10

An jenem Abend kehrte Thala unerwartet früh aus Paris zurück, sodass ich mich mit Baltic weder über den Ersten Drachen noch über das bevorstehende Treffen unterhalten konnte. Und ich konnte ihn auch nicht fragen, wie ich am besten an Informationen über die Ouroboros-Drachen kommen sollte, mit denen Kostichs Enkelin zu tun hatte.

»Ich bin nicht eifersüchtig. Ich bin nicht eifersüchtig«, murmelte ich, als ich Baltics Arbeitszimmer verließ, wo er und Thala über den Laptop gebeugt saßen und sich das Video anschauten, das sie von Suffrage House gedreht hatte.

»Warum sollst du denn eifersüchtig sein?«, fragte Brom, der mit einem angeschmutzten Notizbuch und einem noch schmutzigeren Stück Schlangenhaut auf der Treppe saß.

»Das bin ich ja gar nicht. Es ist nur … ach, ist egal.« Ich setzte mich neben ihn.

»Ich mag Thala nicht«, merkte Brom an. »Sie kann Mumien nicht ausstehen. Sie hat zu mir gesagt, ich sei ein merkwürdiges Kind und solle ihr aus den Füßen bleiben. Und ständig berührt sie Baltic.«

Ich starrte ihn an. »Wie berührt sie ihn denn?«

»Du weißt schon, sie berührt ihn eben«, sagte er achselzuckend. »Ständig fasst sie seinen Arm an, und eben habe ich gesehen, wie sie sein Gesicht berührt hat. Wenn ich Baltic wäre, würde ich das nicht zulassen. Das ist doch eklig.«

Ich verpasste ihm alle drei der täglichen Küsse, die er mir zugestand. »Mit der richtigen Person ist es nicht eklig.«

»Ja. Du kannst meinetwegen mein Gesicht berühren, wenn du unbedingt willst, aber sonst würde ich das niemandem erlauben. Es ist übrigens Zeit, den Maulwurf auszuwickeln, den Pavel vor einer Woche im Garten gefunden hat. Willst du zugucken?«

»Der Anblick eines mumifizierten Maulwurfs steht zwar nicht gerade ganz oben auf meiner Wunschliste, aber ich werde es wohl überleben.«

»Du lieber Himmel, Sullivan«, sagte er und verdrehte die Augen. Er sprang auf und lief zur Kellertür. »Du stellst dich an wie ein Mädchen. Es ist doch nur ein Maulwurf!«

»Hey, viele Mädchen mögen tote Sachen!«, protestierte ich und folgte ihm. »Dass ich nicht dazugehöre, heißt gar nichts. Baltic sagt jedenfalls, er hat mir beigebracht, mit Schwert und Morgenstern zu kämpfen, und das können nicht so viele Mädchen.«

Wir verbrachten eine angenehme Stunde miteinander. Brom zeigte mir seine diversen Mumifizierungsprojekte. Während er mir seine Technik erklärte, dachte ich darüber nach, wie ein Junge mit einem grässlichen biologischen Vater so intelligent und charmant, wenn vielleicht auch ein bisschen exzentrisch werden konnte. Als er mir jedoch schließlich anbot, mir die präparierten Innereien des Maulwurfs zu zeigen, beschloss ich, dass wir jetzt genug wertvolle Zeit miteinander verbracht hatten, und machte mich auf, um von Baltic das Gleiche zu verlangen.

»Noch eine halbe Stunde, dann gehst du ins Bett«, ermahnte ich Brom.

Er runzelte die Stirn. »Sullivan, ich bin kein Kind mehr.«

»Nein, natürlich nicht. Neun ist schon ziemlich alt, aber morgen früh kommt Nico, und wenn du nicht auf die Schule am Ort gehen willst, dann beweist du Baltic und mir besser, wie gut du dich bei einem Privatlehrer schickst, und dafür solltest du um eine vernünftige Uhrzeit ins Bett gehen. Verstanden?«

Er verdrehte zwar die Augen, nickte aber.

»Ich liebe dich. Gute Nacht.« Als ich die Treppe hinaufging, nahm ich mir vor, dem Privatlehrer Bescheid zu sagen, dass er sich mehr auf naturwissenschaftliche Fächer wie Biologie konzentrieren sollte. Dafür hatte Brom anscheinend eine Begabung.

»… siehst du denn nicht, dass sie deine Autorität untergräbt? Wer hat denn überhaupt entschieden, dass das Kind die silbernen Drachen besuchen durfte? Sie. Sie fühlt sich an die silberne Sippe gebunden, Baltic, und nur ihnen gegenüber ist sie loyal. Sie wird dich jetzt genauso betrügen, wie sie es in …« Thala fuhr herum, als ich mit einem Tablett Baltics Bibliothek betrat.

»Tut mir leid, deinen kleinen Hetzversuch unterbrechen zu müssen«, sagte ich ohne den geringsten Anflug von Wahrhaftigkeit. Ich stellte das Tablett auf Baltics Schreibtisch ab und stellte den beiden Espressotassen und eine Kanne Kaffee hin. Ich lächelte ihn an. »Ich brauche wohl nicht zu fragen, ob du diesen Quatsch glaubst, weil du sehr wohl weißt, dass ich dich nie betrügen würde. Eher im Gegenteil.«

»Ich habe nie an dir gezweifelt«, erwiderte er.

»Gut. Ich dachte, du möchtest vielleicht einen kleinen Nachtisch. Nach dem Abendessen hattest du ja keine Zeit für die karamellgetränkte Schokoladenhaselnusstorte, die ich für dich gemacht habe.«

Thala verzog höhnisch das Gesicht, als Baltic, der für sein Leben gerne Süßigkeiten aß, voller Interesse auf das Tablett blickte.

»Kuchen?« Sie machte eine abfällige Handbewegung. »Wir haben keine Zeit für Kuchen.«

Mit strahlendem Lächeln hielt ich Baltic den Teller hin. »Für Kuchen ist immer Zeit. Vor allem für Kuchen mit Karamell. Baltic liebt Karamell, nicht wahr, Baltic?«

»Ysolde liebt Kochen und Backen über alles«, sagte Baltic und steckte sich ein Stück Torte in den Mund. »Sie tut gerne so, als würde ich verhungern und müsste mehrere Male am Tag gefüttert werden.«

»Das stimmt ja gar nicht. Jedenfalls hast du bis jetzt noch nie etwas abgelehnt, was ich dir angeboten habe.«

»Ich will eben deine Gefühle nicht verletzen«, sagte er, einen seligen Ausdruck in den Augen, als die Torte in seinem Mund zerschmolz. »Hast du die Karamellsoße selber gemacht?«

»Natürlich. Ich habe noch mehr davon. Ich dachte, wir genießen sie vielleicht … später

»Wir sollten wirklich heute Abend zu einer Entscheidung kommen«, sagte Thala über meinen Kopf hinweg.

»Mm-hmm«, stimmte er ihr zu und betrachtete das zweite Stück Torte, das ich für Thala mitgebracht hatte. »Willst du das?«

»Ja, ich möchte wirklich weiter …«

»Nein, die Torte.«

Sie warf ihm einen wütenden Blick zu, nahm sich aber zusammen. »Nein, ich mag keine Süßigkeiten, wie du weißt

»Wenn Jim hier wäre, würde er dir für diese Bemerkung lediglich eine drei Komma fünf geben. Das kannst du doch bestimmt besser, wenn du dir ein bisschen Mühe gibst«, sagte ich zu ihr.

Sie baute sich zu voller Höhe vor mir auf. »Hast du überhaupt eine Ahnung, wie viel Macht ich besitze, du mickriges Menschlein? Ich bin die Tochter von Antonia von Endres, der Größten aller Magier. Ich kann Tote zum Leben erwecken. Ich beherrsche die Mächte der Finsternis und der weißen Magie und kann sie nach meinem Willen beugen.«

»Aber kannst du auch Dämonen in Männer verwandeln? Beherrschst du die Macht der Banane? Und hattest du jemals einen Vierer mit dir selbst? Das alles kann ich nämlich, und wenn Baltic mir endlich helfen würde, meine Erinnerung wiederzufinden, dann würde ich es auch wieder tun.«

Der Angesprochene blickte von den zwei mittlerweile leeren Tellern auf. »Ich verstehe dein Verlangen nicht, Sex mit uns zu haben, Gefährtin. Das ist unnatürlich.«

»Du gehst zu weit!«, knurrte Thala mich an. »Geh! Wir haben wichtige Dinge zu besprechen.«

»Du hast meiner Gefährtin keine Befehle zu erteilen!« Baltic blickte sie böse an.

»Dann schick sie endlich weg!«

Baltic blickte auf den Laptop und zögerte. Offensichtlich wollte er mich nicht bitten zu gehen, aber zugleich wollte er der Diskussion mit Thala ein Ende setzen.

»Keine Sorge, das brauchst du nicht«, sagte ich lächelnd zu ihm. Ich ergriff das Tablett mit den leeren Tellern und eilte zur Tür. Dort blieb ich seufzend stehen. »Wenn du die Karamellsoße, die ich übrig gelassen habe, nicht willst, muss ich sie mir wohl alleine einverleiben.«

Baltic hatte sich bereits über den Laptop gebeugt, um sich etwas anzusehen, aber als er den Unterton in meiner Stimme vernahm, richtete er sich auf. Ich lächelte ihm verschmitzt zu und ging in die Küche.

Als ich das Geschirr abgewaschen hatte, eine kleine Schale mit Karamellcreme warm gemacht, einen neuen Backpinsel ergriffen und nach oben gelaufen war, lag Baltic bereits nackt auf dem Bett und wartete auf mich.

»Unsere vergangenen Ichs wirst du heute Abend nicht brauchen«, sagte er. Ich stellte die Schale auf den Nachttisch. »Ist die Creme warm?«

»Ja. Wie sauer ist Thala?«

Er zuckte mit den Schultern. »Sie ist verärgert, aber das spielt keine Rolle. Sie versteht, dass du für mich immer an erster Stelle stehst.«

Seine sachliche Antwort nahm mir den Wind aus den Segeln, und ich verzichtete darauf, ihm einen Vortrag über seine tyrannische Soldatin zu halten.

Ich setzte mich aufs Bett. Er steckte einen Finger in die Karamellsoße. »Sie sollte wohl besser kalt sein.«

»Findest du?«, fragte ich.

Er grinste. In seinen schwarzen Augen lag ein sinnliches Schimmern, das mir Schauer über den Rücken jagte. »Kalt ist sie schwerer zu verteilen … und schwerer abzulecken.«

»Ja, aber wenn sie warm ist, kann man sie auch tröpfeln. So.« Ich tauchte den Backpinsel in den warmen Karamell und zog eine kunstvolle Spirale seinen Penis entlang.

Seine Augen weiteten sich, als ich einen Tropfen auf der Spitze platzierte. »Tröpfeln ist gut.«

»Oh ja, sehr gut«, stimmte ich ihm zu und begann, den Karamell abzulecken.

Er stieß die Hüften vor. »So langsam finde ich, dass an deinen Fantasien mehr dran ist, als ich zunächst geglaubt habe.«

»Es geht doch nichts über eine gute Vorstellungskraft«, murmelte ich und leckte den letzten Rest Karamellsoße ab. »Wir werden dabei allerdings sehr klebrig werden, sodass wir danach ein Bad nehmen müssen.«

»Danach brauchen wir immer ein Bad«, erwiderte Baltic und verzog leicht das Gesicht.

Ich ließ den Pinsel durch die Creme wirbeln, ignorierte jedoch den hoffnungsvollen Ausdruck in seinen Augen. »Du badest nicht gerne, was?«

»Nein. Wasser ist nicht unser Element.«

»Unser was?«

Er tippte an die Schüssel. »Die Creme wird kalt, wenn du sie jetzt nicht benutzt.«

»Was für ein Element? Haben wir ein Element? Warum bade ich denn so gerne, wenn es nicht unser Element ist?« Ich schob die Schale außerhalb seiner Reichweite.

Er blickte an seinem Körper herunter, dann betrachtete er mich. »Mein Schwanz ist nicht glücklich.«

»Er wird ein paar Fragen schon überleben. Wenn nötig, kann ich den Karamell ja wieder erwärmen«, fügte ich rasch hinzu, um einem weiteren Einwand vorzubeugen. »Erklär mir das mit dem Element.«

»Immer willst du während der Liebe reden«, erwiderte er. Er wirkte erregt und mürrisch zugleich. »Ich verstehe nicht, warum du dich nicht einfach mal auf mich konzentrieren kannst und deine Fragen ein anderes Mal stellst.«

»Vielleicht weil ich weiß, dass du mir Fragen gar nicht beantwortest, wenn du nicht gerade nackt und erregt vor mir liegst. Im Moment jedenfalls bist du eher geneigt, alles zu tun, was ich verlange, nur damit ich dich mit Karamellsoße bestreiche und ablecke.«

Er schürzte die Lippen. Anscheinend dachte er über meine Feststellung nach. »Nun gut. Ich will großmütig sein und dir dieses eine Mal noch nachgeben, aber dann nie wieder. Du hast lange genug deinen Willen gehabt. Ab jetzt wird unsere Beziehung wieder so, wie es sich gehört.«

Lächelnd rührte ich im Karamell.

»Alle Drachensippen haben ein Element, das ihrem Naturell entspricht. Wasser ist das Element der grünen Drachen, deshalb mag ich es nicht.«

»Aber ich schwimme doch gerne und liebe ausgiebige Bäder, obwohl ich ein silberner Drache war, bevor ich dich kennenlernte und ein schwarzer Drache wurde. Warum mag ich Wasser?«

»Du wurdest als Mensch wiedergeboren mit einer schlummernden Drachennatur. Menschen, so habe ich gelernt, mögen Wasser.« Er warf einen vielsagenden Blick auf die Schale in meinen Händen. »Das wird sich ändern, wenn der Drache in dir erst einmal erwacht ist.«

»Hm. Was war das Element der schwarzen Drachen?«

»Energie.«

»Ah.« Ich überlegte einen Moment lang. »Wie Strom?«

»Nein. Sie ist eher der Energie in der elementaren Magie ähnlich.«

Kurz zuckte eine Erinnerung durch mich hindurch. Ich schloss die Augen, um mich besser darauf konzentrieren zu können.

»Willst du das jetzt noch benutzen, oder soll ich es noch einmal erwärmen?«, fragte Baltic und stupste mich an.

»Einen Moment. Ich denke nach. Da war gerade eine Erinnerung … Ah, jetzt habe ich sie wieder.« Ich erschauerte, als es plötzlich kühl wurde, und ich öffnete die Augen, um festzustellen, dass ich auf der Erde kniete. Baltic lag nackt neben mir. Er musterte mich verärgert.

»Du kannst einfach die Vergangenheit nicht ruhen lassen, was?«, sagte er und wies mit einer Kopfbewegung auf etwas, das hinter mir war.

Ich drehte mich um und sah mich selbst einen schmalen Steingang entlangkommen, eine Fackel in der Hand, deren flackerndes Licht unheimliche Schatten auf die grob behauenen Steinwände warf.

»Hier«, sagte eine männliche Stimme.

Ich stand auf, als der andere Baltic in Sicht kam. Er wies auf die Wand.

»Das ist doch nur Stein«, sagte mein vergangenes Ich und hob die Fackel.

»So sieht es aus. Ich habe die Tür zur Schatzhöhle versteckt. Du musst lernen, sie zu öffnen, und sie mit deiner Energie wieder zu verbergen, wenn es nötig ist.«

»Was für eine Energie? Mit Drachenfeuer, meinst du?«

»Nein, die Energie, die alles Lebende erfüllt. Sie umgibt uns. Öffne dich ihr und benutze sie. Das kann außer uns kein anderer Drache. Sie ist einzigartig im Weyr. Deshalb sind auch unsere Schatzhöhlen so schwer zu finden – wir benutzen die Energie, die nur wir beherrschen, um sie vor den Augen der anderen zu verbergen.«

Hinter mir erhob sich Baltic seufzend. Er drängte sich an seinem vergangenen Selbst vorbei und warf einen bewundernden Blick auf die alte Ysolde, die gerade die Mauer untersuchte. »Ich habe es immer geliebt, wenn du nichts als ein Hemd trugst.«

Ich blieb stehen, um den vergangenen Baltic zu betrachten, der Lederleggings und Stiefel trug. Die Kerzen, die er in der Hand hielt, machten Ysoldes Körper durch den dünnen Stoff des Hemdchens sichtbar.

»Weißt du, es ist ziemlich schwer, auf sich selbst eifersüchtig zu sein, aber wenn ich sie weiter so anstarre, gelingt es mir sicher«, sagte ich zu Baltic.

Er grinste. »Du willst mit mir ins Bett gehen. Mit dem anderen Ich. Wo ist da der Unterschied?«

»Nein, das will ich nicht. Ich meine, ich wollte es, und wir haben ja auch Liebe gemacht, aber mein gegenwärtiges Ich will nicht den vergangenen Baltic.« Der frühere Baltic zeigte Ysolde gerade die verborgene Tür. »Na ja, okay, ich würde ihn nicht von der Bettkante schubsen. Er sieht wirklich sexy aus in diesen Leggings.«

Baltic fluchte unterdrückt.

»Ach komm! Sieh dich doch nur an!«, sagte ich und wies auf die Erinnerung. »Diese Leggings und die Stiefel und die nackte Brust … das ist so … Ich würde dir am liebsten die Kleider vom Leib reißen. Also, dir in der Vergangenheit. Und deine Brust … Ich habe deine Brust immer schon geliebt …«

Baltic machte einen Schritt nach vorn, um mir die Sicht zu versperren. »Du wirst diese Brust lieben, Gefährtin! Du wirst mich in deinem Bett willkommen heißen, nicht ihn!«

»Oh, aber ich liebe deine Brust doch«, schnurrte ich und rieb mich an der glatten Haut über den stahlharten Muskeln seines Brustkorbs. Meine Hand glitt tiefer. »Ich liebe jeden einzelnen Zentimeter von dir, Baltic. Und daran wird sich nie etwas ändern.«

»Mehr als ihn?«, fragte er und wies mit dem Daumen auf seine vergangene Version, die, wie ich sehen konnte, Ysolde gerade gegen die Wand drückte und sie leidenschaftlich küsste.

»Du lieber Himmel, wir haben es wirklich wie die Karnickel getrieben, was?«, murmelte ich, wandte aber rasch meine Aufmerksamkeit wieder Baltic zu, der aufgebracht knurrte. »Natürlich liebe ich dich mehr. Die Gegenwart ist einfach durch nichts zu toppen. Jetzt bist du sexier, siehst viel besser aus und bereitest mir mehr Lust.«

Ich dachte, das würde seinem Ego schmeicheln, aber seine Miene wurde nur noch finsterer. »Hast du mich etwa in der Vergangenheit nicht sexy gefunden? Habe ich dir damals keine Lust bereitet?«

»Aber natürlich!« Ich hätte am liebsten gelacht, aber das würde er bestimmt völlig missverstehen. »Sieh mich doch an. Sehe ich nicht so aus, als sei ich durch und durch befriedigt?«

Wir blickten beide auf das Paar. Meine Augen weiteten sich ein bisschen, als Baltic etwas in Ysoldes Ohr murmelte, sie hochhob und gegen die Wand presste. Sie schlang die Beine um seine Taille, und er stieß so fest in sie hinein, dass sie vor Lust aufschrie.

»Beim Heiligen Kreuz«, sagte ich leise.

Baltic versperrte mir erneut die Sicht. »Ist es das, was du willst? Willst du Liebe im Tunnel unter Dauva machen?«

»Nein, natürlich nicht. Äh … gibt es den Tunnel noch?«

Seufzend ging er weg. Ich folgte ihm, wobei ich noch einen letzten Blick auf das Liebespaar warf, aber die Szene verwandelte sich bereits wieder in unser Schlafzimmer. »Wohin gehst du?«, fragte ich Baltic, als ich sah, dass er nackt die Treppe hinuntermarschierte.

Brom kam ihm entgegen und blickte sich neugierig nach ihm um. Auch mir schenkte er einen langen Blick, der geradezu erwachsen wirkte. »Nacht, Sullivan«, sagte er.

»Gute Nacht, mein Schatz«, antwortete ich. Ich fragte mich, ob Baltic wohl verärgert war oder einfach nur einen Flug nach Lettland buchen wollte. Kurz entschlossen ergriff ich die Schale mit der Karamellsoße und den Pinsel und eilte ihm nach.

Pavel stand an der Haustür. Sein überraschter Gesichtsausdruck verwandelte sich in Erheiterung, als er mich erblickte.

»Er ist in den Keller gegangen«, sagte er, als ich mich fragend umschaute.

»Danke. Er ist mal wieder in einer dieser Stimmungen.«

Pavel blickte auf die Schüssel, tauchte einen Finger hinein und leckte ihn ab. »Selbstgemachte Karamellsauce?«

»Natürlich. Ich habe frische Sahne genommen, und ich glaube, das macht wirklich etwas aus.«

Er lächelte. »Habe ich eigentlich in der letzten Zeit erwähnt, wie froh ich bin, dass du nicht tot bist? Nicht nur, weil das Baltic davor bewahrt hat, vor Trauer wahnsinnig zu werden, sondern auch, weil es einfach schön ist, jemanden im Haus zu haben, der gutes Essen schätzt.«

Lachend drückte ich ihm einen Kuss auf die Wange, bevor ich zur Kellertür lief.

»Wenn das Element der schwarzen Drachen Energie ist, was mag dann unser Element sein?«, überlegte ich laut, als ich die schmale Treppe zu Broms Arbeitsbereich hinunterging. Neonröhren an der Decke warfen ein kaltes Licht über seinen Arbeitstisch. Hinter dem Labor befanden sich mehrere Lagerräume. Eine Tür stand offen, und der blasse Schein der Deckenbeleuchtung fiel durch den Eingang.

»Weiße Magie«, kam die gedämpfte Antwort.

Ich berührte die Stelle über meinem Herzen, wo sich das hellbraune Sonnenzeichen befand. Baltic hatte es mir eingebrannt. Er hatte gesagt, es sei das Symbol unserer neuen Sippe, und wenn ich mein Drachenfeuer wieder beherrschte, würde ich das Gleiche für Brom tun. »Kann Pavel weiße Magie nutzen?«

»Nein, aber seine Kinder werden die Fähigkeit haben. Unsere auch.«

Ich war nicht darauf vorbereitet, jetzt schon über weitere Kinder zu sprechen. Ich wusste, dass Baltic ein eigenes Kind wollte, aber ich fand, dass unser Leben erst einmal in ruhigere Bahnen gelenkt werden musste. »Aber du hast schon vorher weiße Magie beherrscht, oder? Hat dir Antonia von Endres deshalb das Lichtschwert gegeben?«

»Meine Großmutter war eine Magierin«, sagte er gleichmütig. Seine Stimme klang immer gedämpfter, und ich hörte, dass er unterdrückt in einer anderen Sprache fluchte. »Von ihr habe ich die weiße Magie gelernt.«

»Mütterlicherseits oder väterlicherseits?«

»Die Mutter meiner Mutter.«

»Dann war deine Großmutter also ein Mensch?« Ich setzte mich auf den kleinen Hocker an Broms Arbeitstisch. »Habe ich eigentlich deine Eltern jemals kennengelernt? Bevor wir getötet wurden, meine ich.«

»Kannst du dich nicht erinnern?«

»Nein. Dieser Teil liegt für mich immer noch im Nebel.«

»Ja, du hast meinen Vater kennengelernt. Als du geboren wurdest, war meine Mutter schon lange tot. Sie hätte dich bestimmt gemocht. Sie hätte sich gefreut, dass ich gerade dich vor allen anderen erwählt habe.«

Wyvern, hatte May mir einmal gesagt, hatten eines gemeinsam – sie hatten alle einen Drachen-Elternteil und einen menschlichen. »Weil ich mit Sterblichen aufgewachsen bin, meinst du?«

»Weil du wie sie gedacht hast, selbst als du wusstest, wer du wirklich warst.«

Ich wollte gerade eine weitere Frage stellen, als Baltic aus dem leeren Zimmer auftauchte. Er trug braune Lederleggings und hohe Stiefel. In der einen Hand hielt er eine lange, fleckige Lederscheide, in der anderen eine schwarze Tunika und etwas, das aussah wie ein kleiner, gebogener Brustschild, der allerdings schon bessere Tage gesehen hatte. Er warf den Brustschild auf einen Stuhl und zog vor meinen erstaunten Augen ein langes Schwert aus der Scheide. Einen Moment lang wog er es in der Hand, dann nickte er. »Ich bin froh, dass Pavel meinen Kürass und mein Schwert retten konnte, bevor Constantine Dauva zerstört hat. Jetzt, chérie, wirst du aufhören, an die Vergangenheit zu denken, und dich auf die Gegenwart konzentrieren.«

Ich starrte ihn an. In meinen Augen brannten Tränen. »Wenn ich dich nicht schon über alles lieben würde, dann würde ich mich genau in diesem Augenblick Hals über Kopf in dich verlieben.«

Er blickte an sich herunter und zog eine Augenbraue hoch. »Dann ist es ja gut, dass ich die Kleidung behalten habe, die ich trug, als Thala mich wiedererweckt hat. Ich hatte ja keine Ahnung, dass sie dich so sehr erregt.«

»Es liegt nicht an der Kleidung«, sagte ich, stellte die Schale mit der Karamellsoße ab und umfasste sein Gesicht mit beiden Händen. Ich zog seinen Kopf zu mir herunter und überschüttete ihn mit kleinen Küssen.

»Was denn?«, fragte er und legte das Schwert auf Broms Arbeitstisch. Er schlang beide Arme um mich und hob mich hoch. »Warum weinst du?«

»Einfach weil du dir solche Mühe machst, nur um mir eine Freude zu bereiten. Oh Baltic, ich brauche dich nicht in Leggings, obwohl sie mittlerweile noch sexier an dir aussehen als damals. Du brauchst nicht der Mann zu sein, der du warst – ich begehre dich so, wie du jetzt bist. Mein Herz hat dir immer schon gehört, und daran wird sich nie etwas ändern.«

»So sollte es sein«, bestätigte er mit selbstgefälliger Miene, die mich zum Lächeln brachte. »Aber mir macht es nichts aus, deinen Fantasien nachzugeben, wenn sie nicht allzu exzentrisch sind. Hast du ein Hemd?«

Ich blinzelte verwirrt. »Wie bitte?«

»Da wir uns in England befinden, kann ich dich nicht im Tunnel unter Dauva lieben. Dieser Keller wird also als Vorlage für deine Fantasie von der Zeit, als ich dich im Tunnel genommen habe, genügen müssen.« Er schwieg und dachte einen Augenblick lang nach. »Als ich dich das erste Mal im Tunnel genommen habe. Es war einer unserer Lieblingsorte.«

»Ja? Ich … Baltic, ich erwarte gar nicht, dass wir das jetzt nachspielen. Die Vorstellung, dass unsere vergangenen Versionen es in einem geheimen Tunnel getrieben haben, hat mich gar nicht erregt.«

Er zog eine Augenbraue hoch.

»Na gut, ein bisschen schon, aber nicht so sehr, dass du all deine alten Sachen und das Schwert ausgraben musstest. Das ist übrigens mittlerweile schon museumsreif, deshalb solltest du es vielleicht ein bisschen besser behandeln. Die Scheide sieht so aus, als würde sie jeden Moment auseinanderfallen.«

»Möchtest du jetzt von mir hier geliebt werden oder nicht?«, fragte er ungeduldig.

Ich wollte gerade Ja sagen, als mir etwas einfiel. »Du redest immer von meinen Fantasien. Was ist mit dir?«

Verwirrt zog er die Augenbrauen zusammen. »Was soll mit mir sein?«

»Was für Fantasien hast du denn?«

»Ich bin ein Wyvern, ich brauche keine Fantasien«, sagte er kategorisch.

Ich tippte mit den Fingerspitzen auf seine bloße Brust und fuhr leicht an den Muskeln entlang. »Aber ein oder zwei kleine Fantasien sind doch einem Wyvern sicher auch erlaubt, oder?«

Seine Augen weiteten sich. »Die Karamellcreme hat mir gefallen.«

»Ja, aber das war nicht deine Fantasie. Was würde dich wahnsinnig vor Erregung machen, Baltic?« Ich hauchte auf einen Nippel und fuhr mit der Zunge darüber.

Er zog scharf die Luft ein.

»Was würde dich zum Höhepunkt bringen?« Ich ließ meine Finger tiefer über seinen Bauch gleiten und genoss es zu spüren, wie sich seine Muskeln zusammenzogen.

Er hielt die Luft an.

Lächelnd beugte ich mich vor und raunte an seinen Lippen: »Was würde dich rasend vor Lust machen?«

»Ich bin ein Drache.« Seine Augen glitzerten hell. Sein ganzer Körper war angespannt, als ob er zum Sprung ansetzen wollte.

Meine Finger fuhren über die Lederhose und streichelten seinen wachsenden Schaft. »Und was lieben Drachen?«

»Die Jagd«, sagte er mit leiser, rauer Stimme. Es klang so erotisch, dass ich erschauderte. »Gefährtinnen rennen weg. Drachen jagen.«

Ich knabberte an seiner Unterlippe. »Soll ich …?«

»LAUF!«, knurrte er. Rauch drang aus seiner Nase.

Ich schoss die Treppe hinauf, lächelnd, weil ich endlich eine seiner Fantasien herausgefunden hatte, die ich ihm erfüllen konnte. Im Haus war es uninteressant, also rannte ich in den Garten. Ich wollte eine fröhliche kleine Hetzjagd durch die Sträucher und den ans Grundstück angrenzenden Wald veranstalten.

Die Nachtluft war kühl, da es bereits auf den Herbst zuging, aber die frische, klare Luft glitt angenehm über meine erhitzte Haut, als ich durch die langen Schatten im Garten huschte. Ich sprang über eine niedrige Steinmauer und rannte den Abhang hinunter, der in den Wald führte.

Der Mond schien nicht besonders hell, und noch dunkler wurde es, als ich in den Wald kam. Ein Déjà-vu-Gefühl überkam mich, als ich von Baum zu Baum hüpfte und verzweifelt versuchte, ruhiger zu atmen, damit Baltic mich nicht hörte.

»Immer läufst du in den Wald«, rief eine Stimme in gespielt missbilligendem Tonfall. »Der Einfluss der silbernen Drachen ist immer noch stark, chérie, was?«

Wenn er glaubte, ich würde ihm antworten, damit er die Richtung ausmachen konnte, dann hatte er sich geirrt. Ich bewegte mich so leise wie möglich und suchte die Umgebung im dunklen Dämmerlicht nach verdächtigen Bewegungen ab.

»Du antwortest mir nicht? Du hast viel gelernt seit dem ersten Mal. Aber ich habe dich damals gefunden, und ich werde dich auch jetzt finden.«

Ich hätte ihm am liebsten gesagt, wie sehr ich mich darauf freute, dass er mich finden würde, aber ich huschte leise zu einem großen Baum, dessen Stamm über einen Meter dick war. Lächelnd zog ich mein T-Shirt aus und hängte es an einen Ast, bevor ich zum nächsten Baum lief, weg von seiner Stimme.

»Ich kann dich riechen, Gefährtin. Dein Duft verrät dich.« Seine Stimme rief mich, drängte mich, ihn zu finden, aber ich schlüpfte einfach aus meiner Leinenhose und ließ sie auf einem Lorbeerbusch liegen.

Da musste er sich schon mehr anstrengen, damit ich auf seine Köder hereinfiel, dachte ich.

Direkt vor mir schrie eine Eule. Ich zuckte zusammen und blickte angestrengt in die Dunkelheit. War das eine echte Eule oder nur Baltic, der mich neckte?

Sie schrie wieder, und mit einem letzten misstrauischen Blick auf den Baum, von dem das Geräusch kam, lief ich weiter.

»Das kann er nicht sein. Er ist hinter mir«, murmelte ich leise, während ich immer tiefer in den Wald vordrang. Ich musste aufpassen, wohin ich meine Schritte lenkte, damit ich nicht mit den Haaren in den Ästen hängen blieb.

»Was ist das? Ein T-Shirt? Sind deine Brüste entblößt, Ysolde? Soll ich sie liebkosen? Sie lecken?«

Ich lächelte. Mein Plan hatte funktioniert. Jetzt wusste ich genau, wo er war.

»Und auch eine Hose? Du quälst mich, Gefährtin.«

Leise Geräusche der Nacht umgaben uns – das entfernte Motorgeräusch eines Autos, nachtaktive Insekten und ein kleiner Froschchor aus einem nahen Bach. Gelegentlich ertönte das Kreischen eines Nachtvogels, oder ein Nager huschte durchs Gebüsch. Darüber hinaus war ein leises Rascheln zu vernehmen, als ob ein großer Mann sich so leise wie möglich einen Weg durch das Unterholz bahnte, um nach weiteren Kleidungsstücken zu suchen.

Erneut schrie die Eule, dieses Mal schräg über mir, neben drei Weiden, die ineinandergewachsen waren. »Das ist bestimmt ein Liebespaar«, murmelte ich.

»Ja, das sind wir.«

Ich fuhr herum und blickte den Mann, der lässig mit verschränkten Armen an den miteinander verschlungenen Stämmen lehnte, finster an. »Wie hast du das denn geschafft?«

»Was geschafft?«

»Dass es so geklungen hat, als wärst du hinter mir. Das hast du schon damals gemacht, als du mich das erste Mal durch den Wald gejagt hast. Ich mag das nicht.«

Er lächelte wie ein Raubtier. »Dieses Mal kommst du mir nicht nur mit einem Kuss davon«, warnte er und kam geschmeidig auf mich zu.

Eine Sekunde lang dachte ich daran wegzulaufen, aber ich musste mir eingestehen, wie sehr ich mich danach sehnte, von ihm gepackt zu werden. Ich öffnete meinen Büstenhalter und warf ihn ihm vor die Füße.

»Noch mehr Striptease? Ich bin schon erregt.«

»Ach ja? Vielleicht brauche ich noch ein bisschen Erregung.« Die Worte waren mir noch nicht ganz über die Lippen gekommen, da sprang Baltic schon auf mich los. Ich stürzte, drehte mich aber zur Seite, und so landete er neben mir auf dem Boden.

Seine schwarzen Augen glitzerten in der Dunkelheit, und einen Moment lang war ich so voller Liebe für ihn, dass ich nicht sprechen konnte.

Zum Glück erwartete Baltic auch gar keine Reden von mir. Er warf mich auf den Bauch und zog mir die Unterhose aus. Mein Rücken war in Feuer gebadet, als er einen Finger in mich hineingleiten ließ, um bestätigt zu bekommen, dass ich kein Vorspiel brauchte.

»Du gehörst mir!«, grollte er und stieß tief in mich hinein. Meine inneren Muskeln bebten vor Lust, als ich ihn spürte. Unsere kurze gemeinsame Zeit hatte mir klargemacht, dass Drachen ihren Besitz – zu dem auch Gefährten gehörten – sehr ernst nahmen, und so entgegnete ich nichts darauf. Sein primitives, tiefes Verlangen entsprach dem meinen, und es dauerte nicht lange, und ich keuchte seinen Namen. Meine Finger krallten sich um Grasbüschel, als er sich mir ganz hingab.

»Weißt du noch«, sagte ich eine Ewigkeit später, als ich endlich wieder zu Atem gekommen war, »wann ich das immer für dich getan habe?«

Er blickte mich an. Ich kniete vor ihm und half ihm, seine hohen Schaftstiefel anzuziehen. »Ja. Das endete oft damit, dass wir Liebe machten, weil du mich unbedingt in den Mund nehmen wolltest, und diese Gunst musste ich natürlich erwidern. Und dann musste ich dich ein weiteres Mal lieben, weil du schon immer eine fordernde Frau warst.«

Ich biss ihn ins Knie und machte mich an sein anderes Bein. »Warum kann ich mich an solche Nebensächlichkeiten erinnern, aber nicht an die großen Dinge, die, an die ich mich wirklich erinnern will?«

»Du hast den Drachen in dir noch nicht erweckt. Wenn dir das gelingt, wird auch deine Erinnerung wiederkehren.« Er hob mich hoch und trug mich – nackt, da er sich nicht die Mühe gemacht hatte, meine Kleidungsstücke unterwegs aufzusammeln – ins Haus. Ich konnte nur beten, dass Brom fest schlief.

»Warum bist du denn mit deinem Drachenwesen wiedererweckt worden und ich nicht?«

»Fragen über Fragen. Immerzu stellst du Fragen«, lamentierte er und stieg die Treppe hinauf, ohne auch nur im Geringsten außer Atem zu geraten. Ich küsste ihn auf den Hals.

»Ich habe noch mehr: Wieso warst du im Wald auf einmal vor mir, obwohl es klang, als seiest du hinter mir gewesen? Kannst du zufällig wie eine Eule schreien? Und erzähl mir bloß nicht, dass du deine Geheimnisse nicht alle preisgeben kannst, weil ich dann das Interesse an dir verliere. Wir wissen doch beide, dass das nicht stimmt!«

Er lachte, öffnete unsere Schlafzimmertür und stellte mich auf die Beine. »Ich wasche mir die Erde vom Rücken«, sagte er und verschwand im angrenzenden Badezimmer.

»Das kommt davon, dass du mich umgeworfen hast.« Ich pflückte mir ein paar Blätter aus den Haaren. »Und glaub bloß nicht, ich hätte nicht gemerkt, dass du mir meine Fragen nicht beantwortet hast. Ich glaube zwar nicht, dass du schreien kannst wie eine Eule, weil das eigentlich nicht dein Stil ist, aber du könntest mir trotzdem sagen, wie du es gemacht hast, dass es sich angehört hat, als seiest du hinter mir, obwohl du doch vor mir warst.«

Das Rauschen des Wassers war die einzige Antwort, die ich bekam. Ich stieg ins Bett, glättete die Decke und wartete, bis das Geräusch aufhörte. Nach ein paar Minuten Stille blickte ich auf die leicht angelehnte Badezimmertür. »Baltic? Bist du noch da?«

Eine Eule schrie.

Aus dem Badezimmer.

Die Ratte!