13

»Ich finde es einfach ungehobelt von Gabriel und Drake, mich so zu behandeln.«

Baltic, der mir gegenübersaß, zog eine Augenbraue hoch. »Ich bin ein Wyvern. Ich habe es nicht nötig, dich darauf hinzuweisen, dass ich recht hatte und du unrecht.«

Wütend presste ich die Lippen zusammen.

»Ich hatte trotzdem recht«, fuhr er selbstgefällig fort. »Sie glauben nur was sie wollen. Es sollte dich nicht mehr überraschen, wenn du wie eine Schuldige behandelt wirst.«

Ich blickte über seinen Kopf hinweg zu Maata und Tipene, die an der Tür standen. Pavel saß an einem der Fenster, wobei die anderen von einem Mann bewacht wurden, der mir als Mikhail vorgestellt worden war, der Sohn eines schwarzen Drachen, der Constantines Gemetzel überlebt hatte. Mikhail beobachtete mich mit einer dermaßen eindringlichen Miene, dass ich vor Unbehagen hin- und herrutschte.

Mein verunglückter Zauber hatte alle Wachen auf den Plan gerufen. »Maata, glaubst du etwa, ich hätte May und Gabriel ernsthaft etwas getan? Sie wirklich verletzt? Nein, das kannst du unmöglich glauben – das ist doch lächerlich. Und jetzt bestehen diese blöden Wyvern auch noch darauf, dass ich mich fernhalte, um nicht noch einen Zauber auszuführen, solange sie alles besprechen. Als ob ich jemanden verletzen könnte! Na ja, im Moment bin ich schwer in Versuchung, einige Drachen in Bananen zu verwandeln, aber ich würde sie auch wieder zurückverwandeln. Wahrscheinlich.«

»Hey«, sagte Jim und steckte seinen Kopf durch die Tür. Maata und Tipene sprangen erschrocken zurück. »Baltic, Drake sagt, du sollst kommen und mit ihnen reden.«

»Es wird aber auch Zeit«, sagte ich und stand auf.

»Nur Baltic«, erklärte Jim. »Sie sagen, du regst dich zu sehr auf, Ysolde, was ja wirklich schon eine Menge heißt, wenn man bedenkt, wie nah am Rande des Wahnsinns Baltic ist.«

Baltic blickte den Dämon an und setzte seine Schuhe in Brand.

»He! Nicht die Schuhe! Das sind italienische. Die haben mich mein Taschengeld für einen ganzen Monat gekostet!« Jim hüpfte herum und versuchte, die Flammen auszutreten.

»Wenn Drake mir etwas zu sagen hat, dann kann er es auch vor Ysolde tun«, erklärte Baltic.

»Ja! Absolut! Wir sind doch nicht blöd! Sie wollen uns nur trennen, damit sie gemeine Sachen zu Baltic sagen können. Das werde ich nicht zulassen.«

»Ash hat gesagt, du könntest mit ihr und May über euer kleines Problem auf der Veranda reden«, fügte Jim hinzu. Er hatte die Flammen erfolgreich mit einem prallen Kissen erstickt. »Mann, und ich dachte, Dämonen hätten ein aufbrausendes Temperament.«

»Was für ein Problem hast du mit der Veranda?«, fragte Baltic mich leicht verwirrt.

»Ich habe kein Problem mit der Veranda, jedenfalls nicht, dass ich wüsste. Jim, von was redest du überhaupt?«

Jim seufzte. »Aisling will mit dir auf der Veranda reden. Über dein kleines Problem.«

Baltic und ich blickten den Dämon verständnislos an.

»Muss ich es aufmalen?« Er fuchtelte mit den Händern in der Luft herum. »Dein kleines Problem mit Ko-ho-stich.«

»Oh.« Ich blickte Baltic an. »Äh … vielleicht solltest du alleine mit den Drachen reden, Baltic. Schließlich muss dein Name reingewaschen werden.«

»Das ist dein Ziel, nicht meins.« Er musterte mich einen Moment lang aus seinen dunklen Augen. »Was für ein Problem hast du mit Kostich?«

»Nichts. Nichts Persönliches. Ich muss etwas für ihn erledigen, das ist alles.«

»Was?«

Ich mied seinen Blick, der sich mir bis in mein Gehirn zu bohren schien. »Nur etwas, das ich tun wollte, damit er das Verbot aufhebt.«

»Erzähl mir davon.« Das war ein Befehl, keine Bitte, aber zum Glück wusste Baltic, dass ich nichts mehr hasse, als Befehle zu erhalten. Ich brauchte ihn noch nicht einmal besonders böse anzublicken, bevor er kapitulierend die Hand hob. »Pax. Ich werde mit den Wyvern sprechen, weil du mich darum gebeten hast, aber wenn ich das getan habe, wirst du meiner Aufforderung nachkommen und mir erklären, was du für Kostich machen sollst.«

»Das ist nur fair. Aber bring sie nicht wieder alle gegen dich auf, hörst du?«

Mit einem ungehaltenen Laut erhob er sich und verließ das Zimmer. An der Tür trat er zur Seite, um Aisling und May hineinzulassen. Er warf mir einen letzten, durchdringenden Blick zu, bevor Pavel und er Jim durch die Tür folgten.

»Es ist in Ordnung, wenn ihr mal Pause machen wollt«, sagte Aisling zu den drei Wachen. Maata und Tipene wechselten zögernde Blicke.

»Wir versprechen euch, wir reden nur«, fügte May lächelnd hinzu. Die beiden silbernen Wachen nickten und verließen das Zimmer. Nur Mikhail, der mich immer noch fasziniert betrachtete, blieb zurück.

»Buh!«, sagte ich zu ihm.

Er sprang fast einen Meter in die Luft.

»Geh. Wir wollen allein sein«, sagte Aisling und hielt ihm die Tür auf.

Er machte beim Rausgehen einen weiten Bogen um mich.

»Endlich«, sagte Aisling seufzend und setzte sich mir gegenüber. »Bevor wir anfangen, wollte ich dich noch etwas zu Jim fragen.«

»Es tut mir wirklich leid. Aisling. Ich habe alles versucht, um ihn wieder zurückzuverwandeln.«

»Liegt es daran, dass deine magischen Kräfte verrückt spielen?«, wollte Aisling wissen.

»Ich glaube schon. Nichts läuft richtig.«

»Ich dachte, wenn du die Gnade der drei Weisen hast, dann wäre das Problem behoben«, sagte May.

»Das dachte ich auch, aber dem ist nicht so. Anscheinend werde ich durch etwas anderes blockiert. Hast du versucht, Jim wieder in Hundegestalt zurückzuverwandeln?«, fragte ich Aisling.

»Einige Male. Er nimmt zwar seine richtige Gestalt an, aber kurz darauf wird er wieder zum Menschen. Es ist so, als wäre die Gestalt, die du gezaubert hast, stärker.«

»Das ist einfach bizarr. Ich habe keine Ahnung, was da schiefgelaufen ist.«

Jim, der wieder ins Zimmer zurückgekommen war, warf mir einen kläglichen Blick zu. »Ich muss doch nicht so bleiben, oder? Die Gestalt geht mir total auf die Nerven. Ich kann im Garten nicht auf Sachen pinkeln, ich kann mein Gemächt nicht lecken, und ich kann nicht auf Ceciles göttliche Öhrchen sabbern … Es ist zum Kotzen!«

Aisling warf ihm einen verweisenden Blick zu. »Geh zu den anderen.«

»Warum?«, fragte er misstrauisch. »Willst du über etwas sprechen, was ich nicht hören soll? Willst du über Techniken reden oder Größen vergleichen oder …«

»Geh!«, befahl Aisling.

Jim ging, knallte aber die Tür hinter sich zu.

»Ich kann es selbst kaum glauben, aber er scheint ernsthaft Probleme damit zu haben«, sagte May, als der Dämon weg war. »Kannst du nicht mit Dr. Kostich reden? Vielleicht kann er dir ja helfen.«

»Er war beim letzten Mal nicht besonders glücklich darüber, mich zu sehen. Aber … ach, zum Teufel. Viel kann er mir ja sowieso nicht mehr antun, oder?«

Es wurde unbehaglich still, und die beiden anderen Frauen mieden meinen Blick.

Ich seufzte. »Ja, doch, das kann er. In Ordnung, ich rede morgen mit ihm. Am besten wäre es wohl, wenn Jim mitkäme, falls Kostich den Zauber lösen kann.«

»Er kommt ins Hotel«, versprach Aisling.

»Wenn du auch noch mitkämest, wäre Kostich vielleicht geneigter, etwas zu unternehmen«, schlug ich vor.

Aisling verzog das Gesicht. »Wir lieben uns nicht besonders, aber wenn du denkst, es ist besser für Jim, gehe ich mit. Aber lass uns über deine Aufgabe für Dr. Kostich reden. May hat mir kaum etwas darüber erzählt. Wobei genau brauchst du unsere Hilfe?«

Ich schilderte ihnen ausführlich mein Treffen mit Violet und ihrem Vater.

»Dr. Kostich hat eine Enkelin, die ein Drache ist?« Aisling musste lachen. »Oh, das muss ich unbedingt Drake erzählen. Wenn ich mir vorstelle, dass Kostich einen Drachen in der Familie hat. Das ist ja wirklich stark! Aber wer sollen denn die Ouroboros-Drachen sein, mit denen seine Enkelin Umgang hat?«

»Ich habe keine Ahnung. Ich hatte gehofft, dass ihr zwei mir mehr über die Ouroboros-Drachen erzählen könntet.«

»Ich weiß nicht viel über sie«, gab Aisling zu. »Im Adlerhorst in Nepal sind wir welchen begegnet, aber Drake hat mir nur erzählt, dass sie zu keiner Sippe gehören.«

»Ja«, sagte ich versonnen und dachte an die Vision. Mein Magen zog sich vor Angst zusammen.

May musterte mich. »Bedrückt dich etwas?«

Bevor ich antworten konnte, öffnete sich die Tür. Vier Arme schoben Jim hinein, und dann wurde die Tür wieder zugeschlagen.

Aisling zog die Augenbrauen hoch.

Jim grinste. »Sie haben mich aus ihrer Sitzung geworfen. Sie sagten irgendwas davon, dass ich nichts Hilfreiches zur Diskussion beitragen würde. Mann, diese Drachen sind ja vielleicht ein arroganter Haufen. Und? Heckt ihr einen Plan aus, Kostich zu vernichten?«

»Du lieber Himmel, nein«, antwortete ich schockiert.

»Mist. Das hätte bestimmt Spaß gemacht. Was wollt ihr denn dann mit ihm machen?«

»Ich wollte May und Aisling gerade von der Vision erzählen, die ich hatte.«

»Habe ich schon wieder Gruppensex verpasst? Dann bin ich aber sauer, weil das immer so viel Spaß macht. Worum ging es denn dieses Mal?«

Ich zögerte ein paar Sekunden, dann begann ich, die Szene im Adlerhorst zu beschreiben.

Aisling blickte mich verwirrt an. »Das muss gewesen sein, als Kostya dort oben eingesperrt war. Aber wer war die Frau? Und sie hatte einen Geist als Diener? Warum sollte eine Frau mit einem Geist denn daran interessiert sein, Kostya gefangen zu halten?«

»Das ist wirklich eine gute Frage.« Ich blickte Jim zweifelnd an. »Du bewahrst Stillschweigen über das, was wir hier besprechen, Jim, verstanden?«

»Natürlich«, antwortete Aisling. Sie beugte sich vor. »Erzähl!«

Ich holte tief Luft. »Jemand, der an Kostya interessiert ist, kann ja nur ein Drache sein. Deshalb muss die Anführerin der Ouroboros auch ein Drache gewesen sein, und ich kann mir nur eine Person vorstellen, die ein Drache ist, gleichzeitig aber Geister beschwören kann.«

»Kostichs Enkelin«, sagte May und riss die Augen auf.

Ich nickte. Jim pfiff leise.

»Du meinst, diese Maura ist für Kostyas Gefangenschaft im Adlerhorst verantwortlich?«, fragte Aisling. »Warum? Was hätte sie davon?«

»Ich habe keine Ahnung. Deshalb habe ich ja gehofft, ihr beiden könntet mir etwas mehr über diese Gruppe von Drachen erzählen.«

»Stamm«, korrigierte May mich. »Gabriel hat mir gesagt, sie bilden Stämme, die von einem Stammesfürsten angeführt werden. Die Frage ist doch, warum will Mauras Mutter es so darstellen, als ob der Stamm Maura gegen ihren Willen festhält, wo sie doch in Wirklichkeit ihr Anführer ist?«

»Noch eine gute Frage. Die Akasha-Liga sagte, sie würde sich bei mir melden, aber bis jetzt habe ich noch nichts gehört. Ich will ihr erzählen, dass ich gerne einen Drachen wiedererwecken möchte, damit ich sie persönlich kennenlernen und die Situation beurteilen kann. Ich habe allerdings keine Ahnung, was ich Kostich erzählen soll, wenn sich herausstellt, dass sie die Drachen anführt, die ihm so zusetzen.«

»Ja, das könnte funktionieren«, sagte Aisling nachdenklich. »Einen Drachen wiederzuerwecken ist ein guter Vorwand, weil man sich so intensiv darauf vorbereiten muss, dass du Zeit gewinnst, um ihre Rolle bei dem Ganzen einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.«

»Was für einen Drachen denn?«, fragte Jim und ließ sich neben Aisling auf die Couch fallen.

»Ich weiß nicht. Spielt das eine Rolle?«, fragte ich.

»Na klar. Ein kleiner, unwichtiger Drache würde keine großen Probleme bereiten. Du brauchst einen großen Drachen, jemand wichtigen, jemand, der dieser Maura Mühe bereitet. Jemand wie Constantine.«

Ich starrte Jim an. »Warum gerade Constantine?«

Der Dämon schnalzte mit der Zunge. »Ash sagt, der Erste Drache erwartet von dir, dass du Connies Ehre wiederherstellst, aber du weißt nicht, wie du das anstellen sollst, stimmt’s? Also fragst du am besten den Typen selbst.«

»Constantine wiederauferstehen lassen?«, fragte Aisling.

»Heilige Maria«, sagte ich, als ich mir vorstellte, was Baltic dazu sagen würde. »Ich glaube nicht, dass es gut wäre, Constantine wiederauferstehen zu lassen.«

»Nein, überhaupt nicht gut«, warf May ein. Zwischen ihren Augenbrauen erschien eine steile Falte. »Gabriel ist der Wyvern der silbernen Drachen. Wenn man Constantine zum Leben erweckt, würde er bestimmt die Sippe zurückhaben wollen, und Gabriel würde sie ihm nie im Leben geben. Das wird niemals funktionieren, ganz gleich, wie sehr Gabriel ihn respektiert.«

»Ich glaube, darüber brauchen wir uns keine Gedanken zu machen«, sagte Aisling. »Maura kann niemanden wiedererwecken, oder?«

»Nein, nicht wirklich. Aber sie kann Connie als Schatten zurückholen«, antwortete Jim. »Das tun Geisterbeschwörer.«

Ich dachte einen Augenblick nach. »Geister können niemanden um eine Sippe herausfordern, oder?«

Aisling warf mir einen nachdenklichen Blick zu. »Ich wüsste nicht, wie. Es sind schließlich Geister

Ich nickte. »Wenn ein Geist also Gabriel gar nicht herausfordern könnte, dann wäre doch alles in Ordnung. Und es wäre sicher hilfreich, wenn Constantine mir ein paar Hinweise dazu geben könnte, wie ich seine Ehre retten könnte. Aber … aber wie wird so ein Drachengeist beschworen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass es leicht ist, und Maura wird sicherlich Unterstützung wollen, wenn ich sie darum bitte. Wo sollen wir denn beginnen?«

Jim zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Das muss Kostichs Enkelin wissen.«

»Hmm.« Ich überlegte, wie ich am besten zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen konnte. »Wenn Maura Constantines Geist beschwören würde, könnte ich eine öffentliche Vergebungszeremonie oder so arrangieren, um seine Ehre wiederherzustellen, und ich könnte so viel Zeit mit Maura verbringen, dass ich herausbekäme, was mit ihr los ist. Brillante Idee, Jim. Ich schulde dir ein Abendessen.«

Der Dämon verzog selbstgefällig das Gesicht. »Ich bin dabei, Babe.«

Wir diskutierten noch eine halbe Stunde über das Thema, bis Maata zu uns kam und uns mitteilte, dass unsere Anwesenheit erwünscht sei.

Als ich das Wohnzimmer betrat, fiel mein Blick sofort auf Baltic, der am Fenster stand und den anderen den Rücken zugewandt hatte. Seine Körpersprache vermittelte Ärger und Ungeduld, aber nicht die Wut, die ich befürchtet hatte.

»Und? Habt ihr etwas ausgearbeitet, um den Krieg zu beenden, sodass die beiden wieder in den Weyr zurückkehren können?«, fragte Aisling, die sich sofort an Drakes Seite begeben hatte.

»Eigentlich nicht.« Drake blickte mich an. »Bastian lässt Fiat suchen. Chuan Rens Erbe scheint verschwunden zu sein. Bis wir mit beiden reden können, befinden wir uns in einer Pattsituation.«

»Das klingt nicht gut«, murmelte ich leise. Ich trat zu Baltic. Er wandte den Blick nicht vom Fenster ab, legte aber den Arm um mich. »Wenigstens behauptet Bastian nicht, dass Baltic hinter dem Ganzen steckt.«

»Eigentlich ist das Gegenteil der Fall«, sagte Gabriel. Er lächelte May an. Sie erwiderte sein Lächeln, und ich dachte einen Moment lang, sie würden sich hier vor allen Leuten küssen, aber anscheinend kam ihnen gerade noch rechtzeitig zu Bewusstsein, wo sie sich befanden. »Fiat ist zu seinem Gefängnis zurückgekehrt und hat ein halbes Dutzend seiner Wächter umgebracht, bevor Bastian es verhindern konnte.«

»Oh, diese armen Drachen. Bastian ist bestimmt außer sich«, sagte Aisling.

»Sag nicht, dass Thala ihm geholfen hat«, sagte ich. Mein Magen krampfte sich zusammen.

»Nein«, antwortete Baltic, bevor Drake etwas sagen konnte.

Ich blickte den Mann an, der meine Seele mit solcher Freude erfüllte. »Woher weißt du das?«

Baltic schwieg.

Ich stupste ihn an. »Du hast ihn beobachtet, stimmt’s? Fiat, meine ich.«

»Ja«, antwortete er und wandte sich endlich zu mir. »Er hat mir eine Nachricht geschickt. Er hat mir geschworen, mir meine Mitwirkung an seiner Vernichtung heimzuzahlen. Solange er verhaftet war, haben mich seine Drohungen nicht besonders gekümmert, aber in der Vergangenheit ist der blaue Wyvern zu sorglos mit Fiat umgegangen, und ich habe befürchtet, dass er sich direkt auf Brom und dich stürzen würde, wenn er das nächste Mal entkommen würde. Ich habe mich geirrt.«

»Und wie«, stimmte May ihm zu.

»Ich liebe dich«, sagte ich zu ihm und küsste ihn trotz der anderen Drachen im Zimmer mitten auf den Mund.

Er schlang die Arme um mich und zog mich hoch, sodass ich ihn richtig küssen konnte. Sein Feuer raste durch uns hindurch und hüllte uns in einen Mantel der Erregung, Liebe und des Verlangens ein. Es fühlte sich so wundervoll an, dass alles andere zu Bedeutungslosigkeit verblasste.

Fast.

»In Anbetracht der Tatsache, dass Fiat dem Wahnsinn verfallen ist und er nicht nur vier blaue Drachen ermordet hat, die ihn bewachen sollten, sondern auch Chuan Ren, sind wir bereit, noch einmal über die Frage zu diskutieren, ob Baltic etwas mit dem Tod der siebenundsechzig blauen Drachen zu Beginn dieses Jahres zu tun hatte.« Drake blickte mich gleichmütig an. »Aus diesem Grund habe ich einen sárkány einberufen, bei dem darüber entschieden wird, ob die Kriegserklärung zwischen dem Weyr und eurer Sippe aufgehoben werden soll.«

»Toll!«, sagte Aisling und warf sich Drake an den Hals. »Ich wusste, dass du es in Ordnung bringen würdest.«

»Es ist alles andere als in Ordnung«, sagte Kostya. »Die Feindseligkeiten sind noch nicht eingestellt, und wir werden die beiden Überlebenden des Überfalls noch einmal befragen müssen. Und was Baltics Stellvertreterin anbelangt, werden wir Nachforschungen anstellen müssen hinsichtlich ihrer Beweggründe, Fiat zu befreien.«

»Aber wenn das alles geschehen ist, sind wir wieder Teil des Weyr, oder?«, fragte ich und seufzte vor Erleichterung.

»Nein.«

Das Wort ließ meinen Wunschtraum von einer glücklichen Welt, in der alles wieder in Ordnung war, zerplatzen wie eine Seifenblase. »Warum nicht?«

Kostya blähte die Nüstern und nickte Gabriel zu. »Es gibt anscheinend eine Vereinbarung, die ihr noch nicht erfüllt habt.«

»Was für eine … oh.« Als Gabriel Baltic anblickte, dämmerte es mir.

»Die silbernen Drachen sind bereit anzuerkennen – wobei ein weiteres Gespräch mit den Überlebenden abzuwarten bleibt –, dass Baltic am Tod der blauen Drachen nicht direkt beteiligt war und der Krieg daher eingestellt wird. Dies gegenüber dem Weyr einzugestehen ist jedoch eine andere Sache, und wir können einen solchen Akt nicht durchführen ohne eine Geste des guten Willens eurerseits.«

»Der Fluch.« Ich warf Baltic einen Blick zu. »Es ist an der Zeit, dass er beendet wird, Baltic. Ich lebe, Constantine ist tot, und wir sind zusammen.«

Er erstarrte. »Ich habe keinen Grund, ihn aufzuheben, Gefährtin.«

»Wenn du es nicht tust, werden wir nicht zum Weyr zugelassen«, entgegnete ich.

Sein Blick war ebenso steinern wie seine Haltung. »Die silbernen Drachen waren verantwortlich für deinen Tod und die Zerstörung unserer Sippe. Das kann ich nicht einfach so verzeihen.«

»Aber …«

»Nein. In diesem Punkt werde ich nicht nachgeben.« Er schüttelte meine Hand ab, und mit einem letzten finsteren Blick auf Gabriel verließ er das Zimmer, gefolgt von Pavel.

»Es tut mir leid. Ich werde auf ihn einwirken«, sagte ich zu Gabriel und May. »Gebt die Hoffnung noch nicht auf.«

»Du bist die einzige Hoffnung, die wir haben«, sagte Gabriel. Er ergriff meine Hand und beugte sich darüber. »Enttäusche uns nicht, Ysolde.«

»Es wäre mir wirklich lieber, die Leute würden das nicht ständig zu mir sagen«, murmelte ich, als ich Baltic hinterhereilte. »Langsam bekomme ich einen Komplex.«