5

»Mission: Impossible ist nichts dagegen! Das ist genau wie früher, wenn ich dir geholfen habe, Mayling!«

May verzog das Gesicht. »Äh … ja, Aisling, was siehst du?«

»Zwei Wachen an der Südseite, so wie Drake auch gesagt hat. Aisling senkte das Nachtsichtgerät und drückte einen Knopf an ihrer Armbanduhr. »Die neue Schicht müsste in einer Viertelstunde anfangen.«

»Bist du sicher, dass dies der richtige Zeitpunkt ist?« Ich blickte stirnrunzelnd in die Dunkelheit. Das Haus ragte wie ein dunkler Schatten vor dem etwas helleren Himmel empor. Seltsam geformte dunkle Flecken lagen zwischen uns und dem Haus und vermittelten das unheimliche Gefühl, dass das Haus von mehr als nur einer Handvoll Drachen bewacht wurde. Ich beobachtete einen der Flecken scharf, weil ich meinte gesehen zu haben, wie er sich bewegt hatte, aber das fahle Mondlicht hatte mir sicherlich nur einen Streich gespielt. Das sind nur Eibenhecken, sagte ich mir. Sie sehen nur so aus wie furchterregende Wesen. »Die neuen Wachen sind bestimmt hellwach, oder? Sie können uns doch viel besser sehen als die müden Wachen.«

»Ja, aber beim Schichtwechsel sind die Wachen erst einmal mit sich selbst beschäftigt und achten nicht so auf das Haus, und dadurch haben wir Zeit, uns frei zu bewegen«, erklärte Aisling.

»Keine Sorge, Baby, wir haben so etwas schon einmal gemacht«, sagte Jim und schnüffelte an meinem Bein. »Als Ash und May in die Schatzkammer in Suffrage House eingebrochen sind, haben sie es auch während des Schichtwechsels gemacht. Das hat wunderbar funktioniert.«

»Ich will ja niemanden beunruhigen, aber meine Zauberkraft macht mir ein bisschen Sorgen. Sie war noch nie sehr zuverlässig, und ich hatte noch keine Gelegenheit, sie auszuprobieren, seit Dr. Kostich mir die Gnade der drei Weisen verliehen hat. Ich habe immer geglaubt, es liefe alles falsch, weil ich die Magie nicht unter Kontrolle hatte, aber jetzt denke ich, es liegt wohl eher daran, dass ich wegen des Drachens in mir sowieso nicht mit Magie umgehen kann. Hat sich dieser Strauch gerade bewegt?«

Die drei Frauen drehten sich zu der Stelle um, auf die ich zeigte.

»Ich glaube nicht. Können sich Sträucher denn von alleine bewegen?«, fragte Cyrene zweifelnd.

»Nein, natürlich nicht«, antwortete May ruhig.

»Normalerweise nicht, aber wenn das nun gar keine gewöhnlichen Sträucher sind«, gab ich zu bedenken und betrachtete misstrauisch die dunklen Flecken. »Vielleicht hat Drake ja etwas mit ihnen gemacht.«

»Mann, ich kriege noch zu viel, wenn sie nicht endlich aufhört, sich zu fragen, ob sich die Sträucher bewegen«, murrte Jim.

Aisling schnaubte. »Ich kann dir versichern, dass er lediglich dafür gesorgt hat, dass das Haus rund um die Uhr bewacht wird. Es war nicht einfach herauszufinden, wer genau hier Wache schiebt und wann Schichtwechsel ist. Ich musste so tun, als wollte ich mich im Haus aufhalten, damit er mir die Details verrät, und selbst das war nicht so einfach. Wir haben Glück, dass Drake für ein paar Tage nach Budapest musste, um sich um irgendwelche Geschäfte zu kümmern, weil ich auf keinen Fall hätte verschwinden können, ohne dass er etwas merkt. Jim, hör endlich auf, dich so an mein Bein zu drücken. Die Sträucher sind nicht böse. Ysolde sieht Dinge, die nicht da sind.«

»Das liegt bestimmt nur an den Wolken, die sich immer wieder vor den Mond schieben«, sagte May, nachdem sie einen Strauch aufmerksam gemustert hatte.

»Hmm.« Ich blickte auf meine Armbanduhr. Noch zwölf Minuten. »Ist Gabriel auch nicht zu Hause, May?«

Sie lächelte. »Zu Hause ist er in Australien. Nein, wir müssen uns noch um ein paar Angelegenheiten hier in London kümmern, deshalb sind wir noch hier.« Sie warf ihrem Zwilling einen seltsamen Blick zu, aber Cyrene, die mit dem Rücken an einen Baum gelehnt auf dem Boden saß, bemerkte es nicht. Sie war damit beschäftigt, eine SMS zu schreiben.

»Ich meinte ja auch nur, ob er nicht in eurem Haus in London ist, sodass du einfacher wegkonntest.«

»Oh, nein. Er ist in England.«

Ich zog die Augenbrauen hoch. »Musstest du in die Schatten gehen, um dich aus dem Haus zu schleichen?«

»Ich habe mich nicht aus dem Haus geschlichen.« Sie lächelte mich an. »Gabriel ist hier. Nun, in Reevesbury, aber natürlich nicht bei uns.«

Aisling und ich starrten sie an.

»Er ist hier in der Nähe?«, fragte Aisling.

»Dieser Gabriel ist ein ganz durchtriebener Bursche«, sagte Jim und trottete zu Cyrene, um ihr über die Schulter zu blicken. »Boa, sagst du so was zu Neptun?«

»Jim!« Cyrene schob ihn beiseite und steckte hastig ihr Handy in die Tasche. »Es ist verboten, die SMS anderer Leute zu lesen.«

»Er ist hier in der Stadt, ja«, sagte May, die zu ihrem Zwilling geblickt hatte.

»Ist Brom bei ihm?«, fragte ich besorgt.

»Nein, er ist in London bei Maata und Tipene. Ich glaube, sie wollten heute Abend einen Mumienfilm-Marathon machen. Wir hielten es für besser, wenn er dableibt, bis ihr ihn morgen abholen kommt. Du willst doch sicher nicht, dass Gabriel ihn herbringt, oder?«

»Nein. Ich glaube zwar nicht, dass er Probleme machen würde, aber mir ist es lieber, wenn er aus der Kampfzone herausgehalten wird.«

May sah Aisling und mir an, dass uns bei dem Gedanken an Gabriel nicht ganz wohl war. »Ihr braucht euch keine Sorgen zu machen, dass Gabriel unsere Pläne irgendwie durchkreuzt. Ihm ist klar, dass das unsere beste Chance ist, Baltic dazu zu bringen, dass er den Fluch aufhebt. Außerdem hat er sowieso nie einen Sinn darin gesehen, Thala noch länger gefangen zu halten.«

»Die Stimme der Vernunft inmitten einer Horde von Irren«, murmelte ich.

Zu meiner Überraschung lachte Aisling. »Wenn du wüsstest, wie oft ich das schon über die Drachen gedacht habe … Aber du musst sie einfach trotz ihrer archaischen Regeln lieben.«

Aisling, May und ich lächelten. Ich dachte an Baltic, der mich manchmal so wütend machte, dass ich mir am liebsten die Haare raufte. Aber dann war ich wieder so von Liebe zu ihm erfüllt, dass mir schon die Tränen in die Augen traten, wenn ich nur daran dachte, was er durchgemacht hatte.

»Warum versuchst du deine Zauberkräfte nicht schon einmal?«, schlug May vor. Cyrene kam zu uns geschlendert. »Wir haben noch neun Minuten Zeit. Es wäre doch eine gute Gelegenheit, um festzustellen, ob diese Gnade, die Dr. Kostich dir verliehen hat, etwas nützt.«

»Gute Idee.« Ich blickte mich um, um etwas zu suchen, das ich verzaubern konnte.

»Oooh, Magie«, sagte Cyrene. »Ich liebe Magie. Kannst du nicht Jim in irgendetwas verwandeln? In eine Kröte vielleicht?«

»Hey!«, protestierte Jim und wich zurück.

»Das ist ein verlockender Gedanke, aber ich finde, ich sollte mit etwas Kleinerem anfangen.« Ich richtete meine Aufmerksamkeit auf einen kleinen Stein, der am Fuß einer in der Nähe stehenden Weide lag. »Ich werde einen einfachen Zauberspruch aussprechen, um diesen Stein in einen Zungenstein zu verwandeln.«

»Was ist denn ein Zungenstein?«, fragte Aisling und trat neben mich, als ich den Stein aufhob und ihn von Gras und Erde befreite.

»Das habe ich bei einem serbischen Roma-Stamm gelernt. Zungensteine werden traditionell aus kleinen Meteoriten oder aus Steinen, die vom Blitz getroffen wurden, gemacht und sind so mit Energie aufgeladen, dass sie zum Wahrsagen verwendet werden können. Jeder kann einen Zungenstein machen, aber da man ihn vergraben und auf ihn urinieren muss …« Ich warf Jim, der die Ohren gespitzt hatte, einen scharfen Blick zu. »… ich werde ihn allerdings mittels meiner Zauberkraft herstellen.«

»Magische Pisse? Iiih«, sagte Jim und schnüffelte an meiner Hand, als ich über dem Stein ein Muster in die Luft zeichnete.

»Ich habe noch nie einen Magier bei der Arbeit gesehen«, flüsterte Aisling May zu. »Ich dachte, sie würden Zaubersprüche aussprechen und nicht Zeichen in die Luft malen.«

»Das sind beides Elemente in der Magie«, sagte ich und suchte die Stelle in meinem Kopf, aus der die Magie floss. Wenn ich sie finden würde, konnte ich den Zauber durchführen, aber sie schien irgendwie durch Baltics Drachenfeuer blockiert zu sein. Dann würde ich das eben benutzen.

»Vom weitesten Stern zur tiefsten Erde, Stein aus Blitz geboren, zu mir wirst du sprechen.« Ich hielt den Stein über den Kopf und benutzte das Feuer, um ihm Wahrsagekräfte zu verleihen. »Aus Blitz geboren, geschmiedet in Feuer, ins Wasser getaucht, in der Erde vergraben. Alle Elemente vereinen sich in dir; enthülle uns jetzt deine wahre Natur!«

Ein blauweißer Lichtblitz zuckte empor, aber es gab zum Glück keinen Knall. Ich ließ die Hand sinken und merkte sofort, dass etwas schiefgegangen war.

»Äh …« Aisling schürzte die Lippen.

»Das sieht nicht richtig aus«, meinte May.

Überrascht starrte ich auf das braunweiße Kaninchen, das auf meiner Hand saß. »Ach, Mist!«

»Ein Häschen!«, rief Cyrene begeistert und nahm es mir weg.

Jim trat zu ihr. »Du meinst wohl Abendessen! Lecker!«

»Wenn du auch nur daran denkst, gehst du nach Akasha«, warnte Aisling ihn.

»Es ist doch nicht real«, wandte Jim ein. »In Wirklichkeit ist es ein Stein. Stimmt’s, Soldy?«

Ich ging im Geiste den Zauber noch einmal durch, um herauszufinden, was falsch gelaufen war. »Nein, alles war korrekt«, sagte ich dann kopfschüttelnd. »Es hätte eigentlich funktionieren müssen. Warum bist du denn kein Stein?«, fragte ich das Kaninchen.

Es rümpfte die Nase und sprang aus Cyrenes Armen, um in der Nacht zu verschwinden.

»Mit euch kann man überhaupt keinen Spaß haben«, murrte Jim und blickte ihm traurig hinterher.

»Man kann mit einiger Sicherheit sagen, dass deine Magie immer noch mit Fehlern behaftet ist«, stellte May fest. Zögernd fuhr sie fort: »Vielleicht sollten wir unsere Aktion erst dann starten, wenn sie wiederhergestellt ist?«

»Ich weiß nicht, wann ich wieder Gelegenheit dazu bekomme«, sagte Aisling. »Drake lässt die Babys nicht gerne lange allein, und Gabriel wird das Thema von Thalas Freilassung sicher nicht anschneiden. Für Jim und mich muss es leider heute Nacht stattfinden.«

»Es wird schon klappen«, sagte ich. »Das Problem war wohl, dass ich Baltics Feuer benutzt habe und nicht meinen Glücksort, und deshalb ist der Zauber ein bisschen danebengegangen.«

»Deinen Glücksort? Ist das so was wie eine Tür in deinem Kopf, die du öffnen kannst, um die Dinge anders zu sehen?«, fragte Aisling.

»Nein, so nicht. Es ist der Ort in meinem Kopf, wo meine Magie herkommt. Dort ist es ruhig und voller Licht, mit dem ich die Dinge umsetzen kann. Nach der letzten Fugue konnte ich ihn nicht mehr finden, aber das liegt wahrscheinlich daran, dass so viel passiert ist. Dr. Kostich hat uns Lehrlingen immer gesagt, dass unser Glücksort gelegentlich abhandenkommen könnte, aber nie für lange Zeit.«

»Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich würde es mich einiges kosten lassen, Dr. Kostich zu jemandem sagen zu hören: ›Finde deinen Glücksort‹«, gab Jim zum Besten.

May lachte. »Ja, ich auch.«

»Bist du sicher, dass du das hier mit deiner Zauberkraft hinbekommst?«, fragte Aisling mich. »Wenn nicht, können wir auch Jim opfern, damit du sie noch einmal ausprobieren kannst.«

»Hey! Ich will kein Opfer sein!«

»Es wird schon gehen«, versicherte ich ihr, obwohl ich mir da gar nicht so sicher war. Die vielen Schutzzauber zu durchbrechen, die das Haus zweifellos umgaben, verlangte meinen Fähigkeiten einiges ab.

»In Ordnung.« Sie blickte auf ihre Uhr. »Wir haben gleich die volle Stunde erreicht. Sind alle bereit?«

Zustimmendes Gemurmel ertönte.

»Ich hoffe, ich kann meinen Taser einsetzen«, flüsterte Cyrene mir zu, als wir May folgten, die als offizieller Schattengänger die Spitze übernahm, um uns vor Wachen warnen zu können, die uns bis jetzt nicht aufgefallen waren. »Ich wollte ihn schon lange einmal ausprobieren, aber Kostya will mir einfach nicht erlauben, ihn auf einen seiner Leute zu richten.«

Ich warf ihr einen raschen Blick zu, erwiderte aber nur, dass wir den Taser hoffentlich nicht brauchen würden, wenn alles wie geplant verliefe.

May winkte uns nach vorne. Wir schlichen an den unheimlichen Hecken entlang, wobei mein Unbehagen eher noch wuchs, aber der Gedanke an Cyrene, die mit gezücktem Taser hinter mir war, gab mir so viel Sicherheit, dass ich an ihnen vorbei an die Seite des großen Steingebäudes gelangte. An der hinteren Ecke des Hauses war der Schatten eines Mannes zu erkennen, wahrscheinlich die Wache, die darauf wartete, abgelöst zu werden.

»Das ist interessant«, sagte Aisling leise und blieb neben einem Fenster stehen.

»Was?«, fragte ich.

»Das ist ein Bann.« Sie zeigte auf das Fenster und zeichnete eine Form in die Luft. »Ich dachte, Drake würde keinen Bann verwenden, da die Drachen ja im Haus ein und aus gehen müssen. Aber wenn er alle Eingänge mit einem Bann belegt hat …«

»Dann stecken wir in der Scheiße«, beendete Jim den Satz. »Du willst doch für diesen Bann nicht etwa mich verwenden, Ash, oder? Süße? Liebchen? Baby? Das würdest du doch nicht tun, oder? Ich habe doch gerade erst mein Fell so schön hingekriegt. Und wenn ich diesen Bann durchbrechen muss, wird er meine fabelhafte Gestalt zerstören und …«

»Und du wirst dich noch monatelang darüber aufregen. Ja, das wissen wir«, unterbrach Aisling den Dämon und tätschelte ihm den Kopf. »Keine Sorge, ich will den Bann nicht durchbrechen. Dazu bräuchte man drei Dämonen, und wir haben keine Zeit. Huch! Da kommen sie!«

Wir rannten zu der unheimlichen Hecke, als das Rauschen eines Walkie-Talkies sich auf den Drachen an der Hausecke zubewegte.

»Während sie ihren Plausch halten, müssten wir etwa drei Minuten Zeit haben«, flüsterte Aisling.

»Hier entlang.« May verschmolz mit der Dunkelheit, und wir folgten ihr hinter das Haus. Es war stockdunkel, da der Mond gerade wieder einmal hinter den Wolken verschwunden war.

»Auf diesem Fenster befindet sich kein Bann«, sagte Aisling leise. »Hier hinein, meine Damen.«

May und Cyrene leuchteten mit Stablampen, als Aisling unter leisem Gemurmel die Ärmel hochkrempelte und mit dem Schutzzauber rang, der Eindringlinge vom Fenster fernhalten sollte. Nach ein paar Worten trat sie schließlich keuchend einen Schritt zurück. »Okay. Du bist an der Reihe, Ysolde. Gegen die Verwünschung kann ich nichts ausrichten, dafür bist du zuständig.«

»Was ist eine Verwünschung?«, fragte Cyrene ihren Zwilling, als ich beide Hände nach dem starken Zauber ausstreckte, der in die Fensterscheibe eingewoben war.

»So etwas wie ein Bann, aber man benötigt schwarze Magie als Kraftquelle«, antwortete May.

»Aber Ysolde besitzt doch gar keine dunkle Macht, oder? Warum kann sie die Verwünschung brechen?«

»Kann ich ja gar nicht«, erwiderte ich und versuchte, mich auf die Verwünschung zu konzentrieren. »Aber weiße Magie hat auch Macht über schwarze Magie und kann dunkle Zauber auflösen. Ich glaube, ich bin auf dem richtigen Weg, aber sicherheitshalber solltet ihr alle einen Schritt zurücktreten.«

»Zwei Minuten dreißig Sekunden«, sagte May und blickte auf ihre Armbanduhr.

Alle drei Frauen traten zurück in den Schatten, nur Jim blieb neben mir stehen.

Ich blickte auf ihn hinunter.

»Ich habe noch nie gesehen, wie eine Verwünschung aufgelöst wird«, beantwortete er meine unausgesprochene Frage. »Außerdem kannst du mich nicht so einfach in ein Kaninchen verwandeln. Ich bin ein Dämon. Wir nehmen nicht leicht andere Gestalten an.«

Da war etwas dran. Ich schloss die Augen. Die Verwünschung machte meine Fingerspitzen taub, als ich in meinem Kopf nach der Stelle suchte, durch die ich Energie um mich herum abziehen konnte.

Sie war nicht da.

»Eine Minute vierzig Sekunden«, hörte ich Mays Stimme aus dem Schatten. »Du solltest dich beeilen, Ysolde.«

Ich schüttelte meine Hände aus und konzentrierte mich erneut. Ich konnte das. Ich versuchte, mir die bläulich weiß schimmernde Magie in Erinnerung zu rufen und das Glücksgefühl, das es mir bescherte, sie für meine Zwecke zu benutzen. Ich versuchte mich zu erinnern, wie es sich anfühlte, einen Zauber auszusprechen und zu sehen, wie er sich umsetzte, aber ich konnte die Stelle in meinem Kopf, die ich so verzweifelt suchte, einfach nicht finden.

»Verdammt!«

»Eine Minute.«

»Probleme, Soldy?«, fragte Jim und stupste meine Hand an.

»Nein.« Ich biss mir auf die Lippen und zögerte, straffte dann jedoch entschlossen die Schultern. »Los geht’s.«

Ich legte meine Finger auf die Verwünschung und bediente mich an Baltics Feuer, das immer in mir zu schlummern schien. Brüllend stieg es auf, erfüllte mich mit seiner Macht und raste durch meine Adern, bis es auf meiner Haut tanzte. Eine Sekunde lang hielt ich die Verwünschung fest, dann ließ ich die volle Kraft meiner Magie los.

Goldenes Licht blitzte vor mir auf, spiegelte sich im Fenster und blendete mich, als es von der Scheibe abprallte.

»Äh … Ysolde?« Aislings Stimme klang gestresst. »Ich glaube, wir haben ein Problem.«

»Was? Schon wieder ein Kaninchen?« Ich blinzelte zur Scheibe und erwartete beinahe, dass sie sich in ein kleines Fellbündel verwandelt hatte.

»Du liebe Güte!«, keuchte Cyrene. »Ist das … ist das …?«

»Ja, ich bin es«, antwortete Jim resigniert.

Ich fuhr herum, und mir blieb der Mund offen stehen, als ich einen bulligen, dunkelhaarigen, dunkeläugigen Mann erblickte. Einen nackten bulligen Mann. »Jim?«

Der Mann stemmte die Hände in die Hüften. Seine Lippen zuckten säuerlich. »Ich kann euch gar nicht sagen, wie sehr ich die menschliche Gestalt hasse.«