7

»Dann sind wir uns einig, nicht wahr?«

Ich drehte mich um, um zu sehen, wer in meinem Schlafzimmer redete, stellte jedoch fest, dass ich mich gar nicht in einem Schlafzimmer befand.

»Schon wieder eine Vision«, seufzte ich, als sich der Nebel des Schlafs lichtete und ich feststellte, dass ich neben einem langen, polierten Tisch stand, an dem fünf Leute saßen. »Ich gehe nicht davon aus, dass jemand mich hören oder sehen kann?«

»Es sei denn, Drake Vireo hat etwas hinzuzufügen«, sagte eine weibliche Stimme. Niemand schenkte mir auch nur das kleinste bisschen Aufmerksamkeit, also handelte es sich wohl wieder einmal um die Vision eines Ereignisses, bei dem ich nicht zugegen gewesen war.

»Ich kenne diese Stimme.« Ich betrachtete Chuan Ren und den Mann neben ihr, der wohl ihr Gefährte war. Ihrem Kleid und ihrer eleganten Frisur nach zu urteilen, fand dieses Ereignis offensichtlich um die Wende zum zwanzigsten Jahrhundert statt.

»Ich glaube, Drake hat sich zu diesem Thema bereits geäußert, aber vielleicht möchte er noch etwas dazu sagen?« Der ursprüngliche Redner, ein blonder Mann mit einem weichen italienischen Akzent, nickte höflich zum Ende des Tischs.

»Ich habe zu den schwarzen Drachen nichts weiter zu sagen.« Drakes Stimme klang genauso wie immer. Seine beiden Wachen standen hinter ihm. »Die Sippe ist vernichtet. Seit fast hundert Jahren wurde kein schwarzer Drache mehr gesehen. Constantine Norka hat ganze Arbeit geleistet.«

»Wir hatten jedes Recht, so gegen diejenigen vorzugehen, die uns sonst zerstört hätten«, fuhr ein Mann, der ihm gegenübersaß, auf. Ich blickte ihn an und stellte fest, dass er ganz bestimmt nicht Constantine war. Dieser Mann war dunkelhäutig, hatte krause, schwarze Haare und dunkle Augen. Trotz seines hohen, gestärkten Hemdkragens und seines schwarzen steifen Anzugs blitzte am Hals ein Stammmestattoo hervor. Zu meiner Überraschung stand hinter ihm jemand, den ich kannte: Gabriel. Er trug ebenfalls einen schwarzen Anzug, aber mit einer bestickten, silbergrauen Weste, die fast genau die gleiche Farbe wie seine Augen hatte. Er hatte keine Dreadlocks und war glatt rasiert, aber der wachsame Ausdruck in seinen Augen war mir bestens vertraut. »Was der grüne Wyvern nur allzu gut weiß, da er auf dem sárkány war, auf dem festgelegt wurde, dass wir das Recht hatten, unsere Unterdrücker zu verfolgen.«

Drake neigte zustimmend den Kopf, aber ich bemerkte, dass er die Lippen fest zusammengepresst hatte. Unwillkürlich musste ich lächeln. Wie viel mochte es ihn wohl kosten, die Äußerung des silbernen Wyvern schweigend hinzunehmen? Aber vielleicht wusste er in diesem Moment ja auch, dass Kostya lebte und unversehrt in seinem verborgenen Adlerhorst saß. Aisling konnte es mir bestimmt sagen.

»Da der erforderliche Zeitraum verstrichen ist, seit ein Mitglied der schwarzen Sippe zuletzt gesehen wurde, erklärt der Weyr die Sippe hiermit offiziell für ausgelöscht und aus den Registern gestrichen.«

Der silberne Wyvern ließ Drake nicht aus den Augen, aber während seine Augen smaragdgrün glitzerten, war Drakes Miene undurchdringlich, ebenso wie die Mienen von István und Pál, die hinter ihm standen.

»Der zweite Punkt auf der Geschäftsordnung ist die Anerkennung von Sial Fa’amasino als offizieller Wyvern der silbernen Sippe.« Der Italiener warf den silbernen Drachen einen betonten Blick zu. »Habt ihr einen Beweis für den Tod des Wyvern Constantine Norka?«

»Nein. Wir haben trotz aller Bemühungen seine Leiche nicht gefunden.« Sials Stimme war fest, aber in seinen dunklen Augen stand ein wachsamer Ausdruck, als ob er Probleme erwartete.

Der italienische Drache zögerte einen Moment lang, bevor er sagte: »Der Weyr soll sich eigentlich nicht in die Angelegenheiten der Sippen einmischen, aber wir müssen an die Tradition denken. Ich glaube, es gibt keinen Präzedenzfall, in dem ein Wyvern einfach verschwunden wäre, ohne dass sein Tod festgestellt werden konnte. Habt ihr den Verdacht, dass Constantine Norka nicht tot ist?«

»Nein«, erwiderte Sial fest. »Wäre er am Leben, stünde er hier vor dir. Wir haben hundert Jahre nach ihm gesucht, aber letztendlich sind wir zu der Schlussfolgerung gelangt, dass ihm etwas zugestoßen ist, das sich unserem Wissen entzieht.«

Kurz erfüllte Schweigen den Saal. »Wie ich bereits sagte, es ist nicht Sache des Weyr, sich einzumischen; daher werden wir dich als Wyvern anerkennen, solange du die Zustimmung deiner Sippe hast. Was sagt ihr, Wyvern?«

Die anderen Wyvern murmelten zustimmend.

»Damit wird Sial Fa’amasino zum Wyvern der silbernen Sippe ernannt. Unser letzter Tagesordnungspunkt betrifft gleichfalls die silbernen Drachen, insbesondere die Angriffe auf Mitglieder der Sippe durch Ouroboros-Drachen.«

»Ich dachte, es seien schwarze Drachen, aber das stimmte nicht«, sagte der neu ernannte silberne Wyvern zu den anderen. »Nach dem letzten Angriff habe ich eine meiner Wachen hinter ihnen hergeschickt, und er sagte, ohne näheren Kontakt könne er ihre frühere Sippe nicht bestimmen.«

»Der Weyr erkennt Gabriel Tauhou als Zeugen an und wird ihn dazu befragen«, sagte der blaue Drache höflich. Offensichtlich musste Sial seine Erlaubnis dazu geben.

»Ich habe geglaubt, förmlicher als heute könntet ihr gar nicht mehr sein, aber anscheinend habe ich mich geirrt«, sagte ich, als Sial Gabriel gnädig erlaubte, vor dem Weyr zu sprechen.

»Wo fanden die Angriffe statt?«, fragte der blaue Wyvern ihn.

»In Kapstadt und im Transvaal. Mithilfe meines Vaters«, Gabriel nickte zu einer kleinen Gruppe von Männern, die an der Wand saßen. Einer der Männer war ebenso dunkelhäutig wie Gabriel und sah ihm ähnlich. Gemeinsam mit den beiden anderen Männern neben ihm verfolgte er die Sitzung mit grimmigem Gesicht. »Mithilfe meines Vaters«, wiederholte Gabriel, »verfolgten wir ihre Spur nach Norden, bis nach Vereeniging, verloren sie aber dann.« Gabriel warf Chuan Ren einen undurchdringlichen Blick zu. »Stattdessen stießen wir auf zwei rote Drachen, die offensichtlich einer ähnlichen Spur folgten.«

Chuan Ren schürzte die Lippen und machte eine müde Handbewegung. »Die roten Drachen wurden auch von diesen Ouroboros angegriffen, aber wir rennen nicht gleich zum Weyr, um unsere Probleme zu lösen.«

Sial erstarrte. In seinen Augen flammte Zorn auf, aber er sagte nichts.

»Und habt ihr herausgefunden, wo die Ouroboros herkamen?«, fragte der blaue Wyvern.

Chuan Ren zuckte mit den Schultern. »Nein. Meine Männer haben die Spur ebenfalls verloren. Wir haben Schritte unternommen, um uns vor Angriffen aller anderen Sippen zu schützen.«

Drake warf ihr einen wütenden Blick zu. Sie lächelte ihn an. Was hatte das wohl zu bedeuten? Im Geiste machte ich mir eine Notiz, Aisling danach zu fragen.

»Falls du damit andeuten willst, dass wir es auf Krieg mit den roten Drachen anlegen, kann ich dir versichern, dass dies nicht der Fall ist«, sagte Drake.

»Pah! Ihr tut doch alles, um Krieg mit uns zu führen!« Chuan Rens Lächeln erlosch. »Wir sind nicht dumm, und wir sind uns eurer Intrigen sehr wohl bewusst.«

»Was für Intrigen?«, wollte Drake wissen. »Nenn mir nur ein Beispiel, wie die grünen Drachen deiner Sippe Schaden zugefügt haben.«

»Heiliger Bimbam, das kann ja noch ewig dauern«, murmelte ich vor mich hin. Suchend blickte ich mich nach einem Stuhl um.

Kaawa saß hinter mir, getrennt von Gabriels Vater, in einem fließenden Gewand und dazu passendem Turban. Sie hatte die Hände im Schoß gefaltet und verfolgte aufmerksam den sárkány. Neben ihr saß eine weitere Frau, die ähnlich gekleidet und offensichtlich auch ein Mitglied der silbernen Sippe war. Neben dieser wiederum saß ein kleines Mädchen von etwa vier Jahren in einem blauen Trägerrock, die schwarzen Haare zu kurzen, dicken Zöpfen geflochten. Sie hatte hellgraue Augen und gehörte wohl ebenfalls zur Sippe.

»Ich hoffe, es macht dir nichts aus, wenn ich mich neben dich setze«, sagte ich zu Kaawa und ließ mich auf dem freien Stuhl neben ihr nieder.

»Nein, natürlich nicht«, murmelte sie. Ich erstarrte und blickte sie erstaunt an.

»Was ist los?«, fragte die andere Frau und lehnte sich zu Kaawa herüber. Sie redete leise, um niemanden zu stören.

»Du kannst mich hören?«, fragte ich Kaawa. »Du kannst mich sehen?«

»Was soll denn los sein?«, fragte Kaawa ihre Freundin flüsternd.

»Du hast gesagt ›Natürlich nicht‹.«

»Sei nicht albern. Warum sollte ich das sagen?«

Mein Mut sank. Sie konnte mich gar nicht hören. Vielleicht war es nur ein Zufall gewesen. Oder doch nicht? Ich beugte mich dicht zu ihr und flüsterte ihr ins Ohr: »Mit seinem Bärtchen sieht Gabriel viel besser aus.«

»Ich habe ihm gesagt, er soll es nicht abrasieren. Es verleiht ihm Persönlichkeit, aber …« Kaawa erstarrte und blickte sich langsam um. Ich winkte ihr, aber ihr Blick ging durch mich hindurch.

»Was ist?« Ihre Freundin stupste sie an.

»Ich weiß nicht«, antwortete Kaawa.

Das kleine Mädchen rutschte vom Stuhl und zupfte am Arm der anderen Frau, die anscheinend seine Mutter war. Es sagte etwas in einer Sprache, die ich nicht verstand.

»Sei still, Maata. Kaawa fühlt sich nicht wohl.«

»Maata?« Ich grinste der Kleinen zu, als sie sich gelangweilt wieder auf ihren Stuhl setzte und mit einem trotzigen Blick auf ihre Mutter den Daumen in den Mund steckte. Ich musste lachen. Offensichtlich tat Gabriels Wache schon damals das, was ihr gefiel.

Kaawa blickte neben sich, versicherte dann aber ihrer Freundin, dass es ihr gut ginge.

Ich richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf die Drachen. Chuan Ren war aufgesprungen und schrie, Drake würde sich Dinge aneignen, die ihm nicht gehörten. Drake verschränkte mit gelangweilter Miene die Arme vor der Brust und ließ sie wüten.

»Mann, das ist ja nicht zum Aushalten«, sagte ich.

»Wer bist du?« Kaawas Stimme war so leise, dass ich sie kaum verstehen konnte.

Ich wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht herum, aber anscheinend konnte sie mich tatsächlich nicht sehen, und ich vermutete, dass sie mich auch nur ab und zu hören konnte. »Das hat bestimmt etwas damit zu tun, dass du Schamanin bist«, sagte ich zu ihr. »Ich bin Ysolde.«

Das hörte sie sehr wohl. Sie setzte sich aufrecht hin und riss die Augen auf. Ihre Freundin war so damit beschäftigt, Maata daran zu hindern, am Daumen zu lutschen, dass sie es nicht hörte, als Kaawa fragte: »Bist du ein Schatten?«

»Nein, ich bin nicht tot. Na ja, ich war es, aber dann bin ich wiederauferstanden. Das ist eine lange Geschichte.«

Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich nicht, und da ich dachte, sie hätte mich nicht gehört, beugte ich mich dicht zu ihr und fügte hinzu: »Ich kenne dich, Kaawa. Du bist meine Freundin.«

»Ich habe keine Freunde unter den Schatten. Das führt nur zu Wahnsinn«, sagte sie und wandte sich ihrer Freundin zu.

Einen Moment lang fühlte ich mich allem entrückt. Ich war getrennt durch Zeit und Raum von allem, was um mich herum vorging. Die Wut, mit der Chuan Ren um den sárkány-Tisch herum auf Drake zustürmte, der blaue Wyvern, der vergeblich versuchte, wieder Ordnung und Ruhe herzustellen, Sial, der dazwischenrief – all das betraf mich nicht.

Gabriel lächelte seine Mutter an, wirkte jedoch sogleich besorgt, als sie auf sein Lächeln nicht reagierte.

Ich war allein, getrennt von den Drachen um mich herum durch Jahrhunderte an Zeit und Missverständnissen. Ich fröstelte plötzlich, und Traurigkeit stieg in mir auf. Ich wusste, dass ich die Ereignisse, die sich anbahnten, nicht ändern konnte, aber dieses Wissen tröstete mich keineswegs. Ich schlug die Hände vors Gesicht, wünschte, die Vision würde aufhören, wünschte mir, der Lärm würde aufhören, wünschte, Baltic würde zurückkehren, damit meine Welt wieder in Ordnung kam.

»Warum weinst du?«, fragte mich eine Stimme aus dem Nichts.

»All diese blauen Drachen, die sterben werden … Wenn ich sie nur warnen könnte. Wenn ich mich nur Kaawa verständlich machen könnte. Sie könnte alles aufhalten.«

»Wer ist Kaawa?«

Der Wind peitschte die Worte weg, sodass ich sie kaum hören konnte. Ich drehte mich zu der Stimme um. Gischt brannte mir in den Augen. Ich stand auf einem Schiff, das durch die Wellen pflügte. Meine Haare flogen im Wind und verdeckten mir die Sicht.

»Ich habe dich gefragt, von wem du gesprochen hast und warum du weinst.«

Baltics Körper schützte mich ein wenig vor dem Wind und der Gischt, sodass ich mein feuchtes Gesicht mit einem Zipfel meines Umhangs abwischen konnte. »Ich habe nicht geweint. Ich wollte mich übergeben, aber jetzt scheint die Übelkeit zum Glück wieder vorbei zu sein.«

Er schlang die Arme um mich und zog mich an seine Brust. »Macht unser Kind dir Probleme?«

»Nein, es ist nicht mehr so schlimm. Ich dachte, die Übelkeit würde auf dem Schiff zunehmen, aber anscheinend ist das Gegenteil der Fall.«

»Gut. Es würde mir nämlich nicht gefallen, wenn du dich unwohl fühlst und unserem Baby die Schuld gibst. Und mir, weil ich es dir gemacht habe.« Seine Stimme war ein leises Grollen. Lächelnd drückte ich mein Gesicht an das weiche Leinen seiner Tunika.

»Ich habe das nicht so gemeint, weißt du. Es tut mir weder leid, dass du aufs Schloss meines Vaters gekommen bist, noch, dass ich dich nicht in Brand gesetzt habe, als du nach unserem ersten Beischlaf eingeschlafen warst.«

Lachend küsste er mich auf den Scheitel und zog mich fester an sich. »Oder mich mit einem stumpfen Messer entmannt hast?«

»Vor allem das Entmannen nicht.« Ich rieb mich an ihm, weil es meine Leidenschaft weckte, ihn zu riechen und zu fühlen. »Ganz im Gegenteil. Du hast nicht zufällig Zeit für eine kleine Vereinigung?«

Er wich ein wenig zurück und blickte mich verschmitzt an. »Versuchst du etwa, mich zu verführen, chérie?«

»Oh ja.« Ich knabberte an seiner Unterlippe. »Um dir dafür zu danken, dass du mit mir nach England fährst, um meine Eltern zu besuchen. Meine Mutter wird verrückt vor Freude, wenn sie erfährt, dass wir ein Kind bekommen.«

Er presste einen Moment lang die Lippen zusammen. »Nicht so sehr wie mein Vater.«

»Dein Vater ist ein Arschloch«, sagte ich. Ich löste mich von ihm und warf ihm einen auffordernden Blick zu, als ich mich zu der Treppe wandte, die hinunter zu den Kabinen führte.

»Hast du eine Ahnung, was passieren würde, wenn er dich hören könnte?«, sagte Baltic, der mir mit glitzernden Augen folgte. »Dann würden mindestens Köpfe rollen.«

»Ich ziehe es vor, wenn sich etwas anderes rollt«, erklärte ich lüstern und lief die Treppe hinunter.

»Ich habe gehört, Frauen, die ein Kind erwarten, hätten oft unnatürlich großes Verlangen nach Männern. Es freut mich, dass es dir so ergeht, aber du darfst nicht zu erfinderisch sein in deinem Bestreben, mich vor Lust wahnsinnig zu machen, weil das dem Kind schadet. Ich bestehe darauf, dass du mir die Entscheidung darüber überlässt, was ungefährlich ist und was nicht. Du darfst nicht schon wieder solche komplizierten Stellungen von mir verlangen wie letzte Nacht. Ysolde! Hör auf damit! Ich habe dir doch gerade gesagt, dass du das nicht tun sollst! Das auch nicht! Bei allen guten Geistern, was machst du denn mit … nun ja, aber nur noch dieses eine Mal, hörst du? Danach wirst du tun, was ich sage!«

Ich kicherte über die Arroganz in seiner Stimme. Trotz der vielen Sorgen, die mich belasteten, fühlte ich mich auf wohlige Weise geliebt.

»Bist du glücklich, meine Liebste?«

»Oh ja«, hauchte ich und kuschelte mich tiefer in die weiche Wärme der Matratze.

»Ich auch. Ich habe dich vermisst.«

Hitze glitt mir über den Rücken und breitete sich in ein leidenschaftliches Glühen aus. Mein inneres Feuer entzündete sich.

»Ich muss sagen, sosehr ich diese Visionen liebe, die Wirklichkeit ist tausendmal besser.«

»Mmm.« Plötzlich wurde mir die Hitze entzogen, und ich fühlte mich schutzlos und allein. »Ysolde.«

»Liebe mich«, bat ich und wand mich auf dem Bett.

»Erst wenn du aufwachst.«

Als ich die Augen aufschlug, sah ich unser Schlafzimmer, nicht die kleine, dunkel getäfelte Kajüte auf dem Schiff, auf dem wir uns vor vielen Jahrhunderten befunden hatten. »Baltic?«

»Ja. Ich bin es und nicht die vergangene Version, der du so gerne beim Liebemachen zusiehst. Und jetzt willst du an diesen vergangenen Augenblicken auch noch teilnehmen?« Er drehte mich auf den Rücken. Er war so warm und männlich und begehrenswert. Die Emotionen der Vision beherrschten mich immer noch, und schnurrend strich ich ihm über die nackte Brust. Stirnrunzelnd blickte er mich an.

»Ja, ich habe teilgenommen, aber du auch, also brauchst du mich gar nicht so böse anzuschauen. Und außerdem konnte ich einfach nicht anders. Du warst wirklich extrem sexy.«

Seine Stirn legte sich noch mehr in Falten.

Ich leckte ihm über die Unterlippe. »Aber jetzt … wow

»Das lasse ich gelten«, sagte er und ließ sich von mir küssen. Ich drückte ihn auf den Rücken nieder und atmete tief seinen Duft ein.

»Feuer?«, murmelte ich und wand meine Zunge um seine. Er schob mein seidenes Nachthemd hoch und streichelte meine Beine.

»Du hast dein eigenes …«, setzte er an, aber ich unterbrach ihn.

»Feuer!«

Er versuchte, mich auf den Rücken zu drehen, aber ich hielt ihn fest. »Du wirst viel zu fordernd, Gefährtin. Und ich war zu nachgiebig. Du vergisst, dass ich der Wyvern bin.«

»Oh, das habe ich nicht vergessen«, gurrte ich und knabberte an seinem Kinn. Seine Hände glitten über meine Hüften und dann zu meinem Hinterteil. Ich knabberte an seinem Ohrläppchen. »Habe ich dich eigentlich jemals gefesselt, bevor wir gestorben sind, und mich an dir bedient?«

»Ich bin ein Wyvern. Ich bin der dominante Teil, nicht meine Gefährtin.« Er stöhnte, als meine Hand über seine Brust zu seinem Bauch glitt. Gleichzeitig biss ich zart in die Sehnen an seinem Hals. »Ich hätte dir nie erlaubt, mich zu fesseln.«

»Gut. Dann müsste das ja eine neue Erfahrung für dich sein.« Ich löste mich von ihm, damit er sehen konnte, was ich unter dem Kissen hervorgezogen hatte.

»Nein«, sagte er und warf mir einen strengen Blick zu.

»Oh doch, Baltic.«

»Nein. Wo hast du die überhaupt her?«

»Aus Pavels Zimmer.« Ich blickte auf die Handschellen aus Leder und Schafwolle. »Ich habe nach … äh … hast du meine SMS wegen Thala bekommen?«

»Ja. Es freut mich, dass du die anderen Gefährtinnen überreden konntest, dir gegen den Willen ihrer Wyvern bei der Befreiung zu helfen. Ist sie hier?«

»Ja. Sie … äh … sie schläft«, antwortete ich. Bei dem einen Mal, als sie aufgewacht war und etwas zu trinken verlangt hatte, hatte ich ihr eine Schlaftablette in Wasser aufgelöst.

»Ich werde morgen mit ihr sprechen. Zuerst müssen wir uns vereinen, da wir so lange getrennt waren.«

Ich lachte, weil er das so sachlich sagte. »Genauso hatte ich mir das vorgestellt, nur mit einer kleinen Abweichung.«

»Du hast wohl immer noch nicht verstanden, dass ich der Wyvern bin«, sagte er und kniff mich ins Hinterteil. »Ich werde die Handschellen an dir ausprobieren. Vielleicht werde ich dir ja eines Tages erlauben, sie auch bei mir anzuwenden, aber erst einmal …«

»Oh nein. Das war meine Idee, also bin ich als Erste dran.« Ich legte ihm eine Handschelle ums Handgelenk und versuchte, seinen Arm ans Kopfteil des Bettes hochzuziehen. Er bewegte sich nicht. Ich blickte ihn an. »Bitte, Baltic. Du hältst mir immer vor, ich sei besessen von unserem vergangenen Liebesleben. Jetzt möchte ich einfach einmal etwas Neues ausprobieren, etwas, was wir noch nie zuvor gemacht haben. Ich bin mir sicher, dass es dir Spaß macht.«

»Es macht mir immer Spaß, mit dir zu schlafen«, erwiderte er.

Ich küsste ihn und fuhr mit meiner Zunge über seine Unterlippe. »Wenn du mich das tun lässt, lasse ich auch mein Drachenfeuer aufsteigen.«

Er kniff seine schönen dunklen Augen zusammen. »Versuchst du mich etwa zu bestechen?«

»Ja.«

Er seufzte und überließ mir widerwillig seinen Arm. »Ich werde viel zu nachgiebig mit dir. Ich würde ja sagen, du hast keinen Respekt vor mir, aber den hast du wohl nie gehabt. Das ist jedoch das letzte Mal, Gefährtin. Ich gebe dir nur nach, damit du deine Erinnerung an unsere Vergangenheit von der Gegenwart trennen kannst. Aber das ist wirklich das letzte Mal.«

Lächelnd fuhr ich mit der Zunge über seinen Nippel, der förmlich um Aufmerksamkeit zu betteln schien. Baltic zog scharf die Luft ein, und rasch legte ich ihm die andere Handschelle an.

Er blickte von einem Arm zum anderen und dann zu mir. »Ich mag das nicht. Beeil dich und befriedige dich auf mir, damit ich endlich in dich eindringen kann.«

»Oh, ich werde nicht nur mich befriedigen.« Ich stieg aus dem Bett und trat an eine versteckte Stereoanlage.

»Erst willst du mich fesseln, und dann stehst du auf? Was soll das denn?« Ich ließ mich durch seinen aufgebrachten Tonfall nicht irritieren und suchte in aller Ruhe eine CD aus. Ich steckte sie in den Player und drehte mich zu ihm um.

»Das, mein Liebling, ist Shania Twain. Sie und ich werden jetzt dafür sorgen, dass du für alles, was ich mit dir machen möchte, empfänglich bist.«

»Musik? Du willst jetzt Musik hören?«

»Wir haben noch nie bei Musik Liebe miteinander gemacht«, erwiderte ich und warf den Kopf zurück, als mein Lieblingslied erklang. »Das ist auch anders als in der Vergangenheit. Habe ich eigentlich schon jemals einen Striptease für dich hingelegt?«

»Nein. So etwas erregt mich nicht, und meine alte Ysolde hätte sich nie zu solch billigen Maßnahmen herabgelassen.« Seine Augen weiteten sich, als ich beide Hände an meinem Nachthemd heruntergleiten ließ. Ich begann, den Stoff hinaufzuschieben, wobei ich jede Geste mit einem Hüftschwung untermalte. Er zog die Augenbrauen hoch.

»Vielleicht war ich in meiner Ablehnung deines Vorschlags doch zu voreilig«, sagte er schließlich, und ein gieriges Leuchten trat in seine Augen, als ich näher zu ihm herantanzte und mich so über ihn beugte, dass meine Brüste fast aus dem dünnen Nachtgewand herausfielen.

Er versuchte, nach mir zu greifen, aber Pavels Handschellen hielten ihn davon ab. Das machte ihn so unglücklich, dass er sich schon herauswinden wollte, aber ich ließ gerade noch rechtzeitig meine Hand über seinen Brustkorb bis zu seinem Penis gleiten, der strammstand. »Oh nein, das lässt du schön bleiben«, sagte ich zu ihm. »Du bleibst hier liegen und lässt mich das mit dir machen.«

»Was mach…« Er stöhnte, als ich mich über ihn beugte und ihn in seiner ganzen Länge in meinen Mund aufnahm.

»Wir werden ein neues Paar Handschellen für Pavel kaufen«, sagte er, als ich wieder davontanzte und mein Nachthemd noch höher hob. »Ich möchte diese hier behalten.«

»Ich dachte mir schon, dass es dir gefällt, wenn du dich erst einmal darauf einlässt«, sagte ich. Ich kroch aufs Bett und fuhr mit den Händen an seinen Beinen entlang, bis er sie für mich spreizte. Dann beugte ich mich über ihn und knabberte an dem Muskel über seinem Knie. »Du hast so wundervolle Beine, Baltic. Ich liebe deine Waden. Und bei deinen Schenkeln schmelze ich dahin.«

Ein hoffnungsvoller Schimmer trat in seine Augen, als ich die zarte Haut an den Innenseiten seiner Oberschenkel küsste. »Daran erinnere ich mich. Du hast immer zu mir gesagt, du hättest dich nie in mich verliebt, wenn ich nicht so gerne reiten würde.«

Ich lachte. »Nun, ich will nicht so weit gehen und behaupten, dass ich mich nur wegen deiner Reiterschenkel in dich verliebt habe, aber ich muss zugeben …« Ich legte meine Finger um seine Oberschenkel. »… sie sind beeindruckend, obwohl du jetzt gar nicht mehr reitest.«

»Ich reite schon noch, nur eben kein Pferd«, antwortete er mit verschmitztem Grinsen.

»Ich glaube, mein anbetungswürdiger Gefangener, dieses Mal werde ich dich reiten.« Ich beugte mich vor, sodass meine Haare über seinen Bauch glitten. Zischend zog er die Luft ein, als ich an seinem Nippel knabberte.

»Dann tu es jetzt«, drängte er mit erstickter Stimme. Seine Beine zuckten.

»Oh nein. Nicht so schnell. Ich möchte erst noch ein bisschen die Erfahrung genießen, dich gefesselt zu haben.« Ich leckte über seinen Bauch, konzentrierte mich einen Moment auf mein Drachenfeuer, gab dann aber auf.

»Das ist mein Feuer, nicht deins«, stellte er stirnrunzelnd fest, als ich seinen Oberkörper in Feuer badete. Es tanzte mit meinen Fingern über seine Haut bis hinunter zu seinen Lenden.

»Tut mir leid, ich konnte meines nicht entfachen. Ich versuche es ein anderes Mal. Aber jetzt …« Ich ließ meine Haare über seine Erregung gleiten. Er erschauerte vor Lust und bäumte sich auf, als ich aus meinem Nachthemd schlüpfte und meine Brüste gegen seinen Körper drückte.

»Besteig mich!«, befahl er. Die Sehnen an seinem Hals standen hervor, als er den Kopf zurückwarf.

»Ich bin diejenige, die bestimmt …«

Ich hörte Leder reißen, und plötzlich riss er mich hoch, bis sich sein Penis an mich presste und sich so an mir rieb, dass ich vor Lust aufstöhnte. Seine Hände umfassten meine Brüste, kneteten und kniffen sie, bis ich nur noch Sterne sah.

»Besteig mich!«, befahl er erneut, und dieses Mal widersprach ich nicht. Ich keuchte auf, als er in mich eindrang. Er legte mir die Hände um die Hüften und dirigierte mich, und schon bald befanden wir uns auf einer Welle der Lust, die in reinster Ekstase über uns zusammenschlagen würde.

»Feuer«, keuchte ich, und er ließ sein Drachenfeuer über mich gleiten. Als er kam, schlossen sich meine inneren Muskeln fest um seinen Schaft.

Eine gefühlte Ewigkeit später rollte ich von ihm herunter und warf ihm einen unglücklichen Blick zu.

»Warum schaust du mich so finster an?«, wollte er wissen und zog mich eng an sich. »Ich habe dir gerade so viel Lust beschert, dass ich das Gefühl hatte, du würdest meinen Schwanz auswringen.«

»Ich schaue dich finster an, weil du nicht nur Pavels lederne Handschellen kaputt gemacht hast, sondern mir auch die Führung abgenommen hast, sodass ich nicht die Dinge mit dir tun konnte, die ich mir vorgenommen hatte.«

Zu meiner Überraschung grinste er, als er mich auf die Stirn küsste. »Du hast zu viel von mir verlangt, Gefährtin. Wenn du so weitergemacht hättest, wäre ich viel zu früh gekommen.«

»Es ist schwer, jemandem böse zu sein, der gerade erklärt, dass man ihm so viel Lust geschenkt hat«, sagte ich seufzend vor Glück. Ich kuschelte mich an ihn. »Aber jetzt müssen wir zwei Paar neue Handschellen kaufen, eins für Pavel und eins für uns.«

»Drei Sets. Ich hole noch ein kleineres Paar für dich. Und vielleicht noch ein paar andere Dinge. Ich werde Pavel bitten, mir etwas zu empfehlen.«

Lächelnd küsste ich ihn auf die Schulter, für den Moment zufrieden damit, dass ich die Sorgen des Lebens hinter mir lassen und die Tatsache genießen konnte, dass Baltic sicher und glücklich in meinen Armen lag.