14

Die Heimfahrt verlief in absolutem Schweigen, wenn man davon absieht, dass es zu Anfang einen Wortwechsel gab, weil Baltic darauf bestand zu fahren.

»Ich habe getan, was du wolltest, und wider besseres Wissen den Wyvern gestattet, mich über meine Zeit in Europa zu befragen, als Fiat seine Sippe getötet hat. Jetzt wirst du mir von deiner Vereinbarung mit Kostich berichten«, sagte er. Beinahe streifte er eine Ulme, die gefährlich nahe am Rand der Landstraße stand. Er warf mir einen irritierten Blick zu, als ich aufschrie und auf das Fenster zeigte. Zum Glück wuchs in dem Graben, in den sich der Radfahrer geworfen hatte, hohes Gras. »Gefährtin, hörst du jetzt einmal auf, so zu tun, als könne ich nicht Auto fahren!«

»Du liebe Güte, Baltic! Wenn du jemanden überfährst oder auch nur einen Blechschaden verursachst, steige ich nie wieder zu dir ins Auto, das schwöre ich! Bleib stehen! Du hast Rot!«

Baltic ignorierte das Hupen und die beleidigenden Gesten des anderen Autofahrers und fuhr einfach über die Kreuzung. »Ich bin ein Wyvern. Wir fahren auch bei Rot.«

»Bei allen guten … ah! Du hast beinahe eine Kuh überfahren!«

»Kühe sollten auch auf der Weide stehen und nicht auf der Straße«, antwortete Baltic und blickte finster in den Rückspiegel.

Ich schaute der Kuh nach. Sie taumelte an den Straßenrand. Offensichtlich hatte sie sich nur erschreckt und war nicht verletzt. »Das ist wohl richtig«, sagte ich zu Baltic, »aber das gibt dir noch lange nicht das Recht, das arme Tier zu überfahren. Du hast die Kuh zu Tode erschreckt, und jetzt hat sie den armen Radfahrer über den Haufen gerannt, den du in den Graben geschickt hattest. Wir sollten anhalten und ihm helfen. Er liegt mitten auf der Straße. Am Ende überfährt ihn noch jemand.«

»Du solltest aufhören, das Thema zu wechseln, und mir endlich verraten, was Kostich von dir will«, sagte Baltic.

Pavel, der sich auf dem Rücksitz ebenfalls umgedreht hatte, um einen Blick auf das Drama mit der Kuh und dem Radfahrer zu werfen, zog die Augenbrauen hoch. Auf einen Blick von mir vergrub er sich jedoch wieder hinter einem Buch.

»Bist du bereit, mit mir über die Aufhebung des Fluchs zu reden?«

»Nein.«

»Ich kann genauso stur sein wie du«, versicherte ich ihm, verschränkte die Arme und ignorierte seinen halsbrecherischen Fahrstil.

»Das hast du zur Genüge bewiesen«, murmelte er leise.

»Ich sitze direkt neben dir. Ich kann alles hören, was du sagst.« Ich verwünschte seine Sturheit. Wie sollte ich ihn bloß dazu überreden, den Fluch aufzuheben?

Bevor er völlig verstummte, redete er nur noch Zilant. Auf dem Rest der Heimfahrt gab es zwar unzählige gefährliche Situationen, aber wir schafften es trotzdem heil nach Hause.

»Gefährtin, du wirst mir jetzt sagen, was du für den Erzmagier tun willst«, sagte Baltic und hielt mich zurück, während Pavel schon ins Haus ging. »Hat es etwas mit dem Lichtschwert zu tun?«

»Nein.« Ich gab mein Schweigen auf, schließlich hatte er getan, was ich von ihm verlangt hatte. »Er hat mich um Hilfe bei seiner Enkelin gebeten.«

Baltic kniff die Augen zusammen. »Warum wendet er sich denn gerade an dich?«

»Weil sie ein Halbdrache ist, und ich war gerade da. Sie hat sich mit einigen Ouroboros-Drachen eingelassen, und er will, dass sie von ihnen loskommt. Ich habe versprochen herauszufinden, was los ist, und ihr zu helfen.«

»Ein Ouroboros-Stamm?« Er blickte mich nachdenklich an. »Hast du mich deshalb danach gefragt? Welcher Stamm?«

»Ich bin nicht ganz sicher, aber vermutlich sind es dieselben, die Kostya in seinem Adlerhorst gefangen gehalten haben.«

Baltic schüttelte den Kopf. Erneut ergriff er meine Hand und zog mich zur Küchentür. »Ouroboros-Drachen sind gefährlich. Ich möchte nicht, dass du dich mit ihnen einlässt.«

»In welcher Hinsicht gefährlich?«

»Sie haben keinen Respekt vor Sippen oder dem Weyr.«

»Du doch auch nicht«, entgegnete ich. In der Küche saßen Nico und Brom am Tisch, und Pavel bereitete das Abendessen zu. »Wir sind doch theoretisch auch Ouroboros, deshalb bezweifle ich, dass wir etwas von ihnen zu befürchten haben.«

Bevor Baltic antworten konnte, kam Thala in die Küche gestürmt. »Da bist du ja! Du kommst zu spät! Du wolltest schon vor zwei Stunden hier sein!«

Baltic blickte sie kurz erschrocken an, doch dann verfinsterte sich seine Miene. »Wir wurden aufgehalten.«

Sie warf mir einen ärgerlichen Blick zu und zog ihn zur Tür, die in die Diele führte. »Wohl absichtlich, was? Ist Kostich nicht mit der grünen Gefährtin befreundet?«

»Laut Aisling nicht.« Ich beäugte die Paprikawurst, die Pavel gerade in Scheiben schnitt.

Thala ignorierte meinen Kommentar. »Die grünen Drachen haben dich gerufen, während Kostich das Schwert meiner Mutter in Sicherheit gebracht hat.«

Baltic erstarrte. »Er hat das Schwert an einen anderen Ort gebracht?«

»Ja.« Sie presste die Lippen zusammen und warf mir einen undurchdringlichen Blick zu. Dann fuhr sie fort: »Ich habe dir doch gesagt, wir müssten mehr tun, als nur die Sicherheitsmaßnahmen in Suffrage House zu überprüfen. Anscheinend hat deine Frau mit der grünen Gefährtin gesprochen, und sie hat Kostich von unseren Plänen erzählt, uns das Schwert wiederzuholen. Er hat es aus der Schatzkammer genommen und zur Grabstätte gebracht.«

»Ich würde Baltic nie so hintergehen«, sagte ich und ging empört auf Thala zu. »Und wenn du noch einmal so etwas andeutest, dann wird es dir leidtun, Nekromant!«

Sie straffte die Schultern und blickte mich hochmütig an. »Drohst du mir schon wieder, Mensch?«

»Darauf kannst du Gift nehmen«, sagte ich und ballte die Fäuste.

»Ysolde, denk an deinen Sohn«, sagte Baltic und zog mich an sich. »Du möchtest doch nicht vor ihm einen Kampf vom Zaun brechen, oder?« Seine Worte wirkten wie eine kalte Dusche.

Ich lächelte Brom zu, der uns mit aufgerissenen Augen beobachtet hatte. »Natürlich nicht. Aber du weißt hoffentlich, dass ich dich genauso wenig wie Aisling jemals betrügen würde.«

»Die grüne Gefährtin interessiert mich nicht, aber ich weiß, dass du so etwas nie tun würdest.« Er tätschelte mein Hinterteil und warf Thala einen verweisenden Blick zu, bevor er mich losließ. »Ich habe dich gebeten, meine Gefährtin nicht länger zu quälen. Ich möchte mich nur ungern wiederholen.«

Wut stand in ihren Augen, aber dann senkte sie unterwürfig den Blick. »Die Tatsache bleibt bestehen, dass das Schwert an einen sichereren Ort gebracht wurde, und jetzt ist es außerhalb unserer Reichweite.«

»Nicht außerhalb, nur schwieriger zu erreichen.«

»Wo genau ist diese …« Mein Handy klingelte, bevor ich die Frage zu Ende stellen konnte. »Oh. Äh … ich muss den Anruf entgegennehmen. Es geht um dieses Geschäft, über das wir gerade gesprochen haben«, fügte ich an Baltic gewandt hinzu. Er warf mir einen warnenden Blick zu und ließ sich von Thala aus der Küche ziehen.

»Sie und ich werden irgendwann bestimmt noch aneinandergeraten«, sagte ich leise, als ich in den Küchengarten hinausging. »Hallo?«

»Guten Tag. Ich bin Maura Lo. Mir wurde gesagt, Sie wollen mich für eine Beschwörung engagieren?«

»Hallo, Maura. Ja, das stimmt. Ich möchte gerne persönlich mit Ihnen reden – Sie sind nicht gerade zufällig in der Nähe von London?«

»Äh … nein.« Ihre Stimme klang rauchig. »Im Moment halte ich mich in Estland auf. Deshalb rufe ich auch an – mein Terminkalender ist leider ein wenig eng, deshalb kann ich in nächster Zeit keine neuen Aufträge annehmen.«

Ja, das konnte ich mir lebhaft vorstellen. Sie war bestimmt rund um die Uhr damit beschäftigt, den Diebstahl von Objekten aus der Schatzkammer des Au-delà zu dirigieren und Drachen in ihren eigenen Residenzen gefangen zu halten. »So lange kann ich leider nicht warten. Mein Auftrag ist ziemlich eilig.«

»Ich kann Ihnen gerne einen anderen Beschwörer empfehlen, wenn Sie es so eilig …«

Ich unterbrach sie einfach. »Mir wurde gesagt, Sie seien der einzige Beschwörer in Europa, der in der Lage ist, den Geist eines Drachen zurückzubringen.«

»Ich soll einen Drachengeist rufen?«, fragte sie vorsichtig. »Welchen Drachen?«

»Den früheren Wyvern der silbernen Drachen, Constantine Norka.«

Sie zog scharf die Luft ein. »Warum?«

Ich blinzelte. »Wie bitte?«

»Ich fragte, warum Constantine Norkas Geist gerufen werden soll.«

Es lag mir auf der Zunge, ihr zu sagen, dass sie das nichts anginge, aber ich rief mir ins Gedächtnis, dass ein wenig Honig sicher nicht schaden konnte. »Der Erste Drache hat mir eine Aufgabe gestellt, die etwas mit Constantine zu tun hat. Ich habe beschlossen, dass ich diese Aufgabe am besten bewältigen kann, wenn ich mit Constantine direkt spreche.«

Sie schwieg. Dann sagte sie: »Ich verstehe. Nun, ich kann nicht leugnen, dass dies eine reizvolle Herausforderung ist, aber es tut mir sehr leid, Miss … äh … ich habe leider Ihren Namen nicht verstanden.«

»Ysolde.«

Überrascht schwieg sie erneut. »Ysolde de Bouchier?«

»Ja.«

»Oh … ich dachte, du wärst tot.«

»Das war ich auch. Eine Zeitlang.«

»Okay. Äh … einen Moment, bitte.« Ich hörte, wie sie sich leise mit jemandem unterhielt. Ich lauschte angestrengt und meinte, zwei weitere Stimmen, beide männlich, zu vernehmen. Was mochte sie wohl in Estland machen?

»Ysolde? Es tut mir leid, aber ich habe gerade noch einmal meinen Terminkalender konsultiert. In den nächsten drei Monaten kann ich leider keinen weiteren Job mehr annehmen.«

»Hast du denn einen anderen Beschwörungsauftrag?«

»Nein, aber ich bin schrecklich beschäftigt mit … äh … einem kleinen Nebenprojekt.«

»Ich verstehe.« Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie den Auftrag einfach ablehnen würde. Was sollte ich jetzt tun? Ich blickte zum Haus. Kurz sah ich Baltic, der im Arbeitszimmer an seinen Schreibtisch trat. Thala war direkt neben ihm und gestikulierte wild, während sie sprach. Nimm dir ein Beispiel an Baltic, dachte ich leise lächelnd. Ich straffte die Schultern und sagte in kaltem, gebieterischem Tonfall: »Das akzeptiere ich nicht.«

»Es tut mir leid, aber …«

»Nein«, schnitt ich ihr das Wort ab. »Deine kleinen Nebenprojekte interessieren mich nicht, Maura Lo.«

Ich hörte sie leise keuchen, als ich ihren vollen Namen mit einem kleinen Schuss weißer Magie versah, den sie anscheinend selbst in der Ferne spürte.

»Ich habe dich engagiert, damit du einen Auftrag erledigst, und wenn du dich weigerst, bleibt mir nichts anderes übrig, als die Akasha-Liga über deine Weigerung zu informieren. Es wird sie sicher interessieren, dass sie einen Beschwörer beschäftigen, der seinen Vertrag nicht erfüllt. Ich hatte noch nicht allzu viel mit ihnen zu tun, aber ich erinnere mich, dass jemand mir gesagt hat, die Akasha-Liga nähme die Verträge mit Mitgliedern sehr ernst, und es gäbe einfallsreiche Strafen für die, die sie nicht erfüllten.«

»Ich … das ist …« Ich hörte die Wut in ihrer Stimme, aber sie hielt sich zurück. »Warte bitte kurz. Ich spreche mit meinen Kollegen und sehe zu, ob es sich nicht doch einrichten lässt.«

»Natürlich«, stimmte ich zu. Ich zupfte ein wenig Unkraut aus der Zitronenmelisse und stellte fest, dass der Dill zurückgeschnitten werden musste. Im Hintergrund hörte ich erneut Stimmengemurmel. Es dauerte volle drei Minuten, bis Maura wieder am Telefon war. »Ysolde? Ich freue mich, dir mitteilen zu können, dass meine Kollegen verstehen, dass Akasha-Aufgaben den Vorrang vor unseren eigenen Projekten haben, deshalb stehe ich dir also doch zur Verfügung, um den Geist von Constantine Norka zu beschwören. Ich brauche jedoch vorher noch ein paar Angaben. Das Wichtigste zuerst: Wo ist Norka gestorben?«

»Das weißt du nicht?«, sagte ich erstaunt. Immerhin kannte sie seinen … und meinen Namen.

»Nein. Sollte ich das?«

»Nein, vermutlich nicht. Ich habe nur angenommen, alle Drachen wüssten, wo Constantine gestorben ist.«

»Ah. Jemand hat dir wohl von meinem Vater erzählt.« Ihr Tonfall klang leicht ironisch. »Ich habe leider nicht allzu viel mit dem Weyr zu tun.«

»War dein Vater nicht ein roter Drache?«

»Ja, das stimmt«, sagte sie vorsichtig. »Er wurde aus der Sippe geworfen, weil er das Missfallen des Wyvern erregt hat. Anschließend hat sie ihn umbringen lassen.«

»Das tut mir leid. Ich hatte keine Ahnung, dass Chuan Ren so mit ihrem eigenen Volk umgeht. Nun, meine Erinnerung ist nur noch bruchstückhaft, aber nach meinen Gesprächen mit dem Ersten Drachen glaube ich, dass Constantine in Lettland gestorben ist. In der Nähe von Riga.«

»Riga? Meinst du Dauva? Natürlich meinst du das, was rede ich da? Du warst Baltics Gefährtin, nicht wahr?«

»Das bin ich immer noch.«

Sie schwieg. »Ich verstehe«, sagte sie gedehnt. »Dann treffen wir dich am besten in Dauva. Wir können dort nach dem Geist suchen. Wäre es möglich …« Erneut folgte ein Gespräch mit gedämpften Stimmen. »Wie wäre es in zwei Tagen in diesem kleinen Vorort von Riga? Wie heißt er noch mal … Ziema?«

»Ziema ist in Ordnung. Ich sage dir Bescheid, falls mir etwas dazwischenkommt.«

Sie murmelte eine Höflichkeitsfloskel und gab mir Informationen über ein Hotel am Stadtrand in der Nähe des Waldes, der Dauvas Ruine überwuchert hatte.

Schließlich hängte ich ein. Mit leerem Blick starrte ich auf das Kräuterbeet des Küchengartens und hing meinen düsteren Gedanken nach.

»Stimmt etwas nicht?«

Ich blickte auf und sah Pavel vor mir stehen. »Bitte?«

»Ich fragte, stimmt etwas nicht? Du hast so einen seltsamen Ausdruck im Gesicht.«

»Ah.« Ich überlegte einen Moment, dann fragte ich ihn: »Wenn du derjenige wärst, der Kostya in seinem eigenen Haus gefangen genommen und eingesperrt hat, warum hättest du dann Interesse an mir?«

Er zuckte mit keiner Wimper über die merkwürdige Frage. »Das Bindeglied zwischen euch ist Baltic, also würde ich mich wohl darauf konzentrieren.«

»Ja«, sagte ich nachdenklich und blickte wieder auf die Kräuter. »Genau das habe ich auch gedacht.«

»Wer ist denn an dir interessiert, wenn ich fragen darf?«

»Eine Halbdrachen-Beschwörerin, die möglicherweise die Anführerin einer berüchtigten Ouroboros-Drachenbande ist. Ich werde sie in zwei Tagen in Riga treffen. Baltic werde ich davon übrigens nichts erzählen.«

Er schürzte die Lippen. »Weil er dich dann nicht gehen lassen würde?«

»Nein. Falls sie ihm etwas antun will.«

Baltics Unterredung mit Thala war erst zu Ende, als der zunehmende Mond schon hoch am Nachthimmel stand. Er fand mich in einem kleinen, selten genutzten Raum, wo ich mit leerem Blick vor mich hin starrte.

»Hattest du schon wieder eine Vision?« Er blieb zögernd an der Tür stehen, bevor er näher trat.

»Nein. Bist du fertig mit Thala?«

»Schon seit einer Stunde. Sie ist in die Stadt gefahren.«

Mit geschmeidigen Bewegungen, wie ein Raubtier auf Beutejagd, kam er auf mich zu. Baltic vermittelte ein Gefühl von unterdrückter Kraft, die jeden Moment zum Ausbruch kommen konnte, was zu seiner gefährlichen Aura nur noch beitrug. Es war beängstigend und erotisch zugleich. »Als ich dich das erste Mal gesehen habe, hielt ich dich für einen Krieger, nicht für den Magier, von dem mir meine Schwester erzählt hatte. Dann fand ich heraus, dass du ein Drache bist.«

Er blieb vor mir stehen, berührte mich aber nicht, sondern wartete, dass ich meinen Gedanken beendete.

»Von diesen drei Personen ist jedoch der Krieger in dir am stärksten.«

Seine dunklen Augen betrachteten mich forschend. »Ich bin vor allem ein Drache, Ysolde. Drachen sind Krieger. Das waren wir schon immer. Daran hat sich nichts geändert.«

»Nein«, stimmte ich ihm zu. »Daran hat sich nichts geändert. Du magst moderne Kleidung tragen, Auto fahren und einen Laptop benutzen, aber im Herzen bist du immer noch derselbe Mann, der du vor fünfhundert Jahren warst. Du triffst immer noch die Entscheidungen für mich. Du schließt mich immer noch von gewissen Teilen deines Lebens aus. Du bist immer noch ein Krieger.«

»Ich beschütze dich, wenn es nötig ist, ja. Ich kann nicht anders, Gefährtin. Eine Zeitlang habe ich ohne dich leben müssen, und das will ich nicht noch einmal ertragen. Wenn die Ereignisse der Vergangenheit sich wiederholen und Thala mich noch einmal wiedererwecken würde, dann würde ich nicht weiterleben wollen. Du bist mein Leben, Ysolde. Ohne dich will ich nicht leben.«

Ich schmiegte mich an ihn und setzte einen Kuss auf den Pulsschlag an seinem Hals. »Du machst es mir wirklich schwer, dir Dinge vorzuwerfen, die ich nicht ausstehen kann. Ich liebe dich auch, du frustrierend wundervoller Mann.«

»Drache.«

»Du magst ja immer noch der Alte sein, aber ich habe mich verändert. Ich verstehe, dass du Brom und mich beschützen willst, und ich bin dir dankbar dafür. Aber beschützen heißt noch lange nicht, mich im Unklaren zu lassen. Du kannst mir von Drohungen oder wichtigen Dingen ruhig erzählen. Ich habe nicht das Gefühl, als wenn ich die Wahrheit nicht vertragen könnte.«

»Ich vertraue dir doch alles an.« Sein Atem glitt heiß über meinen Hals und mein Ohr, als er an einer Stelle knabberte, bei der ich regelmäßig Wachs in seinen Händen wurde.

»Wusste Thala, dass Fiat gedroht hatte, Brom und mich zu töten?« Ich schob meine Hände unter sein Hemd und streichelte die Muskeln auf seinem Rücken. Tief atmete ich seinen Duft ein, der mich schwach vor Verlangen werden ließ.

»Ja. Kannst du dich noch erinnern, als wir in Venedig waren und du dich hinter einer Maske versteckt hast, um mich zu prüfen?«

Ich hielt inne und grub in den Tiefen meiner schwarzen Erinnerung. »Nein. Eine Maske? Hm.«

»Es war auf einem Fest. Du gabst vor, eine unmoralische Frau zu sein, die meinen Körper begehrte, und versuchtest zu testen, wie treu ich dir war.«

»Ich kann mich immer noch nicht erinnern. Vielleicht musst du dich so verhalten wie damals, damit ich es aufs Neue erleben kann?«

Er öffnete den Reißverschluss meiner Jeans, zog sie mir herunter und warf sie mitsamt meiner Unterwäsche und meinen Sandalen auf einen Stuhl. »Das würde ich lieber nicht.«

»Warum nicht?« Ich zog mir T-Shirt und Büstenhalter gleichzeitig aus und machte mich daran, seinen Gürtel zu öffnen. Plötzlich hatte ich es eilig, ihn aus seinen Kleidern zu bekommen, damit ich mich an ihm reiben konnte.

»Du hast mir nicht geglaubt, als ich dir sagte, dass ich es in dem Moment wusste, als du auf mich zukamst.«

Knöpfe platzten ab, als ich ihm das Hemd vom Leib riss.

»Soll das heißen, du hast dich von mir verführen lassen und mir erst hinterher gesagt, dass du die ganze Zeit wusstest, wer ich war?« Leise stöhnend strich ich über die harten Muskeln seiner Brust, während ich ungeduldig darauf wartete, dass er seine Schuhe auszog. Als er sich erhob, stürzte ich mich auf ihn, biss ihn in die Schulter und rieb mich an seiner seidigen Haut.

»Ja. Du konntest es kaum erwarten, mich ins Bett zu bekommen. Du verlangtest von mir, dich auf dem Balkon der Villa zu lieben, die wir uns gemietet hatten.«

»Ach, auf dem Balkon?« Ich hörte auf, seinen Hals zu lecken, hob den Kopf und blickte mich im Zimmer um.

»Auf einem Tisch.« Seine Stimme klang verheißungsvoll. »Wie der Tisch hinter dir.«

Mein Hinterteil traf auf kaltes Holz, als er mich hochhob und auf einen kleinen Schreibtisch setzte. Er umfasste meine Brüste mit den Händen.

»Oh. Neue Position. Sexy«, sagte ich. Ich wand mich, als er meine Brüste sanft quälte. Meine Hände glitten wie von selbst zu seinem Hintern, als er mich leidenschaftlich küsste und sein Feuer durch mich hindurchglitt.

»Ganz besonders hat dir das hier gefallen«, sagte er und ging auf die Knie.

Mein Kopf sank zurück, als er Drachenfeuer über meine Schenkel hauchte und Serpentinen bis hinauf zur Quelle meiner Lust küsste.

»Ja, das glaube ich gerne«, keuchte ich. Er leckte und biss sanft zu und tat so wundervolle Dinge mit seiner Zunge, dass ich den Rand des Schreibtischs umklammerte. »Beim Kreuz, Baltic, deine Zunge gehört eingesperrt. Tu das noch einmal! Nein, das andere!«

Er lachte leise. Er schob seine Finger in mich hinein, während seine Zunge einen kleinen Tanz an meiner Knospe vollführte. Ich sank auf den Schreibtisch, und meine inneren Muskeln zogen sich in reiner Ekstase zusammen. »Es war schon immer leicht, dir Lust zu bereiten, Gefährtin. Ich bin froh, dass sich daran nichts geändert hat.«

Ich hob den Kopf und warf ihm einen finsteren Blick zu. »Das hast du mit mir gemacht und mir nicht gesagt, dass du die ganze Zeit wusstest, dass ich es war? Kein Wunder, dass ich sauer war.«

Er verzog das Gesicht. »Es hat drei Wochen gedauert, bis du mir geglaubt hast, dass ich es von Anfang an wusste.«

Ich kniff die Augen zusammen. »Willst du damit etwa sagen, dass ich die Gunst nicht erwidert habe?«

Wir blickten beide auf seinen Penis, der sichtlich darauf wartete, auch an die Reihe zu kommen.

»Doch. Aber du warst wütend. Das habe ich gemerkt.«

Ich ließ mich von ihm in eine sitzende Position ziehen. »Wenn ich dafür gesorgt habe, dass du glücklich warst, kann ich nicht wütend gewesen sein.«

»Doch.« Er schlang meine Beine um seine Taille und drang einfach in mich ein. »Du hast deine Zähne mehr eingesetzt als sonst.« Ich kicherte. Er blickte mich stirnrunzelnd an, während er tief in mich hineinstieß.

»Ehrlich, Baltic, du bist der einzige Mann, den ich kenne, der beim Sex die Stirn runzeln kann. Küss mich – mein Mund vermisst dich!«

Er gehorchte und teilte sein Drachenfeuer mit mir. Zwar murmelte er vor sich hin, dass er es besser zurückhalten würde, bis ich Zugang zu meinem eigenen gefunden hätte, aber ich war viel zu erregt, um auf seine Drohung zu achten. Der Tisch knarrte rhythmisch unter seinen kraftvollen Stößen, und ich betete, dass man draußen nichts hören konnte. Ich spannte meine inneren Muskeln an und entlockte ihm damit ein langanhaltendes Stöhnen. Gerade stand ich kurz vor einem weiteren Orgasmus, als die Haustür, die sich direkt neben dem kleinen Zimmer befand, zugeschlagen wurde. Verzweifelt packte ich Baltics Hüften.

»Sie ist wieder da!«, stöhnte ich und saugte fest an seiner Zunge. »Beeil dich!«

»Du musst vorangehen«, keuchte er. Sein Mund war heiß und süß.

»Ich habe doch schon einen Orgasmus gehabt. Jetzt bist du zuerst dran. Dann komme ich auch«, erwiderte ich stöhnend.

»Du … zuerst …«

Thala würde bestimmt das Licht sehen und hereinkommen, also vergeudete ich keine Zeit damit, ihm zu widersprechen. Ich spannte einfach jeden Muskel, den ich besaß, fest um seinen Penis an. Er riss die Augen auf, dann brüllte er seine Lust in meinen Mund. Wie ich vorausgesagt hatte, tat das auch seine Wirkung für mich, und seine letzten Stöße brachten mich zum Höhepunkt.

»Baltic, hast du jemanden gefunden, der die Grabstätte lokalisieren kann? Wenn du niemanden auftreiben kannst, sollten wir vielleicht daran denken, einen blauen Drachen zu engagieren …« Die Tür zur Diele ging auf, und Thala stand auf der Schwelle. Baltic fuhr herum und verdeckte die Sicht auf mich, aber ich fand, dass sie entschieden zu viel zu sehen bekam. Rasch hob ich mein T-Shirt vom Boden auf und hielt es, immer noch hinter ihm, vor sein Geschlechtsteil. Ich warf dem Eindringling einen bösen Blick zu.

»Das hätte ich mir ja denken können, dass du hier bist«, grollte sie, als sie mich sah. Dann glitt ihr Blick wieder zu Baltic. »Hast du wenigstens damit angefangen, bevor deine Frau dich abgelenkt hat?«

»Ich bin es langsam leid, dir zu sagen, dass du Ysolde mit Respekt behandeln sollst«, erwiderte er mit verschränkten Armen. »Sie ist meine Gefährtin. Und als solche wirst du sie auch ansprechen.«

»Und? Hast du?«, drängte sie und ignorierte seine Bemerkung.

Er presste die Lippen zusammen, antwortete dann aber: »Noch nicht. Ich werde morgen einen suchen.«

»Wir brauchen so schnell wie möglich jemanden an der Grabstätte, nicht erst dann, wenn du endlich dazu kommst, jemanden zu besorgen.« Sie holte tief Luft. »Deine Gefährtin scheint dich wesentlich mehr zu interessieren als das Schwert meiner Mutter.«

»Ysolde bedeutet mir alles«, erwiderte er. Ich schmolz dahin. Zärtlich leckte ich über sein Schulterblatt. »Ich werde das Schwert schon wiederbekommen, keine Sorge. Aber ich mache es auf meine Weise. Kostich ist wesentlich mächtiger, als du glaubst, und ich will nicht Ysoldes Wohlergehen in Gefahr bringen.«

»Er würde ihr nie etwas tun«, widersprach Thala. »Du hast doch gesagt, sie war sein Lehrling.«

»Kostich hat sie für seine Zwecke missbraucht, und das würde er mit Sicherheit wieder tun«, antwortete Baltic. »Das Schwert gehört mir, aber ich werde es mir zurückholen, ohne dass er Gelegenheit bekommt, sie zu bedrohen. Morgen früh besorge ich einen Spurenleser, um die Grabstätte ausfindig zu machen.«

»Einen Spurenleser?«, fragte ich. Während Baltic und Thala sich stritten, war es mir gelungen, Jeans und BH anzuziehen. Ich ergriff Baltics Hose und trat vor ihn, sodass es für Thala nichts mehr zu sehen gab. »Du meinst, jemanden, der verborgene Dinge finden kann?«

»Ja.« Baltic zog seine Hose an, hielt aber inne, als er mein Lächeln sah. »Kennst du einen?«

»Oh ja.« Mein Lächeln wurde breiter. Ich hatte gehört, was in der Nacht passiert war, als May das Drachenherz neu geformt hatte. »Ich kenne sogar einen ziemlich guten. Als ich bei May und Gabriel gewohnt habe, wurde er engagiert, damit ich dich finden konnte.«

»Ich rufe ihn morgen an«, sagte Baltic und legte den Arm um mich. »Wir gehen jetzt zu Bett.«

Thala trat zur Seite, um uns durch die Tür zu lassen. Für mein Gefühl war ihr Gesichtsausdruck viel zu friedfertig. Ich konnte es kaum abwarten, Savian Bartholomew, dem offiziellen Diebesfänger des Au-delà und Teilzeit-Schurken, mitzuteilen, dass er die Chance haben würde, mit der Frau zusammenzuarbeiten, die ihn beinahe getötet hätte.