Kapitel 5

 

Der Kuss nahm kein Ende. Er rieb seine Hüfte an meiner, und ich fühlte ein Begehren in mir aufsteigen, das in meinem Leben schon viel zu lange gefehlt hatte. Noch zwei Sekunden, und ich hätte mir das Nachthemd vom Leib gerissen, doch ich taumelte und fiel gegen seine Brust. Er lockerte seinen Griff, ließ mich aber nicht los, sondern blickte auf mich herab mit diesen Augen, die mich auswendig kannten.

»Du hättest mich nicht verlassen sollen«, sagte Trillian mit rauher Stimme.

Ich schluckte, denn ich hatte plötzlich einen Kloß in der Kehle. »Du weißt, dass mir keine andere Wahl blieb. Du bist Svartaner.« Das sagte eigentlich schon alles.

Trillian aber war noch nicht bereit, das Thema fallenzulassen. »Ich war nicht derjenige, der den ersten Schritt getan hat. Du hast dich dafür entschieden, dich an mich zu binden. Du bist mein, ganz gleich, was du denkst, sagst oder tust.«

Ich biss mir so fest auf die Lippe, dass ich blutete. Er beugte sich herab, küsste mich auf den Mund und saugte sanft an meiner Lippe. Dann trat er zurück und ließ mich los, und ich schwankte. Während ich noch um Beherrschung rang, schob Delilah mit grimmiger Miene das Messer in die Scheide und steckte die Waffe weg. Menolly schwebte zu Boden, ohne Trillian aus den Augen zu lassen. Weder sie noch Delilah waren mit unserer Affäre einverstanden gewesen, doch sie würden sich nicht einmischen, solange ich nicht um Hilfe bat. Zumindest nicht offen.

Ich wischte mir den Mund ab und schaffte es nicht, den Blick von ihm loszureißen. Was ich bereits vermutet hatte, stimmte leider. Ich stand noch immer unter Trillians Bann – eine beunruhigende Feststellung. Ich war nicht einmal sicher, ob ich ihn überhaupt mochte, aber ich war heillos in ihn verliebt. Er war einer dieser finsteren, strahlenden Männer, die das Versprechen auf berauschende Nächte und süßen Sommerwein ausstrahlen.

»Camille? Camille?« Delilahs Stimme holte mich in die Gegenwart zurück. »Wenn Vater Trillian gebeten hat, den Boten zu spielen, dann muss zu Hause irgendetwas böse schieflaufen.«

Trillian trat wieder einen Schritt auf mich zu, und ich taumelte rückwärts, wobei ich in meiner Hast, seinen Händen auszuweichen, fast über den Couchtisch gestolpert wäre. Verdammt noch mal. Das Letzte, was ich wollte, war, ihn merken zu lassen, dass er noch immer so viel Kontrolle über mich hatte. Leider hatte ich das Gefühl, dass dieses kleine Geheimnis schwer zu wahren sein würde. Er las in meiner Miene und lachte. Es klang nicht schön.

»Ich freue mich sehr zu sehen, dass du mich nicht vergessen hast«, sagte er. »Zumindest bin ich mit meiner Besessenheit nicht allein.«

Ich riss den Kopf hoch. »Wovon sprichst du?«

Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, und ich musste mich zusammenreißen, um mich ihm nicht sofort an den Hals zu werfen. »Du bist die Einzige, die mich jemals aus freien Stücken verlassen hat.«

Das also regte ihn so auf – ich war gegangen, bevor er meiner überdrüssig hatte werden können. Ich hatte jedes Quentchen Selbstdisziplin aufbringen müssen, das ich nur besaß, um mich von ihm zu trennen, und ich war nicht sicher, ob ich das noch einmal schaffen würde. Als er plötzlich verschwunden war, hatte ich angenommen, er sei in die Unterirdischen Reiche zurückgekehrt.

»Wie lautet Vaters Botschaft, und warum glaubt er, wir bräuchten einen Leibwächter?« Wenn ich das Gespräch in neutrale Bahnen lenkte, würde ich mich vielleicht schützen können.

Trillian straffte die Schultern. »Also zuerst zum Geschäft. Schön. So sollte es wohl sein in diesen... unsicheren Zeiten.«

Menolly mischte sich in das Gespräch ein. »Nun rück endlich damit heraus, Svartaner

Er warf ihr einen berechnenden Blick zu. »Menolly, du siehst ja beinahe lebendig aus. Hast du in letzter Zeit irgendwelche interessanten Fledermausmänner kennengelernt?«

Sie fauchte ihn an, und er grinste.

Delilah griff ein. »Hört auf, alle beide! Für so etwas haben wir keine Zeit, und ich möchte mich nicht gerade jetzt verwandeln. Erst Chase, und jetzt auch noch du, Trillian. Menolly, warum hasst du eigentlich jeden, der sich für Camille interessiert?«

Trillian sah mich von der Seite an, sagte aber nichts.

Menolly seufzte. »Du kannst seine schwarze Seele auch nicht leiden, also spiel mir hier nicht die gerechte Empörung vor«, erwiderte sie.

Delilah begann zu schimmern, doch ich packte sie am Handgelenk. »Wag es ja nicht! Du musst dich jetzt zusammenreißen, Schätzchen. Uns zuliebe.« Ich warf Menolly einen Blick zu, die ergeben die Hände hob.

»Kätzchen, beruhige dich«, sagte sie. »Ich bin nicht böse auf dich, okay?«

Ein wenig beleidigt ließ Delilah sich auf dem Sofa nieder. Menolly setzte sich neben sie und streichelte ihre Hand. Ich bedeutete Trillian, herüberzukommen.

»Du kannst dich ebenso gut zu uns setzen«, sagte ich, hielt mich aber außerhalb seiner Reichweite. »Erklär uns doch bitte erst einmal, weshalb unser Vater dich gebeten hat, den Botenjungen zu spielen. Ich weiß nämlich genau, was er von dir hält.«

Trillian nahm auf einem Sessel Platz, streckte mit gekreuzten Knöcheln die Beine aus und lehnte sich zurück. »Die Antwort ist ganz einfach. Euer Vater meinte, dass meine Ankunft hier unbemerkt bleiben könnte. Ich errege keinen Verdacht, weil ich ja unmöglich ein Mitarbeiter des AND sein kann.« Er wurde ernst und beugte sich vor. »Hört zu, Mädels. Es gibt Schwierigkeiten in Y’Elestrial – ernsthafte Schwierigkeiten. Euer Vater will euch warnen, dass der AND euch in nächster Zeit womöglich nicht wird unterstützen können, obwohl eure Vorgesetzten das nie offen zugeben würden. Er hat Johnsons Bericht gehört und auch die offizielle Antwort darauf.«

»Dann glaubt Vater uns also«, sagte ich erleichtert. Wenn Vater auf unserer Seite stand, waren unsere Chancen, mit allem fertigzuwerden, was vielleicht auf uns zukam, gleich viel besser. »Wir haben noch mehr Neuigkeiten. Wir können bestätigen, dass Schattenschwinge die Macht in den Unterirdischen Reichen an sich gerissen hat und einen Angriff auf die Erde und die Anderwelt plant.«

Trillians Miene verdüsterte sich. »Ich weiß. Ich bin eben erst aus den U-Reichen zurückgekehrt, und ich habe das Chaos dort gesehen. Woher wisst ihr davon?«

Schweigend ging ich zu dem Couchtisch, auf den ich die Fingerknochen hatte fallenlassen, und hob sie auf. »Ich habe heute Nacht Großmutter Kojote besucht.«

Trillian erschauerte. »Teufel auch, Camille. Eine Ewige Alte? Du weißt, dass man mit denen nicht herumspielt. Solche Besuche haben immer ihren Preis.«

»Das ist mir bewusst«, sagte ich und betastete die glatte Elfenbeinstruktur in meiner Hand. »Und ich schulde ihr... hm... Meine Schuld bei ihr wird nicht ganz einfach zu begleichen sein, aber diesen Preis war es wert. Sie hat mir unbezahlbare Informationen geliefert, die der AND offenbar nicht besitzt – oder für die er sich nicht interessiert.« Ich wich seinem Blick aus. »Hast du schon einmal etwas von den Geistsiegeln gehört, Trillian?«

Er runzelte die Stirn und nickte dann. »Ich kann mich vage erinnern, dass ich als Kind Getuschel über einen wundersamen Schatz gehört habe, mit dem man die drei Reiche zwingen könnte, sich zu vereinigen – friedlich, aber auch durch einen Krieg. Warum?«, fragte er und beugte sich vor. »Hast du eines davon gefunden?«

»Nein, aber Schattenschwinge sucht nach ihnen. Er will sie als Schlüssel benutzen, um die Portale zu öffnen und seine Armee auf die Erde zu führen. Schlimmer noch – er weiß, wo das erste Siegel ist. Aber das wissen wir jetzt auch. Also liegt es an uns, es in Sicherheit zu bringen, ehe er es in die Hände bekommt.« Ich erklärte ihm, was ich erfahren hatte. Wie alle Svartaner war Trillian sehr geschickt darin, seine wahren Gefühle zu verbergen, doch ich merkte ihm an, dass er sowohl überrascht als auch besorgt war.

Ich hob das Buch auf, das Großmutter Kojote mir mitgegeben hatte, und ging ins Esszimmer. Die anderen folgten mir, wir setzten uns an den Tisch, und ich schlug das Buch auf. Der Text war in einer uralten Schrift verfasst, doch ich konnte sie halbwegs lesen, zumindest gut genug, um zu verstehen, worum es darin ging.

Im vierten Zeitalter unserer Welt erhob sich in den Unterirdischen
Reichen ein großer Anführer namens Tagatty. Dieser
Dämonenfürst vereinte die Reiche bis in die untersten Tiefen
und führte eine gewaltige Streitmacht auf die Erde, wo er die
Männer des Nordens mit Schnee und mit Feuer bekämpfte.
Der Krieg tobte lange und drohte sich über alle Länder auszubreiten,
da traten die Götter an die Höchsten Elementare heran
und flehten um Hilfe.

Die Elementarfürsten waren bereit, ihnen beizustehen, ob gleich die Ewigen Alten ihre Hilfe verweigerten und erklärten, sie werden nichts weiter tun, als zu beobachten. Die Götter

und Elementare schmiedeten gemeinsam ein großes Geistsie gel, welches die drei Reiche voneinander trennte und die Por tale hervorbrachte – fest umrissene Verbindungspunkte, durch

die Reisende von einer Welt in die andere gelangen konnten. Delilah runzelte die Stirn. »Was ist dann mit dem Siegel passiert? Wie konnte es verlorengehen?«

»Na, wie schon?«, entgegnete Trillian. »Trägheit. Wenn man es mit der Ewigkeit zu tun hat, verliert man eben ab und zu den Überblick, das musst du doch zugeben. Und die Elementarherren und Götter neigen dazu, ziemlich zerstreut zu sein. Zu viel Macht tut nicht jedem gut. Man braucht sich nur einmal die Geschichte der Erde anzusehen, um das zu begreifen – Hitler, Stalin, der gute alte Vlad.«

»Vlad zählt nicht. Der war ein Vampir, der sich als Sterblicher ausgegeben hat. Aber im Prinzip hast du recht«, sagte ich und las weiter.

Das Geistsiegel wurde in neun Stücke zerbrochen und den
Elementarfürsten anvertraut. Die Portale gab man in die Obhut
der Garde Des’Estar, aus der Tausende von Jahren später der
Anderwelt-Nachrichtendienst hervorging.
Die Äonen verstrichen, und die Elementare wurden unachtsam.
Die großen Kriege gerieten in Vergessenheit, die neun
Siegel gingen verloren und wurden von unwissenden Sterblichen
gefunden. Jeder, der eines der Geistsiegel besitzt, kann
dessen Geheimnisse entschlüsseln und sich zunutze machen.
Werden alle Siegel gefunden und wieder miteinander vereint,
so werden die Portale zerstört und die drei Reiche aufs neue
eng verbunden. und niemand wird den aufhalten können, der
zwischen den Welten hin und her zu reisen wünscht.

Ich schob das Buch von mir. »Vor der Spaltung konnten sich Anderwelt, Erdwelt und die Unterirdischen Reiche frei miteinander vermischen.«

Menolly zeichnete mit dem Zeigefinger ein Muster auf den Tisch. »Dann haben die Elementarherren während des großen Krieges die Siegel erschaffen, um Anderwelt und Erde zu schützen, und nur die Portale sind als Verbindungspunkte übriggeblieben, damit man zwischen den Welten hin und her reisen kann – abgesehen von den natürlichen Verbindungsstellen. Wenn Schattenschwinge alle Siegel in die Finger bekommt, kann er die Grenze niederreißen, und seine Armeen werden über alle Länder herfallen.«

Wir starrten einander an, als uns das Ausmaß dieses Problems bewusst wurde. Die Armeen der U-Reiche konnten ungeheuerliche Zerstörungen anrichten. Wenn es uns nicht gelang, Schattenschwinge aufzuhalten, würde er die Bewohner der Erdwelt dezimieren und gegen die Anderwelt marschieren. Die militärischen Truppen der Erde hatten einer Horde von Dämonen nicht viel entgegenzusetzen, und die Anderwelt verfügte zwar über eine Armee, aber es war ewig her, dass die zuletzt in irgendeine Schlacht gezogen war. Es würde lange dauern, die Streitkräfte auch nur aufzustellen.

Ich räusperte mich. »Das Siegel besteht aus neun Teilen. Soweit wir wissen, besitzt er noch kein einziges davon. Dank Großmutter Kojote kennen wir den Namen des Mannes, der das erste Stück hat, und wir wissen, wo er zu finden ist. Trillian, du musst zu Vater zurückkehren und ihm berichten, was vor sich geht. Vielleicht kann er den AND davon überzeugen, dass die Lage sehr ernst ist und wir dringend Unterstützung brauchen. Wir suchen inzwischen nach diesem Tom Lane und schmuggeln ihn hinüber in die Anderwelt, ehe Bad Ass Luke dahinterkommt, was da läuft.«

»Wenn Großmutter Kojote dir das erzählt hat, meinst du, sie würde es nicht auch Dämonen erzählen, wenn die zu ihr gingen, um sie zu fragen?«, warf Delilah ein.

Als Menolly und Trillian mich erwartungsvoll ansahen, erkannte ich, dass ich irgendwie zur Anführerin unserer kleinen Gruppe geworden war. Ich zuckte mit den Schultern.

»Ich habe keine Ahnung. Bei den Ewigen Alten weiß man nie – sie könnte es ihnen sagen, um das Gleichgewicht zu wahren, aber vielleicht auch nicht. Verdammt, wenn sie schon mal dabei ist, könnte sie Bad Ass Luke gleich einen Finger abbeißen. Das schulde ich ihr nämlich – den Fingerknochen eines Dämons für ihre Sammlung.«

Trillian hüstelte. »Nett. Einfach, aber wirkungsvoll.«

»Schon, aber wenn ich den nicht bezahle, wird mein eigener Finger fällig, also werde ich mir alle Mühe geben, zu beschaffen, was sie verlangt.« Ich grinste ihn an, und er brach in Lachen aus; seine Stimme hallte in meinem ganzen Körper wider. »Ich dachte mir schon, dass du die Komik der Situation erkennen würdest«, sagte ich und winkte ab, als Delilah mich blass und erschrocken ansah.

»Was ist mit den anderen Siegeln?«, fragte Menolly. »Sollten wir nicht versuchen herauszufinden, wo die sind?«

Ich stand von meinem Sessel auf und spähte durch die schweren Samtvorhänge, die das Esszimmer gegen die Außenwelt abschirmten. Regen floss in kleinen Wasserfällen vom Dach ab, doch ein Schimmer im Osten sagte mir, dass der Morgen heraufzog.

»Immer eins nach dem anderen. Mehr können wir nicht tun. Und wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben. Menolly, du gehst jetzt besser schlafen. Die Morgendämmerung zieht herauf, und du willst sicher nicht vom Sonnenaufgang überrascht werden – sofern man in dieser gottverlassenen Gegend überhaupt mal die Sonne zu sehen bekommt.«

»Ich kann sie spüren«, erwiderte sie. »Mein Körper wird langsamer. Also dann, gute Nacht, und weckt mich, sobald es sicher ist.« Sie hob die Hand an die Lippen und blies uns eine Kusshand zu. Ich bat Trillian, im Wohnzimmer zu warten, und als er außer Sichtweite war, trat Menolly an das Regal vor der Wand. Sie zog daran, und binnen Sekunden war sie im Keller verschwunden, und die Geheimtür glitt leise hinter ihr zu.

Das Telefon klingelte, als ich Trillian zurück ins Esszimmer bat. Delilah ging dran. »Nein, tut mir leid, sie ist nicht zu sprechen... Ja, das richte ich ihr gern aus. Wie war bitte Ihr Name?« Sie kritzelte eine Nachricht auf den Notizblock neben dem Telefon, dann sagte sie: »Hab ich notiert. Wiederhören!«

»Wer war das?«, erkundigte ich mich.

»Irgendein Kerl namens Wade. Er sagt, er will mit Menolly ausgehen.«

»Na, sieh mal einer an«, sagte ich und erklärte ihr grinsend, wer Wade war. »Vielleicht wird Menolly doch noch bei den Anonymen Bluttrinkern eintreten.«

Delilah gähnte mit schweren Lidern. »Schön für sie... aber ich muss jetzt wirklich ins Bett. Mein letztes Nickerchen ist schon viel zu lange her. Gute Nacht«, sagte sie und ging die Treppe hinauf.

Ich spürte, wie sich dieselbe Trägheit in meinem Körper ausbreitete. Ich war die ganze Nacht lang auf den Beinen gewesen, und die Begegnung mit Großmutter Kojote hatte mich viel Kraft gekostet. Ich wandte mich Trillian zu. »Ich denke, du solltest dich auch verabschieden. Vater wartet sicher schon auf dich.«

»Ja, ich sollte gehen«, flüsterte er, und ich spürte seinen heißen Atem in meinem Ohr, als er hinter mich trat und einen Arm um meine Taille schlang. »Aber erst musst du mir sagen, warum du mich verlassen hast, Camille. Du hast keine Vorurteile gegen meinesgleichen, wie der Rest deiner Familie. Habe ich dir wehgetan?«

Ich biss mir auf die Lippe und schüttelte den Kopf. »Nein, aber dazu wäre es bald gekommen. Irgendwann. Svartaner verletzen immer jene, die sie lieben. Ich wollte nicht mehr da sein, wenn du meiner überdrüssig wirst. Ich wollte nicht weggeworfen werden wie die Essensreste von gestern.«

»Also hast du mich verlassen, bevor ich dich verlassen konnte.« Er drückte die Lippen sacht in meinen Nacken und knabberte zärtlich an meiner Haut.

Ich erschauerte. »Tu das nicht, Trillian. Wenn wir wieder etwas miteinander anfangen, weiß ich nicht, ob ich noch einmal gehen könnte. Ich habe mich in dich verliebt, und du weißt, was das bedeutet.«

»Warum solltest du mich dann verlassen?«, flüsterte er. »Warum solltest du einfach fortgehen, obwohl du mich liebst? Obwohl du wusstest, dass ich dich noch wollte? Ich kann fühlen, wie dein Körper nach mir ruft. Du willst mich in dir, heiß und hart. Lass mich ein. Ich schwöre dir, du wirst es nicht bereuen.«

Erinnerungen an unsere Beziehung flackerten in mir auf, die guten wie die schmerzlichen. Svartaner banden ihr Herz niemals an nur eine Person. Oder überhaupt an jemanden. Und obwohl ich zwar nicht auf einer festen Beziehung bestand – oder sie mir wünschte –, war ich doch süchtig nach Trillian, nach seiner Macht über mich. Dass er mich einfach fallenlassen könnte, war eine entsetzliche Vorstellung. Andere Frauen in seinem Bett wären kein Problem für mich, aber es wäre mir unerträglich, wenn er sich einfach von mir abwenden würde. Die Ausstrahlung seiner Rasse war so intensiv, dass eine einzige Nacht in den Armen eines Svartaners ausreichte, um sich nach der nächsten zu verzehren, und noch einer. Ich konnte mir kaum mehr vorstellen, mich von jemand anderem berühren zu lassen. Konnte ich es wagen, ihm jetzt wieder einen Platz in meinem Leben einzuräumen?

Ich riss mich los und starrte auf die Tür. Ich wollte ihm sagen, dass er gehen müsse. Ich wollte ihn aus dem Haus schicken und die Sache auf der Stelle beenden. Natürlich hätte er mir einfach befehlen können, mich auszuziehen, hinzulegen und die Beine zu spreizen, und ich hätte ihm gehorchen müssen. Ich unterlag noch immer seinem Bann, und das wusste er auch. Ein Teil von mir wünschte, er würde es mir befehlen – dann wäre es nicht meine Schuld.

Trillian runzelte die Stirn. »Ich werde dich nicht dazu zwingen«, erklärte er. »Ich habe nicht den Wunsch, irgendeiner Frau meinen Willen aufzuzwingen. Aber, Camille, überleg es dir noch einmal. Erinnerst du dich daran, wie es mit uns war?«

Ich schloss die Augen und schwankte innerlich. Wäre es die Sorgen und Ängste wirklich wert? Ich öffnete die Augen und streckte die Hand nach ihm aus. »Halt die Klappe. Komm mit nach oben und fick mich, bis wir die Sterne vom Himmel schütteln.«

 

Oben angekommen, hielt Trillian meine Hand fest, als ich meinen Morgenmantel ausziehen wollte. »Lass mich dich erst ansehen, so, wie du bist. Es ist so lange her.« In seinen Augen brannte ein kaltes Feuer, und ich wusste, dass es kein Zurück mehr gab.

Langsam umkreiste er mich und streckte die Hand aus, so dass seine Fingerspitzen mich beinahe, aber nur beinahe berührten. Ich erschauerte. Seine Nähe allein machte mich heiß, und ich spürte, wie ich errötete. Mein Glamour-Zauber löste sich, und ich wusste, dass meine Augen schimmerten – das silbrige Mondlicht spiegelte sich darin, weil er mein Feenblut erhitzte.

Wenn sich Sidhe und Svartaner trafen, peitschte sich die magische Energie zu einem Strudel auf, dem sich mein menschliches Blut nicht entziehen konnte. Der vertraute Wirbel riss mich mit, als unsere gegensätzlichen Naturen aufeinanderprallten und ihren verrückten Tanz begannen.

»Zieh den Morgenrock aus«, sagte er, und für mich kam es gar nicht in Frage, ihm nicht zu gehorchen. Ich ließ den Morgenmantel zu Boden gleiten.

»Jetzt das Nachthemd«, sagte er, den Blick immer noch tief mit meinem verschmolzen.

Als ich die Träger von meinen Schultern schob und das Nachthemd auf den Morgenmantel fallen ließ, begannen meine Brüste zu pochen. Ich hielt den Atem an, als Trillian sich über mich beugte und mich in den Nacken küsste, so zart, dass ich seine Lippen kaum spürte.

»Was willst du?«, fragte er.

Meine Stimme zitterte, als ich antwortete: »Berühre mich. Ich will deine Zunge und deine Hände am ganzen Körper spüren. Ich will dich wieder nackt sehen, dich unter meinen Händen fühlen.«

Er schlüpfte aus seiner Hose und dem Hemd, das aus jedem beliebigen Klamottenladen in der Stadt hätte kommen können. Mein Blick wurde von seinem Gesicht, dann von seinem Körper unwiderstehlich angezogen. Seine Haut war wie Glas – seidig glatt und schimmernd schwarz. Er löste den Zopf, mit dem er sich das Haar aus dem Gesicht gebunden hatte, und es fiel ihm in Wellen um die Schultern, als hüllte ihn die Mondmutter selbst in ihr Licht. Ich ließ den Blick tiefer gleiten und schnappte nach Luft. Zwar hatte ich ihn schon oft genug nackt gesehen, doch ich hatte vergessen, wie schön er war.

»Lass mich nicht warten. Bitte... « Ich verabscheute mich selbst dafür, dass ich ihn anflehte, aber die Anziehungskraft war zu stark. Es war so lange her, seit ich zuletzt einen Mann gehabt hatte – irgendeinen Mann –, aber vor allem, seit ich die Leidenschaft meines finsteren Liebhabers genossen hatte. Tränen traten mir in die Augen, als ich mich fragte, ob er mit mir spielen, mich nur necken wollte. Und dann brach der Mond durch die Wolken, sein Licht durchflutete mein Zimmer und hüllte mich in die silbrige Lebenskraft der Mondmutter. Ihre Macht verlieh mir Kraft, und ich straffte die Schultern, hob den Blick und sah Trillian direkt ins Gesicht.

Seine Miene drückte alles aus, was ich hören wollte. »Camille«, sagte er heiser und griff nach mir. Ich wich einen Schritt zurück, streckte und räkelte mich und spürte, wie jeder Muskel in meinem Körper vor Lust und Macht knisterte.

»Willst du mich?«, fragte ich und hielt ihn mit ausgestreckter Hand zurück.

Trillians Nasenflügel bebten, und zunächst dachte ich, er sei zornig, doch dann sah ich das freudige Blitzen in seinen Augen. Er genoss die Jagd, genoss das Kräftespiel. »Ich will dich. Dich, ganz und gar, jede Handbreit. Camille, willst du mich?«

Und dann war nichts mehr spielerisch, als ich mich ihm öffnete. Todernst suchte ich nach dem Gral, der uns über uns selbst hinausheben und in jenes Reich bringen würde, in dem unsere Seelen verschmelzen konnten. Er vergrub den Kopf an meinem Hals und trug mich zum Bett. Als ich rücklings darauffiel, wussten wir beide, dass unsere erste Vereinigung nach so langer Zeit nicht zärtlich sein würde – die Lust war zu groß, die Gier zu stark. Seine Augen glühten, als er in mich eindrang, seinen Schwanz immer wieder und immer tiefer versenkte auf der Suche nach dem Zentrum meiner Lust. Fordernd stieß seine Hüfte gegen meine, und ich spürte, wie meine Gedanken davonglitten und eine offene Schlucht hinterließen, an der wir liebevoll miteinander rangen. Und dann waren wir da – wir standen am Rand der Klippe und kämpften schwankend um Beherrschung.

Mit einem letzten Stoß erschauerte Trillian. Er fiel als Erster, und sein Schrei zerriss den letzten Faden, der mich bei Bewusstsein hielt. Mit einem scharfen Keuchen stürzte ich in den Abgrund.

 

Als ich die Augen aufschlug, schien die Sonne durch meine Vorhänge herein, und der Duft von Speck und Eiern waberte die Treppe herauf. Ich verzog das Gesicht. Mein Nacken tat weh, weil ich mit schiefem Kopf geschlafen hatte, doch der Schmerz war nichts im Vergleich zu dem zufrieden satten Gefühl tief in meinem Bauch. Genüsslich rollte ich zur Bettkante und stand auf. So gut hatte ich mich schon lange nicht mehr gefühlt.

Die andere Seite meines Betts war leer. Nach unserem Liebesspiel war Trillian in die Anderwelt zurückgekehrt, um mit meinem Vater zu sprechen. Ich tanzte also wieder mit dem Teufel. Doch das Lächeln, das ich auf meinem Gesicht spürte, war zu strahlend, als dass dieser Gedanke meine prächtige Laune hätte dämpfen können. Ich warf einen Blick auf den Wecker. Zehn Uhr! O Mist, der Laden!

Ich schlüpfte in einen pflaumenblauen Chiffonrock, der mit dem oberen Rand meiner Knie flirtete, und zog einen hellgrauen Kaschmirpulli an. Hastig zog ich die Reißverschlüsse meiner kniehohen Wildlederstiefel hoch und eilte auf den Stilettoabsätzen die Treppe hinunter, wobei ich an meinem Haar herumfummelte und die wüsten Locken zu einem dicken Pferdeschwanz zusammenband. Delilah erwartete mich mit leuchtenden Augen und dem Frühstück auf dem Tisch.

»Ich habe einen Mordshunger.« Ich ließ mich auf meinem Stuhl nieder und stibitzte mit den Fingern ein Stück Speck von der Platte. »Danke. Ich bin spät dran.«

Delilah zog die Nase kraus. Sie trug weite Jeans und eine Folklorebluse im Patchworkstil, blau und elfenbeinfarben. Stiefeletten mit dicken Plateausohlen hoben sie in schwindelnde Höhen. »Ich finde, du solltest den Laden heute Iris überlassen. Wir müssen mit der Suche nach Tom Lane anfangen.«

Ich hatte gehofft, irgendeine Nachricht vom AND vorzufinden, wenn ich herunterkam, doch weder Chase noch Trillian hatten von sich hören lassen.

»Da hast du wohl recht. Wir dürfen keine Zeit verlieren.« Ich griff zum Telefon und rief Iris auf der Privatleitung in der Buchhandlung an.

»Hallo, kannst du heute den Laden übernehmen? Wir haben Arbeit vom AND.«

Iris machte sich hörbar Notizen, während ich ihr erklärte, was sie wissen musste. Dann versprach sie, mich abends anzurufen und Bericht zu erstatten. Sie sprach perfekt Englisch, obwohl sie fast ihr ganzes Leben in Finnland verbracht hatte – ihre Sippe hatte sich dort an eine menschliche Familie gebunden und friedlich mit den Menschen zusammengelebt, bis die Familie in der vergangenen Generation ausgestorben war. Da Iris niemanden mehr gehabt hatte, um den sie sich kümmern konnte, hatte sie sich beim AND verpflichtet, und die hatten sie erdseits belassen, weil sie sich hier schon so gut auskannte.

Delilah und ich trödelten beim Frühstück nur ein kleines bisschen. Sie stellte eine To-do-Liste auf, während ich mich schminkte: ein Hauch weicher, brauner Lidschatten, flüssiger schwarzer Eyeliner und mehrere Schichten Mascara für meine ohnehin schon umwerfend langen Wimpern. Schließlich trug ich ein tiefes Weinrot auf die Lippen auf und musterte mich. »Schon besser«, sagte ich nach einem Blick in den Handspiegel.

»Du bist ja heute Morgen so aufgeräumt«, bemerkte Delilah. »Also, was steht an?« Sie hielt den Bleistift bereit.

»Hm, zuerst müssen wir mehr über diesen Tom Lane herausfinden – allerdings befürchte ich, das könnte hierzulande ein ziemlich gebräuchlicher Name sein.«

»Ist er«, sagte sie. »Ich habe schon nachgesehen, während ich auf dich gewartet habe. Es gibt mehrere Tom Lanes in Seattle und Umgebung. Und wenn er wirklich nah am Berg wohnt, hat er vielleicht gar kein Telefon.«

Delilah butterte sich das nächste Stück Toast und biss hinein. Sie hatte einen gesunden Appetit, bekam aber so viel Bewegung, dass der nie zum Problem wurde. »Vielleicht haben andere Feen aus der Gegend schon von ihm gehört oder wissen irgendetwas.«

Sorgfältig leckte ich den letzten Speck-Geschmack von meinen Fingern, wobei ich achtgab, den Lippenstift nicht zu verschmieren. »Du glaubst, Tom Lane und das Siegel könnten so etwas wie eine Großstadtlegende geworden sein?«

»He, wie wäre es mit Rina? Sie lebt in Seattle, und wenn ich mich recht erinnere, hat sie in der Anderwelt als Historikerin gearbeitet.« Delilah gab ein aufgeregtes Maunzen von sich. Ich sah ihr an, dass sie sehr stolz auf sich war.

»Rina? Wer ist denn das?« Dann fiel es mir wieder ein. Vor ein paar Jahren hatte Rina – die damals dem Hof angehörte – mit dem König geschlafen. Das war an sich noch kein Verbrechen. Das Problem war nur, dass sie es versäumt hatte, vorher die Erlaubnis der Königin einzuholen, und Lethesanar war nicht für ihren nachgiebigen Umgang mit jenen bekannt, die sich an den königlichen Schätzen vergriffen – ob Edelstein oder Ehemann. Lethesanar hatte Rina hierher verbannt und ihr verboten, jemals in die Anderwelt zurückzukehren.

»Ach, die hatte ich ganz vergessen«, sagte ich und überlegte, was Rina seit ihrer spektakulären – und feurigen – Abreise vom Hof so getrieben haben mochte. Ich hatte den Wutausbruch der Königin selbst miterlebt, und das war mir eine Lehre gewesen, was das »Borgen« von Besitztümern der königlichen Familie anging. »Weißt du, wo sie steckt?«

Delilah klappte ihren Laptop auf und tippte darauf herum; beim Anblick ihrer fliegenden Finger wand ich mich innerlich. Sie hatte einen Kurs im Maschinenschreiben belegt, sobald sie erfahren hatte, dass man uns erdseits schicken wollte, doch ich hatte mir diese Gelegenheit entgehen lassen.

»Da ist sie – ich habe eine Kartei von unseren Landsleuten, die erdseits leben. He, sie wohnt gar nicht weit weg von der Buchhandlung. Sie hat ein Antiquitätengeschäft und eine Wohnung darüber.«

»Gehört sie zum AND?«, fragte ich.

»Nein«, antwortete Delilah kopfschüttelnd. »Die Königin würde eine Kuh roh fressen, wenn Rina irgendeine Art von offiziellem Status zugesprochen bekäme. Lethesanars Groll ist langlebig.«

Ich sammelte meine Handtasche und die Autoschlüssel ein. »Wollen wir ihr einen Besuch abstatten?«

Delilah klappte den Laptop zu und hängte sich ihre Tasche um. »Warum nicht? Danach können wir ja bei Louise Jenkins vorbeischauen und mit ihr sprechen. Bis Menolly heute Abend aufwacht, müssten wir dann schon ein gutes Stück weiter sein.« Sie ging mit mir zur Tür und musterte mich eingehend. »Wie fühlst du dich heute Morgen? Mir ist nicht entgangen, dass Trillian nicht zum Frühstück geblieben ist.« Das war ebenfalls eine Frage, keine Feststellung.

Ich warf ihr einen finsteren Blick zu. »Fang bloß nicht damit an, okay? Er ist noch eine Weile geblieben, und ja, ich habe mit ihm geschlafen. Dann ist er in die Anderwelt zurückgekehrt.«

»Ach, Camille! Du liebst ihn wirklich, nicht wahr?«, fragte sie, während wir mit klappernden Absätzen die Vordertreppe hinuntereilten. Der strömende Regen durchweichte uns, ehe wir mein Auto erreicht hatten. Ich zielte mit dem Schlüssel, drückte auf einen Knopf, und die Schlösser sprangen auf. Die moderne Technologie hinkte gar nicht mehr so weit hinter der Magie her, fand ich. Manchmal übertraf sie sie sogar.

Als wir uns ins Auto setzten und anschnallten, schüttelte ich den Kopf. »Ich liebe ihn, ja, aber ich mag ihn nicht. Nicht besonders. Er ist eine Droge, Delilah. Er ist leidenschaftlich und aufregend und... « Ich verstummte, unsicher, wie ich ihr das erklären sollte.

»Und er entführt dich an Orte, zu denen dich sonst niemand bringen kann«, beendete sie leise meinen Satz.

Ich warf ihr einen Seitenblick zu. »Ja, das tut er. So war es auch letzte Nacht. Ich weiß nicht, ob ich das wirklich aufgeben will.«

Ich bog auf die Straße ein und fuhr ins Zentrum von BellesFaire, während Delilah offenbar nach Worten suchte. Nach ein paar Augenblicken sagte sie: »Vielleicht ist es gar nicht so schlimm, abhängig von jemandem zu sein. Er hat dich glücklich gemacht, Camille. Ich weiß noch gut, wie es war, als ihr beide zusammen wart. Ich mag ihn auch nicht, aber wenn du ihn liebst, dann stehe ich auf deiner Seite. Das weißt du ja.«

Regentropfen klatschten auf die Windschutzscheibe, und ich stellte den Scheibenwischer auf höchste Stufe. Die Straße, die von unserem Haus ins Zentrum von Belles-Faire führte, verlief durch ein Vorortviertel nach dem nächsten. Ältere Häuser verbargen sich hinter großzügigen, von Zedern gesäumten Auffahrten – prächtig, aber mit diesem leicht verwitterten Look, der vornehme Armut verriet, altes Geld, das allmählich zur Neige ging, oder Familien mit fünf oder sechs Kindern, die ein paar Dollar zu sparen versuchten, indem sie außerhalb von Seattle wohnten.

»Trillian ist Svartaner. Nach einer Weile wird er mich verlassen, und dann wirst du aufsammeln müssen, was von mir übrig ist. Es entspricht nicht seiner Natur, bei irgendjemandem zu bleiben.« Ich hielt den Blick auf die Straße gerichtet. Die Gegend war sehr wildreich. Es war nicht ungewöhnlich, einen Hund – oder sogar einen Kojoten – plötzlich quer über die Straße rennen zu sehen.

Delilah runzelte die Stirn. »Unserer Natur entspricht die Monogamie auch nicht. Wir sind schließlich Halbfeen.«

»Von Monogamie oder Treue habe ich nichts gesagt«, erwiderte ich. »Was mir zu schaffen macht, ist die Vorstellung, dass er mich verlassen könnte, nachdem ich ihm mein Herz geschenkt habe. Vergiss nicht, dass wir auch zur Hälfte menschlich sind.«

»Aber du kommst eher nach Vater als nach Mutter.«

Ich lächelte sie an und bog nach links auf den Aurora Boulevard ab, der uns ins Stadtzentrum von Seattle bringen würde. »Bedauerlicherweise habe ich nicht nur Vaters Aussehen geerbt. Für einen Mann, der meine Welt ins Wanken bringen kann, würde ich durchs Feuer gehen. Ich liebe Sex, und Sex mit Trillian ist besser als jede Droge, die ich je genommen habe.«

»Als hättest du schon viele Drogen probiert. Um diesen Teil deiner Ausbildung hast du dich schon als Kind immer herumgemogelt«, entgegnete Delilah. Sie runzelte die Stirn, und ihre Lippen verzogen sich auf besonders liebenswerte Weise. »Weißt du, ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass ich mich wirklich für Männer interessiere. Aber auch nicht für Frauen. Ich wüsste gar nicht, was ich mit einem Kerl anfangen sollte, wenn ich einen hätte. Neugierig bin ich schon. Ich würde gern wenigstens einmal Sex haben... nur um zu sehen, was daran so toll sein soll.«

Verblüfft warf ich ihr einen Blick zu. Ich war davon ausgegangen, dass Delilah so ihre Affären hatte, darüber aber schwieg, und ich hatte nicht aufdringlich sein wollen, indem ich sie danach fragte. »Du meinst, du bist immer noch Jungfrau?«

Sie errötete. »Nun ja, in meiner menschlichen Gestalt schon.«

Ich wunderte mich über die spezielle Logik dieser Andeutung und blinzelte verständnislos. Ich hatte zwar seit Trillian mit keinem Mann mehr geschlafen, aber stets Wege gefunden, mich gut um mich selbst zu kümmern. Das war nicht genug. Ja, es entschärfte den schlimmsten Drang, aber für mich gab es nichts, das einen guten, harten Mann ersetzen könnte.

»Wirst du denn nie scharf?«

Delilah grinste. »Ich habe nie behauptet, dass ich frigide wäre, aber diese ganze Sex-mit-jemand-anderem-Sache kommt mir irgendwie furchtbar mühsam vor.« Sie warf mir einen verstohlenen Blick zu. »Also, sag mal, wie ist es mit Trillian? Was tut er, das dich so verrückt nach ihm macht?«

Dies war das erste Mal, dass mich jemand – ohne mich zu verurteilen – danach fragte, was mich so zu Trillian hinzog. Ich fragte mich zwar, was Delilah von mir denken würde, warf dann aber alle Diskretion über Bord und begann, ihr von meinem svartanischen Liebhaber zu erzählen.