde sie geradewegs hierherführen, was all die Bemühungen, die deine Mami und ich unternommen haben, um dich in Sicherheit zu bringen, zunichtemachen würde. Deshalb müssen wir uns einfach eine Weile versteckt halten. Ich kümmere mich allerdings darum, dass man jede Menge Sachen herbringt, mit denen du spielen kannst. Puppen und technischen Schnickschnack und Musikinstrumente.«

»Und Freunde?«

»Noch nicht. Aber bald, hoffe ich. Morgen habe ich einen Droidenfreund für dich.« Er drückte sie von neuem an sich. »Ich muss jetzt gehen, aber ich behalte dich mit dieser Holocam im Auge.« Er deutete direkt nach oben, doch Allana konnte nichts an der Decke erkennen. »Du bist also die ganze Zeit über sicher. Ruf einfach nach mir, wenn du irgendetwas brauchst.«

»In Ordnung.« Sie sah zu. wie er hinausging. Dann legte sie sich wieder hin.

Und sie fragte sich, wie lange es dauern würde, bis sich Jacen an die Zauberworte erinnerte, und was sie tun sollte, wenn er sie nicht sagte.

 

 

CORUSCANT, UNTERHALB DES REGIERUNGSDISTRIKTS DER GALAKTISCHEN ALLIANZ

 

Sie waren zu fünft, allesamt Jedi, deren Erfahrung von einer Teenagerin bis zu einem ergrauenden Veteranen reichte, der seine ersten Gefechte als Sturmtruppler im Dienste von Palpatines Imperium miterlebt hatte.

Der Umstand, dass er nicht zu den Jüngsten gehörte, ließ Valin Horn, Corrans Sohn, erleichtert aufatmen. Selbst Ende zwanzig, wurde er aufgrund eines statistischen Missgeschicks, das ihn beharrlich zu verfolgen schien, häufig mit wesentlich älteren Jedi zusammengebracht. Hier war mit seinen etwas über vierzig Jahren allerdings Meister Kyle Katarn der Älteste. Der Falleen Thann Mithric und die Bothanerin Kolir Hu'lya indes waren beide etliche Monate jünger als er. Und Seha, dieses Menschenmädchen, das sie führte, war die Jüngste von allen.

Nicht, dass das Alter bei einer Mission wie dieser eine große Rolle spielte. Valin war einfach bloß froh, dass er mittlerweile alt genug war, nicht jedes Mal das »Küken« zu sein.

Alle fünf Jedi trugen mattschwarze Anzüge, die sie vom Hals bis zu den Zehen einhüllten. Das Material, aus dem sie bestanden, glitt aalglatt über raue Oberflächen wie Permabeton und metallene Abwasserrohre hinweg, und speicherte in kalter Umgebung wie Wasser die Körperwärme, um sie in wärmeren Umgebungen wiederum abzugeben. Die Jedi trugen Pakete - manchmal, wie jetzt, zogen oder schoben sie sie auch in denen sich ihre Lichtschwerter, zu sehr kompakten Bündeln zusammenfaltbare Kleidungsstücke, weitere Waffen und Kletterausrüstungen befanden.

Nichts davon wäre ihnen in diesem Moment eine nennenswerte Hilfe gewesen, während sie sich wie Würmer durch ein feuchtes, beengendes Abwasserrohr wanden. Seha hatte ihnen erklärt, dass das Rohr so lange, wie sie lebte, nie seinem ursprünglichen Zweck gedient hatte. Allerdings sickerte durch Risse überall in der uralten Infrastruktur der Stadt das Wasser aus anderen Rohrleitungen herein, von dem einiges widerlich roch. Und Seha hatte ihnen erzählt, dass Rohre wie dieses bei heftigen Regenfällen überflutet und durchgespült werden konnten.

»Keine Sorge«, hatte sie gesagt. »Falls es tatsächlich eine Überflutung gibt, bekommen wir das früh genug mit. Reißt dann einfach schnell eure Lichtschwerter raus und schneidet ein Loch ins Rohr.«

»Kannst du dein Lichtschwert rausreißen, Kolir?« Valin sorgte dafür, dass sein Flüstern laut genug war, um an die Ohren der Bothanerin zu dringen, die vor ihm kroch. Alles, was er von ihr erkennen konnte, waren ihre Waden und ihre schwarz bekleideten Füße, kaum sichtbar im Schein des Glühstabs, den er sich hinters Ohr geklemmt hatte.

Ihre Stimme kam als tiefes Knurren zu ihm zurück. »Sei still.«

»War bloß ne Frage. Höfliche Konversation. Du hast doch keine Platzangst, oder?«

»Nein!«

»Das würde aber deine Reizbarkeit erklären.«

»Genau wie Hunger. Und du fängst an, dich verdächtig nach rotem Fleisch anzuhören.«

»Wenn wir hier fertig sind, wäre es mir ein Vergnügen, dich zum Essen einzuladen.«

»Söhne berühmter Eltern müssen sich da schon mehr anstrengen, um das auszugleichen.«

Valin grinste. Zumindest konnte man sich mit ihr kabbeln.

Von weiter vorne vernahm er ein vertrautes, brummendes Geräusch und hielt inne, um zu lauschen. Ja, das war ein Lichtschwert, das allerdings nicht im Kampf geschwungen wurde. Auch Kolir verharrte. Das Brummen dauerte beinahe eine Minute lang an, um dann zu verstummen.

Schließlich gab Kolir die Neuigkeit an ihn weiter. »Seha ist auf ein neues Hindernis gestoßen, ein Metallgitter. Sie hat ihr Lichtschwert benutzt, um es zu durchtrennen.«

»Dasselbe Lichtsehwert, das sie. wie ich vermute, gerade fallen gelassen hat, sodass sie sich jetzt eins von uns borgen muss.«

Von sehr weit entfernt hörte er Sehas Stimme: »Das hab ich gehört.« Dann kroch Kolir wieder vorwärts, und Valin folgte ihr.

Sekunden später wand er sich durch das jetzt offene, noch immer warme Ende der Rohrleitung nach draußen und ließ sich leichtfüßig auf den Permabetonboden zwei Meter tiefer fallen. Auch hier gab es keine funktionstüchtigen Glühstäbe, aber wenigstens konnte er aufrecht stehen. Er trat beiseite, damit Mithric neben ihm nach unten springen konnte.

Valin schaute sich um. Die anderen hatten Schmieröl- und Dreckflecken in den Gesichtern. Kohrs hellbraunes Fell war stellenweise verfilzt und verklebt. Ein kugelrunder, sechsbeiniger Käfer krabbelte über Milthrics Pferdeschwanz. Valin nahm an, dass er selbst ähnlich unappetitlich aussah.

Seha, die Sauberste von ihnen, ließ den Blick in die Runde schweifen, um sich zu orientieren »Wir sind jetzt in der zweiten Sicherheitszone, unter dem Platz vor dem Senatsgebäude,« Sie deutete grob in die Richtung, in die das Rohrende wies. »Da entlang geht's zum Senatsgebäude. Wenn wir dort weitergehen, stoßen wir auf den innersten Sicherheitsring, wo sich die meisten Sensoren befinden. Nicht, dass es sonderlich schwierig wäre, an einzelnen Sensoren vorbeizukommen - das Problem ist, dass es so viele sind, mit überlappenden Erfassungsbereichen, sodass es praktisch unmöglich ist, sie alle zu deaktivieren oder unbemerkt daran vorbeizuschleichen. Man könnte es schaffen, doch selbst jemand mit wesentlich besseren Fähigkeiten als ich würde Wochen dafür brauchen.«

Meister Katarn nickte, als wäre er zufrieden. »Dann schlagen wir hier unser Lager auf. Auch wenn es besser wäre, mehrere Blickwinkel und Feuerpositionen zu haben.«

Seha deutete nach vorn auf einen dunklen, senkrechten Schacht, zu dem man über in den Permabeton eingelassene Durastahlsprossen hinaufgelangte. »Der da führt zum nächstgelegenen Ausgang. An der Zugangsluke ist ein Sensor, aber den können wir deaktivieren. Ich kann euch zu drei oder vier ähnlichen Stellen bringen, weiter links und rechts von hier, und von allen aus hat man den Vordereingang im Auge.«

Katarn dachte nach. »Ich muss die Position einnehmen, die Colonel Solos üblichem Weg ins Gebäude am nächsten ist. Wir verteilen uns über alle verfügbaren Zugänge. Seha, ich will, dass jeder von uns in der Lage ist, den Rückweg hierher blind zu finden. Außerdem wirst du hier Stellung beziehen. Deine Aufgabe ist es, am Leben zu bleiben, hier auszuharren und uns alle wieder rauszubringen, unabhängig davon, ob sich die Mission als Erfolg oder als katastrophaler Fehlschlag erweist.«

Seha nickte, sichtlich eingeschüchtert von der auf ihren Schultern lastenden Verantwortung.