KAPITEL 25
Melanie erwachte in einer dunklen, stickigen Zelle. Ihre Gelenke waren gebunden, als sei sie gekreuzigt, die Seile schnitten tief in ihre Haut. Es roch nach Urin, Schweiß, Angst und Schlimmerem.Sie kannte die erwachende Panik, hatte sie bereits einmal gespürt – an einem Ort wie diesem. Doch damals waren es nicht ihre Schmerzen gewesen, nicht ihre Qualen, sondern die ihres Vaters.
„Ich sehe, du bist wach!“ Die Stimme klang direkt hinter ihr.
Melanies Perspektive verschob sich. Wie eine träumende Beobachterin stand sie am Fußende, starrte auf den nackten, gefesselten Xylos und den gepflegten Römer – es konnte nur ein Römer sein – er sah aus wie frisch aus Sofias Geschichtsbüchern geschlüpft.
„Mettelus!“ Xylos Stimme enthielt Abscheu. Er hätte einen Gegner bewundern können, der ihn in einer offenen Schlacht schlug. Niemals aber einen, der sich der Liebe bediente oder der Frau seines Widersachers.
Selbst Melanie schauderte ob des Gesichtsausdrucks des Römers. Er war ein ausnehmend gut aussehender Mann, aber seine Züge waren kalt, seine Attraktivität berechnend und sein Blick grausam. Ein Mann wie er spielte mit seinem Feind, ließ ihn wimmern und zittern, bevor er ihn brach.
„Du bist zu einem hübschen jungen Mann herangewachsen!“ Aus Mettelus Mund klang der Satz wie ein Vorwurf. „Kein Wunder, dass dir alle folgen!“
Die kleine Klinge, die er in der Hand hatte, folgte seinem Blick. Beinahe liebevoll hinterließ er eine blutige Spur auf Xylos linker Wange. Xylos konnte das Blut fühlen, welches ihm warm über die Haut lief und der Schwerkraft folgte. Es war das Einzige, was an ihm warm war.
„Es ist nicht allzu tief, mein Freund, wird dich nicht entstellen.“ Mettelus griff nach einem der Töpfe. „Es sei denn …“
Xylos wusste, was es bedeutete, hatte von der Praktik, Salz in die Wunden der Gefolterten zu streuen, gehört.
„Tu, was du nicht lassen kannst!“, meinte er trotzdem selbstsicher. Diesem Mann würde er keinen Laut gönnen, kein Bitten und kein Flehen. Und keine Schmerzen.
Das Messer wanderte über Xylos Körper. Schnitt und stach, aber nur zum Spaß, ohne größeren oder bleibenden Schaden zu hinterlassen. Es würde erst der Anfang sein.
Xylos gab keinen Laut von sich, auch nicht, als Helena den Raum betrat und fasziniert von dem Schauspiel, das sich ihr bot, stehen blieb. Hätte Xylos doch etwas in ihrem Gesicht gelesen, etwas anderes als Interesse an seinem Leid. Aber da war nichts, keine Spur von Mitgefühl oder gar von Liebe. Dasselbe Interesse hätten andere Menschen einem zappelnden Käfer entgegengebracht, der auf dem Rücken lag, sich nicht mehr drehen konnte, und in der glühenden Sonne um sein Leben kämpfte.
„Verrat mir den Schlachtplan für morgen!“, verlangte der Römer. Xylos wandte endlich seinen Blick von Helena ab und begann zu lachen.
Bei allen Göttern! Er war hier, weil die Römer ihn fürchteten. Nach allem, was sie ihm angetan hatten, fürchteten sie ihn – genug, um ihn nicht in einer ehrlichen Schlacht kämpfen zu lassen, sondern zu einem billigen Betrug zu greifen. Jennifer Schreiner Honigblut
Alexandros würde ihn vertreten, würde seinen Platz einnehmen, und die Soldaten würden kämpfen, als wäre er noch da, würden für ihn kämpfen, und für ein freies, vereintes Makedonien.
„Du kannst einen schnellen Tod haben – oder eine Nacht voller Qual und Leid!“, versprach der Römer. Einen Moment lang verschleierte sich Xylos Blick. Er dachte an sein gesamtes Leben zurück. Eine endlose Folge von Zurückweisungen, Ängsten, Kälte und Hunger, und lachte bitter.
Niemals würde er die einzigen Menschen verraten, denen er etwas bedeutete, die ihre Hoffnungen in ihn setzten!
„Ich nehme die Nacht voller Qual und Leid.“
Mettelus großzügig geformte Lippen verzogen sich zu einem boshaften Lächeln. Offensichtlich hatte er nichts anderes erwartet. „Ich freue mich auf die nächsten Stunden!“
*** Melanie erwachte, als Xylos Schreie ihren Schlaf zerschnitten. Sie wusste, dass er dem Römer keinen Laut gegönnt hatte, aber in seiner Erinnerung hatte der Vampir weniger Kontrolle. Versuchte sich zu wehren, lag aber da wie gebunden, zu keiner Abwehrbewegung mehr fähig.
„Xylos?!“ Sie berührte ihn, erntete aber nur ein neuerliches Stöhnen des Schmerzens. Als hätte sie ihn versengt.
„Bitte!“ Sie konnte hören, wie ihr Tonfall drängender wurde. Und unvermittelt wurde sie in die Vision seiner Erinnerung zurückgezogen …
*** Das, was auf dem Tisch lag, erinnerte nur noch von der Gestalt her an einen Menschen, nicht mehr an den gut aussehenden Führer einer Nation. Er schien eine einzige klaffende Wunde zu sein und hatte mehr Blut verloren, als Melanie für menschenmöglich gehalten hatte.
Trotzdem gab Xylos keinen Laut von sich, antwortete auf keine der Fragen, die Mettelus ihm stellte, ja schien selbst die Anwesenheit des Römers mit völliger Nichtachtung zu strafen.
Als die Tür sich ein weiteres Mal öffnete und abermals Helena eintrat, versuchte Xylos seinen Kopf anzuheben, um seine geliebte Verräterin besser sehen zu können.
Sie zuckte nicht zusammen, gab mit keiner Miene zu verstehen, dass sein Anblick sie schockierte oder überhaupt berührte. Nur vage Faszination lag in ihrem Blick, als sie näher trat.
„Sie ist der einzige Grund, warum du noch beide Augen hast, mein Freund!“ Mettelus Stimme war höhnisch. Grausame Befriedigung lag in ihr, und sie war verheerender als sein Messer, sein Feuer und das glühende Metall.
„Weißt du, es war nicht schwer, Helena zu überzeugen, dass ich der richtige Mann für sie bin!“ Der Römer trat hinter die schöne Frau und strich ihre Tunika so zur Seite, dass Xylos Mettelus‘ Hand auf der Brust seiner Frau sehen konnte.
Helena quittierte die Berührung mit einem leidenschaftlichen Seufzer. Jennifer Schreiner Honigblut
„Und sie ist gut, findest du nicht auch?“ Mettelus knetete ihren Busen, bis Helenas Seufzer tiefer wurden, fordernder. Xylos stöhnte leise. Der erste Laut, der ihm entkam, und der all seine Qualen preisgab.
„Mach dir nichts draus, mein Freund! Du bist nicht der erste Mann, der dem süßen Gift einer Frau erliegt, und du wirst nicht der letzte sein. Sie hat schnell begriffen, dass ich mehr Geld, mehr Einfluss und mehr Macht habe als du – und sie hat sich den Zeichen der Zeit angepasst!“ Metellus drückte sich dichter an Helena. Rieb seine gut sichtbare Erektion an ihr.
„Sie ist wunderschön, nicht wahr?“ Die Stimme des Römers hatte ihren grausamen Klang verloren, spiegelte Leidenschaft und Gier wieder. Eine Gier, die sich auch auf seinem Gesicht abzeichnete, und die Helena zu spüren schien, denn sie griff nach seiner Erektion und rieb ihre Handfläche fordernd über sie.
Als Mettelus‘ Helenas Gewand zu ihren Hüften hochschob und sich hinter ihr platzierte, war Xylos nicht überrascht. Sein Herz war bereits zu einem Häufchen Asche versengt, auch wenn sein Verstand immer noch schrie, und seine Emotionen gegen den Verrat protestierten.
Während er sich in Xylos‘ Frau versenkte, hielt Mettelus Xylos‘ Blick gefangen. Offensichtlich war er mehr als erfreut über den Schmerz, den er in den Augen seines Gegners sah. Einen Schmerz, der sich durch die Seele zog bis auf den Grund von Xylos‘ Wesen.
Nur mühsam widerstand Xylos dem Drang, an den Fesseln zu zerren und zu kämpfen, um das zu kämpfen, was er einmal geliebt hatte und jetzt so sehr hasste. Er wollte Helena töten, sie vernichten, so wie sie ihn vernichtet hatte mitsamt der Hoffnung seines Volkes auf Freiheit. Und wenn es das Letzte war, was er auf Erden tat!
Helena begegnete Xylos Blick ungerührt, während Mettelus Penis in sie hinein- und hinausglitt. Ihr Gesicht war hochmütig, bar jeglicher Leidenschaft, während ihr Mund Töne von sich gab, die von höchster Lust zeugten.
Gespielt! Alles nur gespielt! Xylos schauderte.
Das Klatschen von Mettelus Hoden gegen Helenas Geschlecht verursachte ihm Übelkeit. Nie hatte er den Sex zweier Menschen als so primitiv empfunden, so bar jeglicher Schönheit.
Helena kreischte vor Wonne, als sie spürte, wie Mettelus Stöße härter wurden, tiefer und rücksichtsloser. Ihre kalten Augen verrieten nichts von ihren Gedanken, als sie ihre Fingernägel in die römischen Hände grub, die ihren Busen hielten und ihrer Kehle ein heiseres Seufzen entrang.
Mettelus warf seinen Kopf nach hinten als er kam und seinen Samen in die Frau eines todgeweihten Mannes hineinpumpte.
Sekunden später hatte er sich von ihr zurückgezogen und hielt Helena im Nacken wie ein junges Kätzchen. Präsentierte ihre aufwühlende Nacktheit seinem Gefangenen wie eine gewonnene Trophäe, die Neid erwecken sollte.
„Möchtest du sie?“ Helena gab einen protestierenden Laut von sich, doch Mettelus unterband jedweden Protest durch ein Schütteln. „Noch ein letztes Mal?“
Er gab Helena einen Schups in Xylos Richtung.
„Tanz für ihn! Tanz für ihn so wie bei deinem Betrug!“, forderte der Römer. Herablassung und Arroganz mischten sich unter seine Gier. Jennifer Schreiner Honigblut
Helena kam seiner Aufforderung nach. Erst langsam und unbeholfen, dann richtete sie sich auf, als erinnerte sie sich an ihre Ausbildung zur Hetäre. Ihre Bewegungen wurden anmutiger, bis sie wieder die verführerische Liebhaberin aus Xylos Traum war.
Sanft und sinnlich bewegte sie sich zu einem Klang, den nur sie hören konnte, verwob eine Melodie aus ihrer Fantasie in ihren Körper und verlieh jeder Note eine Bedeutung. Ihre fließenden, verführerisch weiblichen Bewegungen waren dieselben wie am Abend zuvor. Ob in einem Palast, einem Kriegszelt oder einer Folterkammer. Sie ließen Hintergründe und Orte verblassen, stellten Gefühle in den Schatten und machten die Vergangenheit ungeschehen – beinahe.
Xylos ärgerte sich, dass er sie immer noch begehrte. Er liebte sie nicht mehr, er hasste sie, war bereit, sie zu töten, aber er wollte sie immer noch. Er konzentrierte sich auf seine Wut und seinen Abscheu.
Nach Minuten verharrte Helena und warf jemandem, wahrscheinlich Mettelus, der immer noch reglos in einer Ecke stand, von den Schatten beinahe verdeckt, einen Blick zu. Xylos folgte ihrem Blick nicht, sondern starrte sie weiterhin an.
Doch der Römer musste ihr ein Zeichen gegeben haben, denn sie kam näher und beugte sich über ihn. Ihr Geruch übertönte für Sekunden den metallischen Geschmack in Xylos Mund und weckte Erinnerungen, zog sie in den Schmutz und verhöhnte seine Liebe.
„Bist du heute nicht bereit, Liebling?“ Helenas Stimme war ein sanftes Gurren. So, als habe sie vollstes Verständnis für seine Situation.
„Wir wollten Kinder!“ Xylos konnte die Worte nicht zurückhalten, die letzte Hoffnung, die ihm geblieben war.
„Nein, Liebling!“ Helena richtete sich auf. „DU wolltest Kinder. Ich wollte nie Bälger haben!“ Ihr Tonfall war eindeutig und von Abscheu geprägt. „Meinen Körper ruinieren und mein Leben aufgeben? Hast du wirklich gedacht, ich würde DAS für DICH tun?“
Der Blick, mit dem sie ihn bedachte, war voll Verachtung, während sein letzter Wunsch zu Scherben zerfiel. Er hatte Kinder gewollt. Immer, seit er denken konnte. Hatte sich gewünscht, selbstlos geliebt zu werden und selbstlos zu lieben – um seiner selbst willen. Hatte gehofft, ihnen einmal ein besseres Leben bieten zu können, als er selbst gehabt hatte und hatte gedacht, mit Helena die richtige Frau für seine Träume gefunden zu haben.
Xylos wusste, dass der Römer es gewusst haben musste, wusste, dass es zu spät war, seine Erschütterung und sein Leid zu verbergen, und gab sich eine weitere Blöße: „Warum hast du mich verraten? Ich habe dich geliebt!“
Helena lachte spöttisch. „Liebe, Liebe! Ihr immer alle mit eurer Liebe. Es ist Lust, die ihr empfindet, Geborgenheit in den Armen eines Partners. Doch was bleibt, wenn die Sicherheit weg ist?“ Ihr Lachen wurde schrill, klang ein wenig hysterisch. „Nichts bleibt dann!“
„Wieso hast du mich verraten?“ Wieso hast du ganz Makedonien verraten?, wollte er schreien. All die Freunde, Menschen, die ihm vertrauten und ihr.
„Du hättest verloren!“ Helenas Gesichtsausdruck wirkte ebenso determiniert, wie ihre Stimme klang. „Niemals hättest du gegen Rom gewonnen. Und glaub mir, ich weiß, was mit den Frauen des unterlegenen Volkes geschieht.“
„Also hat sie sich mir lieber freiwillig angeboten und sich genug Geld für den Rest ihres Lebens verdient“, meinte Mettelus und betrat Xylos eingeschränktes Sichtfeld. Er Jennifer Schreiner Honigblut hielt ein Messer. Xylos wappnete sich und stellte sich auf neue Schmerzen ein. Doch zu seiner Überraschung schnitt der Römer ihn frei.
Auch Helena schien verblüfft.
Xylos versuchte sich zu bewegen, doch es klappte nicht. Seine Muskeln und Sehnen schmerzten, als sein Körper sich weigerte, dem Befehl seines Gehirns Folge zu leisten. Den Dolch, den Mettelus ihm in die Hand drückte, sah Xylos lange an, ohne sich rühren zu können.
„Wenn du die Hure nicht ficken willst, dann ist dein Wunsch ein anderer!“, flüsterte der Römer grausam. „Töte das Weib – dann sind wir beide miteinander fertig.“
Xylos Blick wanderte zwischen Mettelus und Helena hin und her. Helena wirkte schockiert, schien nicht glauben zu können, wie grausam Mettelus war, und welche Meinung der Römer in Wirklichkeit von Verrätern hatte.
Als Xylos sich schließlich unter Aufbietung all seiner Kräfte aufsetzte, ein blutiges Bündel Wunden, wurde ihr Blick flehend. Sie schien zu ahnen, dass ihr Mann im Angesicht seines Todes mehr Kraftreserven aufbringen würde, als sie bekämpfen konnte.
Xylos zögerte. Helena hatte ihn hintergangen, ihn betrogen und zerstört. Ihn mit Liebe – seiner eigenen Liebe – mehr zerstört, als es ein Feind jemals gekonnt hätte. Er hätte die Schmerzen ertragen können, die Kreuzigung, aber nicht das hier.
Doch er konnte sie verstehen. Trotz allem gab es einen Teil in ihm, der Mitleid mit ihr hatte und wusste, warum sie es tat. Sie hatte eine ähnliche Kindheit gehabt wie er, ein ähnliches Leben, auch er hätte so enden können: Als Verräter.
„Ich töte dich nicht, Helena, weil ich einmal etwas für dich empfunden habe – etwas, was ich noch nie für eine Frau empfunden habe und niemals wieder für eine empfinden werde. Ich habe dir vertraut!“
„Sehr nobel und so völlig nutzlos!“, murmelte Mettelus, bevor seine Faust Xylos Gesicht traf. Jennifer Schreiner Honigblut