O Leben, schlechter Spaß! O wechselnd Rad der Liebe!

Sie fühlt für mich, was ich für Dich gefühlt.

Was hab ich wachgeküßt der Hoffnung eitle Triebe,

Indeß mein Herz von Qual zerwühlt?

 

»My darling!« seufzt sie leis, die Wimper lustbefeuchtet.

Jaja schon gut, mein interessantes Kind.

Den Dämon kenn ich wohl, der mir im Auge leuchtet

Und der Dein kluges Hirn umspinnt.

 

Nur Liebenswerthe sind's, die je mein Kuß gesegnet,

Kein fades Herz sich mir zu eigen giebt.

Die Liebenswertheste allein, die mir begegnet,

Die Eine hat mich nie geliebt.

 

Die kluge Thörin hat der Liebespfeil getroffen,

Der tiefer sich und immer tiefer bohrt.

Auf meine Küsse mag sie ruhig weiter hoffen,

Mein Herz bleibt ewig ihr umflort.

 

Was soll man eben thun! Man sucht sich zu betäuben

Und damit holla! Alles ist dahin.

Man muß die Motten frisch sich aus dem Aermel stäuben

Und – aus den Augen, aus dem Sinn!

 

Doch wo mein Name tönt in ferner Zukunft Tagen,

Umzittert unsichtbar ein stolz Geheimniß dich.

»Er war mein Freund,« so raunt Dein Herz mit höherem Schlagen.

»Geliebt hat er nur Eine – mich.«

 

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

 

»Nun, wie war der Abschied?« fragte die Wirthin an jenem Abend, als Kathi sinnend und tief ergriffen in der Stube auf und abging.

»O sehr, sehr nett,« versetzte diese hastig mit leidenschaftlich bewegter halb erstickter Stimme. »Er ist solch ein edler Mensch, das muß wahr sein. Und – und ich hab ihn von Herzen gern.« – –

Der edle Mensch saß mittlerweile am andern Nachmittag, als Kathi und die Wirthin letzte Einkäufe in der Stadt machten – Kathi noch immer in inniger bewegter Stimmung, – mit der edlen Mary in einem kleinen Wiener Café, wo er sich früher auch mit Kathi Rendevous gegeben hatte. Kneifer-Mary hatte ihre Wirthin als Schutzgarde mitgebracht, um sich als anständige junge Dame zu präsentiren, und sah sehr blühend und jugendlich aus. Sie stellte ihr »Verhältniß« vor – »Herr..«

»Mein Name ist Hase,« gab er mürrisch zurück. »Manchmal auch Meyer.« Er war äußerst einsilbig und trocken. Marys Anspielungen, daß sie spazieren fahren möchte, fielen auf ganz unfruchtbaren Boden. In dem Glauben, daß nur die Anwesenheit der Wirthin ihn mißstimme, wußte sie dieselbe zu entfernen, nachdem diverse Chokoladen vertilgt waren. Die »Damen« hatten notabene eine halbe Stunde auf ihn warten müssen und er war auch nur erschienen wie er sagte, weil er es versprochen hatte. Mary's Andeutungen, daß sie nur für ihn so weit weg von ihrer Wohnung hierhergekommen sei und obendrein so lange gewartet habe – für keinen Andern – nahm Eduard ebenfalls mit gähnender Gleichgültigkeit entgegen. »Deine Gedanken sind weit weg,« seufzte sie.

»Jawohl,« brummte er finster.

»O ich weiß wohl wo – bei ihr?!« Er antwortete gar nicht. Stumm und zerstreut begleitete er sie bis vor ihr Lokal, kaum darauf achtend, daß verschiedene Vorübergehende auf der Friedrichstraße ihn erkannten und grüßten. Vornehm streifte er ihre Hand, lüftete den Hut und bemerkte gar nicht ihren vorwurfsvollen Blick, als er sich rasch von dannen trollte. Die Profanation dieser Amour nebenher schien ihm doch zum Bewußtsein gekommen.

Sie gefiel ihm und sie liebte ihn. Aber er liebte sie halt nicht.

Und dennoch, von Langeweile und Spleen geplagt kehrte er um neun Uhr Abends wieder in dem Sumpflokal ein, wo sein Erscheinen als »Verhältniß«, in das die närrische Mary verliebt war, Sensation erregte. Sie mußte viel von ihm erzählt haben. Aber nachdem er eine Stunde vergeudet, begab er sich, allen Bitten seiner Verehrerin zum Trotz, nach Hause. – – Um dieselbe Zeit nahm Kathi Abschied von ihrer Wirthin am Lehrter Bahnhof.

» ... Und ja, so wird es denn auch wohl am Ende kommen: Ich werde ihn heirathen. O wie schwer es mir wird, zu gehn, das wissen Sie nicht.«

»Brauchen Sie auch wirklich kein Geld mehr, Kathi?« fragte die gute Wirthin. »Sonst will ich's Ihnen leihen. Sagen Sie mir, ob Sie Geld haben!«

»O wie können Sie mich so beleidigen!« rief sie aus und wurde feuerroth. Es blieb charakteristisch für sie, daß sie es als gröbste Injurie empfand, wenn man sich nach ihren Geldverhältnissen erkundigte. – Kurz vorher hatte sie freilich ihre Wirthin in Verwunderung gesetzt durch eine höchst sonderbare plötzliche Forderung. Sie hatte dieser nämlich, da sie ihr doch die Miethe schuldig blieb, einen Pfandschein als Sicherheit übergeben, der eingelöst werden sollte, wenn sie das nöthige Geld aus Hamburg sende. Nun fing sie auf einmal an. »Ach wissen's, liebe Frau Lämmers, geben's mir lieber den Pfandschein wieder zurück!« Die tüchtige, ehrenfeste, aber welterfahrene Berlinerin rief natürlich stutzig: »Wie so, vertrauen Sie ihn mir nicht an?« Und als Kathi feuerroth fuhr sie heraus: »Nein nein, besser ist besser!«

Sofort begann Kathi vor Wuth zu weinen. »Also auch Sie! daß auch Sie mir mißtrauen!« so ging die Litanei fort, die aber versöhnlich endete.

Nun saß sie also endlich im Coupé. Sie war standhaft und ruhig. Erst als der Zug sich in Bewegung setzte und sie ihr thränenüberströmtes Antlitz zum Fenster hinauswandte, bemerkte man: sie weinte bitterlich.

Was schmerzte sie denn so? Sie wurde ja ihre peinliche Existenz der letzten Zeit los! sie fuhr ja ihrem verführerischen Prinzipal entgegen. Welcher Abschied schmerzte sie denn so bitter?

Eine Stimme in ihrem Innern antwortete. – –

 
Größenwahn
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