KAPITEL 16
Maeve starrte in das Wasser und versuchte sich an ihr letztes Bad zu erinnern. Es gelang nicht.Wenn sie die Augen schloss, sah sie nicht die moderne Technik, nicht die Badanlagen und sich selbst nicht als Vampir. Die Königin versuchte den aufkommenden Schmerz zu unterdrücken, den die Visualisierung mit sich brachte. Sie selbst als kleines Kind beim Bad in einem Tümpel, ihre Schwester Morna, die versuchte, ihre langen roten Haare zu entwirren.
Wie alt mochten sie damals gewesen sein? Wie alt war sie jetzt? Sie konnte sich nicht mehr erinnern. Nicht einmal mehr daran, wann sie gelebt hatte – oder wo.
„Ist es vorher schon so gewesen?“ Sie drehte sich um und überraschte Hasdrubal, der seinen eigenen Erinnerungen nachgehangen hatte, mit ihrer Frage.
„Was genau?“
„Konnte ich mich auch früher nicht erinnern?“ Als Hasdrubal schwieg, fügte Maeve hinzu. „Ich weiß nichts mehr. Meine erste Erinnerung ist der Schmerz meiner Wiedergeburt als Vampir.“
Die Vampirin ließ ihre Hand in ihr Badewasser gleiten und strich dicht über der Oberfläche durch das feuchte Nass. Die Temperatur war perfekt.
„Meine Königin?“ Hasdrubal starrte auf den schlanken Rücken vor sich. Maeve war so schmal und klein, und doch hatte sie alle Schwäche mit einem Schlag verloren, als ihre Schwester gestorben war. Mornas Tod schien ihr die Kraft zu geben, die lange Jahrhunderte verschwunden gewesen war.
Vielleicht traten jetzt die späten Nachwirkungen auf. Von Mornas Zauber, der wahrscheinlich Maeves Wahnsinn verursacht hatte. Zu gerne hätte Hasdrubal erfahren, was in der Nacht in Edwards Tempel geschehen war. Wie und warum Morna tatsächlich ums Leben gekommen war. Und wie Maeve den Verlust ihrer Schwester überlebt und gleichzeitig den Wahnsinn abgeschüttelt hatte. Doch er fürchtete sich vor der Antwort.
„Habe ich in all der Zeit je gebadet?“ Maeves Stimme klang verloren, und für Sekunden fürchtete er, ihre geistige Umnachtung würde zurückkehren. Wäre es nicht besser für uns alle?
Unter Maeves nachdenklichem Blick fühlte er sich schuldig. Und das, obwohl er wusste, dass weder seine Ablehnung, seine Wut über ihre Gesundheit und ihr Leben in seinem Gesicht oder in seiner Körperhaltung zu erkennen war.
„Ich lasse dich jetzt alleine!“ Er musste sich Mühe geben, seine Stimme neutral zu halten. Ihre Verletzlichkeit raubte ihm die Nerven, und ließen ihn an seiner Wut zweifeln, die er in all den Jahrhunderten aufrechterhalten hatte. Nur ihr Wahnsinn hatte seine Zweifel an ihrer Schuld gemildert.
Es hatte immer ein „Vielleicht“ gegeben. Ein „Vielleicht“, das durch ihre neue Stärke nicht mehr gegeben war. Jetzt war sie nur noch eine mächtige, schöne Frau, die über Leichen ging, notfalls auch über die Leichen der Menschen, die sie liebten.
„Danke, Hasdrubal!“ Maeves melodiöse Stimme verfolgte ihn, während er den Raum verließ und nicht zurückblickte.
Maeve zündete die Kerzen an, die sie für diesen Zweck extra hatte holen lassen. Die Flammen schmeichelten dem Blick und erinnerten sie auf eine sehr subtile Art daran, wie wichtig Feuer früher gewesen war. So wichtig, dass es sie bereits ohne das Wasser Jennifer Schreiner Honigblut entspannte und ihr ein Gefühl von Sicherheit gab, wie sie es nicht mehr gespürt hatte, seit Julius tot war.
Feuer war real, vielleicht das Realste, was es für sie gab.
Obwohl sie sich kindisch vorkam, stellte sie zusätzlich die Dusche an. Das fließende Wasser war die einzige Möglichkeit, die Vampire in ihrer Umgebung auszublenden. Nicht dauernd Stimmen zu hören, während sie sich zu erinnern versuchte. So blieb der Raum frei von fremden Schwingungen und Empfindungen.
Erst nachdem die Königin mit dem Licht und der Stimmung zufrieden war, entledigte sie sich ihres Kleides und machte den ersten Schritt in die Badewanne.
Herrlich! Sie schloss die Augen, um sich voll und ganz auf das Wasser zu konzentrieren. Es prickelte auf ihrer Haut und trug ein Versprechen mit sich, an welches sie nicht mehr geglaubt hatte. Frieden – Zufriedenheit.
Sie zog das andere Bein hinterher, stellte sich erst hin, genoss das Gefühl – die nasse Berührung ihre Haut – bevor sie sich langsam hinsetzte und schließlich untertauchte.
Lachend tauchte sie wieder auf und lehnte sich zurück.
Das Wasser hatte eine Temperatur, die sie an einen Liebhaber denken ließ, an Leidenschaft und Lust, an sanfte Berührungen und forschende Finger. Ihr Lachen ging in ein Kichern über, als sie daran denken musste, wie sie Julius zum ersten Mal geliebt hatte.
Wenn man wirklich liebt, ist es anders. Nicht mehr forsch und nehmend, sondern sanft und gebend – vorsichtig, bis man weiß, was der andere mag. Maeve ließ ihre Hände über ihren Körper gleiten. Spürte sich mit derselben Intensität wie an jenem Tag. Unbewusst ahmte sie seine Streicheleinheiten nach, die Art und Weise, wie er sie liebkost hatte; ließ ihre Fingerspitzen über die empfindsame Haut flattern, durch ihre Haare, strich über ihren Hals nach unten und über ihren Busen. Sanft rollte sie ihre Brustwarzen zwischen Daumen und Zeigefinger, reizte sie, bis sie sich verhärteten und keck nach oben zeigten, um dann den Weg weiter nach unten zu nehmen.
Ihre Rechte glitt zwischen ihre Schenkel, während die Linke zurück zu ihrem Busen glitt, der sich nach Berührung zu sehnen schien. Ihre Finger spielten gleichzeitig mit ihrer Klitoris, strichen über die Spitze ihrer Brustwarze, bis sie sich verrucht und leidenschaftlich vorkam.
Maeve ließ einen Finger in sich hineingleiten, genoss die seidige Enge, die sich verlangend um ihn schloss und reizte ihre Klitoris weiterhin mit dem Daumen. Ein kleiner Verrat an der Liebe. Der visuelle Schock traf sie dann unvorbereitet. Julius tauchte direkt vor ihrem inneren Auge auf. Ebenso verlockend wie vor Jahrhunderten.
Die Lust nach ihm drohte sie zu überwältigen. Mit jeder ihrer Berührungen, mit jedem ihrer neckischen Kneifer steigerte sich das Verlangen nach seinem Körper, nach seiner Fülle. Doch er war tot, würde sie nie wieder anfassen, ihr nie wieder Ekstase verschaffen können.
Bittersüße Verzweiflung schloss sich um die Königin. Sie war dankbar, wieder Verlangen und Emotionen empfinden zu können, verzweifelt, weil Julius nicht mehr da war und wütend auf ihn, weil er ihr Vertrauen und ihre Liebe missbraucht hatte.
Widerwillig verdrängte sie ihre Erinnerung an ihn, lenkte sie auf reine Körperlichkeit – wie um ihm nachträglich eins auszuwischen, und um sich weiter von ihm lösen zu können.
Ein Wachsschaft wird diesen Zweck erfüllen! Jennifer Schreiner Honigblut
Mit einer Mischung aus Verärgerung und Lust griff Maeve nach einer der langen, brennenden Kerzen und löste sie aus dem Ständer, führte den brennenden Schaft über das Wasser, an die Position, an der sie selbst lichterloh in Flammen stand und hob die Hüfte an.
Während der wächserne Schaft zwischen ihre Schamlippen glitt, tanzte die Kerzenflamme knapp oberhalb des Wasserspiegels und sorgte dafür, dass die Beleuchtung, die ihrem Körper schmeichelte, überirdisch wurde.
Die Bewegungen des Schaftes reizten und neckten ihre Klitoris, während sie mit Kniffen ihre Brüste stimulierte. Die Hitze in ihr spiegelte das flackernde Feuer oberhalb des Wassers wider, erfasste ihren gesamten Körper und schrie nach mehr.
Maeve blies die Kerze aus, bevor sie den Docht unter Wasser tauchte, und die Kerze tief in sich aufnahm. Mit gleichmäßigem Rhythmus massierte sie die Innenseite ihrer Vagina, umkreiste mit der anderen Hand den einen Punkt, an dem sich all ihre Hitze ansammelte, ausstrahlte und vor Verlangen pochte.
*** Sofia hörte dem aufgeregten Telefonat zu, das Xylos mit Hasdrubal führte, seiner Schilderung von dem Kampf mit Nemesis, den Gedanken, die der Vampircallboy über seinen unbekannten Verfolger äußerte, der Idee, es könnte sich um einen Insider, einen der Schatten handeln – und schließlich seinem Plan, wie Nemesis oder der Informant gefasst werden könnte, wenn Xylos den Lockvogel spielte.
Erst als der Vampir aufgelegt hatte und sein Handy ausschaltete, wagte sie die Frage zu stellen, die ihr bei den Überlegungen zu Xylos mysteriöser Gespielin eingefallen war: „Was ist mit Fee?“
„Was soll mit Fee sein?“ Der Callboy wirkte perplex, als ein Name fiel, dessen Besitzerin er schon aus seinem Gedächtnis gestrichen hatte.
„Ist sie deine Vampirin?“
Xylos zuckte bei dem Wort „deine“ unmerklich zusammen, schüttelte aber energisch den Kopf. „Fee für die Ewigkeit? Nein, danke!“
Doch so schnell wollte Sofia ihre Idee nicht aufgeben. „Bist du dir denn sicher, dass es ein Vampir war, der dich verfolgt hat, kein Mensch?“
„Ich bin nicht blöde – nur käuflich!“
Sofia ignorierte die Bemerkung Wahrscheinlich werde ich erwachsen!, und quetschte ihr Gegenüber weiter aus. „Könnte Fee dein Vampirstalker sein?“
Xylos überlegte einen Moment, dachte an Fees derzeitigen Vampirgeliebten, an seine Reputation und kam zu einer Entscheidung: „Gorgias würde niemals eine Frau in einen Vampir verwandeln – nicht ohne Maeves Erlaubnis.“
„Du doch auch nicht!“, konterte Sofia mit einem Hauch Bosheit. „Liebe lässt uns manchmal merkwürdige Dinge tun.“
„Ich bin nicht verliebt!“, fauchte Xylos. „Ich bin nur …“
„Gierig?“, schlug Sofia hämisch vor. „Der große und unersättliche Callboy Xylos verwandelt eine Frau in einen Vampir, bricht das wichtigste Vampirgesetz und irgendwie auch seinen Schwur und hat nicht einmal eine charmante Ausrede parat?“
Xylos schluckte die uncharmante Entgegnung, bevor sie seinen Mund verlassen konnte. Jennifer Schreiner Honigblut
Er liebte Melanie nicht. Punkt. Würde sie niemals lieben. Punkt. Wollte niemals wieder eine Frau lieben. Punkt. Trotzdem war er dankbar, dass Sofias Handy in diesem Moment zu vibrieren begann und die Vampirin ablenkte.
„Ja!“ Sie hörte einen Moment lang zu, während der Callboy versuchte, anhand ihres Gesichtsausdrucks zu bestimmen, worum es ging.
„Bist du dir sicher, dass sie sich versteckt?“
„Sie wäre dumm, wenn sie es nicht täte. Und Magnus bekommt bestimmt keine dumme Tochter!“
Sofia gluckste leise. „Vermutlich eher eine Intrigantin! – Allerdings ist sie ein Mensch und vielleicht beim Einwohnermeldeamt gemeldet.“
„In welcher Stadt und unter welchem Namen?“
„Woher soll ich das wissen? Suche ich die Perle, oder du?“
„Das ist deine Hilfe?“, neckte Xylos leise und lieferte sich ein Blickduell mit der Vampirin.
„Wer ist bei dir?“ Joel klang argwöhnisch.
„Xylos.“
„Ah … Mr. Abstinent!“
Manche Dinge sprechen sich einfach zu schnell rum! Xylos verzog das Gesicht, verdrehte die Augen und verlor das Blickduell.
Insgeheim schmunzelte Sofia. Wer auch immer die geheimnisvolle Frau war, die Xylos auf gar keinen Fall liebte, aber zur Vampirin gemacht hatte, sie würden sicherlich noch einige Zähmungsversuche hinter sich bringen, bevor Xylos auch dieses Duell verlor.
*** Hasdrubal war müde, sehnte sich danach, dass die Nacht endlich endete und er schlafen konnte. Am besten alles schnell hinter mich bringen! Trotzdem zögerte er kurz an der Badezimmertür und sammelte sich, wappnete sich für den Anblick, der sich ihm bieten würde. Lange Zeit hatte er bei Maeves Anblick nichts empfunden, nicht einmal Mitleid, doch schon allein das Plätschern der Dusche und der Vanilleduft der brennenden Kerzen versetzte seine Emotionen in Aufruhr. Hass oder Liebe. Liebender Hass, hassende Liebe, eine wilde Mischung, die sich nicht zuordnen ließ und zu beiden Seiten gleich stark ausschlug.
Wie immer öffnete er die Tür ohne anzuklopfen. Maeve vertraute ihm, hatte nie Geheimnisse vor ihm gehabt – nicht einmal das Geheimnis ihres Körpers.
Jetzt erstarrte der Vampir reglos in der Tür, seine Mattigkeit zerschellte in tausend Einzelteile. Seine Königin hatte ihn nicht gehört, konzentrierte sich nicht auf ihre Abwehr und ihre Umgebung. Aus den bisherigen Erfahrungen wusste Hasdrubal, dass beides nicht notwendig war; Maeves Körper schützte sie auch ohne ihr Zutun.
Aber ihr Anblick überraschte ihn vollkommen. Die Königin lag mit dem Gesicht der Tür zugewandt, ihre Augen geschlossen, ihr Gesichtsausdruck andächtig, und wie von allein glitt Hasdrubals Blick über ihren Körper; über den kleinen, festen Busen, dessen Warzen keck nach oben gerichtet waren, hinab über die hinreißend schmale Taille und über ihre endlosen Beine bis zu ihren perfekten, rot lackierten Fußnägeln. Jennifer Schreiner Honigblut
Hasdrubals Blick glitt zurück. Maeves Knie ragten aus dem Wasser, und ihre Schenkel waren weit genug gespreizt, um ihm einen herrlichen Anblick zu verschaffen.
Der Schaft der Kerze glitt zwischen ihre Schamlippen, in sie und wieder hinaus, verschaffte seiner Königin Verzücken und ließ ihren vollkommenen Körper beben.
Wut und Verlangen tobten durch Hasdrubal. Seit Jahrhunderten war Maeve Tabu für ihn. Seit dem Tag, an dem sie ihren Gefährten gewählt hatte. Niemals hätte er seinen Bruder um seine Geliebte betrogen, nie versucht, ihm wegzunehmen, was er liebte.
Immerzu hatte er gehofft, es sei Julius Tod gewesen, der die Vampirkönigin in den Wahnsinn getrieben hatte, all die Jahrhunderte hatte Hasdrubal seine Loyalität auf Maeves Liebe zu seinem Bruder aufgebaut, doch nun war sie wieder gesund – und Julius immer noch tot.
Obwohl der Hass in Hasdrubal brannte wie nie zuvor, war seine Leidenschaft feuriger und verheerender, warf seinen klaren Verstand über Bord, seine Moralvorstellungen und seine Regeln. Er wollte Maeve zur Hand gehen, ihren Körper in Besitz nehmen und sie für all das bestrafen, was sie seinem Bruder versprochen und nie gehalten hatte.
Sie öffnete die Augen. Hasdrubal drehte sich um und verließ fluchtartig den Raum. Jennifer Schreiner Honigblut